Die vier geöffneten Sonntage plus das Weihnachtsgeschäft machen nicht selten bis zu 50 % des Jahresumsatzes aus. Deshalb ist das ein ernstes Thema, und deshalb nehmen wir uns dieses Themas auch an und verweigern nicht die Diskussion. Aber der Weg ist ein Spannungsfeld zwischen der Rechtsprechung und der Herausforderung für den Innenstadthandel. Das Ganze muss so vorformuliert werden, dass es Bestand hat und verlässlich wird.
Das Gesetz, das wir in Hessen haben, sollte diesen Weg eigentlich öffnen. Es sollte eigentlich zwischen den verschiedenen Interessenlagen vermitteln – angefangen von den Kirchen bis hin zu den Innenstadthändlern. Wir haben gesagt: maximal vier Sonntage, an bestimmten Feiertagen nicht, maximal sechs zusammenhängende Stunden, usw. – Das Ganze muss im Vorfeld mit den Kommunen abgestimmt werden, um es für alle Beteiligten und für die Interessenvertreter in der Innenstadt planbar zu machen, am besten für das ganze Jahr.
Das Ganze wird auch mit Gesetzesinitiativen im Landtag flankiert, z. B. INGE – Gesetz zur Stärkung von innerstädtischen Geschäftsquartieren. Das wird alles gerne angenommen. Trotzdem zeigen die jüngsten Rechtsprechungen, dass dieses Gesetz in seiner jetzigen Form offensichtlich angreifbar ist, wenn man einzelne Punkte nicht zu 100 % beachtet.
Sie sprachen die Anlassbezogenheit und die räumliche Nähe an. Wir können jetzt lange diskutieren, ob eine räumliche Nähe in einer großen Stadt noch vorhanden ist, wenn an einem Ende der Stadt eine Messe stattfindet, am anderen Ende die Geschäfte geöffnet sind und dazwischen 8 oder 9 km liegen. Wer solche Fehler macht, muss damit rechnen, dass irgendein Gericht das vielleicht kassiert.
Dass man vor Gericht damit Erfolg haben kann, motiviert natürlich dazu, jede Ladenöffnungszeit an einem Sonntag zu hinterfragen. Natürlich sind ein paar Menschen unterwegs, die nur darauf warten, dass Kommunen oder Verbände „Fehler“ machen. Das liegt in der Natur der Dinge. Deshalb wird es in der einen Stadt genehmigt und in der anderen Stadt vom Gericht kassiert.
Ein Punkt, bei dem ich auch bei Ihnen bin, ist der Ärger, der entsteht, wenn groß angekündigt und dafür geworben wird, dass an einem Sonntag die Innenstadt geöffnet hat. Die Mitarbeiter, die Geschäftsleute, die Einwohner und die Besucher richten sich darauf ein.
Wenn im Nachbarland noch ein Feiertag ist, dann passt das idealerweise zusammen. Man plant das. Noch sonntags wird vielleicht in der Sonntagszeitung oder im Radio groß dafür geworben, nach dem Motto: „heute alles geöffnet“, was vergessen lässt, dass ein Gericht diese Genehmigung vor 24 Stunden kassiert hat. Das ist schon passiert, und das ärgert dann alle Beteiligten über alle Maßen.
Deshalb muss es das Ziel sein, in einer Befassung mit der Rechtsprechung und vor dem Hintergrund der Erfahrungen im kommenden Jahr, wenn es ohnehin fällig ist, sich das Gesetz noch einmal vorzuknöpfen. Wir müssen dort schlichtweg bestimmte aktuelle Probleme betrachten: den räumlichen Zusammenhang zwischen dem Anlass und den durchführenden Geschäften, die Problematik mit den Schätzungen der Besucherströme im Vorfeld und die aktuellen Gerichtsentscheidungen. Dazu kommt jetzt noch NRW; die wollen etwas ganz Neues. Bis wir in Hessen das Gesetz ändern, werden wir auch die ersten Rechtsprechungen in Nordrhein-Westfalen sehen; dann können wir auch einschätzen, ob dieser Weg gangbar ist.
Im Jahr 2018 evaluieren wir das Gesetz mit Zielrichtung 2019. Ich schlage vor, dass wir uns bis dahin von Interessenvertretern klug beraten lassen, die Rechtsprechung betrachten und uns die anderen Länder anschauen, die 13 von 16 Ländern, die maximal auch nur vier Tage haben, um dann in aller Entspanntheit und gut vorbereitet im nächsten Jahr einen runden Tisch – dieser kann auch eckig sein; das spielt keine Rolle – durchzuführen, um uns dieses Gesetz in Hessen vorzuknöpfen, damit wir 2019 ein aktualisiertes Gesetz, ein an die jetzige Situation angepasstes Gesetz auf den Weg bringen können.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Uns ist es bei aller Diskussion wichtig, dass für die Mitarbeiter und die Menschen vor Ort klar ist: Der verkaufsoffene Sonntag muss die Ausnahme bleiben. Der Regelsonntag muss arbeitsfrei bleiben. Das muss auch ein deutliches Signal aus diesem Hause sein. Es muss bei Ausnahmen bleiben, wenn die Geschäfte öffnen. Was wir anstreben müssen, ist, die Angreifbarkeit zu verhindern, zu minimieren und dadurch die Planungssicherheit zu erhöhen.
Liebe Kollegen von der FDP, ich schlage vor, dass wir Ihren Antrag im kommenden Jahr noch einmal aufrufen, nach dem Motto: „Wir setzen uns zusammen, wenn es so weit ist“. Bis dahin sollten wir die Bälle flach halten. Ich glaube nicht, dass sich das Thema für solche voreiligen Initiativen eignet. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatten über die Ladenöffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen gehören inzwischen zu unseren treuesten Wegbegleitern im Haus. Gegen treue Wegbegleiter ist eigentlich nichts einzuwenden, allemal nicht, wenn sie ein Dauerthema sind und der arbeitsmarktpolitische Sprecher dadurch immer Arbeit hat. Aber, nein, wir wollen die Debatte heute mit der notwendigen Ernsthaftigkeit führen, so wie wir das in den letzten Runden schon immer getan haben; denn wir verstehen als SPD-Fraktion durchaus, dass Sie sich Gedanken über die Zukunft des Einzelhandels und über die Zukunft der Innenstadtentwicklung machen. Deshalb haben wir uns Ihren Antrag mit seinen drei Punkten auch sehr intensiv angeschaut.
Auf den ersten Blick kann man durchaus sagen, dass er die Interessen der einkaufenden Bürgerinnen und Bürger, des Handels, der innerstädtischen Entwicklung sowie die Interessen der Beschäftigten und der Kirchen im Blick hat. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass es in der einen oder anderen Stadt oder Gemeinde zu dem bekannten Problem bei der Genehmigung von verkaufsoffenen Sonntagen kommt, je nachdem, was als Anlassbezug benannt wird bzw. wer die Akteure sind.
Ich habe heute Morgen aus dem Kreise der Kollegen das Beispiel gehört, man habe sich vor Ort durchaus geeinigt, aber dann sei von beiden Seiten die überörtliche Ebene auf den Plan getreten, und dann ward es um die Einigung geschehen. Es ist nachvollziehbar, dass das eine unbefriedigende Situation ist. In vielen anderen Kommunen gibt es hingegen gute Beispiele dafür, dass es dort keine Probleme gibt, z. B. in Kassel. Ich habe das bei meinen Reden zu diesem Thema schon mehrfach erwähnt. Dort läuft es so reibungslos, weil sich alle Akteure vor Ort im Grundsatz einig sind, und zwar einig über Umfang, Art und Anlass der Ladenöffnung, immer auf der Grundlage des nach wie vor geltenden aktuellen Ladenöffnungsgesetzes und natürlich der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts. Ich komme darauf später noch einmal zurück.
Was wir in Ihrem Antrag allerdings nicht sehen, ist, dass die Gemengelage zu unbefriedigenden Ergebnissen für die Beschäftigten und die Kirchen führt. Die Arbeitnehmer und Kirchen wollen ganz sicherlich nicht an dem bestehenden Gesetz rütteln. Das ist mir bisher jedenfalls nicht bekannt geworden – warum auch, denn es schützt im Grunde
genommen zunächst ihre Interessen, nämlich das Interesse an einem geschützten Tag der Arbeitsruhe. So treu, wie uns dieses Thema im Landtag begleitet, so treu bleibt die SPD-Fraktion deshalb auch bei ihrer Haltung, meine Damen und Herren.
Aus Sicht der SPD-Fraktion gibt es mehrere gute Gründe dafür, das Gesetz beizubehalten. Natürlich fühlen wir uns heute und in Zukunft zuallererst den Beschäftigten, Kirchen und Vereinen mit deren Bedürfnissen nach sonntäglicher Ruhe verpflichtet; denn es geht um den Schutz der Familien, der körperlichen und seelischen Gesundheit, von Religion und Kirchen, der Vereine, des Sports, der Kultur sowie der Freizeit, die in Zeiten immer zunehmender Arbeits- und Alltagsbelastungen mehr denn je nötig sind.
Ganz einfach gesagt: Die allermeisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind froh, wenn sie an Sonn- und Feiertagen ganz einfach einmal ihre Ruhe haben.
Des Weiteren haben wir aufgrund der klaren und eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts große rechtliche Bedenken gegen eine Gesetzesänderung; denn das Gesetz macht sehr deutlich, dass das in Art. 140 des Grundgesetzes verankerte Verbot von Sonn- und Feiertagsarbeit so bedeutsam ist, dass es nicht ohne einen bestimmten Grund aufgehoben werden kann.
Ich betone das an dieser Stelle noch einmal so klar und deutlich, weil wir uns natürlich auch überlegt haben, was Sie mit dem Vorschlag eines runden Tisches – das ist Punkt 3 Ihres Antrags – beabsichtigen. Geht es dabei nur darum, regionale Konflikte zu lösen und vor Ort Interessenausgleiche zu finden, und, wenn ja, wie sollen sie aussehen, oder soll es am Ende darauf hinauslaufen, den Anlassbezug aus dem Gesetz zu streichen oder zumindest zu lockern? In Ihrer Einbringungsrede habe ich in diese Richtung zumindest leicht etwas wahrgenommen. Dazu habe ich unsere Haltung aber schon deutlich gemacht. Ich glaube nicht, dass uns ein runder Tisch viel weiterhilft. Ich empfehle vielmehr, dass sich die Akteure vor Ort rechtzeitig vorher zusammensetzen und sich auf Lösungen verständigen, die dann auch funktionieren und in jedem Falle das Klagerisiko mindern könnten.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal wiederholen, was ich hier schon in den vorangegangenen Debatten mehrfach dargelegt habe. Wir halten den Wegfall eines konkreten Ereignisses für die sonntägliche Öffnung für wenig geeignet, den innerstädtischen Handel wirksam zu stützen. Es gibt sogar Marketingfachleute, die die Gefahr sehen, dass man durch die Ladenöffnung die ganze sonntägliche Verkaufsveranstaltung schlicht und einfach unattraktiv machen würde. Überhaupt glauben wir auch nicht, dass der Einzelhandel durch eine Erleichterung der Ladenöffnung, egal, ob durch eine Ausweitung oder durch den Wegfall des Anlassbezugs, besser vor dem Internethandel zu schützen wäre. Ich schaue noch einmal nach Kassel. Dort haben wir mit den geltenden Regelungen kaum Schwierigkeiten. Die verkaufsoffenen Sonntage finden statt. Aber glauben Sie, dass der Internethandel deshalb nicht weiterwächst? Ich glaube es nicht. Ich glaube, es ist nicht so, meine Damen und Herren.
Schauen wir einmal über den Teich in die USA. Nach meiner Kenntnis haben wir dort Ladenöffnungszeiten, die viel großzügiger sind als bei uns, um es zurückhaltend auszudrücken. Dort hat der Einzelhandel genauso unter dem Internethandel zu leiden, wahrscheinlich sogar noch viel mehr als bei uns.
Ich will zum Schluss sagen: Ich hätte noch ganz andere Ideen, dem Einzelhandel und der Entwicklung der Innenstädte unter die Arme zu greifen, z. B. mit vernünftigen tarifgeschützten Arbeitszeiten, die dann Zeit und Muße zum Bummeln und Einkaufen schaffen, oder mit ordentlichen Tariflöhnen, die es jedem erlauben, seine Einkäufe in einem etwas teureren Fachgeschäft mit dem entsprechenden Service in der Stadt zu tätigen, anstatt im Internethandel auf Schnäppchenjagd gehen zu müssen. Das Land könnte die Kommunen auch künftig besser bei dringend notwendigen Investitionen unterstützen, um unsere Innenstädte attraktiver zu machen, z. B. beim Thema ÖPNV.
Zum Schluss noch ein Wort zu dem vorliegenden Dringlichen Entschließungsantrag der CDU. Es kommt sehr selten vor, dass wir einem Ihrer Anträge umfänglich zustimmen können – aus guten Gründen. In diesem Fall ist das so. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich ihn selbst geschrieben.
Meine Damen und Herren, wir werden diese Debatte sicherlich im kommenden Jahr im Zuge der Evaluierung – es ist ja schon angesprochen worden – mit großer Ausführlichkeit fortführen. Das ist dann auch der richtige Rahmen, um Pro und Kontra ausführlich zu diskutieren. Aber schon heute möchte ich zu großer Vorsicht und Behutsamkeit, auch bei der Evaluierung des Gesetzes, raten.
Die jüngste Diskussion und die Forderung hinsichtlich der Ladenöffnung am Heiligabend, der dieses Mal auf einen Sonntag fällt, haben uns wieder einmal die Frage vor Augen geführt: Wo fängt das an, und wo soll das aufhören? – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Streit um die verkaufsoffenen Sonntage ist in dieser Runde nicht neu, er hat den Landtag in der Vergangenheit schon öfter beschäftigt und wird ihn auch in Zukunft noch häufiger beschäftigen. Fest steht aber, dass wir auf Landesebene nicht im luftleeren Raum entscheiden können, sondern natürlich den Sonntagsschutz aus der Verfassung berücksichtigen müssen.
Dass der Schutz des Sonntags und des anerkannten Feiertags nach wie vor gilt, das hat auch das Bundesverfas
sungsgericht in seiner Entscheidung zum Berliner Ladenöffnungsgesetz noch einmal bestätigt. Vorrangig bei dieser Entscheidung war nicht der Grund der Religionsausübung, sondern vor allem die Arbeitsruhe und die Ermöglichung des sozialen Zusammenlebens. Genau das wird in unserer beschleunigten Gesellschaft immer schwieriger: zur Ruhe zu kommen, Zeit mit der Familie zu verbringen und einfach einmal richtig abzuschalten.
Dazu tragen natürlich auch die immer flexibleren Arbeitszeitregelungen bei, die ständige Erreichbarkeit und der steigende Druck in der Arbeitswelt. Wir GRÜNE finden es wichtig, den Sonntagsschutz auch weiterhin streng zu handhaben, insbesondere zum Schutz der Arbeitnehmerinnen – es sind überwiegend Frauen, die als Verkäuferinnen arbeiten –, aber auch zum Schutz der Arbeitnehmer.
Als Argument für die Sonntagsöffnungszeiten die Konkurrenz aus dem Internet zu nehmen, ist ein schwaches Argument. Egal, wie weit wir die Öffnungszeiten ausweiten, Internetshopping wird immer noch flexibler möglich sein. Wir GRÜNE sind deswegen strikt dagegen, diese Konkurrenz auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die Öffnungszeiten aufzunehmen.
Die Entscheidung zu Berlin sagt ganz deutlich, eine Öffnung an einem Sonntag dürfe nicht dazu führen, dass dieser Tag ein Werktag wie jeder andere auch werde. Der Verkauf an einem Sonntag müsse einen Anlass über dieses reine Einkaufs- und Verkaufsinteresse hinaus haben. Die Regelung ist dadurch eindeutig: Sonntagsöffnungszeiten ohne Anlassbezug, nur um flexible Einkaufsmöglichkeiten zu schaffen, sind durch die gesetzgeberische Vorschrift nicht möglich.
(Im Plenarsaal wird das Licht angeschaltet. – Zuru- fe: Ah! – Zuruf von der SPD: Energiewende! – Ma- thias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Bei dieser Rede geht die Sonne auf! – Minister Stefan Grüttner: Nicht aus der Ruhe bringen lassen!)
Im Übrigen ist das auch nicht gewollt. Wir hatten die Diskussion über die Ladenöffnung an Heiligabend. Es hat sich ganz deutlich gezeigt, wo die Prioritäten der Gesellschaft liegen; denn eine überwältigende Mehrheit ist gegen eine Öffnung der Läden an Heiligabend.
Die Konkurrenz zum Internetshopping ist auf einer ganz anderen Ebene relevant, nämlich beim Wettbewerb um die Qualität, die Beratung und den Service. Hier hat der Einzelhandel einiges zu bieten und muss sich nicht verstecken. Am Ende hängt es natürlich auch wieder an jedem Einzelnen, ob er ein Buch im Internet bestellt und damit große Versandhäuser stärkt, oder ob er das Buch in einer Buchhandlung in der Innenstadt kauft.