Aber das verdreifachen Sie jetzt einfach mal so; das ist ja der Vorschlag der SPD. Das ist eine ziemlich wohlfeile Forderung; denn wenn man auf 460 Millionen € noch 900 Millionen € draufschlägt, dann verdreifacht man das. Dazu, woher das Geld kommen soll, sagen Sie eigentlich gar nichts. Ein mageres Sätzchen zum Schluss Ihres allumfassenden Antrags verweist auf „die verbesserten Einnahmen“, die „entstanden sind und … noch entstehen“. Hurra.
In Wahrheit ist das ein gigantisches Programm, um einen gerade erst mühsam konsolidierten Landeshaushalt aus den Angeln zu heben. Sie heben noch etwas zweites Wichtiges aus den Angeln, nämlich die originäre Zuständigkeit der Kommunen für die Bereitstellung einer bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung. Wir von der CDU und unsere grünen Partner sind nicht der Auffassung, dass dies so richtig wäre. Wir wollen die insgesamt vernünftige Verteilung der Zuständigkeiten in diesem Bereich so belassen, wie sie ist. Damit es kein Missverständnis
gibt, sage ich das dazu: einschließlich der freiwilligen Mitverantwortung von Bund und Land für die Investitionen in neue Plätze, in möglichst gute Qualität im Sinne von Mindeststandards und in besondere Förderungsbedarfe. Das funktioniert vor Ort nämlich gut. Die Kommunen ermitteln den Bedarf und erfüllen ihn. Dabei soll es bleiben.
Zweiter Wunsch – jetzt muss ich etwas schneller werden –, die Entlastung der Kommunen. Diese Landesregierung – das ist hier schon vielfach gesagt worden; deshalb mache ich es nur ganz kurz – hat eine hohe Wertschätzung gegenüber den Kommunen als Kernelement unserer föderalen Ordnung.
Auch uns als die die Landesregierung tragenden Fraktionen sind die Zustände in den Kommunen nicht egal – im Gegenteil. Deshalb haben die Landesregierung und der Haushaltsgesetzgeber viel getan, um die Kommunen zu unterstützen. Das benenne ich nur stichwortartig: mit den beiden Kommunalinvestitionsprogrammen, überwiegend landesseitig finanziert, mit der Reform des KFA, mit der erfolgreichen Schutzschirmpolitik
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das glauben Sie ja selbst nicht!)
Übrigens ist durch die Leistungen des viel geschmähten KiföG der kommunale Finanzierungsanteil an den Gesamtbetriebskosten der Kinderbetreuung um 2,4 % gesunken. Das haben Sie auch nicht gesagt; man muss das aber wissen.
Dritter Wunsch, die Entlastung der Eltern. Ja, auch uns ist es eminent wichtig, dass die Eltern nicht über Gebühr belastet sind – im Gegenteil. Unsere Familienpolitik zielt grundsätzlich auf die Entlastung der Eltern ab. Warum? – Weil die Eltern in den Familien der Dreh- und Angelpunkt sind, weil ihre Kinder und manchmal sogar noch die eigenen Eltern, also die Großeltern, wenn man so will, auf ihre Fürsorge angewiesen sind. Deshalb reden wir übrigens auch nicht gern von Kinderarmut. Wir reden lieber von Familienarmut, und das ist Elternarmut. Die Eltern stehen daher im Zentrum.
Die Frage ist aber nun: Was entlastet Eltern? Unsere Antwort lautet: Eltern brauchen vieles. Sie brauchen, wie man seit Frau von der Leyen weiß, Zeit, Infrastruktur und Geld. Infrastruktur muss nicht nur vorhanden sein – das ist uns hier besonders wichtig –, sie muss auch gut sein; denn sonst sind Eltern eben nicht wirklich entlastet, und sonst ist außerfamiliäre Kinderbetreuung, gerade ganz früh, nicht wirklich zu verantworten. Das haben Eltern auch dieser Tage wieder betont, als man sie gefragt hat, was eigentlich ihre Prioritäten sind.
Spätestens seit der Enquetekommission Bildungsgerechtigkeit wissen wir außerdem: Es braucht ein außerordentliches, deshalb ist es auch ein teures, Qualitätsniveau, damit die Kita und der Kindergarten für Benachteiligte wirklich Bildungsbarrieren überwinden helfen. Der Weg dorthin ist noch weit. Auch deshalb hat für uns, neben der Erfüllung
des Betreuungsbedarfs, die Arbeit an weiteren Qualitätsfortschritten in der Kinderbetreuung so hohe Bedeutung.
Insgesamt verfolgen wir deshalb eine Familienpolitik, die in allen Dimensionen voranschreitet. Das haben wir in den letzten Jahren auch auf allen Ebenen so gemacht. Wir haben auf Bundesebene Rechtsansprüche eingeführt. In Hessen fördern wir nun die Bereitstellung dieser Plätze. Wir sorgen mit dem hessischen KiföG für gute Mindeststandards und setzen Qualitätsanreize. Wir haben im Bund die Freibeträge und das Kindergeld seit vielen Jahren immer wieder und insgesamt massiv erhöht. Wir haben Familienleistungen wie das Elterngeld eingeführt. Wir haben im Land schon 2007 das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei gestellt und es dabei belassen. All dies haben wir getan, um Eltern eben auch finanziell nicht unzumutbar zu belasten. Diesen Dreiklang behalten wir auch weiterhin im Blick. Das können Sie auch in unserem Antrag nachlesen.
Ein Letztes; auch das geht ganz schnell. Ich möchte Ihren Versuch zurückweisen, so ganz en passant noch schnell das KiföG schlechtzureden. Warum machen Sie das?
Das sagt Ihnen doch der Evaluationsbericht, und der Runde Tisch Kinderbetreuung hat es bestätigt, dass das Horrorszenario, das Sie befürchtet haben, nicht eingetreten ist. Sie rufen nach mehr Qualität, wollen aber die Qualitätspauschale abschaffen. Sie reden vom „Bürokratiemonster“ und haben in Ihrem früheren Gesetzentwurf den zweiten Stichtag vorgeschlagen.
Sie behaupten – das steht im Antrag –, wer mehr als 35 Stunden anbiete, lege drauf. Das ist fast ein wörtliches Zitat Ihres Antrags. Dabei ist das Quatsch. Es gibt eine Ganztagspauschale, die Sie aber erst jenseits von 35 Stunden bekommen für das Kind, für das der Ganztag gebucht wurde. Auch die von Ihnen beklagte Abwesenheit des vierten Betreuungsmittelwerts ist eine finanzielle Entlastung. Das kann man kritisieren, weil man sagt: „Da muss nicht entsprechend Personal dazu“, aber das sorgt gerade dafür, dass Kindertageseinrichtungen länger aufhaben können und deshalb eben keine höheren Kosten haben. Da müssen Sie noch einmal etwas sortieren.
Ich komme zum Schluss, letzter Punkt. Wir halten drei Entwicklungsdimensionen in der Kinderbetreuung für wichtig: die Verfügbarkeit der Plätze, die Qualität von Bildung, Betreuung und Erziehung und die finanzielle Entlastung von Familien, sowohl heute als auch morgen sowie übermorgen. Wir stellen uns den mit diesen Zielen verbundenen Abwägungen, anstatt wie Sie auf den Weihnachtsmann zu warten. Er kommt nämlich nicht.
Letzter Satz. – Manchmal kommen unerwartete Steuereinnahmen und manchmal auch eine Reform des LFA. Der Weihnachtsmann, den Sie benötigen, um Ihren Rundum
schlag zu finanzieren, kommt garantiert nicht. Das ist nämlich ein Oppositionsweihnachtsmann. – Vielen herzlichen Dank.
(Anhaltender Beifall bei der CDU und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Da muss man ideologisch schon ganz schön verblendet sein!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das meinen Sie jetzt nicht ernst, war mein erster Gedanke, als ich Ihren Antrag gelesen habe.
Wir als LINKE haben am 27. Januar 2016 einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem die Elternbeiträge abgeschafft und die Kommunen finanziell und organisatorisch entlastet werden sollten, um die Qualität zu verbessern und die bürokratische Mitteleintreibung zu reduzieren. Kennen Sie das? – Das sind im Wesentlichen die Vorschläge, die Sie jetzt einbringen. Es gibt nur kleine Unterschiede.
Sie wollen die Elternbeiträge in vier Schritten abschaffen, leider ohne Zeitplan. So kann die Regierung sogar zustimmen und das Ganze auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Wir wollten die Beiträge sofort abschaffen. Dafür wollten wir die Kommunen bis 2020 von der Kitafinanzierung entlasten.
Die SPD will jetzt den kommunalen Anteil auf zwei Drittel der Kosten beschränken. Die bürokratische Landesförderung pro besetzten Platz soll durch eine gruppenbezogene Förderung ersetzt werden. So weit sind wir nicht gegangen. Allerdings haben wir uns die Arbeit gemacht, einen Gesetzentwurf zu formulieren und keinen Antrag mit Vorschlägen, Auffassungen und Absichtserklärungen.
Die Abschaffung der „Sondertöpfe“, wie es die SPD nennt, zugunsten einer höheren Grundförderung war ebenfalls unser Anliegen, mit der Absicht, die Träger und Kommunen von bürokratischem Aufwand zu entlasten. Es gibt eine Menge Überschneidungen.
Schließlich haben wir einen neuen Gesetzentwurf eingereicht, weil in der Anhörung zusätzliche Aspekte genannt wurden, wie die Anpassung an die tarifliche Entwicklung, die Notwendigkeit einer weiteren Differenzierung und die Festschreibung von fachlichen Standards. Es hätte also genügend Gelegenheiten gegeben, zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf oder zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen. Stattdessen haben Sie unseren Entwurf abgelehnt. Wenn Sie in diesem Land soziale Politik machen wollen, dann machen Sie das. Aber machen Sie es konsequent und ehrlich und nicht als Wahlkampfgetöse kurz vor dem Wahltermin.
Da komme ich noch hin. – An Sie habe ich Folgendes zu sagen: Nahezu täglich erreichen uns die Meldungen von Kommunen, die Beschlüsse zur Beitragsfreiheit und Entlastung der örtlichen Haushalte von der Finanzierung der
Kinderbetreuung fassen. Gerade kam die Resolution des Werra-Meißner-Kreises. Einstimmig hat der Kreistag den Hessischen Landtag aufgefordert, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass Eltern von den Kitagebühren und Kommunen von den Kosten entlastet werden. Auch die CDU hat zugestimmt. Also kann es doch mit der Auffassung, die Sie vertreten, nicht ganz so sein.
Ebenfalls im Werra-Meißner-Kreis liegt die Gemeinde Ringgau. Sie hat die Landesregierung aufgefordert, die finanziellen Mittel für die Gebührenbefreiung und Entlastung der Kommunen bereitzustellen.
Auf Antrag der CDU wurde in Wanfried einstimmig eine solche Resolution beschlossen. Im Kreistag Kassel wurde ein ähnlicher Beschluss gefällt. Der Kreistag in Groß-Gerau hat diese Position bereits zweimal festgehalten, beim letzten Mal einstimmig. Das sind nur einige Beispiele, die ich nennen will. Das sollte Ihnen langsam zu denken geben.
Frau Wiesmann, wenn, wie Sie eben gesagt haben, Investition in Bildung eine Hypothek ist – Sie haben von Hypothek gesprochen –, dann finde ich Sätze, wie sie in Ihrem Antrag stehen: „Für den Landtag steht es außer Zweifel, dass Kinder die Zukunft unserer Gesellschaft sind und ihnen und ihren Familien daher die entsprechende Aufmerksamkeit und Wertschätzung im politischen Handel gebührt“, einen Hohn. Wenn man das wirklich will, dann ist Investition in Bildung keine Hypothek, sondern eine dringende Notwendigkeit.
(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Sie wissen doch gar nicht, was eine Hypothek ist!)
Sie geraten unter Handlungsdruck. Ist Ihnen das bewusst? Die Ausflüchte, von wegen, es komme den Wohlhabenden zugute, oder die Qualität stehe im Vordergrund, ziehen nicht mehr. Gute Qualität ist nur möglich, wenn genügend Geld in den Kommunen für die Kindertagesbetreuung vorhanden ist. Ansonsten ist es schwierig, qualifizierte Erzieherinnen zu finden und genügend Personal für die Qualität zur Verfügung zu haben. Schöne Bauten erfreuen uns zwar, nutzen uns aber nichts; denn Kinder brauchen Menschen, die sich ihnen zuwenden.
Dass immer mehr Eltern rechnen müssen, ob sie die Kinder, und wenn ja, wie lange, in die Kindertagesbetreuung geben oder die Elternzeit nutzen, oder Tageseltern wählen, weil das mancherorts günstiger ist, oder die Kinder vom Mittagessen abmelden, das ist doch bekannt, und das können Sie nicht wegreden.
Schließlich haben wir in der Sitzung Anfang Mai über Kinderarmut geredet, die 18 % der hessischen Kinder betrifft. Nur ein Teil von ihnen ist Empfänger von Grundsicherungsleistungen und daher von den Gebühren befreit. Der andere Teil muss Gebühren bezahlen und ist ganz hart betroffen.