Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

Ich rufe als letzten Punkt vor der Mittagspause Tagesordnungspunkt 11 auf:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Städtebauprogramme finanziell deutlich gestärkt und breiter aufgestellt – Drucks. 19/4532 –

Frau Kollegin Feldmayer hat sich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was macht Städte und Gemeinden lebenswert? Wenn Sie die Menschen fragen, antworten sie: ein gutes Zusammenleben, Grün- und Freizeitflächen, Parks, kurze Wege, eine gute Infrastruktur. Das ist für die Menschen Lebensqualität. Die Städte müssen nach den Bedürfnissen der Menschen gestaltet werden. Sie dürfen keine Betonlandschaften oder Asphaltpisten sein, in denen man auch wohnen und arbeiten kann.

An diesen Leitplanken sollten wir uns orientieren, wenn wir Städtebauförderung betreiben. Daher freue ich mich, dass auch die Bundesregierung dies erkannt hat und dass es erstmals ein Programm gibt, das das Bedürfnis der Menschen nach mehr Grün und weniger Beton in den Blick nimmt. Es hätte nach unserem Geschmack zwar etwas früher kommen können, aber nun gut, es ist jetzt da, und wir freuen uns.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

„Zukunft Stadtgrün“ heißt das neue Programm, das die Landesregierung in die Städtebauförderung aufnehmen konnte. Es wird helfen, die wachsenden Städte zukunftsfähig und lebenswert zu erhalten.

Wir alle wissen: Es ist notwendig, mehr und bezahlbare Wohnungen zu bauen. Uns ist dabei wichtig, dass man in den Großstädten flächensparend baut; denn auch Flächen sind nicht beliebig vermehrbar und erneuerbar, wie wir

wissen. Dabei ist es vor allen Dingen notwendig, mit Grünflächen, Gründächern, Grünwänden und Ähnlichem für den notwendigen Ausgleich zu sorgen. Ich glaube, nur wenn man das tut, schafft man mehr Akzeptanz für den Wohnungsbau in den Großstädten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ministerin Priska Hinz hat der Städtebauförderung in Hessen einen weiteren wichtigen Aspekt hinzugefügt: Klimaschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen. Wir wissen, dass in den Städten ein großer Teil der Treibhausgase produziert wird. Gleichzeitig macht sich der Klimawandel in den Städten besonders bemerkbar. Denken Sie an die Überhitzung in den Städten in den Sommermonaten und an die Überflutungen nach Starkregen. All das haben wir in Frankfurt, in Wiesbaden und in anderen Großstädten schon erlebt.

Daher ist es gut, dass die 2017 für die Städtebauförderung zur Verfügung stehenden 93 Millionen € auch für klimafreundliche Städte und Gemeinden genutzt und Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel vorgenommen werden können.

Wir haben häufig darüber diskutiert, wie man bezahlbare Wohnungen für alle schafft. Dieses Thema ist eines der wichtigsten in Hessen. Das wird es auch über Jahre bleiben. Dabei dürfen wir in unseren Anstrengungen aber nicht nachlassen; denn die Menschen in Hessen brauchen nicht nur bezahlbare Wohnungen, sondern auch ein gutes Wohnumfeld. Wir müssen also das Ganze in den Blick nehmen: sowohl bezahlbare Wohnungen als auch die Wohnquartiere. Die Städtebauförderung sorgt genau dafür.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die für die Städtebauförderung im Jahre 2017 zur Verfügung stehenden 93 Millionen € sind sehr gut angelegtes Geld. Der „Tag der Städtebauförderung“ erinnert uns daran; denn an diesem Tag werden die Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden, in den Mittelstädten und in den Großstädten zeigen, was sie auf die Beine gestellt haben. Ihnen gilt unser Dank; denn ohne die Ideen und die Beteiligung der Menschen vor Ort könnten die Städtebauprogramme und die guten Projekte überhaupt nicht erfolgreich sein.

Ich will zwei Beispiele für gute Ideen vor Ort nennen, die mithilfe der Städtebauförderung umgesetzt worden sind. Als Frankfurterin fallen mir immer ganz viele Projekte in Frankfurt ein. Wenn ich immer nur auf Frankfurt zu sprechen komme, bekomme ich aber Ärger hier im Parlament und mit meiner Fraktion.

(Heiterkeit)

Deshalb nenne ich jetzt zwei Beispiele aus anderen hessischen Orten.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nur nicht aus Offenbach! – Heiterkeit)

Das Elektrizitätswerk in Eschwege, ein Stück Industriegeschichte, bleibt erhalten und wird einer kulturellen Nutzung zugeführt, unterstützt durch das Förderprogramm „Stadtumbau in Hessen“. Hier wurden Denkmalschutz, Stadtumbau und Kultur unter einen Hut gebracht. Eine tolle Idee, wie ich meine.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das zweite Beispiel stammt aus Offenbach, unserer lieben Nachbarstadt. Auf dem Gelände des früheren Druckmaschinenwerks der manroland-Werke in Offenbach wurde im Frühjahr 2016 der Senefelder-Park als neuer Quartierspark mit einem großen Fest eröffnet. Aus einer tristen Gewerbebrache – so habe ich dem Flyer entnehmen können – ist in der südlichen Innenstadt die neue grüne Mitte eines Quartiers entstanden. Der Park bietet ein wunderbares Freizeitangebot. Er ist ein Treffpunkt für alle Generationen – mit Spielplatz, mit einer Parcours-Anlage, mit Wasserspielen, Liegewiesen und Flächen für Urban Gardening. All das kann die Städtebauförderung leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dieses Jahr stehen für Hessen Bundes- und Landesmittel in Höhe von insgesamt 93 Millionen € bereit. Das sind 70 % mehr Mittel für Fördermaßnahmen. Durch diesen Aufwuchs können zusätzliche Städte und Gemeinden in die Programme aufgenommen werden – eine gute Neuigkeit, wie ich finde.

Besonders erfreulich ist, dass das Programm „Soziale Stadt“ 2017 voll kofinanziert wird und mit 28 Millionen € nochmals eine deutliche Aufstockung erfahren hat. Das ist ein ganz wichtiges Programm, das davon lebt, dass die Menschen mitbestimmen, was sie machen, dass sie mitbestimmen, wie sich ihr Quartier oder ihr Stadtteil entwickeln soll. Die Bewohnerinnen und Bewohner nehmen ihre Geschicke selbst in die Hand. Sie entwickeln ihr Quartier gemeinsam weiter und sorgen für einen guten Zusammenhalt in ihrem Wohnumfeld.

Ich konnte das Projekt „Soziale Stadt“ in Frankfurt-Unterliederbach eine Weile verfolgen. Ich muss sagen, es ist eine große Herausforderung für alle Beteiligten, ein so großes Projekt, das über eine lange Zeit läuft, zu stemmen, sich darauf einzulassen. Wenn es aber gelingt – in diesem Fall ist es wirklich gut gelungen –, dann wird von den Menschen, die dort leben, eine unglaubliche Integrationsleistung erbracht. Das stärkt den ganzen Stadtteil. Ich muss sagen, diese Integrationsleistung wurde in einem Viertel erbracht, von dem man normalerweise sagt, hier wohnen die Leute, die nicht gut verdienen; aber diese Menschen haben wesentlich mehr Integration als Menschen in Stadtteilen geleistet, von denen man sagt, dort wohnen die Besserverdienenden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, Städtebauförderung kann nicht verordnet werden. Es ist den Kommunen selbst überlassen, ob sie sich auf die Programme bewerben. Die große Akzeptanz der Förderprogramme in Hessen zeigt aber, dass mit einem guten und flexiblen Instrumentenkasten auf die wichtigsten Herausforderungen in Hessen eingegangen wird: auf den demografischen und strukturellen Wandel, auf den Klimawandel, auf gesellschaftliche und soziale Veränderungen und auf den Rückgang der Biodiversität. Die Landesregierung unterstützt die Kommunen bei der Bewältigung dieser großen Herausforderungen. Auch hier ist sicherlich noch viel zu tun.

Uns ist es dabei wichtig, dass die Menschen und ihr Bedürfnis nach Lebensqualität im Blick behalten werden. Bei

aller Notwendigkeit, mehr und schneller Wohnungsbau zu betreiben, verlieren wir dieses Ziel nicht aus den Augen. Uns ist es wichtig, dass man dabei auch auf Umweltgerechtigkeit achtet; denn häufig wohnen Menschen, die benachteiligt sind, in Gebieten, in denen es viel Autoverkehr, schlechte Luft und wenig Grün gibt und in denen es laut ist. Auch hier können gezielte Städtebaupolitik und gezielte Städtebauförderung entgegenwirken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, damit sich funktionierende Stadtgesellschaften entwickeln können, ist mehr notwendig als Bauen, Bauen und Bauen – obwohl es auch das geben muss. Man braucht eine soziale, eine kulturelle und eine Sportinfrastruktur, aber auch ein gesundes Kleinklima und viel Grün in den Städten. Diesem Ziel kommen wir mit der neuen Städtebauförderung in Hessen ein Stück näher.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Feldmayer. – Als Nächste spricht für die Fraktion der Sozialdemokraten Frau Kollegin Barth. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich diesen Antrag las, bin ich zunächst nicht ganz schlau daraus geworden.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ich auch nicht!)

Auch wir freuen uns, dass nun mehr Geld in die Hand genommen wird, um den Städtebau voranzutreiben.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, das, was Sie hier auflisten, sind allerdings zum allergrößten Teil – bis auf eines, um es genau zu sagen – Programme des Bundes: Unsere Bundesbauministerin Barbara Hendricks hat diese zum Teil entscheidend ausgebaut oder sogar neue aufgelegt.

(Beifall bei der SPD)

Es wurde der Investitionspakt „Soziale Integration im Quartier“ beschlossen, und neu aufgelegt wurde das Programm „Zukunft Stadtgrün“. Frau Feldmayer, darauf sind Sie eben eingegangen. Sie haben gesagt, Sie hätten sich gefreut, wenn der Bund dieses Programm schon früher aufgelegt hätte. Da frage ich mich: Sie hätten diesbezüglich doch letztes oder vorletztes Jahr ein eigenes Programm des Landes auflegen können. Warum sind Sie denn nicht auf diese Idee gekommen?

(Beifall bei der SPD)

Übrigens: Den Namen der Bundesbauministerin im Zusammenhang mit diesem Antrag nicht in den Mund zu nehmen grenzt eigentlich schon fast an Urheberrechtsverletzung.

(Beifall bei der SPD – Ministerin Priska Hinz: Ha!)

790 Millionen € – Frau Hinz, Sie haben eben „Ha!“ gerufen – stellt der Bund im Jahr 2017 den Ländern und Kommunen für die Städtebauförderung zur Verfügung. Hinzu

kommen weitere 75 Millionen € für das Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“.

Da das Land Hessen in den letzten Jahren nur einen Teil der Bundesfördermittel für den Städtebau abgerufen hat – Frau Ministerin Hinz, 2017 waren es z. B. nur 53 % der möglichen Fördermittel; einen sagenhaften zweistelligen Millionenbetrag haben Sie hier verfallen lassen, wie mein Kollege Michael Siebel ausgerechnet hat –, sollte der Titel dieses Antrags nicht „Städtebauprogramme finanziell deutlich gestärkt und breiter aufgestellt“, sondern besser „Städtebauprogramme – Hessen macht endlich mit“ heißen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Das gleiche Drama spielt sich im Übrigen beim Verkehr ab. Verkehr und Städtebau lassen sich nicht wirklich trennen; das gehört zusammen. Auch hier haben Sie im vergangenen Jahr den wahnsinnigen Betrag von 37 Millionen € Fördermitteln, der uns noch zugestanden hätte, verfallen lassen, weil Sie mit der Umsetzung schlichtweg überfordert waren. Andere Länder sind beim Mittelabruf wesentlich effektiver. Sie listen hier also fast nur Komplementärfördermittel auf.

Alle Programme, die Sie auflisten – bis auf das Programm „Aktive Kernbereiche“ –, sind Bundesprogramme, die Sie lediglich flankieren. Da, wie ich eben beschrieben habe, der Bund seine Mittel bedeutend ausgeweitet hat, mussten Sie jetzt natürlich nachziehen, und dafür loben Sie sich. Innovative eigene Ansätze und Programme fehlen bei uns in Hessen. Uns in der SPD ist es z. B. nach wie vor unverständlich, weshalb Sie sich der Idee verweigern, eine IBA – eine Internationale Bauausstellung – in Hessen durchzuführen.

(Beifall bei der SPD)

Eine Internationale Bauausstellung könnte wichtige Impulse setzen, um die Zukunftschancen gerade der RheinMain-Region zu verbessern. Mit einer IBA bekäme auch das Thema „Städtebau im Rhein-Main-Gebiet“ endlich einen Schub. In Hamburg hat man es uns vorgemacht. Die SPD hat sich während einer Fraktionsklausur zu Beginn der Legislaturperiode vor Ort noch einmal eingehend darüber informiert.