Protokoll der Sitzung vom 01.06.2017

Natürlich stimmt das, was Frau Kollegin Gnadl und auch Frau Kollegin Ravensburg hier vorgetragen haben. Die Mehrzahl der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Nicht alle können aus freien Stücken so flexibel wie im öffentlichen Dienst arbeiten. Dort ist die Rückkehr gar nicht so ein Problem. Das kriegen wir in Hessen gut hin. Das bekommen andere Länder gut hin. Im öffentlichen Dienst kann man das relativ gut in Absprache mit dem Arbeitgeber und den Verwaltungen lösen. Aber es muss sich natürlich noch etwas auf der Bundesebene ändern, damit dieses frauenpolitisch sinnvolle Projekt, ein Rückkehrrecht gesetzlich zu verankern, auch durchgesetzt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Es ist natürlich klar: Auch die Wirtschaft sollte ein Interesse daran haben, dass diese Flexibilität gegeben ist. Wir haben einen sich abzeichnenden Fachkräftemangel. Es täte der Wirtschaft gut, eine Lösung für die gut ausgebildete Generation der jungen Männer und Frauen, die Beruf und Familie zusammenbringen wollen, zu finden. Wenn man hier die Interessen zusammenbringen könnte, hätten wir eine klassische Win-win-Situation. Die Stichworte hierzu lauten: vollzeitnahe Teilzeit und Mitspracherechte bei der Länge der Arbeitszeit. Man muss nicht immer in der Zeit zwischen 9 Uhr und 17 Uhr arbeiten. Es gibt da auch andere Möglichkeiten. Es gibt das Homeoffice und andere Dinge mehr.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich – das sage ich an die Adresse unseres Koalitionspartners –: Mir will überhaupt nicht in den Kopf hinein, warum das nur in Betrieben mit über 200 Beschäftigten gehen soll. Es müsste auch etwas dazwischen geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Frau Kollegin Erfurth, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Herr Präsident, ich danke Ihnen für den Hinweis. – Aber ich sage auch in Richtung der SPD: Mir erschließt sich nicht so ganz, warum es nicht möglich gewesen ist, hier

einmal etwas zu finden, was dazwischen liegt. Vielleicht sollte das als Wahlkampfthema erhalten bleiben. Wir werden noch länger darüber diskutieren. Da bin ich mir sicher.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin Erfurth, vielen Dank. – Das Wort erhält der Sozialminister, Herr Staatsminister Stefan Grüttner. Bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sollten uns noch einmal die Überschrift dieser Aktuellen Stunde anschauen:

CDU blockiert Rückkehrrecht aus Teilzeit in Vollzeit – auch in Hessen vor allem Frauen in der Teilzeitfalle

Ich brauche jetzt nicht noch einmal zu wiederholen, dass das ausschließlich ein bundespolitisches Thema ist. Immerhin ist es der SPD-Fraktion gelungen, mit zwei Begriffen einen Bezug zu Hessen darzustellen. Es gibt in Hessen Teilzeitarbeit, und es gibt in Hessen auch Frauen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Insofern ist das in der Tat die Berechtigung, eine solche Aktuelle Stunde ins Leben zu rufen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Eines geht allerdings nicht. Das ist schlicht und einfach das Vermischen verschiedener Sachverhalte. Ich finde, diese Sachverhalte müssen einmal klargestellt werden.

Frau Gnadl hat sich hierhin gestellt und insbesondere über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesprochen. Sie hat dabei verschwiegen, dass es natürlich eine ganze Reihe gesetzlicher Vorschriften gibt,

(Norbert Schmitt (SPD): Mutterschutz!)

die letztendlich dafür sorgen, dass Frauen, die in Familienzeit gehen, genauso wie Männer, die in Familienzeit gehen, heute schon ein Rückkehrrecht zur Vollzeitarbeit haben. Dazu brauchen wir dieses Gesetz nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Eva Goldbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz ist in der Zwischenzeit so ausgeweitet worden, dass man das sogar bis zum achten Lebensjahr eines Kindes entsprechend strecken kann. Im Jahr 2012 wurde durch das Familienpflegezeitgesetz ein Rückkehrrecht aus der Teilzeitarbeit in die Vollzeitarbeit ermöglicht.

(Zuruf von der SPD: Wer hat das durchgesetzt?)

Das bedeutet, dass den Belangen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege natürlich Rechnung getragen wird, und zwar jenseits der vielen freiwilligen Angebote, die die Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern machen.

Ich würde Ihnen empfehlen, sich einmal die weit über 100 Unternehmen mit über 400.000 Beschäftigten in Hessen anzuschauen, die die Charta zur Vereinbarkeit von Beruf

und Pflege in Hessen unterschrieben haben, ohne dass es einen gesetzlichen Rahmen dafür gibt. Sie bieten das ihren Mitarbeitern an, weil sie sich Sorgen um sie machen. Ein ganz wesentlicher Punkt dabei ist die Rückkehr in die Vollzeitarbeit aus der Teilzeitarbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Zweitens. Ja, wir müssen uns mit der Frage der Betriebsgröße und der Unternehmensgröße sehr wohl auseinandersetzen. Man muss sich an dieser Stelle noch einmal vergegenwärtigen, dass es eine relativ lange Diskussion über das sogenannte Entgelttransparenzgesetz gegeben hat. Da geht es um den Anspruch, zu wissen, wer was verdient. Dafür wurde auf der Bundesebene ein Kompromiss gefunden. Bei der Betriebsgröße wurde von 500 Beschäftigten auf 200 heruntergegangen.

Über die Fragestellung der Betriebsgröße wurde auf der Bundesebene diskutiert. Da war schlicht und einfach keine Kompromissbereitschaft bei der SPD und bei Frau Nahles erkennbar. Wer nicht kompromissbereit ist, kann bei dem Gesetzentwurf nicht zu einem Erfolg kommen. Es drängt sich nicht nur der Verdacht auf, sondern es scheint tatsächlich so gewesen zu sein, dass Frau Nahles den Gesetzentwurf ganz bewusst hat scheitern lassen, damit das ein Thema im Bundestagswahlkampf wird. Wir nehmen dieses Thema gerne auf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich will trotzdem noch etwas dazu sagen. Denn da gibt es einen kleinen Unterschied zwischen den Koalitionspartnern in Hessen. Ja, wir brauchen die Mindestgröße. Im Übrigen hätte man einmal die alten Anträge lesen können, die Hessen als Mitantragsteller auf der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz eingebracht hat. Das wäre ganz schön gewesen. Bereits vor drei Jahren haben wir einen Antrag unterstützt und mitgetragen, der folgenden Titel hat:

Zeitverwendung gerecht gestalten, Partnerschaftlichkeit stärken. Auf dem Weg zu einer wirksamen Gleichstellungspolitik.

Er hatte die Frage der Teilzeit- und der Vollzeitarbeit zum Gegenstand. Daraus allerdings eine Ableitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzunehmen, ist nicht statthaft.

Ich will noch einmal auf die Größe zu sprechen kommen. Stellen Sie sich einmal einen Betrieb mit 15 Mitarbeitern vor. Zwei sagen, sie möchten ihre Arbeitszeit aus bestimmten Gründen um die Hälfte reduzieren. Dann ist bei 15 Mitarbeitern eine Vollzeitstelle weg. Das kann in einem kleinen Betrieb häufig nicht durch Mehrarbeit der anderen kompensiert werden. In der Regel kann man das nur durch die Einstellung einer Vollzeitarbeitskraft ausgleichen.

Diese Arbeitskraft muss sich jeden Tag die Frage stellen, ob einer von seinem Rückkehrrecht Gebrauch macht, ob das alle beide tun oder einer von beiden tut. Dann gerät ein solches kleines Unternehmen in die Situation, entweder eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen zu müssen, und zwar hoch und herunter, denn für Unternehmen dieser Betriebsgröße gilt schon das Kündigungsschutzgesetz, oder aber es muss eine sachgrundlose befristete Einstellung eines Arbeitnehmers erfolgen, was dazu führt, dass der jeden Tag in der Situation ist, Angst zu haben, dass ihm sein Arbeitsplatz gekündigt wird.

(Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)

Wer das als sozial, wer das als gut empfindet, der versteht die Welt nicht mehr. Er belastet Unternehmen, er stärkt die Flucht in andere Arbeitsverhältnisse, und letztendlich schadet er dem Arbeitsmarkt und dem sozialen Frieden in unserem Land. Insofern kann man ab einer gewissen Betriebsgröße darüber reden – aber das, was hier vorgeschlagen worden ist, schadet der Wirtschaft und auch den Menschen im Land.

(Beifall bei der CDU und des Abg. René Rock (FDP))

Vielen Dank Herr Grüttner. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt vor.

Meine Damen und Herren, eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Aufnahme und Integration von Flüchtlingen gut gestalten – europaweite Solidarität notwendig – Rückführung vollziehbar Ausreisepflichtiger, Drucks. 19/4962. – Die Dringlichkeit wird bejaht. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 69 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit dem Tagesordnungspunkt 35 zu diesem Thema aufgerufen werden. – Das machen wir dann so.

Damit kommen wir zum Tagesordnungspunkt 55:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Das Zukunftskonzept für das Universitätsklini- kum Gießen und Marburg ist ein großer Erfolg und ein wichtiges Signal an die Patienten, die Beschäftigten, ih- re Familien und für die Gesundheitsregion Mittelhes- sen) – Drucks. 19/4941 –

zusammen mit dem Tagesordnungspunkt 67:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Zukunftskonzept ist großer Erfolg und wichtiges Signal an die Patienten, die Beschäftigten, ihre Familien und für die Gesundheitsregion Mittelhessen – Drucks. 19/4959 –

Als Erster hat sich Herr Dr. Bartelt für die CDU-Fraktion gemeldet. Herr Dr. Bartelt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Unterzeichnung des Zukunftspapiers zur Weiterentwicklung des Universitätsklinikums Gießen-Marburg ist ein Aufbruch für diese Kliniken. Die Vereinbarung zwischen dem Land Hessen, der Rhön-Klinikum AG, dem Universitätsklinikum Gießen-Marburg und den beiden Universitäten sichert die nachhaltige Entwicklung der Häuser in der Patientenversorgung und in der Forschung und Lehre. Es ist ein großer Erfolg für unseren Wissenschaftsminister Rhein und alle Vertragspartner, vor allem aber für die Patienten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Häuser.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein herausragender Bestandteil dieses Vertrages ist die Verpflichtung des UKGM, in den nächsten fünf Jahren auf jegliche betriebsbedingte Kündigung zu verzichten. Weiterhin werden alle Auszubildenden mit einem entsprechenden Leistungsprofil übernommen. Es wird klargestellt, dass keine Betriebsteile aus dem UKGM ausgegliedert werden. Damit wird eine bislang schon gute Personalentwicklung, besonders in der Pflege, weiter verbessert und vor allem nachhaltig gesichert.

Schon zwischen 2006 und 2016 stieg die Zahl der Pflegekräfte um 16,7 %

(Janine Wissler (DIE LINKE): Und die Zahl der Patienten?)

bei einem Anstieg der Pflegetage um 5 %.