Protokoll der Sitzung vom 15.12.2017

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das findet die Zustimmung der FDP. In der Tat hat das aber auch bei uns eine gewisse Wirkung entfaltet.

(Lachen und Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Ja, sehen Sie mal. – Auf die Frage, die oft gestellt wurde, warum man sich jetzt anders entschieden habe, nachdem man erst meinte, man könne die große Wahlkreisreform in der nächsten Legislaturperiode durchführen,

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

ist die Antwort: Wenn ein solcher Brief ankommt, muss man sich mit ihm auseinandersetzen. – Dies ist entsprechend geschehen.

(Zurufe: Oh!)

Das heißt im Klartext, dass wir uns mit dieser Thematik zweimal auseinandersetzen werden: jetzt mit einer möglichst kleinen Änderung und im übernächsten Jahr – in einer anderen Zusammensetzung – mit einer größeren Reform.

Der aktuelle Änderungsantrag liegt Ihnen vor. Ich habe auf diesen bereits Bezug genommen. Wir haben beispielsweise die Hinweise zur Zusammensetzung der Wahlkreiskommission berücksichtigt und das, was für uns selbstverständlich war und ist, noch einmal präzisiert. Im Klartext: Die Abgeordneten werden durch die jeweils vertretenen Fraktionen vorgeschlagen.

Auch die Anmerkungen hinsichtlich der Begründung haben wir ernst genommen. Die einzelnen Begründungen für die wenigen Änderungen sind zahlen- und faktenbasiert. Das wurde in der Begründung noch einmal individuell ausgeführt und entsprechend eingebaut.

Der Vorwurf der Manipulation – dieser wurde an der einen oder anderen Stelle, ich will nicht sagen populistisch, aber pointiert erhoben – ist natürlich irreführend; denn wir wissen alle, dass die Zusammensetzung des Landtags in erster Linie von den Zweitstimmenergebnissen abhängig ist. Aber wir können uns die einzelnen Wahlkreise anschauen.

Der Fall Nieste: Unabhängig davon, wie die Wahl ausgehen wird, fürchte ich, dass dieser Wahlkreis so oder so von der SPD gewonnen wird.

(Zuruf des Abg. Stephan Grüger (SPD))

Aber – deshalb Nieste – Nieste ist groß genug, damit die Ungleichheit ausgeglichen werden kann, und Nieste ist weniger als halb so groß wie Helsa. Helsa war zunächst vorgesehen. Insofern ist dies ein deutlich kleinerer Eingriff.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Der Fall Eiterfeld: Die Alternative wäre Burghaun. Eiterfeld hat eine deutlich längere Landgrenze zum Wahlkreis 11 als beispielsweise Burghaun. Insofern ist diese Entscheidung auch sachlich und faktisch begründet.

Der Fall Bergstraße: Wie man in unserem Änderungsantrag sehen kann, geht es hier nicht darum, bestimmte Kommunen zu verlagern, sondern um die faktenorientierte Lösung des Problems. Die Gemeinde Groß-Rohrheim wechselt innerhalb der Kreisgrenze, und die 25-%-Grenze wird für die Wahlkreise Bergstraße I und II und für den Wahlkreis Groß-Gerau gewahrt.

Der andere Vorwurf ist, dass die Staatsrechtler diesen Entwurf kritisch begleitet hätten. Wir alle kennen die Sprüche über Juristen: drei Juristen, fünf Meinungen. Das war auch in dieser Anhörung so. Auf der einen Seite hatten wir Juristen, die sich kritisch damit auseinandergesetzt haben. Auf der anderen Seite hatten wir aber beispielsweise Prof. Gärditz, dem klar war, dass bereits der ursprüngliche Entwurf verfassungskonform war und die Anpassung für das Erfüllen einer positiven verfassungsrechtlichen Verpflichtung notwendig ist.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ein weiterer Vorwurf lautet, die Zahlen seien veraltet.

Herr Bellino, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Letzter Satz. – Es wurde gesagt, die Zahlen der Bundestagswahl könnten übernommen werden. Dies wurde klar widerlegt. Man kann bei einem derart wichtigen Ereignis wie einer Wahl nicht händisch hin und her rechnen. Ich darf Ihnen noch eines, wenn Sie das noch immer kritisch im Kopf haben, mit auf den Weg geben: Die Zahlen, auf die wir jetzt zurückgreifen, gehen auf das Jahr 2015 zurück. Die Zahlen, mit denen wir die letzte und die vorletzte Landtagswahl begleiteten, waren deutlich älter.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Sie waren bis zu zehn Jahre älter. Insofern geht auch dieser Vorwurf in die Leere. Meine Damen und Herren, ich denke, es ist richtig, dass wir jetzt diese kleine Anpassung machen und dass wir uns dann in der nächsten Legislaturperiode erneut mit dieser Wahlkreisreform auseinandersetzen. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Bellino. – Das Wort hat Herr Abg. Günter Rudolph, SPD-Fraktion.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident, vielen Dank, dass ich auch ein paar Sekunden mehr bekomme.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Der Brief des Innenministers vom 25. April 2017 sagt im letzten Absatz klar aus, dass der Innenminister eine Neuordnung der Wahlkreise auf der Basis aktueller Bevölkerungszahlen für die neue Wahlperiode anregt. Die Bevölkerungszahlen mit Stand 30. Juni 2017 sollten im Juli 2017 vorliegen, aber die Zahlen liegen jetzt, also ein halbes Jahr später, noch immer nicht vor. Nun liegt also ein Entwurf eines Landtagswahlgesetzes auf der Datenbasis von vor zwei Jahren, vom 31.12.2015, vor. Das ist der erste Punkt, den wir kritisieren.

Der Innenminister sagt, das Statistische Landesamt kann nichts liefern. Herr Innenminister, wir haben bei mehreren Kommunen angerufen und gefragt: „Was wäre, wenn der Landtag übermorgen aufgelöst würde und Wählerverzeichnisse erstellt werden müssten?“, und daraufhin wurde uns gesagt, das sei überhaupt kein Problem; über die Rechenzentren bekämen Sie die aktuellen Daten. – Das heißt, Sie könnten alle 426 Kommunen befragen; mit der Zustimmung der Kommunen könnte das Land darauf sogar zugreifen. Das heißt, wenn Sie ordentlich gearbeitet hätten, wenn Sie es gewollt hätten, dann hätten wir aktuelle Daten.

(Beifall bei der SPD)

Das, was Ihnen Herr Kollege Greilich schon beim letzten Mal, bei den wahlberechtigten Auslandsdeutschen, nachgewiesen hat, gilt auch hier. Das können Sie relativ schnell machen; und das wäre übrigens Ihr Job gewesen.

(Nancy Faeser (SPD): Ja, genau!)

Was will die Opposition? – Wir wollen dem Vorschlag des Innenministers folgen, weil eine Wahlkreisreform notwendig ist. Aufgrund der veralteten Datenbasis kommen Sie aber zu falschen Ergebnissen, weil wir schon jetzt weitere Abweichungen haben.

(Nancy Faeser (SPD): So ist es!)

Sie müssen nahe an der Realität bleiben, beispielsweise bei der Zuordnung der Gemeinde Niederdorfelden in den Wahlkreis 41, Hanau. Gerade im Ballungsraum, in Hanau, gibt es große Veränderungen; die Zahlen sind bereits höher. Auch die Zahlen für Frankfurt und Wiesbaden haben sich gravierend verändert. Deswegen: Eine veraltete Datenbasis führt zu falschen Ergebnissen bei der Landtagswahlkreiszuordnung.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Bellino, Sie waren auch in der Anhörung. Das war ja rührend: drei Juristen und fünf Meinungen. – Die Juristen, die da waren, waren alle einer Meinung, Herr Kollege Bellino. Sie hatten alle die gleiche Meinung und nicht fünf.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Ich habe das Anhörungsprotokoll gelesen! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Boddenberg, es geht um ein wichtiges Thema. Erstens waren Sie nicht bei der Anhörung; zweitens bin ich mir nicht sicher, ob Sie in dem Thema so drin sind.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt kommt zu dem Gesetzentwurf ein Änderungsantrag nach dem anderen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Erst gestern!)

Herr Innenminister Beuth, auch Ihre Rolle und die Ihres Ministeriums werden wir zu überprüfen haben. Wir haben auch Möglichkeiten, das zu tun. Ich bin ziemlich sicher, dass sowohl der Gesetzentwurf als auch sämtliche Änderungsanträge – bis auf die Unterschriften der beiden Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – aus Ihrem Hause stammen. Mit Ihrer Rolle werden wir uns an der Stelle noch einmal sehr deutlich auseinandersetzen. Das geht nicht.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Oje!)

Es geht nicht, den Fraktionen und Parteien vor einem halben Jahr mitzuteilen: „Ihr könnt in Ruhe eure Listenaufstellungen und die Wahlkreisnominierungen machen“, dann aber zurückzurudern. Das, was Sie jetzt machen, ist der Versuch – das haben Sie vorher übrigens nicht gemacht –, politisch darzulegen, warum Sie so entschieden haben.

Bleiben wir aber bei der Zuordnung. Das heißt im Übrigen nicht „Niste“, sondern es ist die Gemeinde Nieste im Landkreis Kassel.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Oh mein Gott!)

In dem Entwurf, den uns der verehrte Herr Ministerpräsident Bouffier zugeleitet hat, war die Gemeinde Nieste nicht vorgesehen, sondern die Gemeinde Helsa. Die Gemeinde Helsa ist – das muss man wissen, und deswegen bleibe ich bei dem Vorwurf, dass politische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben – der Wohnort des CDUKreisvorsitzenden in Kassel. Das kann ein Zufall sein oder nicht. Wir aber glauben nicht an einen Zufall.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Oh mein Gott!)

Bei der Gemeinde Eiterfeld ist das ähnlich. Im Übrigen sind in Ihrem Änderungsantrag zu Art. 1 Nr. 5 bis 7 weitere Fehler drin. Dort wird einmal vom Wahlkreis 11, Rotenburg, geredet. Aus Ihrer Sicht bin ich jetzt wieder ein bisschen arg kleinlich, aber ich will Sie darauf nur hinweisen, weil es durchaus eine Rolle spielt, ob es der Wahlkreis 10 oder 11 ist. Also auch dort sind Fehler drin. Aber das kann man an dieser Stelle vernachlässigen. Jetzt wollen Sie nachliefern und begründen, was Sie politisch entschieden haben. Dieser Vorwurf des Gerrymandering, den seriöse Juristen getätigt haben, ist damit nicht aus der Welt. Das gilt sowohl für die Gemeinde Eiterfeld als auch für die Gemeinde Nieste; und deswegen ist das eine falsche Datenbasis.