Drittens. Die Bundesinvestitionsprogramme zur Kinderbetreuungsfinanzierung standen bislang nur für U-3-Plätze zur Verfügung. Das war deshalb sinnvoll, damit der gesetzliche Anspruch auf einen U-3-Platz auch erfüllt werden kann. Diese Voraussetzungen sind jetzt erfüllt.
Jetzt können die 86 Millionen € aus dem vierten Investitionsprogramm für Hessen erstmals auch zur Schaffung von Ü-3-Plätzen verwendet werden. Auch dies ist eine sehr hilfreiche Maßnahme für die Zurverfügungstellung von zusätzlichen Kindergartenplätzen.
Die Qualitätspauschalen werden schrittweise von jetzt 100 € pro Kind und Jahr auf 170 € im Jahr 2018, auf 225 € im Jahr 2019 und auf 300 € im Jahr 2020 erhöht. Hiervon
profitieren bereits jetzt 95 % der betreuten Kinder. Die Träger können hierüber flexibel disponieren. Dafür haben wir uns bewusst entschieden. Das dient vor allem der Fortbildung des Betreuungspersonals. Hierfür gibt das Land, wie gesagt, 50 Millionen € aus.
Wir investieren in die Zukunft unserer Jüngsten so viel wie niemals zuvor. Wir sehen bewusst die Priorität der Qualität und der Beitragsfreiheit für sechs Stunden über drei Jahre. Wir werden dem Bedarf von mehr als 90 % der Eltern gerecht. Wir finanzieren solide. Wir belassen auch die Verantwortung dort, wo sie hingehört, nämlich bei den Kommunen und per Delegation bei den frei-gemeinnützigen Trägern.
Das ist nämlich neben der unsoliden Finanzierung ein weiterer Haken des SPD-Gesetzentwurfs. Wenn Sie sagen, dass 82 % der Personalkosten langfristig vom Land übernommen werden, dann wird der Landeshaushalt dessen bald nicht mehr Herr. Dann kommt jeder auf die Idee, zu sagen: So, jetzt müssen wir da einmal nachsehen und den Kommunen und frei-gemeinnützigen Trägern Vorschriften machen. – Dann können diese nicht mehr frei entscheiden. Das ist eine Entkommunalisierung, eine Zentralisierung, eine Verstaatlichung, die wir nicht wollen.
Letzter Satz: Wir wollen mit unseren Maßnahmen kein Vorziehen des Schulbeginns. Wir wollen keine Ecole maternelle wie in unserem Nachbarland. Wir wollen aber mit unseren Maßnahmen dafür sorgen, dass die Kinder bei Schulbeginn möglichst dieselben Chancen haben, egal, wo sie wohnen, aus welcher sozialen Schicht sie kommen, ob sie einen Migrationshintergrund haben, was die Eltern von Beruf sind. Wir sorgen dafür, dass alle Kinder die besten Startchancen haben. – Recht herzlichen Dank.
Herr Präsident! Die Not muss groß sein, wenn Herr Bocklet von seiner Redezeit für ein Gesetz, von dem er überzeugt sein sollte, weil er es schließlich mit eingebracht hat, die Hälfte der Zeit braucht, um sich über ein Gesetz auszulassen, das eine andere Fraktion in diesem Haus eingebracht hat. Da frage ich mich tatsächlich, ob Sie von Ihrem Gesetz überzeugt sind.
Andererseits: So, wie die Regierungsfraktionen die Debatte gestern Abend versenkt haben, verstehe ich natürlich, dass Sie heute Morgen einen gewissen Nachholbedarf haben.
Die enorm peinlichen Rahmenbedingungen des Entstehens dieses Gesetzentwurfs sind natürlich auch dazu angetan, dass Sie hier versuchen, Nebelkerzen zu werfen. Man macht sich ja so seine Gedanken, wie wann was entsteht und wie Sinneswandel zustande kommt. Ich könnte natürlich sagen: Ich freue mich unglaublich, dass die Regie
rungsfraktionen jetzt verstanden haben, dass es dringend notwendig ist, die Eltern zu entlasten. – Allein, das glaube ich nicht so ganz; denn wenn man hier gleichzeitig erlebt hat, wie Frau Wiesmann Woche um Woche und Monat um Monat darüber geredet hat, dass eine Entlastung der Eltern hier komplett fehlangezeigt ist, und Herr Dr. Bartelt uns jetzt zu erklären versucht, Sie hätten es verstanden, dann finde ich es ein bisschen merkwürdig, weil dieses Wocheum-Woche-darüber-Reden, dass man ja die Wohlhabenden mit solchen Ansinnen unterstützt, parallel dazu passiert ist, dass Sie diesen Gesetzentwurf, den Sie jetzt vorlegen, entwickelt haben. Das finde ich – damit ich mir nicht eine Rüge einfange – mindestens merkwürdig; denn wenn man in einer parlamentarischen Debatte ist, sollte man doch ehrlich debattieren. Das aber heißt, wir denken über Dinge nach, wir sind noch nicht unbedingt Ihrer Meinung, wir versuchen, zu evaluieren und uns eine Meinung zu bilden.
Wenn ich mich aber hierhin stelle und sage, ich habe eine Meinung, und diese heißt „Qualität first, Qualität first“, und alles andere kommt später, und werfe das von einem auf den anderen Tag über den Haufen, und mein Geschwätz von gestern kümmert mich überhaupt nicht mehr, dann machen Sie sich komplett unglaubwürdig.
Sie haben sich nicht nur komplett unglaubwürdig gemacht, sondern Sie haben sich auch noch ziemlich unbeliebt gemacht; denn Sie machen es zulasten der Kommunen, und Sie machen es halbherzig. Sie werfen der SPD vor, im letzten Jahr halbherzige Entwürfe vorgelegt zu haben, und Sie machen dieses Jahr einen genauso halbherzigen Entwurf, der nämlich wieder nicht wirklich entbürokratisiert. Sie sagen zwar, dass Sie es wollen – dafür hätten Sie mein volles Lob –; aber da, wo Sie es tatsächlich tun, ist es gar nicht hilfreich, weil die Kommunen und die Kitas an der Stelle vielleicht nachsteuern müssten, weil die Personalzahlen nicht mehr mit den Kinderzahlen zusammenpassen. Nein, wenn Sie entbürokratisieren wollen, sorgen Sie doch dafür, dass nicht mehr die einen noch Beitrag zahlen und die anderen keinen; die einen zahlen noch ein bisschen, und die anderen zahlen keinen; die einen zahlen noch ein bisschen, und die anderen zahlen viel. Dann schaffen Sie doch Beitragsfreiheit, und verkaufen Sie nicht etwas als Beitragsfreiheit, was überhaupt keine Beitragsfreiheit ist.
Sie könnten doch ganz locker sagen: Wir stecken hier mehr Geld rein, und wir entlasten Eltern. – So weit ist es ja richtig. Aber erzählen Sie doch der Welt nicht, Sie würden mit Ihrem Pseudo-Plan eine Beitragsfreiheit schaffen, und erzählen Sie der Welt nicht, das würde entbürokratisieren.
Die Pauschalen sind für die Kommunen zu niedrig. Sie sind an vielen Stellen nicht kostendeckend. Das heißt, die Kommunen geraten unter Zugzwang, zu sagen: „Wir machen mit“, weil sonst die Eltern vor Ort natürlich überhaupt nicht verstehen, warum in dem einen Ort der Kitabesuch nichts oder weniger kostet und in dem anderen Ort eben mehr. Das heißt, Sie bringen die Kommunen unter Zugzwang, egal, ob sie es sich leisten können oder nicht.
Das Geld wird obendrein aus Teilen des Finanzausgleichs genommen; d. h., die Kommunen zahlen es teilweise wieder selbst. Dass sie das nicht leiden mögen und es Ihnen seitdem auch um die Ohren hauen, das kann ich wirklich gut verstehen.
Bei den Kitas kommen die Initiativen meistens auch schlecht an. Es gibt einige, die Betreuungszeiten unter sechs Stunden haben und die jetzt befürchten, ein Mittagessen anbieten zu müssen. Aber das sind noch die wenigsten. Die meisten Kitas haben doch Module, und die haben mehr als sechs Stunden, und dann geht die Rechnerei los. Sechs Stunden Betreuungszeit, das nutzt berufstätigen Eltern relativ wenig. Ja, das ist eine wirtschaftliche Entlastung, aber dann sagen Sie es auch so, statt zu sagen, das sei eine Befreiung von Gebühren. Es ist eine Entlastung, aber never ever eine Befreiung. Es kam ein paar Wochen vor der Bundestagswahl richtig gut rüber, da hat der letzte Blinde gemerkt, was Sie da vorhaben.
Für andere Bereiche der frühkindlichen Bildung, für die unter Dreijährigen, für die Schulkinder gibt es überhaupt keine Entlastung. Was ist denn das für eine Fairness? Sie machen es nach Gutsherrenart in einem Sektor dieser ganzen Kinderbetreuung, und der Rest fällt hinten runter, und dann haben wir wieder so etwas wie den Pakt für den Nachmittag.
Wenn ich mir dann anschaue, dass Ihre Qualitätspauschale Anreize für Fortbildung bieten soll, dann ist das ja in Ordnung. Wenn die Fortbildung aber zwingend die Fortbildung zum BEP sein muss, da frage ich mich, was das soll – es gäbe auch viele andere hoch qualifizierte Fortbildungen, die sicherlich an der einen oder anderen Stelle nottäten und den Kitas und Erzieherinnen und Erziehern vor Ort helfen würden. Dass Sie mit zusätzlichem Geld ein paar Fachkraftstunden mehr im Jahr finanzieren: Ja, dann kann die Erzieherin auch tatsächlich zu der Fortbildung hingehen.
Eigentlich bauen Sie Qualität ab; denn der unzureichende Ausgleich von Beitragsfreistellung und der Entzug von KFA-Mitteln machen es den Kommunen doch schwer, die Qualität, die sie zum Teil haben, zu halten. Darüber müssen Sie auch einmal nachdenken. Dann kommt man nämlich ganz schnell dahin, dass es hier überhaupt keinen Qualitätszuwachs gibt, den Sie ja angeblich wollten.
Ich kann nur sagen: Dass Frau Wiesmann jetzt nicht mehr da ist, erspart ihr wenigstens die Peinlichkeit, jetzt so ähnlich wie der Kollege Bocklet zu argumentieren, der irgendwann einmal gesagt hat, das Gesetz sei Murks, und jetzt die Welt so herumdrehen muss, dass der Murks plötzlich kein Murks mehr ist. Ich hätte schon gerne gewusst, wie Frau Wiesmann das gemacht hätte, nachdem sie hier monatelang gesagt hat, was Sie hier jetzt tun, gehe überhaupt nicht, um es dann aber doch tun zu müssen. Ich bin unglaublich froh, dass Sie ihr das erspart haben. Sie kann von Glück reden, dass sie nach Berlin gegangen ist.
Der Gesetzentwurf entspricht weder den Ergebnissen der Evaluation noch den Anliegen, mit denen sich viele an die Landesregierung und die Fraktionen gewandt haben, auch Ihre eigenen Bürgermeister. Wir brauchen Vorgaben für die Freistellung von Leitungstätigkeit und mittelbarer pädagogischer Arbeit, wir brauchen eine Freistellung von allen Elternbeiträgen. Wenn Sie das als Stufenplan machen wollen, machen Sie es als Stufenplan – aber dann sagen Sie es auch. Wir brauchen weniger Bürokratie in der Kindertagesbetreuung. All das gibt Ihr Geestzentwurf jedoch nicht her, und Sie haben sich mit dem, was Sie da tun, einen Bärendienst erwiesen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Das Wort hat der Abg. René Rock, Fraktionsvorsitzender der FDP, Seligenstadt.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon interessant, wenn man sieht, wie der Kollege Bocklet hier das Thema Glaubwürdigkeit aufruft.
Die Glaubwürdigkeit der GRÜNEN bei Kinderbetreuung und frühkindlicher Bildung ist schon interessant. Frau Kollegin Wiesmann ist ja in den Bundestag gewechselt, aber Sie, Herr Bocklet, haben hier oft genug zu diesem Thema geredet und, so glaube ich, eine ziemlich große Kehrtwende hingelegt.
Von der Frage der Qualität hin zur Frage der Beitragsfreistellung. Man sollte sich nicht einfach hierhin stellen und immer mit dem Finger auf andere deuten, wenn man die eine oder andere Baustelle hat. Da fand ich, dass der Kollege Bartelt es ein bisschen besser herzuleiten versucht hat als Sie.
Bleiben Sie doch einmal, wenn Sie immer „historisch“ sagen, bei der historischen Wahrheit, nämlich bei der Frage, wie es sich hier entwickelt hat: Wann haben Sie diese Idee gehabt, was war der Vorläufer? – Das können die Journalisten gerne bewerten, aber versuchen Sie an der Stelle doch nicht, so aufzutreten.
Gehen wir einmal zur Sache zurück. Wir diskutieren die Freistellung von Gebühren, und zwar eine Halbtagsfreistellung von Gebühren in einem gewissen Rahmen. Dazu möchte ich Ihnen sagen, dass bei Ihrem Gesetzentwurf Folgendes nicht ausreichend bedacht ist: Es ist nicht ausreichend bedacht, dass eine Freistellung von sechs Stunden am Tag kein Mittagessen erforderlich macht. – Das mag einem Juristen in einem Ministerium in einer Verordnung sinnvoll erscheinen,
aber wenn Sie einmal in den Kindertagesstätten sind und mit den Eltern reden, wissen Sie: Wenn das Kind um 8 Uhr gebracht wird und bis 14 Uhr in der Kindertagesstätte ist, dann muss das Kind doch essen.
Also, mein Kind muss dann essen. Herr Bocklet, wenn Ihr Kind da nicht essen muss, ist das Ihre erzieherische Verantwortung. Ich erwarte von einer Landesregierung und von einer Leitung, dass mein Kind etwas zu essen bekommt, und die Eltern in Hessen erwarten das auch.
Sie können sich ja dann in Wiesbaden oder im Regierungspräsidium zurücklehnen, aber die Kindertagesstätte bzw. die Kommune muss ein Essen zur Verfügung stellen. Das sind entsprechende Mehrkosten und Erfordernisse, die Sie bei den Kommunen abladen.
Dann haben Sie hier den Eltern eine Entlastung von Beiträgen in Höhe von 310 Millionen € im Jahr verkauft. Die Hälfte davon ist nicht Landesgeld. Die Hälfte davon entziehen Sie den Kommunen.
Dann sagen Sie doch, dass Ihre Verbesserung bei der Unterstützung der Familien dankenswerterweise zur Hälfte von den Kommunen finanziert wird. Das wäre eine historische Wahrheit.