Die Konkurrenz zum Internetshopping ist auf einer ganz anderen Ebene relevant, nämlich beim Wettbewerb um die Qualität, die Beratung und den Service. Hier hat der Einzelhandel einiges zu bieten und muss sich nicht verstecken. Am Ende hängt es natürlich auch wieder an jedem Einzelnen, ob er ein Buch im Internet bestellt und damit große Versandhäuser stärkt, oder ob er das Buch in einer Buchhandlung in der Innenstadt kauft.
Übrigens gehört zur Stärkung der Konkurrenzfähigkeit zum Onlineshopping auch, dass die Innenstädte zum Bummeln und zum Verweilen einladen. Dazu trägt das Programm „Stadtumbau in Hessen“ des Umweltministeriums erheblich bei und stärkt auch den Einzelhandel wesentlich
Es gibt nämlich bei der immer stärkeren Ausweitung der Öffnungszeiten auch den Effekt, dass kleine Anbieter, gerade auch bei dem Beispiel von Eiterfeld, und ladeninhabergeführte Geschäfte nicht mehr mithalten können und damit auch vor Ort eine weitere Konzentration auf die großen Ketten erfolgt.
Die GRÜNEN sehen aber auch die Diskussion, die es in den vergangenen Monaten um die verkaufsoffenen Sonntage gab. In einigen Kommunen ist die Sonntagsöffnung an Klagen der Gewerkschaften und der Kirchen gescheitert, da der enge Zusammenhang zu dem besonderen Anlass nicht immer klar erkennbar war.
Frau Kollegin, können Sie uns die Frage beantworten, wann das letzte Mal die große Reform der Ladenöffnungszeiten war und welche Bundesregierung damals die Verantwortung getragen hat? Können Sie uns sagen, wann das war?
(Zurufe von der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Michael Boddenberg (CDU): Ich könnte das nicht sagen! – René Rock (FDP): Ratet mal! – Gegenrufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glockenzeichen des Präsidenten)
Sehen Sie es mir nach, das weiß ich nicht. Aber das Thema ist das Ladenöffnungsgesetz in Hessen. Bei der Evaluation des Gesetzes in Hessen kommen wir auch dazu, uns darüber auszutauschen.
Wenn geplante Öffnungszeiten kurzfristig abgesagt werden müssen, weil sie gerichtlich untersagt werden, dann ist das ohne Zweifel eine ärgerliche Situation für alle Beteiligten, also die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer, die sich darauf eingestellt haben, und deren Familien und auch für die, die sich gefreut haben, sonntags einkaufen zu gehen, und natürlich auch für die Kommunen.
Die Verfahren sind auch eine Konsequenz daraus, dass es keine gesellschaftliche Einigung darüber gibt, was vor Ort an Sonntagen gewollt ist und was nicht. Die Gewerkschaften und die Kirchen haben natürlich eine ganz andere Vorstellung als die Unternehmensverbände. Wir GRÜNE sind der Meinung, dass sich diese Probleme am besten vor Ort lösen lassen, mit den Gewerkschaften, mit den Kirchen, mit dem Einzelhandel, den beteiligten Firmen und deren Betriebsräten.
Das ist der Unterschied zur FDP-Position. Ein runder Tisch auf Landesebene, so wie Sie ihn vorschlagen, mit der Be
teiligung von Landtagsabgeordneten, wäre zwar politisch sichtbar, er würde aber im Zweifel die Probleme, die es vor Ort gibt, überhaupt nicht lösen.
Deswegen regen wir in unserem Antrag an, sich auf kommunaler Ebene mit allen Gruppen frühzeitig auf die maximal vier verkaufsoffenen Sonntage pro Jahr zu verständigen. Dass dies wirksam dazu führt, das Klagerisiko zu verringern, zeigt das Beispiel Rheinland-Pfalz. Dort wird das bereits praktiziert. Das gibt den Unternehmen Planungssicherheit und spart Gerichtskosten.
Es ergibt sicherlich Sinn, den Sachverhalt und das Hessische Ladenöffnungsgesetz zu evaluieren und zu schauen, ob die Regelungen wirksam sind bzw., falls nicht, wo verbessert werden kann. Diese Evaluierung wird nächstes Jahr beginnen. Bis dahin werden wir sehen, ob die Gespräche vor Ort funktionieren und ob eine gemeinsame Position gefunden werden kann. Wir GRÜNE sehen aber keinen Sinn darin, einen runden Tisch auf Landesebene einzurichten, der nichts weiter als eine symbolische Wirkung haben kann. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vorweg: Das angesprochene Thema ist ein wichtiges, doch das Ansinnen der FDP ist wieder einmal sehr durchschaubar. Sie wollen wie eh und je den Schutz von Sonn- und Feiertagen weiter aufweichen, und das wird es mit uns nicht geben. Wir werden uns dagegen stellen, so gut und solange wir können.
Was ist die Situation? Der Sonn- und Feiertagsschutz wurde in den zurückliegenden Jahrzehnten weitgehend ausgehöhlt. Vor nicht allzu langer Zeit begann für den ganz überwiegenden Teil unserer Bevölkerung spätestens am Samstagnachmittag das Wochenende. Feiertage waren generell besonders geschützt. Es gab kaum Betriebe, denen aus wirtschaftlichen Gründen Ausnahmen genehmigt wurden, sondern es gab Notdienste in den für die Bevölkerung lebensnotwendigen Bereichen – z. B. in den Krankenhäusern, bei der Polizei, der Feuerwehr usw.
In der Zwischenzeit haben wir aber eine Situation, in der das Arbeitsleben der meisten beschäftigten Menschen völlig entgrenzt ist. Familien haben kaum mehr gemeinsame Zeiten. Das heißt, der Nine-to-five-Job an fünf Tagen in der Woche ist nicht mehr die Regel, wie es einmal war, sondern die Ausnahme. Menschen arbeiten in Teilzeit oder in Schichten, Arbeit ist durch ständige Erreichbarkeit völlig entgrenzt. Eltern sind beispielsweise in ihrer Freizeit zu Hause, wenn die Kinder in der Schule sind, arbeiten am
Abend und müssen dann noch organisieren, wie die Kinder zu betreuen sind. Das Familienleben ist komplett zerrissen.
Schon deshalb ist es so wichtig, dass für so viele Menschen wie möglich der Sonntag frei ist – und das nicht nur für den Zusammenhalt von Familie und Gesellschaft und für die Erholung, sondern es geht auch um ein ganz rationales Argument: Die Menschen können das Geld, das sie haben, eben nur einmal ausgeben. Ob sie es am Freitagnachmittag ausgeben oder am Sonntag, ändert wirtschaftlich nichts. Es ändert sich nur, dass alle Betriebe rund um die Uhr geöffnet bleiben müssen. Bequemlichkeit für die einen ja, weil man eben immer einkaufen gehen kann, aber Verlust von Planbarkeit und Gemeinsamkeit für die Beschäftigten – das wollen wir so nicht.
Dann kommt das Argument mit dem Einkaufen im Netz. Ja, aber wenn wir politisch etwas am Einkaufen im Netz verändern wollen und die Menschen mehr dazu animieren möchten, tatsächlich vor Ort einzukaufen, dann sollten wir auch einmal darüber nachdenken, warum das Einkaufen im Netz so attraktiv ist. Dazu gehört auch, dass man die Dinge nach Hause geliefert bekommt, und zwar ohne den realen Preis dieses Transports zu zahlen; denn es bedeutet, wir fahren jedes einzelne Teil für jeden einzelnen Menschen bis vor seine Haustür durch die Gegend. Früher kam der Paketbote einmal, heute kommt er drei-, vier- und fünfmal. Was das für eine Belastung für unsere Kommunen ist, was das für eine Belastung für unsere Umwelt ist und was das für unerträgliche Arbeitsbedingungen für die Menschen sind, die diese Lkw fahren, das wissen wir doch alle, und das kann es doch nicht sein, was wir wollen. Machen wir endlich den Transport so teuer, wie er wirklich sein müsste, damit er die Kosten einfährt, die er gesellschaftlich verursacht. Dann ist auch das Einkaufen im Netz deutlich weniger attraktiv.
Nun geht es uns nicht darum, die Uhr zurückzudrehen. Aber wir wollen und müssen den Schutz der Beschäftigten, den Schutz der Familien und den Schutz einer nicht ausschließlich am Kommerz orientierten Gesellschaft deutlich stärken.
Bei der Debatte um die Öffnung am 24. Dezember in diesem Jahr ist mir wirklich speiübel geworden. Die Vorstellung, dass die Menschen im Einzelhandel am Sonntag in ihren Laden gehen sollen, während sich früher jeder gefreut hätte, dass Menschen einmal drei Tage am Stück frei haben – sogar dreieinhalb Tage, weil Samstagnachmittag auch frei gewesen wäre, und viele haben ja Gott sei Dank noch am Samstag frei –, sich erholen können und genießen können, dass es Feiertage gibt: Das aufzuweichen, indem wir erwarten – als ob wir weder Kühlschränke noch Gefriertruhen zu Hause hätten und alle verhungern würden, wenn wir nicht einkaufen können –, dass am Sonntagmorgen die Läden geöffnet werden – bei dieser Debatte ist mir ehrlich übel geworden.
Wenn ich für mich selbst den Anspruch habe, ich möchte ein gutes und ein schönes Fest verbringen, dann sollte ich das auch den anderen zugestehen.
Ich bin froh, dass viele Einzelhandelsketten – auch große Ketten – von sich aus gesagt haben: „Wir machen an diesem Tag nicht auf“. Ich bin froh, dass die Debatte so gelaufen ist und es zu diesem Ergebnis gekommen ist.
Ich möchte auch noch einmal daran erinnern – heute kam so ein Anklang in diese Debatte, als ob irgendwann einmal beschlossen worden sei, an vier Sonntagen bliebe geöffnet, und dafür müsse es irgendeinen Anlass geben –: Die Idee war ursprünglich, dass es einen Anlass gibt, ein etabliertes Fest oder eine etablierte Veranstaltung, die seit eh und je an diesem Sonntag stattfindet, und deshalb gestattet man auch ausnahmsweise, viermal im Jahr an diesem Sonntag das Geschäft zu öffnen – und nicht: Wir gestatten, viermal im Jahr das Geschäft zu öffnen, und erfinden dafür irgendeine Bratwurstkirmes, damit wir eine Rechtfertigung haben. Wenn das vor Ort daraus gemacht wird, dann muss man sich auch nicht wundern, wenn das angefochten wird und wenn Gerichte so entscheiden, wie sie vielerorts entschieden haben. Man kann es nicht herbeibiegen. Und ob man denn nun in Eiterfeld oder in Lohfelden oder sonst wo unbedingt einen verkaufsoffenen Sonntag braucht, wage ich zu bezweifeln; denn für die Versorgung der Menschen brauchen wir ihn beileibe nicht.
DIE LINKE unterstützt daher seit Jahren die Forderung des Bündnisses für den Sonn- und Feiertagsschutz. Eine lohnende Debatte wäre, darüber nachzudenken, warum es in Hessen im Bundesvergleich weniger Feiertage gibt: Fünf Tage mehr hat Bayern. Und geht es denen ökonomisch nun so viel schlechter? Nein. Es ist eine Mär, zu glauben, dass Rund-um-die-Uhr-Versorgung glücklich machen würde. Freie Zeit für alle ist ein viel höherer Wert, und für den machen wir uns stark.
Ich frage mich auch, warum die FDP einen runden Tisch einsetzen will; denn die Positionen sind doch klar. Es ist gut, dass die FDP weder in Hessen noch in Berlin in Regierungsverantwortung gekommen ist, weil damit wenigstens ein Ende der immer weiteren Aushöhlung des Sonnund Feiertagsschutzes verbunden ist. Wir wollen, dass der Sonntag der Familie gehört, bei dieser Position werden wir bleiben, und daran wird auch ein runder Tisch nichts ändern.
Danke, Frau Schott. – Für die Landesregierung hat sich Herr Grüttner zu Wort gemeldet. Herr Minister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich ist es ein Thema, das uns seit längerer Zeit und immer wieder beschäftigt.
Eines vorangeschickt: Die Frage der Sonntagsruhe hat für die Hessische Landesregierung einen hohen Stellenwert, und diesen hohen Stellenwert verteidigen wir auch, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Trotzdem müssen wir uns an dieser Stelle auch Gedanken darüber machen, wenn es um die Fragestellung von Ladenöffnungen und verkaufsoffenen Sonntagen geht, in welchem Kontext wir es diskutieren und mit welcher Wahrhaftigkeit wir es diskutieren.
Wenn ich „Wahrhaftigkeit“ sage, mache ich das an einem Beispiel fest, weil es gerade auch in einem Beitrag dargestellt worden ist, verbunden mit einem persönlichen Übelkeitsgefühl, was den verkaufsoffenen Sonntag und die Diskussion um Heiligabend betrifft.
Ein Blick in das Gesetz hätte genügt, um diese Diskussion überhaupt nicht anfangen zu lassen. Das Gesetz ist eindeutig, da dort steht: auf keinen Fall ein verkaufsoffener Sonntag unter anderem – das lasse ich einmal weg – an den vier Adventssonntagen. Wer geschaut hätte, hätte festgestellt, dass Heiligabend in diesem Jahr als Sonntag auf den vierten Adventssonntag fällt, er hätte automatisch gemerkt, dass diese Diskussion vollkommen überflüssig ist.