Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

Kollege Schmitt, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum allerletzten Satz. – Deswegen sage ich Ihnen: Mit dieser Eier legenden Wollmilchsau ist nicht viel Staat zu machen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Kaufmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heutigen ersten Lesung des Doppelhaushalts beginnen wir sozusagen die letzte Runde der Haushaltsberatungen dieser Legislaturperiode. Wir befinden uns demgemäß im haushaltspolitischen Finale und somit genau am richtigen Zeitpunkt, um einmal einen kurzen Blick auf die Haushaltsentwicklungen in den vergangenen Jahren zu werfen.

Sie sollten sich alle an den Herbst 2013 erinnern, als die Koalitionsverhandlungen zwischen der CDU und den GRÜNEN zu den Finanzfragen vor folgendem Hintergrund stattfanden: Im Jahr 2013 hatte das Finanzierungsdefizit planmäßig rund 1,5 Milliarden € betragen. Für 2014 enthielt der beschlossene Doppelhaushalt einen Kreditbedarf von mehr als 1 Milliarde €. In dieser Situation formulierten wir als wichtigsten Punkt und erste Aufgabe im Koalitionsvertrag das Bekenntnis zu einer nachhaltigen Finanzpolitik und damit für eine Wiedergewinnung umfassender staatlicher Handlungsfähigkeit. Die Aufgabe bekam auch deshalb von uns oberste Priorität, weil alle wussten, dass die bisherigen Konsolidierungsbemühungen zumindest noch nicht hinreichend erfolgreich waren, um die Verschuldung abzubauen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unter der Vorgabe der Konsolidierung mussten wir eine Vielzahl von Maßnahmen in Form von Budgetkürzungen ins Auge fassen und dabei auch im Personalbereich zu Einsparungen kommen, ganz einfach deshalb, weil dort fast die Hälfte aller Aufwendungen anfallen. Deshalb konnte man die Konsolidierungsmaßnahmen dort nicht weglassen.

Selbstverständlich haben wir auch die Einnahmeverantwortung wahrgenommen, und zwar aktiv. Daran sollte auch erinnert werden. Es müssen insbesondere diejenigen daran erinnert werden, verehrter Herr Kollege Schmitt, die sich bei der Einnahmeentscheidung mal wieder der Verantwortung verweigerten; denn Sie haben, das werden Sie noch wissen, der Grunderwerbsteuererhöhung nicht zugestimmt. Sie haben sie abgelehnt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dies gibt mir Anlass zur Wiederholung eines wichtigen Hinweises an die Kolleginnen und Kollegen der SPD: Ohne Einnahmeverbesserungen führen höhere Ausgaben nicht zu einer Verringerung, sondern stets zu einer Erhöhung des Kreditbedarfs. Sie sollten diese Grundregel der Arithmetik endlich verstehen, verehrter Herr Kollege Schmitt, und nicht bis zum nächsten Antrag gleich wieder vergessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Auf jeden Fall war an Beschimpfungen der Koalition und Verdammung unserer Besoldungspolitik durch die Opposition keineswegs ein Mangel. Es lässt sich sehr schön polemisieren und Stimmung machen, wenn man möglichst allen alles verspricht und die Verantwortlichen der Koaliti

on, die Regierungsseite, gern als Leute hinstellt, die den Beamten angeblich mit Lust und Eifer in die Taschen greifen, nur um sie zu quälen.

(Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, wir haben es selbst erlebt. Es ist z. B. erst wenige Wochen her, dass der verehrte Kollege Günter Rudolph mich auf einem beamtenpolitischen Kongress von ver.di mit dem Titel „Vater der Besoldungsnullrunde“ vorstellte und entsprechend madig machen wollte. Abgesehen davon, dass ich diesen Titel keineswegs allein beanspruchen könnte, beleidigt er mich auch überhaupt nicht.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist das Schlimme daran!)

Er zeigt allerdings, gegen welche Widerstände und polemischen Verunglimpfungen wir die Haushaltskonsolidierung zum Erfolg gebracht haben.

(Marius Weiß (SPD): Oh!)

Es war und ist keineswegs eine Missachtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es war eine gemeinsame Anstrengung, durch eine vorübergehend restriktive Besoldungspolitik den Haushalt ohne Neuverschuldung auszugleichen. Das war und ist unser aller Aufgabe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Gegen diese Konsolidierungspolitik polemisierte nicht nur die Opposition, auch die veröffentlichende Meinung sah dies häufig ähnlich, oder man traute uns bestenfalls, wie im Fall der „klugen Köpfe“, einen Erfolg nicht zu. Es herrschte die Erwartung, dass auch die Politik der neuen, damals noch ungewohnten Koalition aus CDU und GRÜNEN im Zweifel letztlich vor den Protesten zurückweichen werde.

Meine Damen und Herren, wir dürfen heute feststellen, dass wir durchgehalten haben und uns auch von unpopulären Maßnahmen nicht haben abhalten lassen, unser Ziel, den Stopp der Neuverschuldung, tatsächlich zu erreichen und dauerhaft zu festigen.

Wir haben im Ergebnis, es wurde bereits genannt, im hessischen Budget mehr als 600 Millionen € strukturell eingespart. Wir haben zusätzlich unvorhersehbare Herausforderungen gemeistert und früher als ursprünglich geplant die Neuverschuldung abschalten können. Natürlich helfen uns dabei die gute Wirtschaftslage und die mit ihr verbundenen steigenden Steuereinnahmen. Doch ohne unsere Anstrengungen und die Durchsetzung unserer Konsolidierungsziele, auch gegen Widerstände, hätten wir dies nicht erreichen können.

Wir haben unsere finanzielle Handlungsfähigkeit jetzt in vollem Umfang wieder und müssen uns nicht immer wieder finanziellen Restriktionen unterordnen. Wir wollen diesen Zustand auch für die Zukunft bewahren – das sage ich hier ganz deutlich –, deswegen werden wir die erreichten strukturellen Einsparungen auch nicht wieder aufgeben.

Wir werden aktuell und zukünftig unsere finanziellen Möglichkeiten verantwortungsvoll nutzen, um die gesellschaftliche Entwicklung in diesem Land nachhaltig zu stärken. Der heute zur Diskussion stehende Haushalt zeigt deutlich, was möglich und richtig ist.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, deswegen will ich noch einmal darauf hinweisen: Wenn wir Ihre

in den letzten Jahren immer wieder vorgetragenen politischen Forderungen – auch in Form von Anträgen vorgetragenen Forderungen – umgesetzt hätten, dann hätten wir das Ziel der Konsolidierung niemals erreichen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Mittel wären abgeflossen, ohne die Ziele zu erreichen, aber die Schuldenbremse des Jahres 2020 käme immer näher. Der Bedarf an Krediten bestünde nach wie vor. Fazit: Mit der Politik der SPD ständen wir jetzt fiskalisch mit gefesselten Händen da.

Nach den Aussagen und Anträgen der SPD, die ich gerade angesprochen habe, ist alles das, was die Regierungskoalition beschlossen und umgesetzt hat, stets viel zu wenig und kam sowieso viel zu spät. Kollege Schmitt hat auch gerade wieder darauf hingewiesen. Sie erkennen daran: Finanzierbarkeit ist und bleibt offensichtlich ein Begriff außerhalb des Wortschatzes der Sozialdemokraten.

Es stimmt mich durchaus ein bisschen traurig, dass die für alle gleichermaßen geltende simple Erkenntnis, dass man zunächst aus dem Loch herauskommen muss, um anschließend die Sonne genießen zu können, im politischen Wettbewerb so gern missachtet wird. Es ist angebracht, mit Geduld ein finanzwirtschaftliches Fundament für das politische Handeln zu schaffen. Dann kann man auch die Ziele umsetzen, ohne gleichzeitig immer wieder neue Probleme zu verursachen. Wir haben Ihnen vorgeführt, wie so etwas geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Verehrter Kollege Schmitt, insoweit ist auch Ihr Glaube – ich nenne ihn deutlich Irrglaube –, dass wir uns von den Sozialdemokraten hätten treiben lassen, endlich etwas an den Ausgaben zu korrigieren, ein völliges Missverständnis. Wir haben das, was wir angekündigt haben, umgesetzt. Wir haben zunächst die Basis geschaffen und die Neuverschuldung beendet und konnten auf dieser stabil errichteten Grundlage die neuen Herausforderungen angehen und Probleme lösen.

Meine Damen und Herren, unser Prinzip, erst aus dem Loch heraus und dann in die Sonne, mag sich häufig gegen aktuelle Forderungen, die immer wieder erhoben werden, nur schwer Gehör verschaffen können. Für eine Koalition mit den GRÜNEN ist es richtigerweise maßgebend, sonst bedeutet das den Ausschluss der Nachhaltigkeit. Die Nachhaltigkeit fordert nämlich, bei allen Entscheidungen die inhaltliche Vernunft in den Vordergrund zu stellen, um damit sicherzustellen, dass die Rationalität bei der Finanzierung von zusätzlichen Ausgaben wirkt und keine ungedeckten Luftbuchungen, basierend auf politischem Wunschdenken, geschehen. Das habe ich aus Kreisen der Opposition immer wieder vernehmen müssen. Genau diese Solidität beherzigt der vorgelegte Doppelhaushalt beispielhaft.

Meine Damen und Herren, deswegen möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit wahrnehmen, mich bei allen Beobachterinnen und Beobachtern und bei allen Betroffenen, die auf kurzsichtige Bewertungen verzichtet und die Geduld aufgebracht haben, die Wirksamkeit der Konsolidierung abzuwarten, ganz herzlich zu bedanken. Ich sage allen: Es war nicht ganz einfach und mit spürbarem Verzicht verbunden. Es hat sich gelohnt, denn jetzt haben wir unsere Handlungsfähigkeit wiedergewonnen. Alle, die dazu beigetragen haben, können zu Recht stolz darauf sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt wende ich mich direkt dem Haushaltsplanentwurf zu und betrachte, wie in der ersten Lesung üblich, hauptsächlich die Finanzwirtschaft. Der Entwurf ist epochal zu nennen; denn er leitet die neue Ära ein. Wir leisten Zukunftsinvestitionen und Schuldenabbau gleichzeitig. Wir stärken die Steuergerechtigkeit weiter und verbessern spürbar die soziale und ökologische Lebensqualität in unserem Land.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Trotzdem gibt es zu dem Qualitätsbudget erster Güte reichlich kritische Anmerkungen der Opposition. Wir haben es eben schon vernommen und konnten bereits nach der Vorstellung der einzelnen Teile des Haushaltsplanentwurfs vieles darüber lesen.

Zunächst ging bei uns die Forderung ein, angesichts der guten Einnahmesituation deutlich mehr Altschulden zu tilgen. Diese Forderung findet sich pointiert bei der FDP, aber natürlich auch beim Steuerzahlerbund und auch bei den „klugen Köpfen“. Da wird, ich sage es einmal mit meinen Worten, eine alte Weisheit aus dem Privatleben strapaziert,

(Zuruf des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

dass man, so man Geld hätte, als Erstes seine Schulden bezahlen sollte.

Angesichts der aktuellen Lage auf den Finanzmärkten beschreibt diese Weisheit allerdings für den hessischen Fiskus nicht den optimalen Weg. Ich würde sogar fast so weit gehen und sagen: Sie ist ein Irrweg. – Konkret für unseren Haushalt gilt, dass wir Altkredite für Zinssätze nahe null umschulden können. Gleichzeitig erhalten wir bei Geldanlagen eine deutlich höhere Rendite. So erzielten wir im letzten Jahr, 2016, für die Versorgungsrücklage im Gesamtportfolio eine Rendite von 3,18 %. Das war in der Vergangenheit auch schon einmal mehr, ist aber im Vergleich zur Neuverschuldung bzw. zu Umschuldungszinssätzen deutlich unter 1 % eine positive Differenz, insofern ein Vielfaches dessen, was durch Tilgung an Zinsaufwand vermeidbar wäre.

Es besteht also die richtige Vorsorgepolitik nicht darin, Altschulden möglichst rasch abzubauen, sondern primär Vorsorge durch Rücklagen zu treffen. Dies müsste in der Opposition selbst einem Juristen einsichtig sein, der sprichwörtlich

(Norbert Schmitt (SPD): Warum entnehmen Sie aus der Rücklage Geld, um Schulden zu bezahlen, was ist das für eine Logik?)

nicht rechnen kann. Wer aktuell noch die sofortige massive Schuldentilgung fordert, der fordert faktisch zur Geldvernichtung auf, was ein echter Haushälter nie tun sollte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Nor- bert Schmitt (SPD))

Verehrter Herr Kollege Schmitt, Ihr Einwurf mit der Rücklageentnahme beruht einzig und allein darauf, dass Sie den Haushaltsplanentwurf nicht richtig lesen können.

(Lachen des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Vielleicht hätten Sie einmal die Erläuterungen im Einzelplan 17 Kap. 17 01 nachgelesen. Da ist eindeutig festgelegt, dass die Rücklagenzuführung im Jahr 2018 steigt und im Jahr 2019 auch die -entnahme steigt, weil wir darüber einen Teil der Bundesgelder für die kommunale Investitionsförderung abwickeln. Das kann man dort nachlesen.

(Norbert Schmitt (SPD): Zwischenzuführung!)