Protokoll der Sitzung vom 31.08.2017

Erst seit Mitte August werden in Hessen stichprobenartig auch Lebensmittel auf Rückstände von Fipronil untersucht. Verstärken Sie umgehend die Kontrollen für Lebensmittel, die Eier enthalten, und veröffentlichen Sie alle Ihnen vorliegenden Fipronil-Testergebnisse.

Kein Tier, das irgendwann auf dem Teller landet oder zur Gewinnung von Lebensmitteln gehalten wird, darf mit Fipronil in Berührung kommen. Das wurde bereits im Jahre 2013 – also bevor Sie die Regierungsverantwortung übernommen haben – durch die Europäische Union beschlossen und diese Substanz in Lebensmitteln verboten. In Deutschland sind sogar Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Fipronil nicht erlaubt.

Fipronil wurde in Niedersachsen in Eiern aus vier Betrieben nachgewiesen: in einem ökologisch arbeitenden Betrieb, zweimal in Freilandhaltungen und in einer Bodenhaltung. In Eiern aus Käfighaltungen wurde Fipronil nicht nachgewiesen. Auch das zeigt: Ist es nicht eher so, dass Hessen manchmal nur Glück hat, dass es keinen Lebensmittelskandal gibt? Fipronil-Eier haben rein gar nichts mit ökologischer Landwirtschaft oder regional erzeugten Produkten zu tun.

Kommen wir zum Thema Bienensterben. Bisher hat sich das Umweltministerium nicht klar für den Schutz der Honigbiene ausgesprochen,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was?)

obwohl aufgrund der Zahl dieser Tiere nur die Honigbienen die Bestäubung im Frühjahr in der Landwirtschaft gewährleisten können. Was tut das Ministerium aber konkret zum Schutz der Honigbienen?

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das frage ich gerade Sie, Frau Dorn.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Werden Imker direkt unterstützt? Gibt es Förderprogramme für Imker? Gibt es einen gesetzlich verankerten Schutz für Belegstellen? – Leider lautet die Antwort auf alle diese

Fragen: Nein. Sie haben bisher weitgehend nicht erkannt, welche Maßnahmen für einen wirksamen Schutz der Honigbienen dringend ergriffen werden müssen. Es gibt lediglich eine Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung der Erzeugung und Vermarktung von Honig in Hessen. Gefördert werden hier nur der Landesverband Hessischer Imker, das Institut für Bienenkunde der Goethe-Universität Frankfurt und das Bieneninstitut Kirchhain des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen, mehr nicht. Sich im Sommer blühende Wiesen anzuschauen, reicht für den Schutz der Bienen nicht.

(Beifall bei der SPD)

In Ihrer Aktuellen Stunde haben Sie als dritten Punkt den Artenverlust angesprochen. Nicht einmal auf den Internetseiten des Umweltministeriums zum Thema Artenschutz kann eine Verbindung zur ökologischen Landwirtschaft hergestellt werden.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was?)

Die Broschüre der Landesregierung mit dem Titel „Stoppt den Artenverlust“ stammt aus dem Oktober 2009 und musste bisher anscheinend nicht aktualisiert werden. Was bedeutet Artenschutz in Hessen? – Fast ausschließlich die Umsetzung und Ausführung rechtlicher Regelungen und Konventionen im nationalen und internationalen Artenschutzrecht. Auch hier ohne Scham eine Verbindung zur ökologischen Landwirtschaft zu ziehen, ist beachtlich. Der relativ aktuelle Biodiversitätsbericht weist aus, dass es im Bereich der Biodiversität keine Verbesserungen, sondern nur Verschlechterungen gab. Sie können sich gerne die Presserklärungen der Umweltverbände hierzu anschauen.

Die Produktion regionaler Lebensmittel ist von einer nachhaltigen oder ökologischen Wirtschaftsführung vollkommen unabhängig. Industrielle Landwirtschaft kann regional sein, ökologische Landwirtschaft kann weltweit exportieren. Eine bäuerlich geprägte Landwirtschaft muss nicht automatisch ökologisch oder sozial nachhaltiger sein als andere Organisationsformen der Landwirtschaft.

Wo bleibt bei Ihnen die konventionelle Landwirtschaft? Die Verknüpfung nicht zusammenhängender Begriffe zu einer Aktuellen Stunde finde ich fatal – fatal für unser Land und fatal für die gute Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte, egal, wie die Ausrichtung des jeweiligen Hofes ist. Der Landwirt des Jahres 2016 aus Roßdorf in Hessen arbeitet konventionell und nicht ökologisch.

Zum Schluss bitte ich Sie: Beantragen Sie im nächsten Plenum bitte eine Aktuelle Stunde, die es wert ist, so genannt zu werden.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Löber. – Das Wort hat der Abg. Kurt Wiegel, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder einmal stehen die Bäuerinnen und Bauern am Pranger. Wir haben es schon gehört: 10 Millionen mit Fipronil belastete Eier sind erzeugt worden und teilweise leider auch in den Verkauf gelangt. Ein Teil davon wurde

wahrscheinlich konsumiert. Zum Glück waren in Hessen nur wenige betroffen, was auch daran liegt – Frau Löber, hier sind wir unterschiedlicher Meinung –, dass die Untersuchungsämter schnell reagiert, umfassend kontrolliert und entschlossen gehandelt haben und die belasteten Eier entsorgt wurden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben kriminelle Machenschaften Einzelner, die offensichtlich gegen geltende Gesetze verstoßen, indem sie einem zugelassenen biologischen Mittel Fipronil zugesetzt und dieses in Hühnerställen eingesetzt haben. Das ist nicht akzeptabel und wird von den zuständigen Gerichten hoffentlich hart sanktioniert.

Auf diese Weise kam es zu Überschreitungen eines Vorsorgewertes. Zum Glück gibt es wohl keine ernsthaften Gesundheitsgefahren oder -schäden; denn die Grenzwerte sind sehr niedrig, und die Eier wurden nachvollziehbar aus dem Verkehr gezogen.

Es ist jedoch ein massiver Schaden entstanden. Er entstand für die vielen Tausend Landwirte in unserem Land und überall in Europa, die ordentliche Lebensmittel produzieren, die sich an eine unfassbare Vielzahl von Vorschriften und Gesetzen halten, die eine gute Ausbildung haben, sich um ihre Tiere und Felder kümmern, die uns mit guten Lebensmitteln versorgen, unsere Kulturlandschaft erhalten und Lebensräume nachhaltig bewirtschaften.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landwirte müssen sich wieder einmal rechtfertigen. Sie sehen sich einem Skandal ausgesetzt. Die Menschen haben Angst. Sie fragen sich: Kann ich noch gefahrenlos Eier kaufen und essen? – Ich bin es wirklich leid, dass unsere Landwirte unter solchen kriminellen Praktiken leiden müssen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb will ich sehr deutlich sagen: Nein, unsere Bauern verkaufen kein verseuchtes und gesundheitsgefährdendes Essen. Sie sind Garanten für gute, gesunde Lebensmittel.

Ich will sehr deutlich sagen: Nein, unsere Bauern sind nicht für das Bienensterben verantwortlich. Sie schaffen mit freiwilligen Maßnahmen, aktuell im Rahmen des Programms „Bienenfreundliches Hessen“, zusätzliche Lebensräume; denn sie wissen, dass die Landwirtschaft ohne natürlich Bestäuber nicht überleben kann.

Ich sage sehr deutlich: Nein, unsere Bauern rotten unsere Tier- und Pflanzenwelt nicht aus. Aber man muss auch sagen: Nur ein gesunder Weizen gibt auch ein gutes, geschmackvolles Brot.

Die Landwirte tun sehr viel für den Erhalt von Lebensräumen. Wir unterstützen das, machen über die Agrarpolitik aber auch Vorschriften, z. B. Greening-Vorgaben. Nahezu jedes Lerchenfenster, jedes Feldgehölz, jeder Magerrasen, jede Streuobstwiese, jeder Blüh- und Pufferstreifen wird von einem Landwirt angelegt, gepflegt und erhalten – vieles davon freiwillig oder im Rahmen des Vertragsnaturschutzes. Nicht bewirtschaftete Flächen verbuschen – das sollten wir immer im Hinterkopf behalten – und werden auf der Zeitachse zu Wald. Das ist nicht die Artenvielfalt, die ich mir vorstelle.

Ich will in Hessen vielfältige Strukturen erhalten. Ich kann jeden nur bitten: Schenken Sie den Bauern Ihr Vertrauen. Lassen Sie sich nicht erzählen, dass wir Landwirte unsere Tiere schlecht behandeln, dass wir die Umwelt, das Wasser verseuchen und die Artenvielfalt zerstören. Gehen Sie zu den Landwirten in Ihrem Dorf. Alle Kollegen, die ich kenne, sind bereit, Besuchern ihren Hof und ihre Methoden zu zeigen. Reden Sie mit diesen Menschen darüber, was sie tun, wie sie produzieren, wie sie schützen und welches Verhältnis sie zu ihren Tieren haben. Dann werden Sie sehen, dass es egal ist, ob biologisch, ökologisch oder konventionell produziert wird. Unsere Landwirte machen eine gute und wertvolle Arbeit. Meine Fraktion und die Landesregierung stehen dazu, sie darin zu unterstützen.

Dazu gehört auch, Berufskollegen in Schutz zu nehmen, wenn wegen des Fehlverhalten einzelner Idioten eine ganze Branche einmal wieder belastet ist. Ich werbe dafür, dass das die Botschaft ist, die dieses Haus heute an die Menschen in Hessen sendet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Kurt Wiegel. – Der Ausdruck „Idioten“ ist zwar nicht ganz parlamentarisch, aber in dem Sinne angebracht und in Ordnung.

(Allgemeine Heiterkeit – Kurt Wiegel (CDU): Entschuldigung!)

Es geht weiter mit Frau Kollegin Schott, die das Wort für die Fraktion DIE LINKE hat.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor so viel krimineller Energie, wie sie bei dem Fipronil-Skandal unterwegs war, ist niemand sicher – dass das immer Idioten sind, wage ich zu bezweifeln. Aber es gibt natürlich Strukturen, die solche Kriminalität begünstigen, in denen so etwas gedeihen kann: Wirtschaftlichkeitsdruck, Existenzängste, Gewinnvermehrung und andere.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn sich aber die GRÜNEN hier für ihre Landwirtschaftspolitik loben wollen – das ist der Inhalt dieser Aktuellen Stunde –, werden sie sicher Verständnis dafür haben, dass ich mich dieser Lobhudelei wenig anschließen kann; denn es gibt eine Menge offene Baustellen in der hessischen Agrarpolitik. Ich möchte ein paar benennen.

Wer möchte, dass Hessen bei der Produktion der Grundnahrungsmittel weitgehend autark wird, muss auch dafür Sorge tragen, dass die landwirtschaftlichen Flächen zur Verfügung stehen. Besonders bei dem Umstieg auf artgerechte ökologische Tierhaltung braucht man größere Flächen als bei einer konventionelle Haltung. In Südhessen erleben wir derzeit aber einen starken Flächenverlust für die Landwirtschaft. Zum Beispiel plant Frankfurt aktuell einen neuen Stadtteil von ca. 500 ha Größe – und das auf den allerbesten Ackerböden. Wenn der Flächenverbrauch so weiterginge, gäbe es nach Berechnungen des Regionalbauernverbands Starkenburg in Südhessen in vier Generationen keine landwirtschaftlichen Flächen mehr.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Die Hessische Landesregierung hat derzeit kein Konzept, diese Flächenverluste zu stoppen. Nicht auf jedes Problem ist die ökologische Landwirtschaft die Antwort. Das Problem kann nur gelöst werden, wenn man begreift, dass Verdichtung und Wachstum der Ballungsräume eine Seite der Medaille von Landflucht und Verarmung von Dörfern ist.

Rentabilitätskriterien, wonach die soziale Infrastruktur in ländlichen Regionen bei geringer Nutzung einfach plattgemacht wird, wie bei Schulen mit wenigen Kindern oder Krankenhäusern, beschleunigen das Problem. Kultus- und Sozialministerium bauen Infrastrukturen ab, während das Umweltministerium um die Entwicklung ländlicher Räume bemüht ist.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Außer in Dillenburg!)

Eine bessere Abstimmung zwischen den Ministerien wäre bereits ein Fortschritt. Die Entwicklung ländlicher Räume ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Gesundheitsvorsorge, Schulen und Kindergärten müssen erhalten und ausgebaut werden, ebenso wie der ÖPNV und die Breitbandanbindung. Da hilft es auch nicht, im x-ten Jahr darüber zu reden, sondern man muss es auch machen – und nicht genau das Gegenteil davon, so wie wir es dieser Jahre erlebt haben.

(Beifall bei der LINKEN – Kurt Wiegel (CDU): Was auch geschieht!)

Wer schließt Schulen im ländlichen Raum? Wer schließt Krankenhäuser im ländlichen Raum?

Die Wasserrahmenrichtlinie wird nur schleppend umgesetzt. Das liegt zum einen natürlich an K+S und an den fortgesetzt erteilten Genehmigungen. Das liegt aber auch an zu hohen Nährstoffeinträgen in Grund- und Fließgewässer durch die Landwirtschaft. Da brauchen wir uns doch nichts vorzumachen.