Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

(Beifall bei der FDP)

So kann uns das nicht passieren. Wir als Abgeordnete stehen immer noch als Sicherheitsargument dazwischen. Aber die Frage der Struktur kann man sich auch einmal stellen. Denn ich glaube schon, dass wir eine Lösung finden müssen, wie die Themen, die den Bürgern tatsächlich auf den Nägeln brennen, auch tatsächlich hier debattiert und transparent gemacht werden und sich die Parteien tatsächlich auch Problemen stellen müssen. Da sind ein paar Aufgaben zu lösen. Wir Freie Demokraten werden sicherlich in der Verfassungsdebatte, die jetzt läuft und die dann auch im Landtag geführt wird, dazu Vorschläge machen.

Ich glaube, Demokratie kann auch besser werden. Wir können Lehren aus den momentanen Entwicklungen ziehen. Wir als Freie Demokraten werden das tun. Jede Menge verdiente Vertreter von uns in Berlin werden sich jetzt Gedanken darüber machen, wie sie unser Land auf Kurs halten. Wir sollten uns nicht so ängstlich geben. Ich glaube, wir haben gute Leute in Berlin, und wir haben auch Vertrauen zu unseren Leuten. Sie werden schon auch erkennen, dass Verantwortung in der Demokratie dazugehört und dass man diese Verantwortung im Zweifel dann auch annehmen muss. Denn es geht weniger um eine Partei. Es geht vor allem um die Bürgerinnen und Bürger und um unser Land. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Rock. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Dann schließe ich die Debatte und rufe gleich Tagesordnungspunkt 69 auf.

Bevor ich das mache, teile ich Ihnen aber noch mit, dass an Ihren Plätzen ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verteilt ist, betreffend verstärkter Einsatz der hessischen Polizei am Frankfurter Hauptbahnhof ist ein deutlicher Erfolg, Drucks. 19/5307. – Die Dringlichkeit wird allgemein bejaht. Dann wird der Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 74, und wir können nach Tagesordnungspunkt 70, nach der Aktuellen Stunde, ohne Aussprache darüber abstimmen. Machen wir das so? – Okay.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 69 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Gericht hält Mietpreisbremse für verfassungs- widrig – fest steht: Mieten sinken nur durch mehr be- zahlbaren Wohnraum) – Drucks. 19/5296 –

Es beginnt Kollege Lenders für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nun wollen wir nach einer sehr grundsätzlichen Debatte auch wieder zur Sachpolitik zurückkommen. Wir haben ein Gerichtsurteil vom Landgericht in Berlin vorliegen, das die Frage aufwirft, ob die eingeführte Mietpreisbremse der Verfassung entspricht.

Viele sagen im Vorfeld schon, die Mietpreisbremse wirke nicht. Ich will mich jetzt nicht hierhin stellen und sagen, das hätten wir schon immer gesagt und gewusst. Das ist nicht meine Art. Aber ich würde auch sagen: Die Mietpreisbremse wirkt. Sie wirkte bei der Einführung als Mietanstiegsbeschleunigungsprogramm.

(Beifall bei der FDP)

Sie wirkte, weil die Vermieter zunächst einmal die Spielräume, die sie hatten, noch ausgenutzt haben. Zum Zweiten wirkt sie als Investitionsbremse. Das wird die Mieten wieder nach oben treiben.

(Beifall bei der FDP)

Sie wirkt eben nicht gegen einen Anstieg der Mieten. Das haben wir in den vorherigen Debatten auch immer versucht Ihnen darzulegen. Die Mieter sind froh, wenn sie eine Wohnung bekommen und wenn sie sie einigermaßen bezahlen können. Dann fragen sie nicht so sehr nach den Umständen, was denn der Vormieter da bezahlt hat und in welchem Zustand die Wohnung ist. Die Menschen sind erst einmal froh, dass sie überhaupt ein adäquates Angebot haben, das sie bezahlen können. Dann werden sie sich auch für solch eine Wohnung entscheiden.

(Beifall bei der FDP)

Auch die Vermieter, die immer wieder sozusagen als Heuschrecke und als die großen Abzocker dargestellt werden, vor allem die privaten Vermieter, sind in der Regel einfach nur froh, wenn sie einen ruhigen Mieter haben, der in der Regel seine Miete bezahlen kann. Mehr verlangen sie gar nicht. Da werden auch die Mieten nicht exorbitant angehoben.

(Beifall bei der FDP)

Dann gibt es jetzt diese Diskussion, man müsste die Mietpreisbremse jetzt scharf schalten, weil sie nicht funktioniert. Wenn Sie aus dem Urteil in Berlin eines gelernt haben sollten, ist das, dass das „Scharfschalten“, wie Sie das nennen, die nächsten Gerichtsurteile nahezu provoziert, weil Sie in die Vertragsfreiheit eingreifen werden. Eine andere Möglichkeit haben Sie überhaupt nicht. Das gilt, abgesehen davon, was den Datenschutz anbelangt.

In dem Moment, in dem Sie so stark in die Vertragsfreiheit und das Eigentumsrecht eingreifen, hat Ihnen das Bundesverfassungsgericht immer mit auf den Weg gegeben, dass Sie ganz klare Gründe dafür brauchen und das dann auch begründen müssen. Nichts anderes ist aus dem Gerichtsurteil in Berlin zu lesen.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt auch Urteile hier in Hessen. Wenn Sie diese Gerichtsurteile ernst nehmen und die Mietpreisbremse nicht abschaffen wollen, dann müssen Sie auf dem Verordnungswege aber stärker ausdifferenzieren. Sonst bekommen Sie wieder ein Urteil. Sie müssen so stark ausdifferenzieren, wo diese Mietpreisbremse überhaupt anzuwenden

ist, dass es das Ergebnis sein wird, dass Sie sie auch gleich abschaffen können.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie das nicht tun, dann werden Sie eines der grundlegenden Probleme in Hessen, aber auch in der gesamten Bundesrepublik nicht lösen. Die Freien Demokraten werden bei möglichen Koalitionsverhandlungen genau auf dieses Thema hinweisen.

Wir haben immer gesagt, wir müssen mehr Angebot schaffen. Nur wenn Sie ein möglichst breites Angebot haben, wenn Sie den Wohnungsmarkt entriegeln, wenn Sie die Investitionen attraktiv machen – gerade bei privaten Investoren –, dann bekommen Sie einen wirklichen Stillstand und auch einen Rückgang der Mieten. Anders wird es nicht machbar sein. Wir haben Ihnen x-fach Vorschläge unterbreitet, wie man wirklich Bürokratie abbauen kann, wie man das Interesse privater Investoren wecken kann. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn der Zinsmarkt eines Tages anspringen und es wieder interessant wird, in andere Anlagen zu investieren. Dann werden Sie mit Ihrer Politik endgültig Schiffbruch erlitten haben. Sie müssen die Mietpreisbremse abschaffen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Lenders. – Das Wort hat der Abg. Hermann Schaus, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor wenigen Tagen hat das Berliner Landgericht in einem Urteil die Vorschrift zur Mietpreisbremse aufgrund der bundesweiten unterschiedlichen Behandlung von Mietern als verfassungswidrig eingestuft.

Bereits bei ihrer Einführung im Bund haben Kommunen, Mieterverbände und auch wir die verkorkste Umsetzung der sogenannten Mietpreisbremse heftig kritisiert. Sie war und ist ein zahnloser Tiger, der ohne Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten völlig ins Leere läuft.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die vielen Ausnahmen, die in den Regelungen der Mietpreisbremse existieren, sind ein großes Problem. Ein erheblicher Teil der infrage kommenden Wohnungen fällt nämlich nicht unter die Mietpreisbremse. Dass darüber hinaus ganze Stadtteile aus der Mietpreisbremse herausgenommen werden können, verwässert die Mietpreisbremse weiter. Das juristische Hauptproblem aber ist die selektive Auswahl der schutzwürdigen Gebiete durch die Länder.

Deshalb sage ich: Eine Mietpreisbremse muss mit Sanktionsmöglichkeiten für alle Wohnungen in ganz Deutschland eingeführt werden – dann ist sie auch wirksam und verfassungskonform, Herr Lenders.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Mietpreisbremse könnte durchaus ein wirksames Instrument gegen Mietwucher und überzogene Mieten sein. Da unterscheiden wir uns diametral von der FDP, die wir in dieser Frage eher als Sprachrohr des Haus- und Grundbesitzerverbands wahrnehmen müssen.

(Jürgen Lenders (FDP): Wie war das mit dem Populismus? – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Für diese Anpassung ist aber eine umfangreiche Gesetzesnovelle dringend notwendig.

Ich will auch klar zum Ausdruck bringen, dass dies natürlich – logischerweise – mit einem Eingriff in das Eigentum – Wohnung und Wohnungsbesitz – einhergehen muss, und zwar aus der Überzeugung heraus, dass preiswerter Wohnraum notwendig ist, dass Wohnraum und Wohnen ein Grundrecht ist, dem ein entsprechender Bedarf gegenübergestellt werden muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Aufgrund der uns jetzt im Bund drohenden Jamaikakoalition – Ihre Rede habe ich genau so verstanden, Herr Lenders – habe ich keine Hoffnung, dass es zu einer Novellierung, wie ich sie gerade beschrieben habe, überhaupt kommen wird. Vielmehr befürchte ich, dass sie mit Jamaika endgültig zu Grabe getragen wird.

(Zuruf: So ist es!)

Die Überschrift Ihrer heutigen Aktuellen Stunde ist natürlich doppeldeutig, und diese Doppeldeutigkeit ist von Ihnen auch gewollt. Sie tun so, als engagierten Sie sich für preiswerten Wohnraum. Da möchte ich Ihnen vorhalten – aus Ihrer Zeit, als die FDP in Hessen noch Verantwortung getragen hat, auch für die Wohnungspolitik –, dass Sie nichts, aber gar nichts getan haben, um das Thema preiswerter Wohnraum voranzutreiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie waren es doch, die dafür gesorgt haben, dass die Schaffung von Wohneigentum im Wohnraumfördergesetz 2012 vorrangig, vor der Errichtung von bezahlbarem Wohnraum, gesetzt wurde. Das werden wir nicht vergessen, und daran werden wir Sie auch immer wieder erinnern. Also tun Sie nicht so, als ob Sie für soziale Mieten eintreten würden – das war nicht der Fall, ist nicht der Fall und wird auch nie der Fall sein, davon bin ich überzeugt.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen waren Sie es auch, gemeinsam mit der CDU, die seinerzeit die Nassauische Heimstätte privatisieren wollten. Auch das werden wir Ihnen nicht vergessen und an dieser Stelle auch nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Herren von der FDP, Ihr plötzlicher Einsatz für bezahlbaren Wohnraum ist deshalb völlig unglaubwürdig. Natürlich ist die Schaffung neuen bezahlbaren Wohnraums wichtig, aber es gehören doch auch flankierende Maßnahmen dazu. Dass wir in Hessen bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum deutlichen Nachholbedarf haben, zeigen die Zahlen jedes Jahr aufs Neue und immer dramatischer. Da passt es ins Bild einer vollkommen verfehlten Wohnungspolitik, als gestern bekannt wurde, dass das Land endlich – nach 15 Jahren Leerstand – einen Investor für das Gelände des alten Frankfurter Polizeipräsidiums sucht. Da könnten schon seit Jahren preisgünstige Wohnungen stehen, wenn der Amtsschimmel nicht so gewiehert hätte.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Schaus, Sie kommen bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Weder die Landesregierung noch die FDP hat erkannt, dass preiswerter Wohnraum eine zutiefst soziale Frage ist und alle Möglichkeiten genutzt werden müssen, um der Mietpreisexplosion entgegenzuwirken.