Protokoll der Sitzung vom 01.03.2018

wollen. Ich hoffe, viele Menschen gehen diesen Schritt mit und setzen sich für einen guten, bezahlbaren ÖPNV, gute Rad- und Fußwege und gute sanierte Straßen und Brücken ein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Müller. – Das Wort hat Abg. Tobias Eckert, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist das ein spannendes Thema, das die LINKEN für die Aktuelle Stunde gewählt haben. Ich gebe ihnen auch Recht, dass wir froh wären, wenn die Landesregierung in den Fragen nicht immer auf der Bremse stehen würde, sondern selbst mit eigenen Ideen vorangehen würde.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Aber am Ende des Tages schauen wir uns doch einmal an, was wir als Land Hessen an originären Landesmitteln im Bereich des ÖPNV ausgeben. Das machen wir, um keine Abbestellungen vornehmen zu müssen und um das, was wir an Angeboten haben, überhaupt sichern zu können, d. h. um den Status quo zu halten. Weiterentwicklung, Verbesserung, Veränderung nach vorne sind deswegen mit diesen Mitteln so nicht möglich. Da wäre eigentlich das Landesengagement gefragt – und deswegen sehr wohl eher das Gaspedal als die Bremse.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Aber es gibt viele Beispiele dafür, wie ein kostenfreier ÖPNV umgesetzt wird. Die großen Beispiele wie Tallin kann jeder sozusagen schon herunterbeten und beschreiben. Aber es gibt auch viele kleinere Beispiele, wenn ich mir z. B. in Belgien die Stadt Hasselt oder in Deutschland Templin anschaue, die Vorreiter darin waren, einen kostenfreien ÖPNV mit unterschiedlichen Zahlen anzubieten. Alle Beispiele haben doch eines gemeinsam: Die Steigerungszahlen im ÖPNV belaufen sich nach der Kostenfreiheit auf ungefähr das 15-Fache des davor gemessenen Fahrgastaufkommens.

Rechnen wir uns das einmal für den RMV mit rund 2,5 Millionen Fahrgästen im Jahr aus. Rechnen wir einmal das 15-Fache aus. Diese Infrastruktur vernachlässigen wir seit über 20 Jahren in Hessen. Es gibt keine Neubauprojekte. Das alles bleibt auf der Strecke. Wie wollen wir diese Steigerung denn im Nachhinein bei Kostenfreiheit hinbekommen? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere zuvorderste Aufgabe ist es, die Infrastruktur zu schaffen, damit man im Ballungsraum überhaupt solche Angebote schaffen kann.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme aus einem Ort mit 600 Einwohnern. Was nützt es mir dort, dass der Bus nichts kostet, wenn der Bus nicht fährt? Insofern stellt sich zunächst einmal die Frage nach der Infrastruktur, nach dem Angebot und nach der Verlässlichkeit des Angebots. Erst dann kann man die Kostenfreiheit umsetzen.

Es geht um Prioritätensetzung. Ja, der ÖPNV muss günstiger werden. Ja, beim ÖPNV muss diese Zielrichtung verfolgt werden. Ich begrüße, dass die Bundesregierung selbst sagt, dass das ein Thema ist. Umgekehrt bedeutet das nämlich, dass der Bund erkennt, dass auch er finanziell in der Mitverantwortung steht. Daher freue ich mich, dass man im Bund mit solchen Ideen um die Ecke kommt; denn dann können wir auch einmal mit dem Bund darüber reden, was alles noch beizutragen ist für die Infrastruktur und für all diese Angebote.

Deswegen ist die Überschrift in der Tat richtig. Das muss ich nicht einfach ablehnen und sagen: Das geht nicht. – Da haben die Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN mit ihrem Antrag leider nicht recht. Das kann nicht einfach so beschlossen werden, und dann funktioniert das.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Am Ende des Tages ist das das Ziel, und dafür brauchen wir eine Gesamtverantwortung von ganz vielen, meine Damen und Herren.

Ich stelle fest, dass die Uhr vor mir stehen geblieben ist. Offenbar habe ich erst 14 Sekunden lang gesprochen. Also habe ich noch viel Zeit, dieses Thema auszufüllen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf: Verspätung! – Ulrich Caspar (CDU): Vielleicht ist bei Ihnen die Zeit stehen geblieben! Das ist das Problem!)

Jetzt läuft die Uhr wieder.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, das mit der Uhr bekommen wir schon wieder hin.

Herr Präsident, keine Sorge. Ich habe volles Vertrauen in Ihre Sitzungsleitung.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir in diesem Dreiklang vorangehen. Zunächst einmal geht es um die Frage eines verlässlichen, flächendeckenden und sicheren Angebots. Dann muss die Bezahlbarkeit angegangen werden mit dem langfristigen Ziel, das hinzubekommen. Hierfür gibt es schon Beispiele. Dafür gibt es einiges an Themen.

Außerdem müssen wir für bestimmte Bevölkerungsgruppen den ÖPNV schneller günstiger machen als für andere. Deswegen ist das auch eine Frage der Gerechtigkeit. Das Thema Jobticket sollte nicht nur bei den Landesbediensteten hochgefahren werden. Es sollte auch darüber nachgedacht werden, wie wir mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der freien Wirtschaft umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Wie kommen wir mit dem Jobticket voran? Wie kann das Land das unterstützen? – Damit bin ich bei der Frage der wirklichen Mobilitätsberatung, damit eine Verzahnung der verschiedenen Verkehrsträger erreicht werden kann. All diese Themen sind richtig und wichtig. Es ist notwendig, dass Hessen hierbei Vorreiter wird, aber nicht abwartet, wie es vorhin dazwischengerufen wurde. Bei der Union ist man das aber nicht anders gewohnt. Wir sollten nicht abwarten, bis das Tarifpartner machen oder wer auch immer.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Es ist egal, ob Union oder GRÜNE.

(Günter Rudolph (SPD): Da hast du auch wieder recht!)

Ich fände es spannend, wenn das Land Hessen hierbei vorangehen und das aktiv mit vorantreiben würde, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Lieber Kollege Eckert, nach meiner Schätzung langt es jetzt bald. Ein Schlusswort noch.

Herr Präsident, ich habe so weit alles angesprochen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Noch ein Wort zum Antrag der LINKEN. Ich finde den letzten Satz Ihres Antrags richtig. Erkenntnisgewinn ist richtig und notwendig. Das ist auch unterstützenswert. Das werden wir auch weiter in den Beratungen vorantreiben. Ich persönlich glaube aber eher, dass unser Ansatz zu der Rückmeldung führen wird, dass gesagt wird: Wir müssen die Infrastruktur in der Stadt und auf dem Land ausbauen. Dann geht es in weiteren Schritten hin zum kostenfreien ÖPNV. Damit kann ich aber nicht starten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege Eckert. Das Präsidium freut sich immer, wenn es die Redner glücklich machen kann. Das haben wir auch wieder bei Ihnen gemacht. – Nächster Redner ist Kollege Lenders von der FDP.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Wissler, kostenlosen ÖPNV wird es auch in Ihrem Modell nicht geben. Der ÖPNV ist nicht kostenlos, sondern es zahlt nur jemand anderes. Das ist der erste Erkenntnisgewinn, den Sie haben müssen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Bei den Kitas zahlt auch immer einer!)

Ich kann mich dem Kollegen Tobias Eckert anschließen. Solange es kein flächendeckendes ÖPNV-Angebot gibt, ist das sogar eine Frage der Gerechtigkeit. Wie wollen Sie das denn jemandem aus dem ländlichen Raum erklären, der auf den Pkw angewiesen ist und insofern überhaupt keinen ÖPNV nutzen kann? Derjenige würde dann mit seinen Steuergeldern quasi denjenigen quersubventionieren, der im Ballungsraum wohnt. Meine Damen und Herren, es ist nicht gerecht, was Sie da vorhaben.

(Beifall bei der FDP)

Bedauerlich ist, dass die Idee eines kostenlosen ÖPNV ausgerechnet der Chef des Bundeskanzleramts Peter Altmaier in die Welt gesetzt hat. Als designierter Wirtschafts

minister soll er Nachfolger von Ludwig Erhard werden. Ludwig Erhard würde sich im Grabe umdrehen, wenn er davon hören würde. Mit Markt und Freiheit hat das überhaupt nichts zu tun.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Hatte es aber zeitweise getan!)

Meine Damen und Herren, wir setzen eher auf eine Qualitätsverbesserung. Wir wollen einen guten ÖPNV, eine gute Infrastruktur, ausreichend Sitzplätze, eine hohe Taktung bei den Verbindungen und einen flächendeckenden Internetzugang. Darüber werden wir uns noch unterhalten, wenn es um unseren Antrag geht. Außerdem wollen wir moderne Busse und Züge, die sauber sind. Außerdem wollen wir saubere Haltestellen.

Wir setzen eher auf Qualität als auf Kostenlosigkeit. Ich glaube, dass das die Menschen viel mehr überzeugt und dazu bringt, ein attraktives Angebot anzunehmen, das letztlich auch gerecht ist, weil ich so als Bürger letztlich selbst entscheiden kann, ob ich den ÖPNV oder mein Fahrzeug nutze oder ob ich das Fahrrad nehme oder zu Fuß gehe. Es bleibt auf jeden Fall meine freie Entscheidung.

(Beifall bei der FDP)

Herr Staatsminister Al-Wazir, an dieser Stelle haben Sie sich bereits öffentlich deutlich geäußert. Ihre Meinung teile ich an dieser Stelle.

(Minister Tarek Al-Wazir: Oh Gott! Machen Sie es mir nicht so schwer!)

Jetzt lobe ich ihn einmal, und er will das nicht hören.

(Minister Tarek Al-Wazir: Ist gut! Ist gut!)