Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Weder die Landesregierung noch die FDP hat erkannt, dass preiswerter Wohnraum eine zutiefst soziale Frage ist und alle Möglichkeiten genutzt werden müssen, um der Mietpreisexplosion entgegenzuwirken.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Schaus. – Das Wort hat der Abg. Ulrich Caspar, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP hat heute eine Aktuelle Stunde zur Mietpreisbremse aufgerufen. Ja, die Mietpreisbremse ist sicherlich nicht das Instrument – und das soll sie von der Zielsetzung her auch gar nicht sein –, das uns zusätzlichen Wohnraum verschafft, sondern sie ist ein temporäres Instrument. Deswegen hat der Bundesgesetzgeber dieses Instrument zeitlich begrenzt, deswegen hat das Land Hessen diese Verordnung zeitlich begrenzt, weil wir wissen, dass es ein Instrument ist, das Menschen helfen soll, in Zeiten angespannter Wohnungsmärkte bezahlbaren Wohnraum zu finden.

Diese Zeiten haben wir deswegen, weil in bestimmten Gebieten und Regionen unseres Landes in den letzten Jahren zu wenig Wohnraum gebaut worden ist. Wir wissen, dass wir dem auf Dauer nur abhelfen können, wenn mehr Wohnraum geschaffen wird.

Nun ist es so, dass das Berliner Landgericht die Berliner Verordnung für verfassungswidrig hält. Ob es verfassungswidrig ist, das zu entscheiden ist natürlich nicht Sache des Landgerichts, sondern damit müsste sich das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Insoweit bleibt es abzuwarten.

Richtig aber ist, dass die Berliner Verordnung undifferenziert für das gesamte Landesgebiet des Landes Berlin gilt. Das ist natürlich ein Problem. Wenn der Bundesgesetzgeber sagt, das solle nur für angespannte Märkte gelten, und im Land Berlin wird diese Verordnung einfach über das gesamte Land ausgerollt, ohne zu differenzieren, wo angespannte Märkte sind und wo nicht – da sagt das Berliner Landgericht natürlich völlig zu Recht: Wenn bestimmte Gebiete in Berlin, wo es eigentlich keine angespannten Märkte gibt, als angespannt bezeichnet werden, aber es in anderen Bundesländern, wo die Lage viel angespannter ist, nicht geschieht, ist es eine Ungleichbehandlung. – Das ist sicherlich richtig. Aber die hessische Verordnung sieht eben genau vor, dass man sich zuvor mit einem wissenschaftlichen Gutachten mit dieser Situation auseinandergesetzt und erst dann die Verordnung gemacht hat, um die notwendige Differenzierung zu erreichen.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Insoweit bleibt abzuwarten, wie es aus verfassungsrechtlicher Sicht beurteilt wird. Wir jedenfalls können nicht er

kennen, dass wir ähnliche Probleme hätten wie mit der Berliner Verordnung.

Gleichwohl ist klar: Es ist kein Instrument, das dazu beiträgt, Wohnraum zu schaffen. Den meisten Wohnraum in Hessen schaffen die privaten Vermieter.

(Beifall bei der FDP)

Denen sind wir dankbar dafür, dass sie dies tun. Das sind Hunderttausende in Hessen, die als private Vermieter den Wohnraum stellen, damit Mieter Wohnraum finden.

Daneben sind es Gesellschaften, die in öffentlicher Hand sind, wie beispielsweise die Nassauische Heimstätte, die hier hervorragende Arbeit leistet, oder eben kommunale Gesellschaften, die das tun. Das ist notwendig und sinnvoll.

Wir haben lange Zeit in Deutschland die Situation gehabt, dass wegen eines im Vergleich zum Gewerbemietrecht sehr problematischen Wohnungsmietrechts private Investoren sich sehr zurückgehalten haben, Mietwohnungsbau zu betreiben. Das ist jetzt etwas anders. Durch das niedrige Fremdkapitalzinsniveau ist es auch für viele Private wieder interessant geworden, zu investieren. Das heißt, wir haben heute die Bereitschaft, Wohnungen zu bauen. Wir haben das Geld, dass Wohnungen gebaut werden können. Es ist auch wirtschaftlich attraktiv aufgrund der niedrigen Zinsen.

Der Engpass ist heute die Bereitstellung von Bauland. Da muss man sagen: Da sind die Kommunen in der Pflicht, zumindest seitdem der Reichsgesetzgeber in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts das den Privaten weggenommen und den Kommunen übertragen hat. Sie haben seitdem das Monopol, und sie haben eben auch die Verantwortung, Bauland zur Verfügung zu stellen.

Hier gibt es leider viele Gründe, dass Kommunen diese Möglichkeit und diese Notwendigkeit nicht angehen. Es ist oft so, dass die Menschen, die in einer Stadt wohnen, erklären, sie seien zwar noch dorthin gezogen, aber ein weiteres Gebiet in ihrer Nähe solle nicht entstehen.

(Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Es bedarf natürlich eines großen Engagements der Kommunen. Wir müssen auch darüber nachdenken, ob Ausgleichsmaßnahmen zwischen den Kommunen notwendig sind, die Bauland entwickeln und dadurch erhebliche Folgekosten haben, und denen, die es nicht tun. Das sind die Aufgaben, die vor uns liegen. Auch auf diesem Weg sind wir in Hessen gut unterwegs. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Frau Kollegin Feldmayer für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Mietpreisbremse ist wichtig; denn sie schützt Mieterinnen und Mieter vor horrenden Mietsteigerungen und vor horrenden Mietpreisen. Die Hans-Böckler-Stiftung hat kürzlich berichtet, dass rund 40 % der Haushalte in Deutschlands

Großstädten mehr als 30 % ihres Einkommens für Mieten ausgeben müssen. Das ist deutlich zu viel.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Gerade bei Wohnungen, die neu vermietet werden, wissen wir, dass es da häufig einen heftigen Aufschlag auf die Miete gibt. Bei den bestehenden Wohnverhältnissen ist es so, dass die Mieten meistens nicht so heftig erhöht werden. Aber wenn eine Mietpartei auszieht, die Wohnung frei wird und wieder neu besetzt wird, kommt es häufig zu exorbitanten Preissteigerungen. Genau aus diesem Grund ist die Mietpreisbremse wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Die FDP hat gerade davon gesprochen, dass die Mietpreisbremse ein Investitionshemmnis oder eine Investitionsbremse sei. Da liegen Sie komplett falsch. Sie müssten eigentlich wissen, dass die Mietpreisbremse so konstruiert ist, dass es sehr viele Ausnahmen gibt. Die eine Ausnahme heißt, dass die Mietpreisbremse bei Neubauten nicht gilt. Von daher ist dieses Argument kompletter Unsinn.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Wir haben immer kritisiert, dass die Mietpreisbremse zu viele Ausnahmen hat. Darauf hat auch das Landgericht in Berlin hingewiesen. Übrigens war das ein Hinweisbeschluss, in dem darauf hingewiesen worden ist, dass die Mietpreisbremse verfassungswidrig sei. Das war eine Berufungsklage; die ist abgewiesen worden. Im Übrigen ist es so, dass alleine das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden kann, was verfassungswidrig ist und was nicht.

Meine Damen und Herren, wir wollen in Hessen dafür sorgen, dass das Wohnen in den Städten bezahlbar ist oder bleibt. Wir wollen dafür sorgen, dass Mieterinnen und Mieter nicht aus ihren angestammten Wohnvierteln verdrängt werden. Dazu gehört auf der einen Seite bezahlbarer Wohnraum, die Förderung von neuem bezahlbarem Wohnbau. Dazu gehört auf der anderen Seite natürlich auch, dass die Mietpreise nicht durch die Decke schießen. Dafür ist die Mietpreisbremse wichtig. Wir brauchen also beides, die Begrenzung von Mietpreisen bei den Wohnungen, die es schon gibt, und bezahlbaren Wohnraum.

Wenn man einmal überlegt: Wir haben 41 Millionen Wohnungen deutschlandweit. Wie viele Wohnungen werden neu gebaut? Im Jahr sind das vielleicht 200.000. Wir müssen also auch auf diese 41 Millionen Wohnungen, die es schon gibt, schauen, dass dort die Mietpreise nicht exorbitant steigen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Deshalb hat unsere Wohnungsbauministerin Priska Hinz in Hessen die Mietpreisbremse in einem bestehenden Mietverhältnis – die Kappungsgrenzenverordnung – und die Mietpreisbremse bei Neuvermietungen eingeführt, und das ist richtig so.

Ebenso wichtig ist auch das groß angelegte Wohnungsbauprogramm der Landesregierung, das mit 1,2 Milliarden € ausgestattet ist und den sozialen Wohnungsbau ankurbelt. Wir geben in Hessen also Rekordbeträge für den sozialen Wohnungsbau aus. Das zahlt sich wirklich aus. In Hessen gibt es deutliche Zuwächse beim sozialen Wohnungsbau.

Das zeigt auch ein kürzlich von der Bundesregierung veröffentlichter Bericht. Dort gehört Hessen zu den Spitzenreitern beim sozialen Wohnungsbau. Meine Damen und Herren, ich glaube, das kann sich sehen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU)

Hessen hat also eine umfassende Strategie für gutes und bezahlbares Wohnen in Städten und im ländlichen Raum; auf den ländlichen Raum müssen wir auch schauen. Hierzu gibt es konstruktiven und regelmäßigen Austausch in der Allianz für Wohnen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich den Akteuren der Allianz für Wohnen danken, dass sie so gute und konstruktive Vorschläge eingebracht haben wie z. B. die Baulandoffensive. Die Baulandoffensive ist jetzt schon gestartet und hat auch schon einige Erfolge vorzuweisen. Es wird den Kommunen geholfen, Bauland zu aktivieren, auszuweisen. Auch das ist eine sehr gute Idee der Allianz für Wohnen. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe eben genau hingehört beim Beitrag des Kollegen Lenders zur Aktuellen Stunde, die da lautet „Gericht hält Mietpreisbremse für verfassungswidrig – fest steht: Mieten sinken nur durch mehr bezahlbaren Wohnraum“. Das Wort „bezahlbarer Wohnraum“ kam in Ihrer Rede überhaupt nicht vor, Herr Lenders. Das war wirklich entlarvend. Sie interessieren sich überhaupt nicht für das Thema sozialer Wohnungsbau oder bezahlbarer Wohnraum. Herr Kollege Schaus hat schon darauf hingewiesen, was Sie in der letzten Legislaturperiode für eine Wohnungspolitik betrieben haben.

Kollegin Feldmayer, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Beim Thema Wohnen und bezahlbarer Wohnraum ist noch viel zu tun. Wir bleiben dran. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Siebel, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Titel dieser Aktuellen Stunde lässt darauf schließen, dass es der FDP darum ginge, zu analysieren, ob die Mietpreisbremse verfassungsmäßig ist. Ich will das gleich am Anfang abräumen, was Sie da gemacht haben: Richtig ist, dass die Mietpreisbremse nach Einschätzung des Berliner Landgerichts verfassungswidrig ist. Es ging dabei um einen Mieterstreit. Allerdings bleibt diese Einschätzung des Gerichts – so ist es geschrieben – wirkungslos, da die

Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nur das Bundesverfassungsgericht beurteilen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin kein Jurist. Eine kleine Einführung für die Juristen aus der FDPFraktion: Das ist ein sogenannter Hinweisbeschluss, der keine Relevanz bezüglich der Verfassungsmäßigkeit hat.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Herr Lenders, wenn wir uns auf diejenigen beziehen, die die größte Front gegen die Mietpreisbremse aufgemacht haben – Haus & Grund –, dann steht fest, sie hatten schon im Jahr 2015 mehrere Gutachten herangezogen, die sich auch mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit auseinandergesetzt haben. Wenn es so wäre, dass die momentane Mietpreisbremse verfassungsmäßig nicht zu halten gewesen wäre, dann hätten sich in dem Zeitraum von 2015 bis heute sicherlich Gerichte damit auseinandergesetzt. Insofern haben Sie also einen Vorwand gesucht, um einmal wieder Ihr Lieblingsthema, die Mietpreisbremse, hervorzuheben.

Ich komme auf die Gerichtsurteile zu sprechen. In Frankfurt erging jüngst ein Urteil. Da ging es um eine Wohnung mit 65 m2, die für 810 € vermietet wurde. Die Vermieterin musste dann 63,68 € zurückzahlen, weil bei dieser Wohnung die Miete 10 % über dem Mietspiegel gelegen hat. In diesem Urteil steht, dass die Mietpreisbremse verfassungsmäßig ist.

Aus Sicht der FDP-Fraktion ist es legitim, für die Diskussion um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Mietpreisbremse ein irrelevantes Urteil im Landtag heranzuziehen. Aber lassen Sie uns doch lieber über die Mietpreisbremse reden.