Protokoll der Sitzung vom 21.04.2009

Die höchste Neuverschuldung, die es bisher gab, lag bei knapp 2 Milliarden c. Die FDP wird sich freuen, denn sie war damals bei dem Rekord dabei, und jetzt ist sie wieder bei diesem Rekord dabei – bei diesem Verschuldungsrekord.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzminister,im Jahr 2008 hatte Hessen das höchste Defizit aller Bundesländer. Meine Damen und Herren, Sie sagen immer, daran sei der Länderfinanzausgleich schuld.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Das ist aber nicht der Fall. Bayern hat sogar mehr und Baden-Württemberg hat genauso viel wie Hessen in den Länderfinanzausgleich eingezahlt – aber Baden-Württemberg hat im Jahr 2008 einen Überschuss von 1,36 Milliarden c erwirtschaftet. Damit ist der Beweis erbracht, dass kein Zusammenhang zwischen der Zahlung eines Landes in den Länderfinanzausgleich und dessen Neuverschuldung besteht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, der Finanzminister macht große Sprüche über einen Haushalt ohne Neuverschuldung nach seiner Amtszeit. Das ist bizarr: Seine Versprechungen sollen eingelöst werden, wenn er nicht mehr regiert. So ist es heute, und so war es die ganze Zeit.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, alle Versprechungen von CDU und FDP zum Haushaltsausgleich im letzten Landtagswahlkampf waren reine Wählertäuschungen.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch des Abg. Mi- chael Boddenberg (CDU))

Vor der Wahl haben Sie für das Jahr 2011 einen ausgeglichenen Haushalt versprochen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Lug und Trug!)

Ich zitiere:

Gerade diese Krisenzeiten müssen dazu genutzt werden, die erforderlichen Vorkehrungen dafür zu schaffen, um bei wieder einsetzender wirtschaftlicher Belebung schnell eine durchgreifende Besserung der Finanzlage des Landes zu realisieren.

Das sage nicht ich, sondern das sagt Finanzminister Weimar in einer Pressemitteilung vom 24. März 2009. Herr Finanzminister, daran gemessen ist Ihr Haushaltsentwurf ein Totalversagen der Landesregierung – selbst an Ihren eigenen Maßstäben gemessen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Sicherlich sind die Handlungsmöglichkeiten eines Finanzministers auf der Einnahmenseite beschränkt. Aber ich habe gerade auf Fehlentwicklungen in Hessen beim Wirtschaftswachstum und bei der Arbeitslosigkeit hingewiesen. Hinzu kommt die mangelnde Dynamik Hessens in vielen Bereichen, wie viele Studien und Untersuchungen gezeigt haben – ob es beim Einsatz erneuerbarer Energien oder bei der Bildungspolitik ist. Herr Kollege Milde, das wirkt sich natürlich auf die Einnahmenseite des Landes Hessen aus. Nicht ohne Grund sagt der Finanzminister, Hessen habe niedrigere Steuereinnahmen als andere Bundesländer. Herr Finanzminister, das hängt damit zusammen, auch wenn das nicht die alleinige Ursache dafür ist. Aber eine der Ursachen ist, dass wir an Dynamik verloren haben. Das sehen wir beim Wirtschaftswachstum und bei der Entwicklung der Arbeitslosigkeit, und wir werden das leider auch bei der Höhe der Steuereinnahmen sehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Innovative Energieunternehmen gehen in andere Bundesländer – nämlich dorthin, wo ihre Arbeit unterstützt und nicht, wie in Hessen, behindert wird. Das ist eines der Beispiele, die wir hier anführen können.

Wenn wir über die Einnahmenseite reden, dann müssen wir beispielsweise auch über die Wiedereinführung der Vermögensteuer reden. Dafür müssen wir kämpfen.

(Zurufe der Abg. Michael Boddenberg, Dr. Walter Arnold und Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Man könnte auch bei dem in der Großen Koalition zwischen CDU und SPD noch bis heute Morgen umstrittenen Steuerfluchtgesetz eine andere Position einnehmen. Meine Damen und Herren, all das würde die Einnahmenseite verbessern.

Das alles aber will die CDU nicht. Dann aber gehört es sich für die CDU auch nicht, sich immer nur über die Einnahmenseite zu beklagen.

Herr Kollege Schmitt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr.Arnold?

Wenn es kurz ist.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Der Arnold kann sich kurz fassen!)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmitt. Ich möchte nur sicherstellen,dass ich Sie eben richtig verstanden habe:Fordern Sie die Wiedereinführung der Vermögensteuer? In Berlin hat Ihre Partei doch jüngst anders entschieden.Das ist ein Widerspruch, den ich nicht verstehen kann.

Sie sind ausrechenbar. Meine Damen und Herren, ich hätte eine hohe Summe darauf gewettet, dass an dieser Stelle diese Zwischenfrage kommt.

(Zuruf des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich will Ihnen Ihre Frage beantworten: Bei uns funktioniert die innerparteiliche Demokratie.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich bin einmal gespannt, wie am Ende die Beschlussfassung über diesen Programmentwurf aussehen wird. Ich bin sehr stolz darauf, dass beispielsweise der Kollege Poß aus Nordrhein-Westfalen gesagt hat,eigentlich müsste das mit in diesem Programm stehen. Das werden auf jeden Fall noch spannende Wochen. Wir von unserer Seite her werden auf jeden Fall dieses Thema einbringen. Wir halten die Vermögensteuer auch aus Gründen der Steuergerechtigkeit für einen richtigen Weg. Herr Kollege Dr. Arnold, nochmals danke schön also für diese Zwischenfrage.

(Michael Boddenberg (CDU): Also ist Herr Steinmeier ungerecht?)

Da wir aber gerade dabei sind und Sie auf Berlin verwiesen haben: Wir haben gerade ein Wahlprogramm „Sozial und demokratisch – Anpacken für Deutschland“ verabschiedet. Sie sollten endlich einmal für Hessen anpacken.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Mit oder ohne Vermögensteuer?)

Wir haben in unserem Wahlprogramm formuliert, dass wir in und nach dieser Wirtschaftskrise unbedingt einen solidarischen Leistungsausgleich brauchen. Denn die Bewältigung dieser Finanz- und Wirtschaftskrise verlangt unserer Gemeinschaft enorme Lasten ab. Die öffentlichen Haushalte werden zu Mehrausgaben gezwungen und haben Mindereinnahmen zu verkraften. Der Finanzminister hat das eben dargestellt.

Während die Ursachen dieser Krise in erster Linie im unverantwortlichen Handeln von Finanzmanagern liegen und die Vermögenden von diesem Fehlverhalten auch noch profitiert haben,hat die Allgemeinheit die Kosten zu tragen. Deswegen brauchen wir wenigstens einen teilweisen Ausgleich der Lasten, einen solidarischen Lastenausgleich. Dazu gehört – und das finde ich in diesem Programmentwurf sehr gut formuliert – beispielsweise eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, auch um damit Bildungsinvestitionen zu finanzieren. Deswegen brauchen wir auch die Börsenumsatzsteuer. Ich weiß, da kommt gleich der Zwischenruf: „Ist das nicht gefährlich?“ – Wir können uns da an der britischen Stempelsteuer orientieren.

(Widerspruch des Abg. Leif Blum (FDP))

Die ist dort schon seit sehr vielen Jahrzehnten eingeführt.

Ich finde,die CDU sollte endlich einmal ihren Widerstand dagegen aufgeben, dass wir die Steuerhinterziehung richtig bekämpfen und Steuerschlupflöcher schließen. Deswegen steht als Nächstes die Frage an, die bis heute Morgen zwischen CDU und SPD auf Bundesebene strittig debattiert worden ist. Übrigens: Welche Haltung nimmt die Hessische Landesregierung dazu ein, ob wir es zulassen, dass sich weiterhin Länder als Steueroasen darstellen und ihren Informationspflichten nicht nachkommen, und ob dann, wenn das geschieht,nicht bestimmte Sanktionen für Steuerpflichtige eingeführt werden, die dort Geld angelegt haben? Wir müssen es herbeiführen, dass in solchen Fällen geeignete Sanktionen gegen Steuerpflichtige verhängt werden. Ich glaube, auf diese Weise werden wir das sehr erhebliche Steuerausfallvolumen, das durch diese Steueroasen entsteht, eindämmen können.

Meine Damen und Herren, befassen wir uns nun aber näher mit der Ausgabenseite. Die kann sicherlich stärker als die Einnahmenseite von der Landesregierung bestimmt werden. Das dürfte unstreitig sein – auch wenn es, wie gesagt, Möglichkeiten gibt, die Einnahmenseite zu verbessern.

Schauen wir uns den zur Beratung vorliegenden Haushaltsentwurf an. Die Ausgaben steigen, und zwar nach – das ist mir wichtig – Abzug von LFA und KFA. Nach der Bereinigung um diese Posten steigen die Ausgaben um rund 1 Milliarde c. Von einem zum anderen Jahr gibt es eine Steigerung um 1 Milliarde c, exakt um 1,064 Milliarden c, also eine Ausgabensteigerung um 7,1 %.

Konjunkturbedingt sind aber von diesen Mehrausgaben nur die Ausgaben für Investitionen, die getroffen werden – Herr Finanzminister, das ist eine andere Darstellung als die, die Sie eben gegeben haben –, in Höhe von 450 Millionen c.Die übrigen Mehrausgaben sind hausgemacht;sie sind politische Entscheidungen, über die man streiten kann und muss.

Herr Finanzminister, wenn Sie von antizyklischer Finanzpolitik sprechen, kann man sagen: Natürlich ist es auch aus unserer Sicht falsch, Einnahmeverlusten hinterherzusparen – Stichwort: automatische Stabilisatoren wirken lassen. Es wäre jetzt sicherlich falsch, den Steuerausfällen hinterhersparen zu wollen. Aber bei den Ausgaben noch einmal draufzusatteln, über die Investitionen hinaus, meine Damen und Herren, das hat mit antizyklischer Finanzpolitik nichts zu tun. Das hat etwas mit zügelloser Finanzpolitik zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Unser Gefühl ist, dass die Wirtschaftskrise zum willkommenen Anlass genommen wird, um bei den Ausgaben einmal richtig auf die Sahne zu hauen. Die Begründung Ihres Haushaltsgesetzes ist eine Aneinanderreihung von Ausreden,warum Sparen nicht möglich sei.Von sinnvollem Sparen ist nirgendwo die Rede. Ihr Credo heißt – und so ist dann auch in der Begründung die Überschrift zu Teil 2 c gehalten –:„Einsparungen weder geeignet noch möglich“.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine Damen und Herren, „Einsparungen weder geeignet noch möglich“ – wenn ein Finanzminister das als Linie ausgibt,braucht man sich in der Tat nicht zu wundern,dass dies auch der Finanzminister ist,der im Jahre 2008 das Rekorddefizit aller Bundesländer zu verantworten hatte,

und dass dies auch der Finanzminister ist, der das Rekorddefizit in Höhe von 2,5 Milliarden c zu verantworten hat, das höchste Defizit, das es je in der Geschichte Hessens gegeben hat.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))