Protokoll der Sitzung vom 29.06.2017

(Günter Rudolph (SPD): Sie müssen als Landesregierung von Respekt reden! – Glockenzeichen des Präsidenten)

Sie haben hier gerade über Respekt gesprochen. – Deswegen sage ich, es ist gegenüber den Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages nicht respektvoll, eine Debatte vorwegzunehmen, die erst heute Nachmittag geführt wird. Mehr sage ich gar nicht. Sie mögen das selbst für sich beurteilen, meine Damen und Herren. Die Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit derartig schweren und insbesondere unzutreffenden Vorwürfen sollte mindestens die Gelegenheit einer eingehenden Befassung voraussetzen.

Nachdem hierzu bislang lediglich in den Medien schon verschiedentlich etwas zu lesen war – von einer lückenhaften Aktenvorlage des Landes Hessen war die Rede –, konnte ich in der Kürze der Zeit zumindest oberflächlich von den konkreten Vorwürfen des Bundestags-Untersuchungsausschusses Kenntnis nehmen. Die aufgeworfenen Vorwürfe und Anschuldigungen sind haltlos.

(Lachen des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Der Bundestags-Untersuchungsausschuss wurde durch die Landesregierung seit seiner Einsetzung im Oktober 2015 jederzeit und vollumfänglich unterstützt. Nach der umfassenden Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags, für die, wie Sie wissen, erhebliches Personal bereitgestellt wurde, stand die Vorlage an den Bundestags-Untersuchungsausschuss an erster Stelle.

(Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE), Holger Bellino (CDU) und Günter Rudolph (SPD))

In mehr als zehn Beweisbeschlüssen hat das Innenressort dem Deutschen Bundestag über die bereits zum ersten Ausschuss zum NSU-Komplex überlassenen Unterlagen hinaus umfangreiches Aktenmaterial vorgelegt. Dabei waren die vom Bundestags-Untersuchungsausschuss gesetzten Fristen zum Teil abenteuerlich.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

So wurde etwa zum Beweisbeschluss HE-16 gerade einmal eine Frist von drei Tagen gesetzt und die Zulieferung auf einen Sonntag terminiert. Der Beweisbeschluss HE-18 hat mein Haus am 6. Dezember erreicht und war mit der Bitte um Zulieferung bis zum 14. Dezember versehen. Dass wir in diesem Fall um eine Fristverlängerung bitten mussten, ist mehr als nachvollziehbar.

Aber selbstverständlich wurde auch diesen Beweisbeschlüssen wie allen übrigen entsprochen. Dem vom Bundestags-Untersuchungsausschuss eingesetzten Ermittlungsbeauftragten wurden kurzfristig mehrstündige Gesprächstermine mit den Behördenleitungen sowohl im Polizeipräsidium Nordhessen als auch im Landesamt für Verfassungsschutz ermöglicht.

Tatsächlich hat das Gespräch mit dem Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz allein auf einem Angebot unsererseits beruht, in dem wir ausdrücklich den entsprechenden Ermittlungsbeauftragten darauf hingewiesen haben, dass das nutzbringend sein könnte. Darüber hinaus wurde zahlreichen kurzfristig übermittelten Bitten des Bundestags-Untersuchungsausschusses etwa im Hinblick auf die Herabstufung von Dokumenten und Unterlagen zur Verwendung im Abschlussbericht in kürzester Zeit weit überwiegend entsprochen.

So hat uns etwa am 11. Mai dieses Jahres, einem Donnerstag, eines von mehreren Herabstufungsersuchen erreicht, das wir dann bis zum 15. Mai, einem Montag, beantwortet haben. In jedem Fall gab es innerhalb weniger Tage die geforderten positiven Rückmeldungen, um die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu unterstützen.

Dabei möchte ich nochmals betonen, dass dies alles im Wege der Amtshilfe neben der umfangreichen Übersendung von angeforderten Akten an den Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags und der dadurch andauernden erheblichen Belastung der damit befassten hessischen Sicherheitsbehörden geschehen ist.

Bis zuletzt waren für die Aktenaufbereitung für die in Bund und Ländern tagenden Untersuchungsausschüsse allein im Landesamt für Verfassungsschutz mehr als 20 Mitarbeiter vollzeitbeschäftigt. Hinzu kommt eine Vielzahl von Polizisten aus den betroffenen Flächenpräsidien und aus dem Landeskriminalamt.

Meine Damen und Herren, dem Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag sind bei 14 Beweisbeschlüssen 1.445 Akten übermittelt worden. Herr Kollege Rudolph, ich möchte noch darauf hinweisen, dass die Tatsache, dass Akten im Moment noch nicht zugeliefert worden sind, allein auf die Koordinierung mit anderen Ämtern aus anderen Bundesländern zurückzuführen ist.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist überhaupt nicht wahr! – Nancy Faeser (SPD): Das ist falsch! – Weitere Zurufe von der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)

Zeitgleich haben wir den Bundestags-Untersuchungsausschuss entsprechend unterstützt. Meine Damen und Herren, Ihre Vorwürfe, die Sie im Titel dieser Aktuellen Stunde erhoben haben, sind alle völlig haltlos. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Und die Erde ist eine Scheibe!)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, es gibt zwei weitere Wortmeldungen. Der Minister hat zehn Sekunden überzogen. Ich stelle anheim – –

(Günter Rudolph (SPD): Und die Minute von Herrn Bellino!)

Kollege Rudolph, wir schauen hier schon richtig. Andere Kollegen bekommen auch mal ein bisschen mehr Zeit. So ist das nicht.

Ich stelle jetzt anheim, ob Frau Kollegin Wissler in zehn Sekunden eine Stellungnahme abgeben will und auch die Frau Kollegin Faeser. – Ich kann es nicht ändern. Es ist so in der Aktuellen Stunde. Die überzogene Zeit kann jede Fraktion nutzen. Wenn es zehn Sekunden sind, sind es zehn Sekunden.

Also, lassen wir es lieber? – Gut.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist dem Thema nicht angemessen!)

Das ist dem Thema nicht angemessen? Ich kann es nicht ändern. Dann müsst ihr da unten es anders organisieren. – Damit ist diese Aktuelle Stunde ebenfalls beendet.

Jetzt haben wir den Vorgang mit dem Protokollauszug. Ich darf vorlesen. Der Minister hat gesagt:

Sie wissen wahrscheinlich auch nicht, dass seit letztem Dezember jeden Freitagmorgen um 8 Uhr eine Telefonkonferenz stattgefunden hat, die von Herrn Staatssekretär Samson geleitet wurde, in der man sich Gedanken darüber gemacht hat, wie man diesen Wettbewerb gewinnt. Zu der Uhrzeit dreht sich der Abg. Marius Weiß noch einmal von rechts nach links.

Ich weiß nicht, wie es der Minister gemeint hat.

(Zurufe von der SPD)

Wenn er es bös gemeint hat, gehe ich davon aus, dass er es nicht so bös meint. Es tut mir leid, das ist kein Punkt für eine Rüge. Das stelle ich fest.

Ich will in dem Zusammenhang auch sagen, die Äußerung vom Kollegen Günter Rudolph: „Arrogantix“ ist auch im folkloristischen Bereich anzusiedeln. Ich will heute am letzten Tag keine Rüge machen. Deshalb weise ich darauf hin: Geht vernünftig miteinander um, von allen Seiten. Abgeordnete sind rund um die Uhr tätig, insbesondere auch Marius Weiß. Wenn der Minister es falsch und bös gemeint hat, dann weiß er, dass ich meine, er soll es nicht so bös meinen. Ich glaube, dann ist das einigermaßen über die Bühne.

Trotzdem gebe ich dem Kollegen Rudolph das Wort zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, bei allem Verständnis für die Versuche der Interpretation von Ihnen: Der Minister hätte jetzt die Gelegenheit, dazu etwas zu sagen. Das will er augenscheinlich nicht. Dann werden wir es zum Thema Respekt für die nächste Sitzung des Ältestenrats anmelden. Ich kündige das hiermit schon an.

Das steht jedem frei. Die nächste Sitzung des Ältestenrats ist nach dem Sommer. Dann geht es weiter.

Damit ist der Punkt erledigt, und ich gehe davon aus, dass sich alle wieder einigermaßen vertragen. Jeder weiß, wie ich das meine, auf jeder Seite.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Leute, es ist doch jetzt erledigt. Regt euch nicht auf, es wird immer schwüler.

Wir kommen zu Punkt 61:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Die Hessische Landesregierung muss den Einsatz von Attac für eine gerechte Besteuerung, sozia- le Gerechtigkeit und Solidarität als gemeinnützig aner- kennen) – Drucks. 19/5040 –

zusammen mit Punkt 65:

Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Engagement von Attac für eine gerechte Besteuerung, soziale Gerechtigkeit und Solidarität ist gemeinnützig – Drucks. 19/5047 –

und Punkt 72:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend ehrenamtliches Engagement fördern, Gemeinnützigkeitsrecht hinsichtlich Anpassungsnotwendigkeit aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen überprüfen, verdeckte Parteienfinanzierung verhindern – Drucks. 19/5069 –

Wer spricht jetzt? Es ist keine Wortmeldung da. – Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass das Frankfurter Finanzamt dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac im April 2014 mit der Behauptung, die Organisation sei zu politisch, die Gemeinnützigkeit entzogen und der Nichtregierungsorganisation damit schweren Schaden bereitet hat, das war schon Skandal genug.

Aber die jüngste Anweisung des Bundesfinanzministeriums, mit Wolfgang Schäuble als Finanzminister an der Spitze, an das Frankfurter Finanzamt, gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts in Kassel in Sachen Gemeinnützigkeit von Attac, das Attac recht gegeben hat, vorzugehen, setzt der Sache eines obenauf.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieses Vorgehen ist nichts weniger als ein Angriff auf eine politische, aktive, lebendige und kritische Zivilgesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Verhalten des Ministeriums macht deutlich: Das gesellschaftliche Engagement für eine gerechtere Steuerpolitik, das Wolfgang Schäuble und Verfechtern einer angebotsorientierten Wirtschafts- und Austeritätspolitik ohnehin ein Dorn im Auge ist, soll mit diesem Schritt nicht nur politisch, sondern jetzt auch mit dem Steuerrecht bekämpft werden. Das Finanzamt Frankfurt war doch allen Ernstes der Auffassung, der Einsatz für eine Finanztransaktionssteuer oder eine Vermögensabgabe diene keinem gemeinnützigen Zweck.

Ich frage Sie: Was kann es in diesen Zeiten, wo mit miesen Tricks Millionen- und Milliardenprofite und -vermögen in Steueroasen geparkt, am Fiskus kriminell vorbeigeschleust und damit dem Gemeinwesen entzogen werden – ich nenne nur das Stichwort Panama-Papers –, Gemeinnützigeres geben als den Kampf für eine gerechtere Besteuerung, für wirksame gesetzliche Regelungen und für die Austrocknung von Steueroasen?