Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 4. Februar, also in wenigen Tagen, findet der diesjährige Weltkrebstag statt. Ich finde, dass dieser Weltkrebstag eine gute und wichtige Einrichtung ist, weil er dieses Thema ins öffentliche Bewusstsein rückt. Die Bedeutung dieses Themas ist vorhin schon deutlich geworden. Frau Knell hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das das Angstthema Nummer eins ist.
Krebs ist eine der gefürchtetsten Volkskrankheiten. Die Zahlen zeigen das. Das Risiko einer Krebserkrankung steigt in diesen Zeiten massiv an. Das hat natürlich mit der Alterung der Gesellschaft zu tun, aber auch mit der Veränderung von Lebensgewohnheiten. Pro Jahr erkranken rund 500.000 Menschen neu an Krebs, und zwar allein in Deutschland. Bis 2030 rechnen wir mit einem Anstieg um 20 %. Weltweit werden 2030 rund 26 Millionen Menschen an Krebs erkranken und 17 Millionen Menschen daran sterben.
Insoweit ist es natürlich schrecklich, aber auch kein Wunder – Frau Wissler hat darauf hingewiesen –, dass jeder von uns jemanden in seiner Familie oder in seiner näheren Umgebung kennt, der an Krebs leidet. Es trifft auch das zu, was Harald zur Hausen, der Medizin-Nobelpreisträger, dem wir in den nächsten Tagen in der Paulskirche den Paul-Ehrlich-Preis verleihen dürfen, dazu gesagt hat, dass nämlich eine langfristige Umstellung unserer Lebensgewohnheiten annähernd die Hälfte der Krebserkrankungen vermeiden würde.
Ich sehe es als eine Pflicht des Staates an, dass massiv in die Krebsforschung investiert wird. Das tut Hessen mit unserem zentralen Forschungsförderprogramm. Die Krebsforschung hat im Programm LOEWE eine außergewöhnlich hohe Bedeutung. Seit Beginn des Programms wurden
in einem wettbewerblichen Verfahren 13 Vorhaben zur Förderung ausgewählt. In sechs Projekten, zwei Zentren und vier Schwerpunkten stehen hauptsächlich onkologische Fragestellungen im Fokus der Forschung. Dafür haben wir in den vergangenen Jahren LOEWE-Mittel in Höhe von rund 100 Millionen € zur Verfügung gestellt.
Frau Dr. Sommer, ich kann Sie, aber auch Frau Wissler, überhaupt nicht verstehen, wenn Sie versuchen, das Einwerben von Drittmitteln und die Pharmaindustrie schlechtzureden.
Wir würden in diesem Land Krebs nicht so bekämpfen können, wie wir es tun, wenn wir nicht Drittmittel in dieser Höhe eingeworben hätten. Das ist das Verdienst der Forscherinnen und Forscher; denn nur dort, wo gute Forschung stattfindet, bekommt man auch Drittmittel.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marjana Schott (DIE LINKE): Das ist aber nicht nachhaltig!)
Diese genannten 100 Millionen € sind in Hessen die Basis dafür gewesen, neue Zentren zur Krebsforschung einrichten zu können. Ich will an dieser Stelle beispielhaft das LOEWE-Zentrum für Translationale Medizin und Pharmakologie nennen. Ende 2017 haben wir weitere 19,4 Millionen € in dieses Zentrum investiert. Außerdem wird das Land die Errichtung eines Forschungsneubaus, der gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft auf dem Campus Niederrad realisiert werden soll, ab 2018 mit bis zu 22 Millionen € unterstützen. Dann werden wir das erste FraunhoferInstitut in Frankfurt am Main haben.
Ich nenne außerdem das von Ihnen erwähnte LOEWEZentrum für Zell- und Gentherapie. Ich muss dazu nicht viel sagen; denn darüber ist schon gesprochen worden. Ich nenne natürlich auch die Standorte in Mittelhessen an den Universitäten in Gießen und Marburg, in Sachen Lungenforschung. Ich nenne natürlich auch den LOEWE-Schwerpunkt Tumor und Entzündung in Marburg. Liebe Frau Dr. Sommer, von einer Hängepartie kann hier keine Rede sein: Wir haben das einfach umgesetzt. Natürlich nenne ich auch das spezifisch hessische Therapiezentrum, unsere Hightech-Einrichtung made in Hessen, das Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum. Das ist eine großartige Einrichtung.
Ich möchte hinzufügen: Ein Ionenstrahl-Therapiezentrum gibt es sonst nur noch in Essen und in Heidelberg. Auch das gehört dazu: Das Zentrum ist gerade für junge Patienten oftmals die letzte Hoffnung, wenn sie an Krebs erkrankt sind. Deswegen ist das eine großartige Einrichtung. Wir können den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dankbar sein.
Wir wollen als Landesregierung einen weiteren großen Schritt machen, und zwar gemeinsam mit dem GeorgSpeyer-Haus, mit Prof. Greten, Prof. Serve und Prof. Dikic, in Frankfurt am Main ein hessisches Krebsforschungszentrum, das Frankfurt Cancer Institute, zu errichten. Das Institut wird Patienten die neuesten Kenntnisse und Metho
den verfügbar machen. Das Ziel dieses für die Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Krebsmedizin entscheidenden Zentrums wird die Optimierung der personalisierten Medizin sein, und zwar in Form auf die Patienten heruntergebrochener Therapieformen: aus dem Labor, aus der Forschung direkt ans Krankenbett.
Das wird ein Riesenfortschritt für den Standort Hessen sein. Natürlich werden wir ihn in das Onkologiekonzept einbetten, das Herr Dr. Bartelt angesprochen hat, in dem niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser neben der Unimedizin nicht als Konkurrenten, sondern als dringend notwendiger Partner verstanden werden. Insoweit verspricht das Frankfurt Cancer Institute nicht nur Erkenntnisgewinne, sondern wird auch eine wertvolle Bereicherung therapeutischer Optionen sein.
Die Forscherinnen und Forscher verdienen selbstverständlich ein großes Dankeschön. Sie erbringen die Leistung. Aber wir stellen die politischen Rahmenbedingungen. Wir machen es möglich, dass diese Leistungen überhaupt stattfinden können. Das tun wir mit dem Programm LOEWE. Das unterscheidet im Übrigen die Zeit nach 1999 von der Zeit vor 1999. Seit 1999 geht es in Hessen in riesengroßen Schritten voran. Verehrte Frau Dr. Sommer, darüber können Sie sich gerne informieren. Dann sehen Sie, dass sich die Investitionen des Landes Hessen in Wissenschaft und Forschung wirklich gelohnt haben. Das ist eine Forschung zu unser aller Nutzen, und dafür können wir alle sehr dankbar sein.
Frau Präsidentin! Herr Minister, die Drittmittelforschung ist selbstverständlich problematisch. An vielen Stellen ist es gut, dass wir sie haben. Es ist für die Unternehmen gut, dass sie die Möglichkeit haben, mit ihren Drittmitteln an den Hochschulen Forschung auf den Gebieten zu finanzieren, auf denen sie interessengeleitet und am Ende umsatzorientiert Forschung betreiben wollen, um etwas Bestimmtes zu erreichen. Daneben brauchen wir aber Forschung in einem großen, breiten und unabhängigen Rahmen, die nicht von bestimmten Interessen geleitet wird.
Wir brauchen Forschung, die sich mit Themen beschäftigt, die nicht daran orientiert sind, ob man mit dem Forschungsergebnis in irgendeiner Weise einen wirtschaftlichen Erfolg erzielen kann. Wir brauchen Forschung auch in Nischen, also dort, wo Erkrankungen in nur geringer
Dieses Problem hat Frau Wissler vorhin am Beispiel Methadon beschrieben. Die Pharmaindustrie hat kein Interesse daran, zu forschen, weil es ihre Gewinne exorbitant reduzieren würde, wenn sich herausstellte, dass es Medikamente gibt, die viel preiswerter sind. Davon hätten wir alle aber einen Benefit. Die Krankenkassen hätten einen Benefit, an erster Stelle hätten aber die Patientinnen und Patienten einen Benefit, wenn sie ein gut verträgliches Medikament bekämen. Das ist aber nicht im Interesse derjenigen, die viel Geld für ihre Forschung ausgegeben haben.
Deswegen brauchen wir eine Forschung, die unabhängig ist, eine Forschung, die nicht fragt, ob und wie das Ergebnis anschließend zu Geld gemacht werden kann. Wir brauchen eine unabhängige Forschung, damit auch Krankheiten erforscht werden, bei denen die Dinge nicht unter dem Blickwinkel begutachtet werden können, ob sich die Gewinne der Unternehmen erhöhen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, für einige der Punkte, die Frau Sommer in ihrer Rede angesprochen hat, sind Sie nicht zuständig. Deshalb sei es Ihnen nachgesehen, dass Sie zu dem Vorwurf, dass die Landesregierung dort, wo sie ureigene Kompetenzen hat – beispielsweise beim Krebsregister –, relativ langsam und schwerfällig reagiert, nichts sagen konnten.
Kommen wir zu Ihrem Zuständigkeitsbereich. Ich warte auf den Tag, an dem wir hier keine Regierungserklärungen von Ministern, sondern Ausführungen von Menschen zu hören bekommen, die Forschung betreiben, die vor dem Hessischen Landtag über das berichten, was sie tun und wie sie es finanziert bekommen. Dann könnte man nämlich die Loblieder, die wir gehört haben, mit den Aussagen der Menschen vergleichen, die in der Praxis harte Arbeit leisten. Dann würde man schnell feststellen: Das passt nicht zusammen.
Sie haben es an dem Superbeispiel Ionenstrahl-Therapiezentrum selber deutlich gemacht. Das Ding ist hier, an der GSI, entwickelt worden. Es ist von jemandem bei der GSI, der eigene Krankheitserfahrungen hatte, wie sauer Bier angeboten worden. Es ist dann erst einmal in Heidelberg gelandet, weil Ihre privatisierte Uniklinik nicht in der Lage war, das Ding auf die Reihe zu kriegen. Es bedurfte einer Notoperation, um das in Kooperation mit Heidelberg überhaupt hinzukriegen. Um das als Erfolg zu verkaufen, muss man schon sehr in der Lage sein, seine Misserfolge umzudeuten und eine Notbremsung als einen Erfolg hinzustellen.
Alles in allem verdienen die Universitäten unseren Dank. LOEWE ist ein kluges Programm, aber überhöhen Sie
doch Ihren Anteil an dem, was die Universitäten machen, nicht. Sie überhöhen Ihren Anteil gnadenlos. Das sollten Sie endlich sein lassen. Es waren die Universitäten, denen es gelungen ist, Drittmittel einzuwerben. Die haben das selbst organisiert. Dafür kann doch die Landesregierung nichts.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr fasziniert davon, dass sich hier eine völlig verhakte Diskussion bildet, im Kern deswegen, weil es der Opposition nicht gefällt, dass in Hessen durch staatliches Handeln im Konzert mit dem Handeln von Forscherinnen und Forscher eminent große Erfolge erzielt werden.
Herr Grumbach, Sie haben gerade das GSI genannt. Das GSI ist ein Helmholtz-Institut, in das massiv staatliche Gelder fließen.
Viele andere Forschungsinstitute werden mithilfe von Bundes- und Landesfinanzierung geschaffen und gefördert. Natürlich ist das Element LOEWE nicht zu unterschätzen. Dadurch sind gemeinsam mit der Grundfinanzierung der Hochschulen Schwerpunkte an den hessischen Hochschulen entwickelt worden, die uns – vor allem den Patientinnen und Patienten – jetzt enorm helfen.
Herr Dr. Bartelt hätte noch viel intensiver auf die Partikeltherapie eingehen können: auf die Erfolge, die erst in Hessen, auf dieser Grundlage später in Heidelberg und dann wiederum in Hessen erzielt wurden. Aber er hat ganz dezidiert darauf hingewiesen, dass es um eine Immuntherapie und damit um eine neue Form der Therapie geht, die nicht so kostenintensiv sein wird wie manch andere Formen der Therapie.
Verehrte Redner von der Opposition, die Sie so negativ über Drittmittel reden: In der Nachbehandlung von Krebserkrankungen werden 50 % der Mittel für internationale Projekte ausgegeben. Wie soll das denn anders funktionieren als mit Drittmitteln?
Jawohl, Frau Präsidentin. – Lassen Sie uns also kundig über die Sache reden, und lassen Sie uns, was die Heilungschancen bei Krankheiten betrifft, darüber reden, worauf die Patienten mittlerweile berechtigt hoffen können, auch aufgrund der Wissenschaftspolitik des Landes Hessen.