Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

Das macht sich an einer höheren Grundsteuer, einer höheren Hundesteuer oder einer höheren Gewerbesteuer fest, aber auch an höheren Kitagebühren. Das wollen wir einmal nüchtern feststellen.

(Nancy Faeser (SPD): Ja, genau! Das ist das Verdienst dieser Landesregierung!)

Auch das kann ich Ihnen vorlegen.

(Der Redner hält ein Schriftstück hoch.)

Das ist eine Untersuchung von Herrn Junkernheinrich. Dieser stellt fest, dass sich der kommunale Finanzierungssaldo in Hessen, also die Defizite, seit 2000 deutlich verschlechtert hat. Die hessischen Kommunen haben, das muss man wissen, von 1991 bis 2000, also noch in der Regierungszeit von Rot-Grün, zu den Spitzenreitern gehört, was ihre positive Entwicklung betrifft. Wir haben mit die geringsten Defizite von Kommunen in Deutschland gehabt. Mit der Regierungsübernahme der CDU – das ist in dieser Tabelle nachzulesen – ist es ab 2000 gekippt; und Hessen ist bei den kommunalen Defiziten explosionsartig aufgestiegen und gehört mittlerweise zu den Spitzenreitern. Das ist eine nüchterne Feststellung; damit müssen Sie sich doch auseinandersetzen. Das muss doch etwas mit Politik zu tun haben.

(Beifall bei der SPD)

Das kann doch nicht mit einem kollektiven Versagen der hessischen Kommunen erklärt werden; das ist doch eine systematische Frage; und das ist Ihre Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen stelle ich fest: Die CDU hat die gute Position der hessischen Kommunen, die wir, die Sozialdemokraten, ihr übergeben haben – –

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Das gefällt Ihnen nicht, aber das belegen die nüchternen Zahlen.

(Beifall bei der SPD)

Noch einmal: Das ist die Tabelle von Herrn Junkernheinrich – ich übergebe sie Ihnen nachher gern –

(Der Redner hält ein Schriftstück hoch.)

zu dem kommunalen Finanzierungsstand der Jahre 1991 bis 2000. Damals gehörte Hessen zu den Besten. Das Gegenteil ist nach dem Jahr 2000 unter der CDU-Regierung passiert. Deswegen sage ich: Die CDU in Hessen hat die gute Position der hessischen Kommunen zerstört. Sie hat sie von Spitzenreitern zu Absteigern gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sage ich Ihnen auch: Hessens Kommunen brauchen keine trügerischen Erfolgsmeldungen, sondern sie brauchen mehr Mittel für Investitionen. Allein der Investitionsbedarf in Hessen beträgt Milliarden. Es müssten Milliarden investiert werden in Schulen, in Sporthallen, in Bäder und in kommunale Straßen, für Gebäudesanierungsmaßnahmen sowie für die Sanierung von Spielplätzen, also für die Sanierung all der Dinge, die lange Zeit liegen geblieben sind, weil die Kommunen dafür gar nicht die finanzielle Ausstattung hatten. Deswegen lautet mein letzter Satz: Die hessischen Kommunen brauchen endlich echte Hilfen beim Abbau ihrer Altdefizite.

(Beifall bei der SPD)

Sie brauchen keinen Schutzschirm, der für die Kommunen faktisch zum Knirps und für die Bürgerinnen und Bürger zum Schlagstock wird durch Steuer- und Gebührenerhöhungen, sondern sie brauchen echte Hilfen. Echte Hilfen sind von dieser CDU – das hat die Entwicklung der kommunalen Finanzen in Hessen gezeigt – nicht zu erwarten. Und Sie von den GRÜNEN müssen sich einmal überlegen, ob Sie diese Politik der CDU mittragen wollen oder nicht. Wir sagen Ihnen: Wir haben einen anderen Zugang zu den Kommunen. Frau Goldbach hat mich einmal dafür kritisiert, dass ich gesagt habe: Wir brauchen mehr Empathie. – Ihnen aber fehlt es an Empathie gegenüber der Situation der hessischen Kommunen.

(Beifall bei der SPD)

Ich stehe dazu, dass man Empathie braucht, um die wahre Lage der hessischen Kommunen erkennen zu können. Deswegen brauchen wir an dieser Stelle echte Hilfen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Kolleginnen und Kollegen, ich habe keine weiteren Wortmeldungen.

(Günter Rudolph (SPD): Ja, wir haben uns ja auch ausgetauscht!)

Dann hat Herr Schalauske für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Das war jetzt etwas überraschend. Ich dachte, wir diskutierten die Lage der hessischen Kommunen etwas intensiver und ausführlicher.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieser Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen zeichnet ein völlig verzerrtes Bild der Realität in unseren Kommunen. Sie feiern in Ihrem Entschließungsantrag eine Politik, mit der Sie in den letzten Jahren viele Kommunen zu einer rigiden Kürzungspolitik gezwungen haben, zu einer Politik, die dazu geführt hat, dass öffentliche Aufgaben nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr erfüllt werden können.

(Klaus Peter Möller (CDU): Beispiele!)

Sie feiern eine Politik, welche die Lebensbedingungen der Menschen in unseren Kommunen spürbar verschlechtert hat.

(Klaus Peter Möller (CDU): Beispiele!)

Ja, Beispiele kommen. – Es ist Ihre Politik, die drastischen Kürzungen im Sport- und Kulturbereich zur Folge hatte, wie etwa die Schließungen der Kasseler Stadtteilbibliotheken oder auch das Schwimmbadsterben in Hessen.

Denken Sie etwa an Städte und Gemeinden, die Sie mit Ihren Kürzungsarien dazu gezwungen haben, sogar nachts die Straßenbeleuchtung zu reduzieren. Es ist Ihre Politik, die man nicht anders als kommunalfeindlich bezeichnen kann, die dazu geführt hat, dass in Städten wie etwa Bad Sooden-Allendorf und Staufenberg nachts nicht nur sprichwörtlich die Lichter ausgegangen sind.

Ihre kommunalfeindliche Politik hat dazu geführt, dass den hessischen Bürgerinnen und Bürgern tief in die Tasche gegriffen wurde. Sie haben die Kommunen dazu gezwungen, auf breiter Ebene die Gebühren zu erhöhen – Kita-, Friedhofs- und Parkgebühren. Zynisch wird es bei den Friedhofsgebühren, wenn man das so beliebte betriebswirtschaftliche Prinzip „Alles muss sich rechnen“ der Kostendeckung zu Ende denkt;

(Horst Klee (CDU): Ei, ei, ei!)

denn dann kommt man zu der Erkenntnis: Auch Sterben muss sich wieder rechnen. – Das ist das Prinzip der Betriebswirtschaft bis zum Ende gedacht.

(Michael Boddenberg (CDU): Was ist die Alternative?)

Denken wir an die exorbitanten Grundsteuererhöhungen, die Familien belastet haben. Denken wir an die Hessentagsstadt Rüsselsheim, wo die Grundsteuer verdoppelt worden ist. Ich erinnere mich an Diskussionen in einer kleinen mittelhessischen Stadt unter dem Schutzschirmdiktat. Dort wurde darüber diskutiert, um Geld im städtischen Bauhof zu sparen, dass die Bürgerinnen und Bürger die Grünflächen selbst pflegen sollen. Meine Damen und Herren, da bekommt der Begriff „Rasenmähermethode“ eine ganz neue Bedeutung.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie tragen die Verantwortung für diese kommunalfeindliche Politik. Sie verharmlosen in Ihrem Antrag die fatalen Folgen. Das, was Sie im Großen als Schuldenbremse und im Kleinen als Schutzschirm beschönigen, ist und bleibt nichts anderes als ein Kürzungsdiktat. Statt sich hier und heute selbst zu feiern, sollten Sie endlich die Finanzierung der hessischen Kommunen substanziell verbessern.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

All die genannten Maßnahmen haben die Bürgerinnen und Bürger empfindlich getroffen. Sie haben zwar manche Einnahmen erhöht, aber besser ist deshalb nichts geworden, im Gegenteil. Es hat auch nichts mit Generationen- oder Zukunftsgerechtigkeit zu tun, wenn die Kommunen nicht die notwendigen Leistungen für ihre Bürgerinnen und Bürger erbringen können.

(Alexander Bauer (CDU): Was sind die Leistungen?)

Wenn nicht genug investiert werden kann, was haben denn dann die kommenden Generationen davon, wenn sie eine kaputte Infrastruktur der Kommunen übernehmen müssen?

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit! – Alexander Bauer (CDU): Das sind alles Steuergelder!)

Kommen wir zurück in die Kommunen. Man hat den Eindruck, Sie haben die Kämmerinnen und Kämmerer dazu gebracht, auch noch den allerkleinsten Beitrag aus ihrem Haushalt auszupressen, obwohl wir alle wissen, dass die Einnahmeentwicklung der Kommunalfinanzen vor allem von zwei Dingen abhängt: von den Zuweisungen des Landes aus dem Kommunalen Finanzausgleich und von der Gewerbesteuer.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Sie nennen in Ihrem Antrag zwei Zahlen, die auch das noch einmal deutlich machen. 2010 hatten die Kommunen noch ein Finanzierungsdefizit von 2,2 Milliarden €. Heute, wo die Kommunen insgesamt 1,7 Milliarden € mehr aus dem KFA bekommen, geht es ihnen, zugegeben, im Durchschnitt nicht mehr ganz so katastrophal wie vorher. Aber dass sie überhaupt in eine solch katastrophale Lage gekommen sind, das ist doch die Politik Ihrer Landesregierung und dieser Mehrheit in diesem Haus.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit! Karl-Marx-Stadt!)

Dass die Kommunen dauerhaft Haushalte über Kassenkredite finanzieren müssen, das ist vor allem die Verantwortung des Landes. Sie mögen es feiern, dass die Finanzsituation im Durchschnitt nicht mehr ganz so katastrophal ist wie in der Vergangenheit. Aber egal, wie Sie es drehen und wenden, sie bleibt noch immer schlecht. Gerade die Kommunen, die es auch jetzt, wo die Gewerbesteuereinnahmen verhältnismäßig hoch sind, noch immer nicht schaffen, ihre Aufgaben zu erfüllen und gleichzeitig die Haushalte auszugleichen, lässt die Landesregierung im Regen stehen. Sie mögen sich über die blumige Prosa Ihrer Anträge freuen. Die Menschen in den Städten und Gemeinden haben davon aber wenig.

(Beifall bei der LINKEN)

Was haben denn die Menschen von Überschüssen, wenn im Schatten von Hochhäusern das Schauspielhaus marode ist? Wenn Sie in einer kleinen Gemeinde wohnen, in der man viele öffentliche Leistungen weggekürzt hat und der Haushalt immer noch defizitär ist, werden weiter Gebühren und Steuern steigen, Leistungen eingeschränkt und öffentliche Einrichtungen geschlossen. Die schönsten Jubelanträge nutzen doch nichts, wenn vor Ort das Geld für Reparaturen und den laufenden Betrieb fehlt.