Protokoll der Sitzung vom 29.08.2017

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf der Grundlage des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes, das ab 2012 gilt, hat die Landesregierung von der Möglich

keit Gebrauch gemacht, ein Gemeinsames Landesgremium nach § 90a Sozialgesetzbuch V zu etablieren. Diese landesrechtliche Regelung ist auf den 31. Dezember dieses Jahres befristet. Die Evaluation hat ergeben, dass die Fortführung dieses Gremiums einheitlich gewünscht wird. Denn in diesem Gremium kann ein intensiver und sektorenübergreifender Austausch der beteiligten Institutionen stattfinden.

Es ist allerdings auch deutlich geworden, dass es einige Änderungswünsche gibt, die die Landesregierung aufgenommen und in den Gesetzentwurf eingearbeitet hat. Zum einen soll jetzt alles in ein Gesetz zusammengeführt werden. Die Stimmrechtsanteile der Vertreter der gesetzlichen Krankenversicherung sollen nach Marktanteilen neu geregelt werden, um den jeweiligen Herausforderungen der einzelnen Kassenarten gerecht zu werden und um optimale und versichertengerechte Entscheidungen zu finden und gemeinsame Voten der gesetzlichen Krankenversicherung zu ermöglichen.

Wir binden inzwischen alle Kammern zur Förderung der intersektorellen Zusammenarbeit aller Akteure ein. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass nicht die Frage des Stimmrechts entscheidend ist, sondern die Beteiligung und die uneingeschränkte Möglichkeit der Sachdiskussion in den Arbeitsausschüssen. Das ist ohne Stimmrecht genauso wertvoll wie mit Stimmrecht.

Im Übrigen wird auch das Einstimmigkeitsprinzip beibehalten werden. Das heißt, wenn einer der Beteiligten, die ein Stimmrecht haben, dagegen spricht, gibt es keinen Beschluss des gemeinsamen Lenkungsgremiums.

Es wird die Berichtspflicht der oder des Vorsitzenden eines Arbeitsausschusses über den Umsetzungsstand der Empfehlungen oder die Pflicht der Stellungnahme zur kontinuierlichen Weiterentwicklung des Gremiums geben. Ich sage dazu nur einmal: Bei einem der Arbeitsausschüsse, die sehr intensiv tätig sind, geht es um die Frage der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit bei der Notfallversorgung. Das ist ein Thema, das uns intensiv beschäftigt.

Man merkt, dass die Zusammenarbeit sowohl der Kassen als auch der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, der Krankenhäuser und anderer auf dieser Ebene andere Möglichkeiten der Entscheidungs- und Lösungsfindung für wichtige Probleme bietet, als das in anderen Strukturen möglich ist. Insofern wird eine noch stärkere Patientenorientierung durch die Arbeit des Gemeinsamen Landesgremiums etabliert und fortgeführt werden. Auch in diesem Fall bittet die Landesregierung um Zustimmung zu dem vorgelegten Gesetzentwurf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, vielen Dank. – Ich eröffne die Aussprache und stelle fest, dass sich Frau Kollegin Dr. Sommer zu Wort gemeldet hat. Sie haben das Wort. Wenn keine Wortmeldung mehr kommt, sind wir nach Ihrer Rede schon fertig.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Grüttner hat es gerade schon ausgeführt: Das Land Hessen hat im Jahr 2012 von der gesetzlichen Mög

lichkeit Gebrauch gemacht, nach § 90a Sozialgesetzbuch V ein gemeinsames Gremium auf Landesebene zu bilden.

(Günter Rudolph (SPD): Jetzt kommen sie! Jetzt werden sie alle munter!)

Heute sprechen wir erneut über dieses Landesgremium, da das Gesetz auf Ende des Jahres 2017 befristet ist. Ziel ist es, durch eine verstärkte Vernetzung eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige gesundheitliche Versorgung in ganz Hessen zu fördern. Deswegen gibt es dieses Gremium. Es beschließt Empfehlungen zu sektorenübergreifenden Fragen der Versorgung.

Sie haben es schon erwähnt: Neben dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration werden auch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen, die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen, die Hessische Krankenhausgesellschaft und die Kommunalen Spitzenverbände vertreten sein. Nun sollen auch die Heilberufskammern hinzukommen.

Im Jahr 2012 gehörte ich noch nicht dem Landtag an und konnte deshalb nicht mit Beschluss fassen. Deswegen habe ich mir die Plenarprotokolle angeschaut und gelesen, worüber Sie diskutiert haben. Das war unter anderem, dass weitere Mitglieder benannt werden sollten. Herr Grüttner, Sie sagten damals, dass das bewusst schlank gehalten werden sollte. Ich zitiere:

Es würde dieses Gremium mit Sicherheit überlasten, wenn man jetzt die Psychotherapeuten, die Pflege, die Heilkunde, die Osteopathen in das Gesetz mit aufnehmen würde.

Die Heilberufskammern sollen dann dabei sein. Auch wenn es im Gesetzentwurf nicht verankert ist, möchte ich Sie gerne fragen, ob Sie heute, nach fünf Jahren Arbeit des Landesgremiums, noch genauso urteilen oder ob Sie neben den Heilberufskammern auch andere relevante Partner einbinden möchten. Denn das Ziel ist schließlich die verstärkte Vernetzung. Dazu zählen einfach alle Fachgebiete im Gesundheitsbereich.

(Beifall bei der SPD)

Ich freue mich auf die weitere Auseinandersetzung. Wir werden auch in diesem Fall gerne eine Anhörung beantragen, um zu schauen, ob sich die Arbeit des Landesgremiums bewährt hat bzw. evaluiert wurde.

Sie haben von Evaluation gesprochen. Uns liegen zwar die Unterlagen der Regierungsanhörung vor, jedoch nichts über eine interne Evaluation. Deswegen würden wir gerne wissen: Was hat stattgefunden? Welche Änderungen sind gegebenenfalls noch notwendig?

Insbesondere bin ich sehr gespannt, zu erfahren, wann das Gremium getagt hat, welche Empfehlungen beschlossen und wie diese umgesetzt wurden. Oder haben bislang lediglich die offiziell bekannten Termine stattgefunden? Das waren vier an der Zahl: im März 2014 die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, im Januar 2015 die Annahme einer vorliegenden Geschäftsordnung, im November 2015 der Abschluss von Vereinbarungen zur ärztlichen und pflegerischen Versorgung und zu stationären Pflegeheimen sowie im Oktober 2016 zum Konzept einer psychosozialen, psychoonkologischen Versorgung sowie zur Errichtung eines Arbeitsausschusses zur sektorenübergreifenden Notfallversorgung.

Das sind sehr wichtige und spannende Themen, die das Gremium seiner Zielbestimmung zufolge angepackt hat. Mir wäre es darüber hinaus aber noch wichtig, Folgendes zu erfahren: Inwiefern befinden sich Beschlüsse und Konzepte konkret in der Umsetzung? Funktioniert die Vorschaltfunktion des Gremiums wie angedacht? Welche Rolle spielt das Gremium nach fünf Jahren bei der Bedarfsplanung und Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung tatsächlich? Inwiefern sind bisher andere Organisationen eingebunden worden, die keine originären Mitglieder sind?

(Beifall bei der SPD)

Im Gesetz finden sich darüber hinaus unscharfe und missverständliche Formulierungen, auch bezogen auf die Regelungen zur Berichterstattung und zu den Empfehlungen zur Umsetzung. Sie sind leider ohne verbindlichen Charakter, trotz des so wichtigen Inhalts.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, dass noch ganz viele Fragen offen sind. Das Landesgremium – da bin ich mir sicher – kann die Herausforderungen und Anforderungen des demografischen Wandels, bezogen auf die gesundheitlichen Versorgungsfragen, begleiten. Die Frage ist nur: Wie hat es dies in den letzten fünf Jahren getan? Welche Erfahrungen und Ergebnisse sind bis dato zu verzeichnen, und wie werden diese genutzt?

Ich freue mich auf die weitere sehr wichtige Debatte mit dem gesundheitspolitischen Anliegen, eine zukunftssichere, flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen. In diesem Sinne wünsche ich uns gute Beratungen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Mariana Schott (DIE LINKE))

Das Wort hat nun der Abg. Rock für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache es deutlich kürzer als meine Vorrednerin. Sie hat von dem gesprochen, was wir alles noch nicht wissen. Das ist richtig so. Wir werden jetzt eine Anhörung durchführen, wenn ich es richtig verstanden habe. Dann werden wir einen tieferen Einblick in das Thema gewinnen können.

Nach dem, was ich bislang erkennen konnte, war das, was die Landesregierung vorgelegt hat, durchaus schlüssig. Ich kann mir daher vorstellen, dass wir am Ende des Prozesses diesen Gesetzentwurf mittragen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU))

Ich gebe das Wort an Frau Kollegin Schott.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben diesem Gesetzentwurf im Jahr 2012 nicht zugestimmt, weil eben nicht festgeschrieben war, wer die Vertreter in diesem Gremium sein sollen. Nun ist es festgeschrieben. Das zeigt, dass dafür eine Notwendigkeit bestand.

Wir waren immer dafür, dass in diesem Gremium eine ausgeglichene Besetzung vorherrscht. Diese ausgeglichene Besetzung gibt es aber auch jetzt wieder nicht. In dem Gremium sitzen zu wenige Patientenvertreter und gar keine Beschäftigtenvertreter. Warum sind die Menschen, die in diesem Sektor in großer Zahl beruflich unterwegs sind, nicht auch in diesem Gremium vertreten? Wie erfahren die Fachwelt und die geneigte Öffentlichkeit, worüber man in dem Gremium beraten hat?

Wir sind daher der Meinung – das wurde vorhin schon ausführlich beschrieben; deshalb will ich es nicht in aller Ausführlichkeit noch einmal tun –, dass auch die Veröffentlichung der Stellungnahmen und Beschlüsse im Gesetz festgeschrieben werden sollte. So kann man hier Abhilfe schaffen, und wir erfahren, wie oft sie tatsächlich getagt haben und wie hilfreich ihre Arbeit ist. Dann muss man nicht mühsam danach suchen, und wir müssen uns zudem nicht beim nächsten Mal, wenn wir wieder hier stehen und über dieses Thema debattieren, darüber auseinandersetzen, ob und wie viel getagt wurde und wie hilfreich das war, was da erarbeitet worden ist.

Ich hoffe, dass wir dazu im Rahmen der Anhörung noch mehr erfahren werden. Damit möchte ich es für heute Abend gut sein lassen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. – Nächster Redner ist für die CDU-Fraktion der Kollege Dr. Bartelt.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sektorenübergreifende Versorgung ist ein wichtiges Thema bei vielen gesundheitspolitischen Diskussionen. Sie fordert die Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer Medizin. Bei Behandlung chronischer Erkrankungen, in der Onkologie, bei Versorgung im ländlichen Raum, der Sicherstellung der Notfallversorgung werden sektorenübergreifende Konzepte angestrebt.

Das seit 2012 bestehende GKV-Versorgungsstrukturgesetz des Bundes ermöglicht, in den Ländern Gremien einzurichten, die Empfehlungen zur Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgung geben. In ihnen sind verpflichtend das Land, die Kassenärztliche Vereinigung, die gesetzlichen Krankenkassen und die Krankenhausgesellschaft vertreten. Auch Hessen hat 2012 ein solches Gremium gebildet. Das Landesgesetz läuft Ende dieses Jahre aus, und das ist Anlass für den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Bildung eines Gemeinsamen Landesgremiums nach § 90a Abs. 1 SGB V.

Bei der Evaluation des Gesetzes haben sich die Beteiligten für eine Fortsetzung des Gremiums ausgesprochen. Wie bisher werden auch die Kommunalen Spitzenverbände und Patientenvertretungen dem Gremium angehören. Das ist von Bedeutung, da sektorenübergreifende Versorgung auch ein Lösungsansatz zur Behebung des Versorgungsdefizits im ländlichen Raum ist. Chronisch kranke Menschen benötigen besonders die Aufhebung der Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Medizin.

Die aktuellen Änderungen sind nicht grundsätzlicher Natur, haben aber praktische Auswirkungen: gleichberechtig

te Vertretung der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigung, Mitgliedschaften der Kammern aller Heilberufe – Apothekerkammer, Zahnärztekammer, Ärztekammer –, Anpassung der Stimmrechte der einzelnen gesetzlichen Krankenkassen an die Mitgliederzahlen und die Möglichkeit, Betroffene zu einzelnen Fragen hinzuzuziehen, beispielsweise bei der Entwicklung von E-Health-Systemen.

Die Landesgremien wurden dem Grunde nach positiv bewertet, aber auch kritisch begleitet. Der beratende Charakter begrenzt natürlich die Umsetzung von Beschlüssen; auf entsprechende Kommentierungen im „Deutschen Ärzteblatt“ sei verwiesen.

Wir sind an das Bundesgesetz gebunden, stimmen aber auch darin überein, dass Rechte und Verantwortung der Krankenhausgesellschaft, der gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung und deren Finanzierung nicht angetastet werden dürfen. Dessen ungeachtet erwarten wir schon, dass die Empfehlungen dieses Gremiums ernst genommen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind ausgewogen, da die vorgeschriebene Zusammensetzung das Gleichgewicht von Leistungserbringern und Kostenträgern gewährleistet. Beschlüsse müssen weitgehend einstimmig gefasst werden. Das gilt besonders, wenn es sich um Empfehlungen zur Sicherstellung der Versorgung im dünn besiedelten ländlichen Raum handelt.

Die Novellierung des Gesetzes zur sektorenübergreifenden Versorgung soll dem Landesgremium mehr Bedeutung und Durchsetzungskraft verleihen und damit auch einen Beitrag bei einem unserer Hauptprobleme in der Gesundheitspolitik leisten, nämlich der Sicherstellung der Versorgung des ländlichen Raums. Wir sind optimistisch, dass wir durch diesen Gesetzentwurf hierzu einen Beitrag leisten können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf trifft auf unsere Zustimmung. Das Gemeinsame Landesgremium hat sich einheitlich für die Fortführung dieses Gremiums ausgesprochen. Es findet die Arbeit sinnvoll, richtig und unterstützenswert. Was dort gesundheitspolitisch diskutiert wird, ist von großer Bedeutung.