Ein Blick in das Gesetz hätte genügt, um diese Diskussion überhaupt nicht anfangen zu lassen. Das Gesetz ist eindeutig, da dort steht: auf keinen Fall ein verkaufsoffener Sonntag unter anderem – das lasse ich einmal weg – an den vier Adventssonntagen. Wer geschaut hätte, hätte festgestellt, dass Heiligabend in diesem Jahr als Sonntag auf den vierten Adventssonntag fällt, er hätte automatisch gemerkt, dass diese Diskussion vollkommen überflüssig ist.
In diesem Moment stellt sich durchaus die Frage, ob es wirklich an einem Interesse der Gewerkschaft ver.di liegt – ich nenne das ganz bewusst, weil es auf der Tagesordnung gewesen ist –, zum Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bloß keinen verkaufsoffenen Sonntag durchzuführen, oder aber an der Intention, eine Diskussion zu erzeugen, die jeglicher Sachgrundlage entbehrt und wahrscheinlich nur deswegen auf die Tagesordnung gebracht worden ist, um Stimmung zu machen, und nicht etwa, um die Fragestellung der Ladenöffnungszeiten an Sonntagen zu diskutieren. Die Rechtslage ist eindeutig, und genau das ist das Problem.
Wir müssen an der Stelle schon konstatieren, dass es ein Gerichtsurteil zum Verbot eines verkaufsoffenen Sonntags in Hanau gibt. Die Zeitungen waren teilweise voll mit der Berichtserstattung über die Entscheidung des Gerichts. Das Gericht hat ausgeführt: Der Antragstellerin, der Stadt Hanau, war es nicht gelungen, zu begründen, warum die Läden ausschließlich als Annex zu als Herbstmarkt verbundenen drei Märkten, die keinerlei Traditionsveranstaltungen sind, geöffnet sein sollen. – Wenn man diese Begründung liest, dann sollte man gleichzeitig die Auslegungshinweise und Empfehlungen lesen, die die Hessische Landesregierung den Kommunalen Spitzenverbänden, den Städten und Gemeinden zur Verfügung gestellt hat, in denen sehr klar steht, wie die Kriterien, wie die Begründung, wie die Abfolge aussehen sollen.
Nach meiner Kenntnis ist kein einziger verkaufsoffener Sonntag gerichtlich verboten worden, der diesen Richtlinien oder Hilfestellungen entsprechend beantragt worden ist. Wenn man sie missachtet, muss man sich nicht wundern, wenn es entsprechende Gerichtsurteile gibt.
Herr Rudolph, immerhin hat Herr Decker gesagt, dass er einem Antrag der CDU zustimmen kann. Der ist übrigens geschrieben worden, bevor er gesprochen hat. Insofern kann man sagen, er hat für den CDU-Antrag gesprochen. Das ist auch insofern in Ordnung.
Der Koalitionsfraktionen, Entschuldigung. – Aber es ist an dieser Stelle vollkommen klar, dass wir wissen, dass es eine Unsicherheit bei denjenigen gibt, die einen verkaufsoffenen Sonntag planen und beantragen, auch wenn sie sich an diese Richtlinien halten.
Hier geht es nicht um die Ausweitung von verkaufsoffenen Sonntagen. Ich bin gespannt, wie die das in NordrheinWestfalen umsetzen wollen. Wir werden damit durchaus einige Erfahrungen machen. Das hört sich plakativ an. In der Umsetzung halte ich es für etwas problematisch. Die Berliner sind damals auch auf die Nase gefallen, als sie eine ganz andere Regelungsmöglichkeit für sich in Anspruch nehmen wollten. Das hat auch zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geführt, die uns heute in der Tat in der Auslegung immer noch Schwierigkeiten macht.
Wie können wir es schaffen, eine größere Rechtssicherheit herzustellen? Ich habe von diesem Pult aus schon einmal gesagt – aber diese Prüfungen sind ausgesprochen schwierig –: Können wir Fristen setzen, innerhalb derer eine Entscheidung oder eine Letztentscheidung zu treffen ist, damit nicht Werbemaßnahmen bis zwei oder drei Tage vor dem geplanten verkaufsoffenen Sonntag anlaufen und er dann durch Eilantrag gekippt wird? Können wir dort ein Stück weit Hilfestellung leisten?
Die Prüfungen gestalten sich eindeutig schwierig, auch im Hinblick auf die Rechtsmittel, die man in Anspruch nehmen kann, und wie Gerichte dahin gehend entscheiden. Oder muss es nicht den Versuch geben, mit den Betroffenen – da sage ich: Gewerkschaften, Kirchen, Einzelhandel und viele mehr – möglicherweise zu Regelungen zu kommen, wie weit man Entscheidungen delegieren oder verlagern kann? Wir sind offen für solche Diskussionen.
Deswegen sehe ich erst einmal auch nicht die Notwendigkeit eines runden Tisches. Was wir machen können, ist, den Beginn der Evaluation vorzuziehen, auch auf der Grundlage der Erfahrungen, die wir gemacht haben. Wenn wir die Evaluationsergebnisse haben und die Stellungnahmen der Beteiligten, die sowieso eingeladen werden, ihre Auffassungen entsprechend darzulegen, haben wir die Chance, die sehr divergierenden Interessen möglicherweise in Übereinstimmung zu bringen und einen Weg zu finden, wie eine solche Diskussion in Zukunft unter dem Gesichtspunkt: „Wir schützen den Sonntag, wir schützen Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, geben dem Handel aber auch Entwicklungsperspektiven“, geführt werden kann.
An der Stelle sind wir gesprächsbereit. Wir versuchen, das hinzubekommen. Bis zu diesem Zeitpunkt würde ich immer empfehlen, sich an den Richtlinien zu orientieren, die wir an die Hand gegeben haben, und möglichst im Sinne einer Versachlichung der Diskussion auf solche unsinnigen Diskussionen wie „Ja nicht den Heiligen Abend zum verkaufsoffenen Sonntag machen“ zu verzichten. Wie gesagt, ein Blick in das Gesetz hätte genügt, um zu sehen, dass diese Diskussion vollkommen überflüssig ist. Ich glaube, es bringt uns weiter, auf der sachlichen Grundlage zu diskutieren.
Mir liegen Informationen vor, dass beide Anträge dem Ausschuss überwiesen werden sollen. – Ich sehe ein Nicken. An den Wirtschafts- und Verkehrsausschuss? – Dann machen wir das so.
(Günter Rudolph (SPD): Ich weiß nicht, warum es in den Wirtschaftsausschuss soll! Aber ich bin nicht zuständig! – Minister Stefan Grüttner: Es sollte dem Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss überwiesen werden! – Günter Rudolph (SPD): Ja, das passt!)
Herr Präsident, mein Chef ist gerade nicht da. Deswegen bitte ich um Entschuldigung. Aber ich glaube, das gehört eher in den Sozialpolitischen Ausschuss, möglicherweise in beide Ausschüsse.
Danke, Herr Boddenberg. – Genau deswegen habe ich gefragt. Es besteht Einigkeit, das dem Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss zu überweisen.
Mitberatend an den Wirtschaftsausschuss. – Beide Anträge gehen also an den Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss, mitberatend ist der Wirtschaftsausschuss. Jetzt haben wir es.
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Steuerhinterziehung bekämpfen, aggressive Steuervermeidungsstrategien eindämmen – „Paradise Papers“ belegen Notwendigkeit weiterer nationaler und internationaler Maßnahmen – Drucks. 19/5409 –
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend „Swiss Leaks“, „Lux Leaks“, „Panama Papers“, „Paradise Papers“ – Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit herstellen – Drucks. 19/5414 –
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich ausdrücklich betonen, dass Steuerhinterziehung eine Straftat ist und wir mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entschieden dagegen vorgehen müssen.
Aber auch aggressiven Steuervermeidungsstrategien, bei denen das Handeln der Unternehmen oder auch Privatpersonen ohne ersichtlichen wirtschaftlichen Grund ausschließlich darauf ausgerichtet ist, nur Steuerumgehung zu erzielen, muss ein Riegel vorgeschoben werden.
Die Enthüllungen der sogenannten Paradise Papers, die wir erneut einem Netzwerk von Journalisten verdanken, zeigen, wie multinationale Konzerne und einzelne schwerreiche Privatpersonen mithilfe von großen Beratungskanzleien aggressive Steuervermeidungsstrategien in sehr erschreckendem Ausmaß betreiben. Diese Praktiken mögen sich am Rande der Legalität bewegen, legitim sind sie aber auf gar keinen Fall.
Durch moralisch höchst fragwürdige Steuervermeidungsstrategien werden den öffentlichen Haushalten Milliardenbeträge an Steuern hinterzogen – Steuern, mit denen wir unsere Kitas, unsere Straßen, unsere Schulen, die Universitäten und Bibliotheken, unseren sozialen Wohnungsbau finanzieren oder, wenn man es kurz zusammenfasst, unseren Rechts- und Sozialstaat.
Das widerspricht allen Prinzipien der Steuergerechtigkeit oder auch den Bedingungen des fairen Wettbewerbs, wenn sich zwar die Bürgerinnen und Bürger und kleinere Unternehmen in erheblichem Umfang über ihre Steuerzahlungen am Gemeinwesen beteiligen, während sich internationale Konzerne aber mithilfe von großen Beratungskanzleien aus dem Staub machen und sich nicht darum scheren, wie wir unser Gemeinwesen finanzieren.
Damit ist aus unserer Sicht unser Gesellschaftsvertrag in Gefahr. Wer die Vorzüge unseres Rechtsstaats und auch unserer sozialen Infrastruktur, der staatlich finanzierten Infrastruktur genießt, der muss sich, bitte schön, auch an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen.
Anhand der Paradise Papers kann man wunderbar nachvollziehen, wie sich bekannte Konzerne, z. B. Nike, aus dem Staub machen und der Verantwortung entziehen. Mithilfe einer Beratungsfirma haben sie erreicht, dass sie hier in Deutschland so gut wie keine Steuern zahlen. Dabei befindet sich das Hauptquartier von Nike für Deutschland, Österreich und die Schweiz hier bei uns in Frankfurt.
Jetzt könnte man vermuten, dass jeder in Deutschland verkaufte Schuh auch zu einem Gewinn führt, der hier in Deutschland versteuert wird. Dem ist aber nicht so, denn aufgrund der Vertragsgestaltung gilt die deutsche Niederlassung nur als Vermittler. Wer also in einem deutschen Nike Store oder einem Nike Factory Outlet Schuhe kauft, der kauft gar nicht den Schuh einer deutschen Firma, sondern befindet sich eigentlich in der Filiale eines niederländischen Ablegers. Das ahnt der Schuhkäufer im Regelfall nicht.
Was er ebenfalls nicht ahnt, ist, dass die Erlöse aus dem Schuhverkauf komplett in die Niederlande fließen und von dort – über astronomisch hohe Lizenzzahlungen – auf die Bahamas. Auf den Bahamas zahlen Firmen für ausländische Gewinne keine Steuern. So haben wir am Ende eine
schöne Kette, die ausschließlich darauf ausgerichtet ist, keine Steuern in Deutschland oder einem anderen Land zu zahlen, sondern Steuern am Ende möglichst zu umgehen und zu vermeiden. Meine Damen und Herren, das hat überhaupt keinen wirtschaftlichen Grund. Der einzige Hintergrund ist, dass man keine Steuern zahlen will.
Angesichts solcher Praktiken sind wir froh, dass es auf Initiative Hessens bereits einige Maßnahmen gibt, um diesem internationalen Steuerbetrug und der aggressiven internationalen Steuervermeidung Einhalt zu gebieten. So haben wir z. B. für 2018 die Lizenzschranke eingeführt. Mit der Eindämmung sogenannter Lizenzboxen soll erreicht werden, dass der wirtschaftliche Nutzen aus Patenten und Lizenzen in dem Land versteuert wird, wo tatsächlich geforscht und entwickelt wird. Das ist ein sehr gutes Prinzip; denn dort, wo Infrastruktur in Anspruch genommen wurde, sollen, bitte schön, auch Steuern gezahlt werden.
Das Beispiel Nike zeigt auch, dass eine echte und tatsächlich wirkungsvolle Bekämpfung grenzüberschreitender Steuerhinterziehung nur im internationalen Verbund gelingen kann. Die Enthüllungen aus den Paradise Papers machen sehr deutlich, dass der internationale Druck auf die Offshore- und Schattenfinanzplätze und deren Unterstützer bei Weitem noch nicht ausreicht und dass weitere Maßnahmen umgesetzt werden müssen.
Wir brauchen ein weltweites Register, das die wirtschaftlich begünstigten Personen hinter den Unternehmenskonstruktionen auflistet. Die bereits auf europäischer Ebene beschlossenen Register – da haben wir schon einiges erreicht – sind sinnvoll, aber auch nur ein erster Schritt.
Wir begrüßen auch, dass die europäischen Staaten anstreben, gemeinsam eine Liste von Drittstaaten zu erstellen, gegen die steuerliche Bedenken bestehen oder die beim Datenaustausch bisher nicht kooperieren. Das ist ein sinnvolles Instrument der Transparenz, mit dem erreicht werden soll, dass der öffentliche Druck auf Offshorefinanzplätze weiterhin verstärkt wird und dass Gesetzesänderungen erreicht werden. Das ist nicht einfach, aber ich denke, es ist den Schweiß der Edlen wert.
Neben mehr Transparenz müssen sich die europäischen Staaten aber endlich auch auf Mindeststandards bei der Unternehmensbesteuerung verständigen. Es gibt durchaus auch in der Europäischen Union Ausweichbewegungen immer dorthin, wo niedrige Unternehmenssteuern zu zahlen sind. Es muss das Prinzip gelten, dass Gewinne dort besteuert werden, wo sie auch erwirtschaftet wurden – ohne dass sie in Niedrigsteuerländer transferiert werden.