Protokoll der Sitzung vom 26.09.2017

(Minister Tarek Al-Wazir: Es gibt immer noch einen amtierenden Oberbürgermeister!)

Zum Schluss: Auch dieses Gesetz ist wieder einmal befristet. Auch vor diesem Gesetz hat der Befristungswahn der Landesregierung keinen Halt gemacht, wobei es hier besonders keinen Sinn macht. In fünf Jahren gibt es auch noch Fluglärm, auch über 2021 hinaus gibt es noch Fluglärm.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)

Daher macht es keinen Sinn, das Gesetz, das die Belastungen mindern bzw. verteilen soll, auf fünf Jahre zu begrenzen, wenn die Belastungen über fünf Jahre hinausgehen. Die Fluglärmkommission hat das schon im Vorhinein einer Anhörung klar kritisiert. Dieser Kritik schließen wir uns an. Wir sind gespannt, was die weiteren Anhörungen und Beratungen in diesem Bereich bringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Weiß. – Für die LINKEN erteile ich Frau Wissler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Natürlich ist es gut, wenn die am stärksten betroffenen Kommunen beim Schutz gegen den teilweise unerträglichen Fluglärm finanziell unterstützt werden. Das machte bisher der Teil nachhaltige Regionalentwicklung im Regionalfonds, der Ende des Jahres ausläuft. Diese Mittel wollen Sie in ähnlicher Höhe weiter an die am stärksten von Fluglärm betroffenen Kommunen ausschütten.

Aber – ich finde, das muss man deutlich sagen –: Dieses Geld stammt aus dem Landeshaushalt. Auch wenn immer gesagt wird, es stammt aus der Dividende, die dem Land

Hessen zusteht, sind das Gelder, die das Land aus seinen Anteilen an der Fraport AG erhält, und deshalb ist es Geld, das man auch für andere Dinge ausgeben könnte. Das heißt, diese Finanzierung aus dem Landeshaushalt heraus ist nichts anderes als eine unserer Meinung nach ungerechtfertigte Subventionierung des Luftverkehrs.

Wir sind der Meinung, Fraport muss als Verursacher und Profiteur selbst für den passiven Lärmschutz aufkommen und es aus ihren Mitteln bezahlen und nicht aus Mitteln, die dem Land Hessen zustehen und die man auch für andere Dinge verwenden könnte.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Ich meine, überhaupt ist dieses Konstrukt „Lärmschutz aus der Dividende“ ein wenig schräg, weil das auch ein bisschen heißt: je mehr Gewinn für die Fraport, desto mehr Lärmschutz. – Aber das ist für Fraport eine sehr komfortable Regelung. Wir sind der Meinung, dass das nicht aus dem Landeshaushalt gemacht werden sollte, sondern dass Fraport selbst dafür aufkommen müsste.

(Beifall des Abg. Jan Schalauske (DIE LINKE))

Der wegfallende Regionalfonds hat neben den Kommunen auch Schulen und private Hausbesitzer beim Lärmschutz unterstützt. Diese zwei Säulen fallen nun voraussichtlich weg. Wer sein Wohnzimmer vor Fluglärm schützen will, hat künftig neben den bescheidenen Möglichkeiten aus dem Fluglärmschutzgesetz des Bundes keine Möglichkeiten mehr, Förderung zu beantragen. Auch hier wäre ein Ersatz dringend erforderlich.

Außerdem ist das Gebiet, in dem die Förderung ausgeschüttet wird, viel zu klein bemessen. Die Zone ist deutlich kleiner als die Fluglärmschutzzonen nach dem Fluglärmschutzgesetz, und auch die sind schon äußerst knapp bemessen. Nur sehr wenige Kommunen erhalten überhaupt mehr als eine symbolische Summe.

Wenn man sich anschaut – die Liste liegt bei –, wie viel jede Kommune bekommt, dann sieht man, dass es bei einer Stadt wie Hanau knapp 60.000 € sind. Bei Mainz sind es 45.000 €. Da kann man sich ausrechnen, wie viele Lärmschutzfenster das ungefähr sind.

Von daher würde ich sagen: Lastenausgleich ist ein sehr großes Wort für relativ wenige Mittel, die natürlich nicht im Geringsten die Lasten, die diese Kommunen durch den Fluglärm haben, ausgleichen.

Meine Damen und Herren, in diesem ohnehin schon zu kleinen Gebiet wird auch noch zu wenig Geld ausgeschüttet, um einen wirksamen Schallschutz leisten zu können. Die Mittel werden gegenüber dem auslaufenden Regionalfonds nicht wesentlich erhöht. Statt für einen sinnvollen passiven Schallschutz für ganze Gebäude reicht das Geld wohl nur für ein paar neue Fenster. Das Land muss eine realistische Kostenschätzung für Schallschutzmaßnahmen in öffentlichen und privaten Gebäuden erarbeiten, vorlegen und vor allem auch transparent diskutieren.

Denn ich finde, in dem ganzen Verfahren mangelt es an der Transparenz, wie es zur Aufteilung der Mittel für die Kommunen kommt. Die Tabelle, die sich im Anhang an den Gesetzentwurf befindet, kommt ein bisschen aus dem Nichts in den Landtag. Sie wurde nicht öffentlich beraten. Sie wurde irgendwie in den Gremien des Umwelt- und Nachbarschaftshauses ausgekaspert. Das halten wir für un

zureichend. Deswegen müssen wir in der Anhörung schauen, was die betroffenen Kommunen dazu sagen.

Ich will anmerken, dass der passive Schallschutz enge Grenzen hat. Deswegen bleiben wir dabei, dass wir eine Stärkung des aktiven Schallschutzes brauchen. Das bedeutet die Deckelung, die Reduzierung der Zahl der Flugbewegungen und ein achtstündiges Nachtflugverbot. Das brauchen wir und nicht alleine Maßnahmen zum passiven Schallschutz.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es ist gut und richtig, wenn Anwohnerinnen und Anwohner, die von Fluglärm betroffen sind, neue Fenster bekommen. Aber die Menschen möchten sich auch im Freien aufhalten können. Sie möchten ihre Gärten nutzen, und sie möchten auch einmal auf dem Balkon sitzen. Deswegen sind wir der Meinung, dass man an der Lärmquelle ansetzen muss, dass man nicht die Menschen nur in ihren Gebäuden davor schützt, dass es nicht zu laut wird, sondern dass man an der Lärmquelle ansetzt. Das müsste heißen, dass es nicht immer weiter einen Ausbau des Frankfurter Flughafens gibt, sondern dass wir ganz im Gegenteil endlich schauen, wie man Kurzstreckenflüge auf die Bahn verlagern kann, dass man die Zahl der Flugbewegungen reduziert, dass man ein achtstündiges Nachtflugverbot bekommt. Das ist es doch, wo wir ansetzen müssen, beim aktiven Lärmschutz, weil der passive Lärmschutz sehr enge Grenzen hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Wissler. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Kaufmann das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem Vortrag, den wir gerade gehört haben, möchte ich mich jetzt wieder der realen Welt zuwenden und nicht der Wunschwelt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

In der realen Welt ist es so, dass diese Koalition, die bestimmte Rahmenbedingungen, was den Flughafen angeht, vorgefunden hat, zumindest was den grünen Teil angeht, eine wesentliche Verabredung getroffen hat, die wir in der Koalitionsvereinbarung niedergeschrieben haben: uns darum zu kümmern, dass der Fluglärm möglichst gemindert wird und seine Folgen für die Bevölkerung gemindert werden.

Dafür haben wir die Lärmpausen eingerichtet. Dafür haben wir auch die Gefahr der Wirbelschleppen in den Städten Raunheim und Flörsheim gebannt. Dafür haben wir die lärmabhängigen Start- und Landegebühren weiter gespreizt. Dafür hat das Ministerium eine Stabsstelle Fluglärmreduzierung geschaffen, die sehr erfolgreich arbeitet. Dafür haben wir als Land Hessen, als hessische Regierung Initiativen zur Novellierung des Luftverkehrsgesetzes wie niedergelegt angesetzt und vorangetrieben. Dafür diskutieren wir zurzeit – es wurde bereits vom Kollegen Kasseckert erwähnt – das Thema Lärmobergrenzen. Ich gehe

auch davon aus, dass wir dazu alsbald öffentlich eine Lösung präsentieren können.

Jetzt bin ich bei dem Punkt, der uns heute interessiert: Dafür machen wir jetzt ein Regionallastenausgleichsgesetz als Fortsetzung – dies als freundlicher Hinweis an den Kollegen Lenders – dessen, was im Regionalfondsgesetz steht. Insoweit haben Sie Ihre Frage, warum man ein Gesetz bräuchte, in Ihrer Regierungszeit selbst beantwortet, indem Sie das Regionalfondsgesetz mit auf den Weg gebracht haben. Sie sehen also: Für diese Leistungen ist eine Gesetzgebung notwendig. Genau darüber reden wir heute, dass wir das tun wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will jetzt gar nicht all das, was zur Beschreibung des Gesetzes vom Minister vorgetragen wurde, wiederholen, sondern mich meinen in der Sache kritischen Vorrednern zuwenden. Bei der Sozialdemokratie waren es wie immer zwei Feststellungen: Das, was wir machen, ist erstens zu spät und zweitens zu wenig.

Meine Damen und Herren, an diese Kritik sind wir schon gewöhnt. Das tropft sozusagen ab. Verehrter Herr Kollege Weiß, es wäre einmal etwas wirklich Neues, wenn Sie nicht auf die Idee kämen, zu sagen, es sei zu spät und zu wenig, sondern es sei eigentlich ganz gut, was wir machen. Schließlich sind wesentliche sozialdemokratische Kommunalpolitiker, die in der Region, gerade was den Flughafen angeht, eine größere Rolle spielen, sehr dafür und haben sich dafür ausgesprochen.

Zweiter Punkt. Was heißt, es kommt zu spät? Ich gehe davon aus, wir werden es wahrscheinlich noch in diesem Jahr verabschieden. Für das Jahr 2017 sind die Mittel entsprechend vorgesehen, sodass es für niemanden ein Verlust sein wird.

Der Kollegin Wissler möchte ich mitgeben: Für uns ist Fraport auch mit für den Lärmschutz zuständig. Leider ist die Rechtslage so, dass es nicht in der Möglichkeit des Landes liegt, das zu bestimmen, sondern das liegt, wie Sie wissen, an Bundesgesetzen. Wir werden sehen, was wir da vielleicht absehbar hinbekommen.

Insoweit sind wir mit den Maßnahmen, die wir machen können, erstens darauf verwiesen, was man an freiwilligen Vereinbarungen mit der Luftverkehrswirtschaft hinkriegen kann. Ich finde, das kann sich durchaus sehen lassen.

Zweitens geht es darum, was wir über die von uns eingenommenen Mittel im Hinblick auf Hilfen der Kommunen, die von Fluglärm stark belastet sind, steuern können.

Noch ein Drittes. Frau Wissler, Sie sagten, dass die Mittel der beiden anderen Säulen ergänzt werden müssten. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass sie keineswegs erschöpft sind, sondern dass die Nachfrage dort nicht so groß war.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Erstens, was die Kommunen angeht, können sie mit den neuen Mitteln in ihrem Bereich weiterhin in eigener Verantwortung tätig werden. Zweitens werden aus den bestehenden Programmen auch noch Vorgänge abgewickelt. Das geht alles nicht so schnell, vor allem wenn es sich um Baumaßnahmen z. B. an Schulen handelt. Das Programm befindet sich insoweit noch in Abwicklung.

Von daher sage ich: Man kann alles noch umfangreicher machen. Man kann mit Forderungen, es mögen weniger Flugbewegungen werden, zwar so etwas Ähnliches wie Gesundbeterei betreiben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das stand im Wahlprogramm! Ich weiß nicht, ob sich jemand von den GRÜNEN daran erinnert!)

Aber man kann dann nicht sagen, wie man das erreichen will. Die Landespolitik hat da keine Möglichkeiten. Das wissen Sie auch. Wir können nur dann, wenn wir Einfluss haben, versuchen, den zu nehmen.

Das heißt, wir müssen auf der Bundesebene und teilweise auch auf der Ebene der Europäischen Union für vernünftige Regelungen, für Regelungen des Flugverkehrs und gegebenenfalls auch für Nachtflugverbote eintreten. Da kämpfen wir als GRÜNE leider relativ alleingelassen. Wie Sie wissen, gilt das für die europäische Ebene ganz besonders. Mehr Unterstützung wäre da sicherlich wünschenswert. Denn es ist naheliegend, dass der Flugverkehr nicht an Landesgrenzen und Staatsgrenzen haltmacht, so wenig wie der Fluglärm des Flughafens Frankfurt an der Landesgrenze haltmacht, die in dem Fall durch den Rhein dargestellt wird.

Ich finde es auf jeden Fall gut und bin deshalb durchaus positiv gestimmt, dass wir dieses Gesetzesvorhaben jetzt in Marsch setzen. Ich erwarte, dass wir es in unserer nächsten Ausschussrunde und in den nächsten Plenarrunden zügig beraten können. Wir könnten das Gesetz dann noch dieses Jahr ins Gesetzblatt bringen. Wir könnten damit den Kommunen und insbesondere den Bürgerinnen und Bürgern neue Angebote für positive kommunale Aspekte machen, die mit diesem Gesetz dann finanziert werden könnten. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die erste Lesung erfolgt.

Wir überweisen diesen Gesetzentwurf der Landesregierung zur Vorbereitung der zweiten Lesung dem Wirtschaftsausschuss. Keiner widerspricht? – Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe dann Tagesordnungspunkt 12 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Elftes Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung von Rechtsvorschriften – Drucks. 19/5222 zu Drucks. 19/4970 –