In der Evaluation des KiföG wurde eines ganz besonders deutlich: Mit diesem Gesetz und seiner kleinteiligen Individualförderung wurde ein Bürokratiemonster geschaffen, das Träger, Einrichtungen, Kommunen, Kreisverwaltungen und Erzieherinnen erschlägt. Immerhin kommen sie dann
nicht mehr auf dumme Gedanken, etwas zu fordern oder etwas ändern zu wollen. Dafür fehlt die Zeit. Man kann nur noch funktionieren. Das ist mir in den Gesprächen der vielen Auswertungsveranstaltungen aufgefallen.
Frau Wiesmann, Sie haben es doch auch bei der letzten Veranstaltung zu hören bekommen: Erzieherinnen werden von diesem Gesetz blockiert. – Da frage ich mich doch, ob das nicht am Ende Absicht war. Erschlage ich die Kinderbetreuung mit Beschäftigung in Sachen Bürokratie, dann bleibt nicht mehr so viel Kraft übrig, sich gegen schlechte Gesetze zu wehren.
Sie haben sich vorher gewehrt und zwar massiv. An die Anzahl der Unterschriften, die hier abgegeben worden sind, erinnern sich alle noch.
Ich erwarte von der Landesregierung eine klare Aussage darüber, was mit dem KiföG passieren soll. Wie hält sie es mit der Beitragsfreiheit? Wann bekommen die Kommunen endlich mehr Geld? – Diese Fragen müssen im Hinblick auf die Landtagswahl beantwortet werden. Das wollen auch die Kommunen von Ihnen wissen. Sie wollen endlich eine andere Haltung dazu. Sie wollen, dass Kinderbetreuung vor Ort so ausgestattet werden kann und die Kommunen dazu in die Lage versetzt werden. Dazu ist die Landesregierung in der Verantwortung.
Das heißt nicht, dass man nicht das Handeln bei den Kommunen vor Ort lässt. Die Frage ist doch aber, wie man sie finanziell ausstattet, damit es ihnen möglich wird, eine gute Kinderbetreuung zu organisieren. Da müssen Sie Farbe bekennen.
Vielen Dank. – Als Nächster hat Herr Kollege Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen in Hessen, dass jede Familie, die es benötigt, einen Kinderbetreuungsplatz findet. Es hat vielerlei Gründe, warum das wichtig ist: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, frühkindliche Bildung, möglichst frühe Gruppenerfahrung, pädagogische Erfahrung und Lernerfahrung. Kinderbetreuung ist für diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen ein wesentlicher Bestandteil ihrer Landespolitik.
Dann stellt sich die Frage: Was sind die tatsächlichen Herausforderungen in der Kinderbetreuungspolitik in Hessen? – Zunächst braucht jeder und jede, der oder die es wünscht, einen Betreuungsplatz. Da wissen wir, dass wir einen Nachholbedarf bei Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren, bei Ganztagsangeboten und beim Pakt für den Nachmittag an Grundschulen haben. Dafür investieren wir viele Millionen Euro, weil wir die Quantität ausbauen wollen.
Zweitens. Wir wissen, dass viele Eltern, Erzieherinnen und Träger sagen, dass die Qualität weiter ausgebaut werden muss.
Ich möchte gerne noch einmal den Vergleich ziehen. Wir haben im Jahr 1919 zum ersten Mal flächendeckend ein Schulgesetz eingeführt, das es ermöglicht hat, die Infrastruktur an Schulen und Universitäten weiter auszubauen. Wir haben erst 1996 den Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz bekommen und erst im Jahr 2012 den Rechtsanspruch für die Betreuung der Kinder unter drei Jahren bekommen.
Das allein schon zeigt anhand der Gesetzgebung, dass wir historisch eine Menge aufzuholen haben. Ich erinnere mich noch daran – ich habe zwei Kinder –, wie ich von meiner Kinderbetreuungseinrichtung gebeten worden bin, einmal in der Woche selbst zu kochen. Ich weiß nicht, ob das die Qualitätsdebatte in der Kinderbetreuung ausgelöst hat.
Aber das zeigt doch tatsächlich, was sich in wenigen Jahren an Professionalisierung verändert hat und welche Erwartungen auch zu Recht an frühkindliche Bildung gestellt werden, wenn Eltern noch eingebunden wurden in ehrenamtliches Engagement, in Improvisation der Kinderbetreuung. Deswegen haben wir einen Bildungs- und Erziehungsplan einvernehmlich beschlossen, der dieser Qualität in den hessischen Kindergärten tatsächlich einen Schub geben muss. Aber dieser Qualitätsschub ist auch nicht zum Nulltarif zu haben. Wir wollen in Hessen den Ausbau der Qualität in Kinderbetreuungseinrichtungen.
Was haben wir bei der Kinderbetreuungsquote der unter Dreijährigen in den letzten Jahren erreicht? Von 12 % auf 30 % stieg die Betreuungsquote bei Kindern unter drei Jahren. Die Quantität ist ausgebaut. Der KiföG-Evaluationsbericht hat gezeigt, dass wir in den letzten zwei Jahren 148 neue Kinderbetreuungseinrichtungen in Hessen haben, die das Land mit fördert. Wie Sie sehen: Der Schwerpunkt läuft, er beginnt zu laufen, und er wird weiter laufen.
Quantität muss ausgebaut werden, und bei der Qualität – Frau Kollegin Wiesmann hat es gesagt – hatten wir 100 Millionen € noch vor wenigen Jahren – 2006, vor elf Jahren –, und wir haben jetzt 460 Millionen €. Man kann also nicht sagen, dass das Land sich seiner gesamtgesellschaftlichen Aufgabe entzieht. Aber auch wir sagen, wir wollen die Qualität weiter ausbauen; wir haben gemeinsam einen Evaluationsbericht verabschiedet. Er liegt vor – über 500 Seiten. Wir diskutieren jetzt darüber, wie man gezielt die Vorschläge, die Handlungsempfehlungen des Evaluationsberichts aufnimmt und weiterentwickelt. Das haben wir im Koalitionsvertrag festgehalten, und wir werden die Qualität weiterentwickeln. Natürlich ist es so – das mag der SPD, der Linkspartei und mir selbst nicht gefallen; ich habe auch noch andere Sorgen und Befürchtungen vor dem KiföG gehabt; ich stehe dazu, dass ich das KiföG so kritisiert habe, weil wir viele Sorgen und Befürchtungen hatten –: Wir müssen auch anerkennen, dass viele Sorgen und Befürchtungen nicht eingetreten sind.
Es hat keine Einrichtung geschlossen. Es wurde kein Personal abgebaut. Es wurden mehr Einrichtungen eröffnet. Keine Öffnungszeiten wurden gekürzt. Das muss man auch
einmal zur Kenntnis nehmen. Aber es ist kein Ruhekissen. Nur weil es nicht schlechter geworden ist, ist trotzdem ein Handlungsauftrag, die Qualität weiter zu verbessern. Das wollen wir machen. Das wird viele Millionen Euro kosten. Wir sind bereit, diesen Weg zu gehen.
Wir haben auch immer gesagt – da spreche ich, glaube ich, für alle im Saal –, Kinderbetreuungskosten, Elterngebühren sind eine Belastung für Familien. Das kostet Geld, das ist doch keine Frage. Wer bezahlt schon gerne Geld? Mehr noch: Wer findet es denn nicht wünschenswert, dass wir Betreuungsgebühren abschaffen? Das ist doch ein wünschenswertes Ziel, wenn man das unter dem Leitgedanken sieht, Bildung soll kostenlos sein. Aber wenn man es dialektisch diskutiert und sagt, in welcher historischen Situation wir sind, wo wir gestartet sind, wie die Quantität – das Angebot – ist und wie die Qualität ist, dann muss man auch sagen: Wir sind aufgefordert, finanzpolitische Schwerpunkte zu setzen. Wir haben sie klar gesetzt.
Wir haben gesagt: Erst Quantität; denn wir können nur einen Betreuungsplatz kostenlos machen, den es überhaupt gibt. Wir können auch nur die Qualität von Plätzen verbessern, die es gibt. Wir können auch nur die Plätze kostenfrei stellen, die gut sind und die es überall und ganztägig gibt. Deswegen muss man einen Schritt nach dem anderen gehen, und das ist die Politik der Hessischen Landesregierung, die Politik von CDU und GRÜNEN, und sie ist auch richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich finde es gefährlich, Herr Kollege Schäfer-Gümbel, mit bestimmten Begriffen zu argumentieren, die nachweislich falsch sind. Wenn Sie sagen, die Kommunen können nicht Beitragsfreiheit vollziehen, will ich jetzt auch noch einmal sagen: Wir wissen, wir haben sehr ungleiche kommunale Situationen. Einige Städte tun das, andere heben die Gebühren an.
Dann sagen Sie, sinngemäß – ich habe das Zitat jetzt auf die Schnelle nicht gefunden –, die Landesregierung würde die Kommunen im Stich lassen. Da kann ich Ihnen nur die Zahl sagen: Der Kommunale Finanzausgleich hat die Rekordhöhe von 4,6 Milliarden € erreicht.
Herr Finanzpolitiker Schmitt, 4,6 Milliarden €, das sind 1 Milliarde € mehr als vor fünf Jahren im Kommunalen Finanzausgleich. Können wir das jetzt einmal feststellen? Ihre Behauptung ist einfach falsch.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Anhaltende Zurufe des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Ein Weiteres zum Kommunalen Finanzausgleich: Die Kinderbetreuungskosten wurden in dem Prozedere voll angerechnet. Den Kommunen wurden die Kosten angerechnet, sie wurden voll zur Kenntnis genommen, mit verarbeitet und angehoben. Kommunen werden vom Land nicht im Stich gelassen. Sie haben die Möglichkeit, weiter in Kindergärten zu investieren.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Marja- na Schott (DIE LINKE))
Mein letzter Punkt. Herr Schäfer-Gümbel, Sie haben das Wort „Bildungsbarriere“ genannt. Ich sage die Vorbemerkung noch einmal, damit ich nicht falsch verstanden werde. Auch für uns GRÜNE ist es ein wünschenswertes Ziel, dass wir eines Tages tatsächlich kostenlose Kindergärten haben. Aber unter den Gesichtspunkten der Quantität und Qualität gibt es andere Prioritäten in dieser Stunde. Aber zu behaupten, es wäre eine Bildungsbarriere, finde ich, ist fahrlässig. Herr Schäfer-Gümbel, in Hamburg und Rheinland-Pfalz sind die Kindergartengebühren abgeschafft.
In Hamburg gibt es im dritten Kindergartenjahr 92 % Betreuung, in Rheinland-Pfalz 93,5 %. In Hessen beträgt die Betreuungsquote im dritten Kindergartenjahr 94 %, obwohl es Gebühren gibt.
Das Argument, Elterngebühren würden Eltern davon abschrecken, ihr Kind – ich habe nur diese eine Zahl herausgesucht, ich hätte auch noch andere finden können – in den Kindergarten zu schicken, ist nachweislich falsch. Wiederholen Sie das bitte nicht, es streut falsche Begriffe.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Micha- el Boddenberg (CDU))
Weil man tatsächlich ab und zu einmal in die Verlegenheit kommt, die Opposition ernst zu nehmen mit ihren Vorschlägen: Herr Kollege Schäfer-Gümbel, 1,4 Milliarden € sollte in der Endausbaustufe das Land Hessen für die Kinderbetreuung übernehmen. Bisher waren die Forderungen in den Setzpunkten der SPD nur im dreistelligen Millionenbereich. Jetzt sind sie mittlerweile im Milliardenbereich.
Dann darf ich Ihnen noch einmal ganz kurz vortragen zur Seriosität Ihrer Vorstellung der Abteilung „Wir versprechen allen alles, um möglichst noch eine Kampagne herausarbeiten zu können“: Herr Rudolph, Sie haben ein weiteres Mal die Erhöhung der Mittel im Kommunalen Finanzausgleich um 1 Milliarde € gefordert, am 03.12.2014: 1 Milliarde € mehr für den Kommunalen Finanzausgleich. Sozialer Wohnungsbau: am Ende 2 Milliarden €, pro Jahr 500 Millionen €. Erhöhung der Besoldung für die Beamten: 230 Millionen €. Sie haben die Grunderwerbsteuererhöhung abgelehnt: 155 Millionen €. Sie wollen 40 Millionen € mehr im Landesstraßenbau, 22 Millionen € mehr für ÖPNV, 22 Millionen € für die soziale Infrastruktur. Wir kommen auf 3 Milliarden € SPD-Forderungen bei einem Landesetat von knapp über 20 Milliarden €. Ist das seriös? Glauben Sie wirklich, dass solche Forderungen aneinandergereiht seriös sind?
Nein, ich habe nur noch 17 Sekunden, Frau Präsidentin. – Ich finde, dass man auch in der Opposition nicht allen alles auf einmal versprechen kann, weil es auch um eine Verantwortung geht, wenn man nachher regiert. Es könnte ja sein, dass Sie irgendwann einmal in die Regierung kommen; dann haben Sie vielen Bürgerinnen und Bürgern etwas versprochen, was Sie nicht halten können, weil Sie alles auf einmal, 3 Milliarden €, gar nicht finanzieren können.
Sie haben auch im Interview gesagt, Sie wollen außerdem noch investieren, bis die Schwarte kracht. Da waren die 3 Milliarden € noch gar nicht genannt. Wenn Sie allen so viel versprechen, müssen Sie doch einmal darüber nachdenken, dass Sie tatsächlich irgendwann etwas halten müssen.
Sie wissen genau, dass Sie diese Summe nicht auf einmal finanzieren können. Man muss Schwerpunkte setzen. Sie tun das nicht. Das ist unseriös. Wir haben Quantität und Qualität ausgebaut, und das ist der richtige Schritt in dieser Stunde. – Ich danke Ihnen.