Herr Pentz, Sie haben von dem Thema, wie sonst auch, keine Ahnung. – Auch das ist ein ziemlich unerhörter Vorgang.
Eklatante Mängel im Landesamt für Verfassungsschutz: Wurde allen Spuren zum Rechtsextremismus, auch möglichen Verbindungen zum NSU, nachgegangen oder nicht? Meine Damen und Herren, das sind Fragen, die uns interessieren. Auch in Nordhessen gab es über viele Jahre eine rechtsextreme Szene mit Verbindungen nach Südniedersachsen, nach Ostwestfalen und nach Thüringen.
Dieser Abschlussbericht weist eklatante Mängel auf. Beträchtliche Versäumnisse der hessischen Verfassungsschützer in den Jahren 1992 bis 2012 werden attestiert.
Auch der Bundestags-Untersuchungsausschuss hat einvernehmlich festgestellt, von den Fraktionen CDU bis DIE LINKE – das darf man sich schon auf der Zunge zergehen lassen, das steht nunmehr in dem vorliegenden Abschlussbericht, der heute im Reichstag diskutiert wird und der gestern dem Bundestagspräsidenten übergeben wurde –, dass eine sehr lückenhafte Aktenvorlage des Landes Hessen zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Aufklärungsarbeit geführt hat, insbesondere bei den Vorgängen zur Wohnungsdurchsuchung von Herrn Temme. Da sind gravierende Fehler passiert. Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages stellt zu diesem Vorgang einstimmig fest: fehlerhafte und lückenhafte Aktenlieferung
und Behinderung der Arbeit des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages. – Dies ist ein unerträglicher Skandal.
Es war eben in diesem Landesamt vieles nicht in Ordnung unter der Verantwortung von Herrn Bouffier. Wie sagte eine führende Mitarbeiterin: In diesem Amt sei vieles struk
turell auf einem Gedankenstand oder auf einem Regelungsstand gewesen, der Jahre oder Jahrzehnte alt war. Freundlich ausgedrückt würde sie es als „verkrustet“ bezeichnen.
Meine Damen und Herren, das ist freundlich ausgedrückt. Andere haben in dieser Vernehmung von einer „Gurkentruppe“ gesprochen. Dafür trägt zu einem großen Teil der heutige Ministerpräsident Volker Bouffier die Verantwortung.
Zu dem Verhalten des Verfassungsschützers Temme, der am Tattag fast zur Tatzeit am Tatort war, sagt Herr Bouffier auf mehrfache Nachfragen, das sei nicht in Ordnung. Was ist das für eine Verharmlosung? – Das ist ein Skandal erster Ordnung, nach wie vor. Ich habe Herrn Temme im Untersuchungsausschuss vorgeworfen, dass wir es ihm nicht glauben, dass er zufällig zur Tatzeit oder fast zur gleichen Zeit am Tatort war. Der Ministerpräsident sagt: Dieses Verhalten, sich nicht den Sicherheitsbehörden zu stellen, sei nicht in Ordnung.
Meine Damen und Herren, die parlamentarischen Gremien werden in Hessen nicht informiert. Die Begründung von Herrn Bouffier lautet, damit könnten die Ermittlungen gefährdet werden. Auch mit der Familie Yozgat habe man nicht reden können, weil das die Ermittlung gefährdet hätte. Was ist das für ein Politikansatz, zu sagen, Abgeordnete würden die Ermittlungen gefährden, wenn sie informiert würden? – Wir sind Parlamentsabgeordnete, wir haben das Recht auf Information. Deswegen: Aufklären ist notwendig, das Vertuschen muss beendet werden.
In Richtung der GRÜNEN: Sie machen dieser Tage eine Veranstaltung mit dem Titel „Zuhören, Aufklären, Verstehen – Konsequenzen aus NSU und rechtem Terror“. Herr Frömmrich, dann ziehen Sie die richtigen Konsequenzen: alle Akten ungeschwärzt dem Ausschuss. Das ist auch eine Verpflichtung gegenüber dem Opfer und der Familie. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere bisherigen Erfahrungen im NSU-Untersuchungsausschuss in Hessen decken sich mit den gemeinsam von CDU, SPD, GRÜNEN und LINKEN im Bundestag beschlossenen Kritiken an Hessen, z. B. im Umgang mit den Akten im Landesamt für Verfassungsschutz, mit dem kontraproduktiven Verhalten der Landesregierung und mit der nachhaltigen Unterstützungshaltung gegenüber dem ehemaligen V-Mann-Führer Andreas Temme.
Dazu nur zwei Beispiele. Im Abschlussbericht hat der Deutsche Bundestag das Land Hessen wegen seiner mangelnden NSU-Aufklärung heftig kritisiert und sieht „in der lückenhaften Aktenvorlage des Landes Hessen eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Aufklärungsarbeit“. – Nachzulesen auf Seite 1.035 des Abschlussberichts.
So etwas erleben wir in Hessen fast täglich. Noch immer müssen wir um jedes Blatt Papier kämpfen. Freiwillig rücken Verfassungsschutz und Landesregierung nichts heraus. Im Gegenteil: Das Dokument zur Ceska-Mordserie mit der Paraphe von Temme haben wir im Ausschuss selbst ermittelt.
Wir finden im Abschlussbericht des Bundestages viele Ausführungen zu NSU-Verbindungen in Hessen und über die Falschaussagen des hessischen Geheimdienstlers Temme:
Mit dem nun bekannt gewordenen E-Mail-Ausdruck mit der Paraphe Temmes ist entgegen seiner Aussage vor dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss eine dienstliche Befassung mit der Ceska-Mordserie belegt.
Dass dieser Umstand durch eine nachträgliche Aktenvorlage an den NSU-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags bekannt wurde, gibt … Anlass zu deutlicher Kritik.
Das ist nachzulesen auf Seite 1.035 des Abschlussberichts. Ich stelle fest: Unsere Anzeige wegen Falschaussage von Temme war richtig. Er hat an einem zentralen Punkt wieder einmal gelogen, jetzt sogar einstimmig festgestellt vom Deutschen Bundestag.
Hessens Verfassungsschutz und die Hessische Landesregierung haben die Akten nicht freiwillig geliefert, die das belegen. Wir wissen, dass zahllose Akten dem Bundestag und dem Landtag vorenthalten wurden und werden. Ständig finden wir wieder Hinweise, dass brisante Akten existieren müssen, die uns aber im Untersuchungsausschuss nicht zugestellt werden, die lückenhaft sind oder sogar einfach gelöscht werden. Seit letztem Montag weiß auch die Öffentlichkeit endlich, dass das System hat. Denn wir haben in den Akten die internen NSU-Ermittlungen gefunden – und das ist der Hammer –: geheim für 120 Jahre, bis ins Jahr 2134. So etwas gibt es nur in Hessen.
Nun erfährt die Öffentlichkeit erstmals, dass schon 1999 Hinweise auf sogenannte nationalsozialistische Untergrundkämpfer, auf einen nationalen Untergrund, auf militante Strukturen und etwa 250 Hinweise auf das NSU-Umfeld vorlagen, denen nicht nachgegangen wurde, und dass 541 Aktenstücke von Rechtsextremen verschwunden sind.
In keinem Verfassungsschutzbericht, in keinem Statement der Landesregierung und in keiner Aussage im NSU-Ausschuss wurde hierauf jemals hingewiesen. Im Gegenteil: Die Verantwortlichen und die Landesregierung haben stets behauptet, es gebe keine Hinweise auf Rechtsterror, keine NSU-Bezüge, keine Hinweise auf den NSU.
Jetzt wissen wir: Die Hinweise modern seit Jahren in den Akten, wurden erst ignoriert, dann in drei Jahren zusammengesucht, um für die nächsten 120 Jahre einen Geheimstempel darauf machen zu können. Die Angehörigen der Opfer, der Untersuchungsausschuss und die Öffentlichkeit haben ein Recht auf Wahrheit.
Deshalb fordere ich die Landesregierung auf: weg mit der Geheimhaltung. Den Hunderten Hinweisen auf Waffen, Sprengstoff und das NSU-Umfeld muss endlich intensiv nachgegangen werden.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist Populismus pur, und dies bei einem Thema, bei dem sich eigentlich jeder Ansatz einer Inszenierung verbietet. Das ist leider nicht neu.
Wenn bei dem vorherigen Thema gerade noch von Respekt gesprochen und von Herrn Rudolph auf den Minister AlWazir abgestellt wurde: Herr Rudolph, das, was Sie abgelassen haben, ist alles andere als respektvoll. Sie sprechen unter anderem von Sabotage und darüber, dass die Landesregierung sabotieren würde.
Das ist, wie wir alle wissen, ein Straftatbestand. – Aber nur so viel dazu, weil Sie von Respekt gesprochen haben.
Wie ich bereits sagte, ist das nicht neu. Interessant ist auch, dass Sie wahrscheinlich selbst gemerkt haben, dass Ihre Aktuelle Stunde total daneben ist. Beide Vorredner der Opposition haben total am Thema vorbei gesprochen.
Wenn Sie schon darauf hinweisen, dass es einen, früher als geheim eingestuften, Bericht gibt, der auf Mängel hinweist, dann seien Sie doch auch so redlich und weisen darauf hin, dass die meisten der darin aufgeführten Mängel aus der SPD-Regierungszeit stammen, nämlich Anfang der Neunzigerjahre, als ein SPD-Innenminister die Verantwortung getragen hat.
(Beifall bei der CDU – Janine Wissler (DIE LIN- KE): Das stimmt doch überhaupt nicht! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Hatten Sie Zugang zu den geschwärzten Akten, um das behaupten zu können? – Unruhe bei der SPD und der LINKEN – Glockenzeichen des Präsidenten)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie, die SPD, bezogen sich bei der Einbringung dieser Aktuellen Stunde auf einen Abschlussbericht – –
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Bellino hat das Wort. Wenn Sie eine Zwischenfrage haben, dann melden Sie sich. Er wird dann sagen, ob er sie zulässt oder nicht. Wenn nicht, dann klären Sie es danach mit ihm. – Herr Kollege Bellino, bitte.
Die Damen und Herren der SPD bezogen sich bei der Einbringung des Abschlussberichts des Bundestages auf einen Bericht, der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht zugänglich war. Ihr Vorwurf lautet – in der Aktuellen Stunde nachzulesen –, das habe die Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages erheblich behindert.
Diese Formulierung, Herr Kollege Rudolph, findet sich im gesamten Abschlussbericht des Bundestages nicht ein einziges Mal. Das ist unseriös.