Protokoll der Sitzung vom 26.09.2017

Auch das gehört zu Augenmaß und klarem Ziel in der Inklusion: nicht irgendwelche Stichtage zur Abschaffung von irgendwelchen Schulformen, sondern zu versuchen, jeden Tag dem Elternwillen immer besser auch in diesem Bereich gerecht werden zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn wir in diesem Hessischen Landtag über Lehrerversorgung sprechen, dann gehört zur Wahrheit dazu, dass wir dies auf einem Niveau tun, das es in keinem anderen Bundesland gibt.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Das heißt nicht, dass wir keine Probleme haben. Das heißt nicht, dass Schulen nicht auch mal einen Engpass bei der Lehrerversorgung haben. Aber in keinem anderen Bundesland gibt es im Durchschnitt eine Lehrerversorgung von 105 %.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Bei allen Schwierigkeiten und Verbesserungsmöglichkeiten sollten wir das nie aus den Augen verlieren.

Schauen wir in andere Bundesländer: Mehrere Landesregierungen haben sich zum Ziel gesetzt, 100 % Lehrerversorgung zu realisieren. Wir sind bei 105 %. Bei allen Problemen, die auch wir haben, dürfen die Dimensionen nicht aus dem Blick geraten.

Jetzt wird angesprochen, dass die Lehrkräfte bundesweit knapp sind. Ja, das ist richtig. Ich habe aber von keiner Oppositionsfraktion in diesem Haus gehört, was wir bei der Bekämpfung der bundesweiten Lehrerknappheit anders machen sollen als die Landesregierung. Wo ist denn ein anderer Vorschlag?

Was würden Sie kurzfristig anders machen, als pensionierte Lehrer zu bitten, noch einmal in den Schuldienst zurückzukehren, bzw. Lehrer an der Altersgrenze zu bitten, nicht in Pension zu gehen? Welche andere Maßnahme hätten Sie kurzfristig?

Welche andere Maßnahme hätten Sie mittelfristig, als Lehrer aus anderen Lehrämtern für das Grundschullehramt zu qualifizieren?

Was würden Sie langfristig anders machen, als die Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen zu erhöhen?

Ja, wir stehen vor einer großen Aufgabe. Aber der Wettbewerb in der Politik geht um die besseren Ideen. Ich habe auch in diesem Bereich keine bessere Idee gehört, was wir tun könnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Weil sich in diesem Bereich immer die Kolleginnen und Kollegen der FDP besonders hervortun – ich erspare Ihnen den Hinweis nicht –: Die Lehrkräfte, die uns heute fehlen, hätten vor fünf bis sieben Jahren ausgebildet werden müssen. Denn exakt so lange dauert die Ausbildung von Lehrkräften. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, schauen Sie einmal nach, wer da für die Bildungspolitik in unserem Land die Verantwortung getragen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben uns um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte gekümmert. Auch da: Natürlich kann man immer alles besser machen. Natürlich sind wir nicht am Ende dessen, was man sich vorstellen kann, und natürlich sind wir offen für weitere Vorschläge.

Aber wir haben die Lehrerarbeitszeit im Zuge der Arbeitszeitreduzierung für alle Beamtinnen und Beamten gesenkt.

Wir haben jetzt das Grundschulpaket auf den Weg gebracht, mit dem wir nicht nur für Sozialpädagogen für die Grundschulen sorgen, sondern mit dem wir Konrektorenstellen neu schaffen oder besser bezahlen.

Wir haben das Jobticket für alle Landesbediensteten auf den Weg gebracht.

Wenn wir über die Attraktivität des Lehrerberufs in Hessen reden, dann gehört all das zu einem Gesamtpaket dazu. Hier haben wir wesentliche Verbesserungen bereits erreicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben die ideologischen Blockaden und Zwangsbeglückungen, die das Schulsystem noch in der letzten Legislaturperiode ausgezeichnet haben, überwunden. Den ideologischen Streit um das richtige Ganztagsschulprogramm – ich habe es vorhin gesagt – gibt es nur noch in den Reden der SPD. In der schulischen Realität gibt es das nicht mehr.

Erinnern wir uns daran, wie es vor fünf Jahren war, an den Dauerstreit um G 8 und G 9, als vorgeschrieben werden sollte, welches das richtige Konzept für die gymnasiale Schulzeit ist. Diesen Dauerstreit gibt es nicht mehr. Auch dieses schulische Dauerstreitthema ist entschärft.

Integrierte Gesamtschulen können heute arbeiten wie Gemeinschaftsschulen, wie Stadtteilschulen, wie Sekundarschulen in anderen Bundesländern, weil wir auch hier sagen: Über das richtige pädagogische Konzept wird nicht ideologisch in Wiesbaden entschieden, sondern es wird danach entschieden, was vor Ort für die Schülerinnen und Schüler richtig ist. – Das ist der richtige Kurs in der Bildungspolitik und nicht Ideologie oder Zwangsbeglückung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Natürlich gibt es in der Bildungspolitik immer mehr Forderungen, immer mehr Erwartungen, immer mehr Probleme, immer mehr Herausforderungen, als gleichzeitig lösbar sind. In der Bildungspolitik wird nie der Zustand erreicht sein, dass irgendeine Fraktion dieses Hauses sagt – egal, ob Regierung oder Opposition –: So kann es jetzt für immer bleiben. – Es wird eine Daueraufgabe sein, unsere Schulen immer wieder neu an geänderte Realitäten, an eine vielfältiger werdende Schülerschaft anzupassen.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD – Herr Kollege Degen hat heute wieder par excellence vorgeführt, was Sie alles versprochen haben –: Eine Opposition, die allen alles verspricht, verspricht in Wahrheit niemandem etwas, weil jeder weiß, dass alles auf einmal und sofort im richtigen Leben und auch in der Politik nicht geht. Deshalb ist Ihr Ansatz, allen alles zu versprechen, in Wahrheit die programmierte Ansage von Enttäuschungen. Deshalb gehen wir diesen Weg nicht mit.

Politik hat etwas mit Prioritätensetzung zu tun. Darüber sollten wir streiten: Was machen wir zuerst? Was machen wir als Zweites? Was machen wir als Drittes? Aber wer glaubt, sich diesem Streit um die richtigen Prioritäten in der Politik entziehen zu können, indem er allen alles verspricht, der macht den Menschen etwas vor.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben die Weichen in der Bildungspolitik neu gestellt. Bildungs- und Chancengerechtigkeit stehen im Mittelpunkt der hessischen Schulpolitik, weil wir wollen, dass es nicht darauf ankommt, wo ein Kind herkommt, sondern welche Ziele, welche Träume es hat und wo es hinwill. Daran ar

beiten wir jeden Tag. Wir müssen immer noch besser werden, aber wir haben auch schon eine ganze Menge erreicht.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Kollege Wagner. – Das Wort hat Frau Abg. Faulhaber, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kultusminister, ich möchte zunächst einmal begrüßen, dass endlich – nach vielen Brandbriefen, Initiativen, Aktionen, Oppositionsanträgen – ein Schritt in die richtige Richtung getan wird. Nach einer langen Zeit des völligen Stillstands ist das immerhin bemerkenswert.

Sie planen jetzt, innerhalb eines Jahres 700 sozialpädagogische Fachkräfte und 24 Schulberater und Schulpsychologen an den hessischen Grundschulen einzustellen. Sie haben die Ausbildungskapazität für das Lehramt an hessischen Universitäten um 50 % erhöht und mühen sich um Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für die Lehrkräfte und die Schulleitungen. Sie benennen als Ziel, die Lehrerversorgung tatsächlich bei 105 % erhalten zu wollen, und wollen besonders Grund- und Förderschullehrkräfte einstellen.

In Ihrem Bericht gibt es noch viel mehr „Zahlendropping“. Das sind gute Vorhaben, aber Sie stellen diese Zahlen heute als großen Fortschritt vor, Herr Prof. Lorz. Isoliert hören sich die Zahlen auch beeindruckend an. Aber wie sind sie im Gesamtzusammenhang zu bewerten, im Kontext der Anforderungen, die in der Gesellschaft anstehen und damit derzeit an ein Bildungs- und Schulsystem gestellt werden müssen?

Die GEW sieht nicht, dass nur 100 Grundschullehrer fehlen. Es fehlen wesentlich mehr. Hier liegt auch der Grund, warum nicht nur DIE LINKE nicht in Jubelrufe ausbricht, sondern auch die Gewerkschaften, die Eltern- und Schülervertretungen, die Verbände nicht lauthals Hurra schreien.

(Horst Klee (CDU): Haben die noch nie gemacht!)

Sie kommen mit Ihren Vorhaben nämlich ziemlich verspätet. Sie agieren nicht im Vorlauf, sondern Sie reagieren im Nachgang auf gesellschaftliche Veränderungen, und zwar nur so weit, wie es zwingend und unvermeidbar ist.

In Ihrer Regierungserklärung erwähnen Sie die Digitalisierung als Anforderung an die Bildung. Aber Sie erwähnen nicht, mit welchen Vorstellungen Sie an dieses Thema herangehen möchten. Weder wird klar, welche Maßnahmen Sie als nötig erachten, um auf diese gravierenden Veränderungen in der Produktion vorzubereiten, noch, wie Sie sich für die zu erwartenden sozialen Verwerfungen wappnen wollen, die in großem Maßstab mit dieser Entwicklung einhergehen werden.

(Horst Klee (CDU): Abwarten!)

Darauf muss nicht nur die Sozialpolitik vorausschauend ausgerichtet werden, sondern auch die Bildungspolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei geht es nicht nur darum, dass sich das Familienleben wandelt, weil jetzt beide Eltern arbeiten gehen, wie das in Ihrer Erklärung steht, oder sich eine Pluralisierung der Lebensstile vollzieht. Dabei geht es um das Recht auf Arbeit und Bildung und um die Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich frage Sie, Herr Lorz: Wie sieht es mit einer Konzeption aus, wie die Schulen mit digitalen Medien arbeiten und Medienkompetenz bilden sollen? Mit welchen Schwerpunkten sollen die Lehrerinnen und Lehrer dafür ausgebildet werden? Oder sollen sie wieder unter dem Deckmäntelchen der Vielfalt in jeder Schule ein eigenes Konzeptchen anwenden? Sie verraten das in Ihrer Regierungserklärung nicht.

Konzepte fehlen auch in anderen Bereichen Ihrer Bildungspolitik. Ich zähle ein paar auf. Sie wollen weiterbilden und die Qualität von Schulleitungen und Kollegien erhöhen. Mit welchem Ziel, mit welchen Prioritäten? Sie richten Ihre Anstrengungen auf die Grundschulen. Das ist natürlich wichtig und richtig. Aber welche Konzepte haben Sie für die weiterführenden Schulen? Welche Konzepte haben Sie für die berufliche Bildung? Wie wollen Sie die Ausbildung gestalten?

Sie wollen mehr Grundschullehrkräfte einstellen, aber Sie wissen, dass gute Studienanwärter und -anwärterinnen im Berufsbild eines gestressten Grundschullehrers mit A 12 nicht unbedingt ihren Traumberuf sehen. Doch immer noch fehlt es an einer Vorstellung, wie dies verändert werden kann.

Da hier die 105-prozentige Besetzung eine so große Rolle gespielt hat: Sie muss allzu oft als Steinbruch herhalten für andere Aufgaben, z. B. für die Schulsozialarbeit, um nur eine wichtige Sache zu nennen, die daraus finanziert wird. Das ist ein Fähnchen, das Sie vor sich hertragen, das manchmal gar nicht unterfüttert ist.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))