Ich frage Sie: Was kann es in diesen Zeiten, wo mit miesen Tricks Millionen- und Milliardenprofite und -vermögen in Steueroasen geparkt, am Fiskus kriminell vorbeigeschleust und damit dem Gemeinwesen entzogen werden – ich nenne nur das Stichwort Panama-Papers –, Gemeinnützigeres geben als den Kampf für eine gerechtere Besteuerung, für wirksame gesetzliche Regelungen und für die Austrocknung von Steueroasen?
Meine Damen und Herren, ich finde diesen Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Solidarität verdammt gemeinnützig. Dafür sollten wir, dafür sollte dieser Landtag Attac dankbar sein. Wie wäre es einmal mit Respekt gegenüber Attac?
Aber das Hessische Finanzgericht hat glücklicherweise eindeutig entschieden. Es hat entschieden, dass das selbstlose Engagement von Attac gemeinnützig ist. Ich zitiere aus dem Urteil:
Entgegen der Auffassung des Finanzamts sprechen die thematischen Schwerpunktaktionen … nicht gegen die Gemeinnützigkeit des Klägers. Mit diesen Themen hat sich der Kläger im Rahmen der Förderung der politischen Bildung und des demokratischen Staatswesens vielmehr kritisch an einem gesellschaftlichen Diskurs beteiligt, der … die in der Gesellschaft vorhandenen Interessenkonflikte aufgreift.
So lautet eine der zentralen Passagen in dem Schriftstück. Meine Damen und Herren, geht es noch eindeutiger? – Ich meine: nein.
Es gibt dann noch einen weiteren Vorwurf an Attac, nämlich den der politischen Betätigung. Die Abgabenordnung als einschlägiges Gesetz enthält aber kein Verbot einer politischen Betätigung, sondern lediglich ein Verbot der Unterstützung politischer Parteien, nicht mehr und nicht weniger. Eine pauschale Beschränkung der Tätigkeit von gemeinnützigen Vereinen auf unpolitische Angelegenheiten – ich frage mich, was eigentlich eine unpolitische Angelegenheit, eine unpolitische Tätigkeit ist – wäre meiner Meinung nach eine demokratieschädliche Veranstaltung.
Eigentlich wäre es an der Zeit, dieses Urteil endlich zur Kenntnis zu nehmen und die Gemeinnützigkeit von Attac ein für alle Mal anzuerkennen oder alternativ die Abgabenordnung dahin gehend anzupassen, dass ein für alle Mal klar ist, dass auch eine politische Betätigung gemeinnützig sein kann, wenn sie nicht dazu dient, Parteien illegal zu finanzieren.
Jetzt an die Kollegen von CDU und GRÜNEN gerichtet, da sie in ihrem Antrag diesen Punkt so stark unterstrei
chen, sage ich: Ich finde, man kann Attac nicht den Vorwurf machen, dass Attac Parteien illegal finanziert. Das hat in Hessen schon einmal eher auf der rechten Seite des politischen Spektrums eine unrühmliche Rolle gespielt. Da sollten Sie vielleicht den Mund nicht zu voll nehmen.
Ich finde, die Hessische Landesregierung muss hier und heute klarstellen, ob das Vorgehen des Bundesfinanzministeriums gegen Attac im Einvernehmen mit dem hessischen Finanzministerium erfolgt ist, wie es die gesetzlichen Grundlagen vorsehen.
Ich frage Sie: Unterstützt die Landesregierung, dass weiter juristisch gegen die Gemeinnützigkeit von Attac vorgegangen wird, oder nicht? Ich fordere von der Landesregierung und den Regierungsfraktionen eine klare Aussage dazu, ob sie das Urteil des Hessischen Finanzgerichts und damit die Gemeinnützigkeit von Attac anerkennen.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Bundesfinanzminister gegen den erklärten Willen der Hessischen Landesregierung weiter gegen Attac vorgehen würde. Sie hätten also hier und heute die Chance, ein klares politisches Zeichen zu setzen, das mehr als angebracht wäre.
Ich will zum Ende kommen. Ich finde, der Einsatz für eine gerechte Steuerpolitik, für Solidarität und soziale Gerechtigkeit ist nicht nur dringend geboten. Dieses Engagement ist selbstlos und muss auch überparteilich in Vereinigungen als gemeinnützig anerkannt werden, und das ausdrücklich auch dann, wenn sie sich politisch einmischen. Wenn die Bertelsmann Stiftung als gemeinnützig gilt,
(Beifall bei der LINKEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Muss erst recht gelten! – Holger Bellino (CDU): Das kann doch nicht wahr sein! Abenteuerlich!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schalauske, auch wenn Ihr Wortbeitrag und die kürzlich veröffentlichte Pressemitteilung mich stark zur Unsachlichkeit verleiten könnten, versuche ich, sachlich zu bleiben und einige Aussagen dazu zu machen, was in den letzten Wochen und Monaten im Fall Attac geschehen ist.
Sie versuchen hier den Eindruck zu erwecken, die hessische Finanzverwaltung bekämpfe Attac aus politischen Gründen und habe deshalb die Gemeinnützigkeit aberkannt. Das hat zwar nichts mit der Realität zu tun, scheint Ihnen jedoch besser ins Bild zu passen. Aber das sind wir von Ihnen ja bereits gewohnt.
Die Finanzverwaltung führt Steuergesetze aus. Ich habe das größte Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzverwaltung und auch der Justizverwaltung, dass sie dies nach bestem Wissen und Gewissen und nicht aus politischer Motivation tun.
Wie bei jedem Gesetz gibt es unterschiedliche Auslegungen, unterschiedliche Rechtsauffassungen, die die Gerichte dann klären müssen. Dies tun sie genauso gewissenhaft.
Das ist einer der zentralen Vorteile eines Rechtsstaats, in dem eben nicht willkürlich gehandelt wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Jan Schalauske (DIE LINKE))
Bei dieser Fragestellung geht es nicht nur um Attac, es geht auch um viele andere Organisationen, die sich im Haupt- oder Nebenzweck politisch engagieren. Deswegen kann es aus meiner Sicht auch nur richtig sein, eine Legitimation auf höchstrichterlicher Ebene zu bekommen, da es sich um einen Fall von ganz grundsätzlicher Bedeutung in unserer Gesellschaft handelt. Deswegen hat das Bundesfinanzministerium der hessischen Steuerverwaltung die Anweisung gegeben, die Nichtzulassungsbeschwerde einzureichen. Mögliche Rechtsmittel zu nutzen ist zulässig und legitim.
Auch das ist Bestandteil unseres Rechtsstaats. Auch Attac hat Rechtsmittel genutzt, um gegen den Bescheid des Finanzamts vorzugehen. Ich stelle mir gerade Ihre scharfe Kritik an Attac vor, wenn diese es gewagt hätten, gegen ein nicht in Ihrem Sinne gefallenes Urteil Rechtsmittel einzulegen. Oder welche Debatte hätten Sie heute wohl geführt, wenn die Finanzverwaltung mit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit einer Organisation, die Positionen weit am rechten Rand vertreten würde, vor dem Finanzgericht gescheitert wäre? Hätten Sie die Landesregierung aufgefordert, die Gemeinnützigkeit unverzüglich wieder abzuerkennen, hätten Sie das getan?
(Jan Schalauske (DIE LINKE): Solche Vergleiche! Fragen Sie mal Heiner Geißler, was er von dieser Gleichsetzung halten würde!)
Solange es in Ihrem Sinne läuft, müssen erstinstanzliche Urteile sofort anerkannt werden. Wenn nicht, dann dürfen selbstverständlich alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft werden? Wollen Sie direkten politischen Einfluss auf das Handeln der Finanzverwaltung nehmen
(Janine Wissler (DIE LINKE): So etwas würde man in Hessen nie tun, Einfluss auf die Finanzverwaltung nehmen! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Gerade weil das Gemeinnützigkeitsrecht, die Abgrenzung zur Parteienfinanzierung ein so wichtiges und grundsätzliches Thema ist,
haben wir im Juli letzten Jahres darüber breit und auch sehr sachlich diskutiert. Wir waren uns in vielen Punkten sehr einig.
Die Frage, wo Grenzen zu ziehen sind, ist schwierig zu beantworten. Alle waren sich darin einig, dass es eine klare Trennung zwischen Parteien und gemeinnützigen Vereinigungen geben muss und dass demokratiefeindliche und extremistische Positionen von einer steuerrechtlichen Förderung ausgeschlossen bleiben müssen.
Die Argumente zur grundsätzlichen Definition und Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, das übrigens Bundesrecht ist, haben wir vor knapp einem Jahr ausgetauscht. Da sich bis heute an den Argumenten und Tatsachen nichts geändert hat, gibt es aus unserer Sicht hierzu nichts mehr zu sagen. – Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Die Revision wurde nicht zugelassen!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ja schon ein interessantes Thema, eine interessante Fragestellung, die wir heute zu diskutieren haben. Das Hessische Finanzgericht hat in einem höchst umfassenden Urteil, in einer Entscheidung dargelegt, warum es der Auffassung ist, dass sowohl die satzungsrechtlichen Voraussetzungen bei Attac e. V. als auch die tatsächliche Geschäftsführung die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllen. Dazu vorweg zwei Punkte, auch an Frau Arnoldt gerichtet.
Die nächste Instanz ist der Bundesfinanzhof. Weil das ein Obergericht ist, ist dies gleichwertig mit Entscheidungen eines Oberlandesgerichts. Entscheidungen der Finanzgerichte unserer Bundesländer sind bundesweit zu berücksichtigen.