Neben mehr Transparenz müssen sich die europäischen Staaten aber endlich auch auf Mindeststandards bei der Unternehmensbesteuerung verständigen. Es gibt durchaus auch in der Europäischen Union Ausweichbewegungen immer dorthin, wo niedrige Unternehmenssteuern zu zahlen sind. Es muss das Prinzip gelten, dass Gewinne dort besteuert werden, wo sie auch erwirtschaftet wurden – ohne dass sie in Niedrigsteuerländer transferiert werden.
Wir brauchen innerhalb der Europäischen Union gemeinsame Regeln zur Ermittlung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage für Steuern und eine gemeinsame Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage, ein Thema, das wir schon sehr lange miteinander diskutieren und in das mehr Bewegung kommen muss.
Meine Damen und Herren, das Beispiel Share Deals haben wir hier schon mehrfach besprochen. Durch Share Deals entgehen den Bundesländern insgesamt Grunderwerbsteuereinnahmen in Höhe von mindestens 1 Milliarde €.
Diesbezüglich war Finanzminister Dr. Schäfer schon tätig. Wir wollen einfach nicht länger hinnehmen, dass Großinvestoren bei millionenschweren Immobiliengeschäften mittels entsprechender Vertragsgestaltungen keinen Cent an Grunderwerbsteuer zahlen, anders als jeder Bürger und jede Bürgerin, die für den privaten Hauskauf Grunderwerbsteuer entrichten müssen. Deshalb sind wir froh, dass es die hessische Bundesratsinitiative zur Reform der Grunderwerbsteuer gibt, um diesen Share Deals endlich einen Riegel vorzuschieben.
Meine Damen und Herren, hier in Hessen haben wir den Kampf für mehr Steuergerechtigkeit aufgenommen. Ich bin froh, dass wir eine Vorreiterrolle einnehmen können. Ich freue mich sehr, Herr Dr. Schäfer, dass Sie eine Auswertung der Paradise Papers angeboten haben, um sie auch aus hessischer Perspektive aufzuarbeiten.
Das ist erneut ein wichtiger Beitrag für mehr Steuergerechtigkeit. Hessen nimmt bereits bei der Auswertung der Panama Papers eine Vorreiterrolle im Kampf gegen internationale Steuerkriminalität ein.
Es gibt eine Sondereinheit bei der OFD Frankfurt, in der Steuerfahnderinnen und Steuerfahnder eng mit dem Bundeskriminalamt zusammenarbeiten. Dort sind fachliche und technische Expertise gebündelt, um das Datenpaket, das sich aus den Panama Papers ergeben hat, auszuwerten und neue Erkenntnisse zu sammeln. Es ist eine Herkulesaufgabe, das alles zusammenzubinden. Das zeigt aber auch, dass es in Hessen eine schlagkräftige Steuerverwaltung gibt, die mit solchen Aufgaben betraut werden kann, die solche Aufgaben annimmt und gut zu lösen weiß.
Damit das auch in Zukunft so bleibt, werden wir die Zahl der Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer erhöhen. Wir werden auch weiterhin Anwärterinnen und Anwärter in der Steuerverwaltung einstellen, im nächsten Jahrgang jeweils 700 neue. Damit sind wir auch künftig gut gerüstet, um den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung durchzustehen.
Insofern will ich zum Schluss nur noch sagen: Im Hinblick darauf, was DIE LINKE in ihren Anträgen fordert, sind wir schon längst weiter.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Das ist eine alte Debatte, die wir hier schon längst geführt haben. Ich denke, wir brauchen sie heute nicht zu wiederholen. Das machen nur die, die sich nicht um die Zukunft kümmern wollen. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Besucherinnen und Besucher! Ich möchte meine Rede zunächst mit einem ganz großen Dank beginnen, einem Dank an die Journalistinnen und Journalisten, die zum Teil unter Einsatz ihres Lebens immer und immer wieder Steuerhinterziehung und üble Machenschaften um legale Steuertricks ans Licht der Öffentlichkeit bringen. Ihnen sind wir zu Dank verpflichtet.
Sie müssen das tun, weil Finanzminister versagen oder Politiker Gesetze machen, die Steuerflucht ermöglichen. Die Liste der Skandale ist lang: Offshore Leaks, Luxemburg Leaks, Swiss Leaks, Panama Papers, Bahama Leaks, Paradise Papers.
Wenn solche Vorgänge an das Tageslicht kommen, ist die Empörung jedes Mal groß. Dann werden Reden gegen Steuervermeidung gehalten. Es werden Anträge gestellt und beschlossen. Aber am Ende passiert nichts, und alles läuft weiter wie bisher.
Schätzungsweise über 17 Milliarden € entgehen Deutschland jedes Jahr durch legale Steuertricks von Superreichen und Konzernen. Nehmen wir die illegale Steuerhinterziehung hinzu, verlieren wir in der Europäischen Union Hunderte Milliarden € jährlich, viel davon hier in Deutschland.
Welche Auswirkungen das auf die Reichtumsverteilung in dieser Welt hat, zeigt eine ganz beeindruckende Zahl. Mittlerweile besitzen etwa acht Personen so viel wie die Hälfte der Weltbevölkerung. Die Hälfte der Weltbevölkerung sind 3,6 Milliarden Menschen. In Deutschland verfügen die reichsten Zehn über zwei Drittel des privaten Nettovermögens. Die Hälfte der Bevölkerung besitzt nichts oder hat Schulden.
Deswegen fordert selbst der Internationale Währungsfonds – das ist eine des linken Einflusses unverdächtige Organisation –, in Deutschland endlich die Vermögensteuer einzuführen.
Welche Auswirkungen hat diese massive Konzentration des Reichtums in den Händen weniger? Jetzt muss die rechte Seite des Hauses einmal kurz schaudern. Darauf hat der bekannte US-Senator Bernie Sanders, ein bekennender demokratischer Sozialist, hingewiesen. Er hat davor gewarnt, dass uns angesichts dieser massiven Konzentration des Reichtums droht, unter die Kontrolle eine Oligarchie von Milliardären zu geraten.
Das werden wir an dieser Stelle nicht ausführlich tun können. In diesem Zusammenhang wäre es interessant, auch einmal über die Parteispenden zu reden.
Wir haben in Hessen dazu eine spezielle Tradition. Parteispenden bergen immer die Gefahr, dass Demokratie und politische Entscheidungsprozesse käuflich werden.
Herr Dr. h.c. Hahn, das heißt, beim Thema Steuergerechtigkeit geht es daher auch um die Frage des Einflusses auf die politische Entwicklung und den Einfluss auf die Demokratie.
Heute Vormittag haben wir lange darüber diskutiert, dass hinsichtlich der Jamaikakoalition sehr lange Sondierungsgespräche geführt wurden. Das geschah sehr lange. Das haben wir heute Morgen sehr strittig diskutiert.
Aber in einem waren sich die Jamaikaparteien doch sofort einig: Es soll keine Vermögensteuer für Millionäre und keine vernünftige Erbschaftsteuer geben. Genau das ist es, was die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen eint. Sie wollen doch gar kein gerechtes Steuersystem. Sie meinen es mit dem Kampf gegen aggressive Steuervermeidungsmodelle nicht ernst.
Ich will Ihnen auch erklären, warum das so ist. Das Land Hessen ist nicht einmal in der Lage, seinen Einfluss auf Unternehmen, an denen es selbst wesentlich beteiligt ist, geltend zu machen. Es bringt diese Unternehmen nicht dazu, endlich damit aufzuhören, in Steueroasen Tochtergesellschaften zur Steuervermeidung zu betreiben. Wenn Sie damit nicht endlich aufhören, dann ist Ihr Engagement für mehr Steuergerechtigkeit letztlich nicht mehr als eine hohle Phrase.
Wie soll denn eine Landesregierung im Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerungerechtigkeit glaubwürdig sein, wenn sie es duldet, dass die Gesellschaft Fraport, an der das Land wesentlich beteiligt ist, eine Briefkastenfirma auf Malta unterhält? Wenn Sie es ernst mit dem Kampf gegen Steuervermeidung meinen, dann sorgen Sie dafür, dass dieser Briefkasten endlich dichtgemacht wird.
(Beifall der Abg. Janine Wissler, Marjana Schott (DIE LINKE), Gerald Kummer (SPD) und Mürvet Öztürk (fraktionslos))
Die Landesregierung ist im Aufsichtsrat vertreten. Herr Kaufmann hätte die Möglichkeit, gegen diese Praxis zu intervenieren. Er scheint das nicht zu tun. Deswegen ist Ihr Engagement nicht glaubwürdig.
Wenn Ihnen der Kampf für Steuergerechtigkeit so wichtig wäre, dann hätten Sie hier im Landtag das eine oder das andere Mal die Gelegenheit gehabt, deutlich zu machen, dass die Entziehung der Gemeinnützigkeit von Attac nicht zu tolerieren ist. Denn die globalisierungskritische Organisation Attac hat mit ihrem gesellschaftlichen Engagement sehr viel mehr zum Thema Steuergerechtigkeit beigetragen als so mancher Finanzminister in Hessen und auch anderswo.
Während Herr Kaufmann an den Sitzungen des Aufsichtsrats der Fraport teilnimmt, der Öffentlichkeit auch nicht viel mitzuteilen hat, was da denn so passiert, bröckelt es in
der öffentlichen Infrastruktur an allen Ecken und Enden. Das haben wir hier auch schon an der einen oder anderen Stelle diskutiert. Wir haben einen Investitionsstau bzw. eine Investitionslücke, die bundesweit 100 Milliarden € beträgt. Dabei geht es um Universitäten, Krankenhäuser, Brücken und bezahlbaren Wohnraum.
Die Zahlen für Hessen haben wir hier auch schon einmal angesprochen. Leider können wir sie nicht genau ermitteln, weil Sie in Hessen keinen Investitionsbedarf vorsehen wollen. Das Geld, das durch Steuervermeidung am Fiskus vorbeitransportiert wird, fehlt uns in Hessen für Investitionen in unsere öffentliche Infrastruktur. Sie wird aber wiederum von Konzernen wie Fraport genauso wie von den Arbeitskräften genutzt, die hier ihrer Arbeit nachgehen.
Diese Konzerne drücken ihre Steuern, wie sie nur können. Das betrifft z. B. Apple, Amazon oder Staatsfirmen wie die schwarz-grüne Fraport. Sie verschieben Gewinne über künstlich geschaffene Zinsen oder Lizenzgebühren zu Briefkastenfirmen in Steueroasen. Die sind nicht irgendwo außerhalb Europas, sondern die befinden sich in den Niederlanden, in Irland und Malta. Dort müssen kritische Journalisten bei der Aufdeckung solcher Skandale ihre Arbeit mit dem Leben bezahlen.
Es ist nichts anderes als ein Skandal, dass jeder Otto Normalverbraucher und jede Otto Normalverbraucherin, jede Verkäuferin und jeder Krankenpfleger seine Steuern zahlen müssen, während die großen Konzerne alles dafür tun können, ihre Steuerlast zu drücken. Wenn ein Hartz-IVEmpfänger einen Termin versäumt, dann drohen ihm Sanktionen und existenzielle Leistungskürzungen. Bei Reichen und Unternehmen hingegen schauen wir zu, wie sie sich durch aufwendigste Konstruktionen ihrer Steuerpflicht entziehen. Das bleibt ein großer Skandal.
In Ihrem Entschließungsantrag betonen Sie – Frau Erfurth hat das auch getan –, wie wichtig die internationale Kooperation im Kampf gegen die Steuervermeidung sei. Das ist zweifelsohne richtig. Ich habe aber den Eindruck, dass Sie sich dahinter verstecken wollen. Denn Sie geben damit vor, dass wir hier in Deutschland und in Hessen kaum etwas tun könnten. Gerade in Deutschland könnten wir anfangen, indem wir uns nicht mehr hinter anderen verstecken, sondern indem wir unsere eigenen Hausaufgaben machen, z. B. indem wir Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen erheben.
Es bedarf eines Transparenzregisters und eines weitgehenden Verbotes von Geschäften in Steueroasen. Wie gesagt, wir brauchen auch die Erhebung von Strafsteuern auf Finanzflüsse in die Steueroasen. Wir müssen die Konzerne dazu zwingen, für jedes Land, in dem sie aktiv sind, Gewinne und Steuern getrennt auszuweisen, und zwar öffentlich.