Mit der Einführung des Schülertickets und des Jobtickets haben Sie einen Beitrag dazu geleistet, dass es nun heißt: Jetzt wollen wir den ÖPNV, bitte schön, kostenlos für alle haben. – Es waren vor allem Vertreter der Senioren, die zu mir gekommen sind und mir gesagt haben: Herr Lenders, das ist doch eine tolle Idee. Das hätten wir jetzt auch gerne. – Die Nächsten werden noch kommen. Sie haben damit quasi Begehrlichkeiten geweckt,
die Frau Wissler in ihrem Gedankengang konsequent vollzieht. Das steht in klarem Widerspruch zu dem, was Herr Staatsminister Al-Wazir gesagt hat.
Meine Damen und Herren, wir werden dem kaum Einhalt gebieten können. Wir haben das vorhin von Frau Müller gehört. Respekt. Frau Müller hat weiß Gott mehr Fachkenntnis über den ÖPNV als Frau Wissler. Dennoch hat auch sie den Fehler gemacht und gesagt: Dann brauchen wir auch noch ein Seniorenticket. Dann brauchen wir auch noch ein Bürgerticket.
Solange der ÖPNV nicht flächendeckend zur Verfügung steht, um damit überhaupt Daseinsvorsorge werden zu können, brauchen wir uns nicht weiter darüber zu unterhalten. Ich glaube nicht, dass das umsetzbar ist, ohne gleichzeitig die vorhandenen Mittel überzustrapazieren.
Ich finde es schon interessant. Gestern haben wir uns über einen Gesetzentwurf zur Mobilitätsförderung in Hessen unterhalten. Herr Eckert hat bereits darauf hingewiesen. Dabei geht es um Kommunalstraßen und um den Ausbau der Infrastruktur. Ich weiß gar nicht, wie Sie das machen wollen, die paar Kröten für einen flächendeckenden ÖPNV zur Verfügung zu stellen. Das würde sämtliche Landeshaushalte sprengen.
Meine Damen und Herren, solange Sie das nicht darstellen können, ist die Frage eines kostenlosen ÖPNV nicht nur eine Frage der Daseinsvorsorge, sondern auch eine Frage der Gerechtigkeit. Es ist eben so: Kostenlos gibt es da nichts. Es zahlt nur jemand anderes.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die LINKEN haben einen Punkt aufgerufen, der sich mit dem Thema ÖPNV, kostenloser ÖPNV beschäftigt. Aufhänger ist hier neben dem, was Sie, Frau Wissler, ausgeführt haben, dass Sie das Thema ja schon im Oberbürgermeisterwahlkampf in Frankfurt sehr engagiert vertreten haben,
(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, auch ganz erfolgreich! Ich habe sogar die Bundesregierung überzeugt!)
dass man seitens der Bundesregierung Überlegungen angestellt hat: Welche Mittel könnte es geben, die dazu einen Beitrag leisten können, dass sich die Luftqualität in den Städten verbessert? – Natürlich ist es richtig, zu überlegen: Können wir den ÖPNV attraktiver machen, um dadurch einen Beitrag zu leisten, dass es weniger Schadstoffe in den Kommunen gibt? In diesem Zusammenhang kann man natürlich auch überlegen, ob die Variante, ihn kostenfrei zu machen, zu einer Lösung beitragen könnte.
Das ist erwogen worden. Auch wir haben hier schon oft darüber diskutiert. Nur, man muss natürlich sagen: Das eine Thema ist: Wer bezahlt die Kosten? Die werden ja nicht weniger, wenn diejenigen, die den ÖPNV nutzen wollen, nicht mehr dafür zahlen. Das Zweite ist, wir müssen dann vielleicht mit einer größeren Nachfrage rechnen,
wir müssen von daher auch die Kapazität ausweiten. Auch das verursacht natürlich Kosten. Das ist aber nur das Kostenthema.
Das andere Thema ist doch, dass bisher diejenigen, die diese Transportleistungen anbieten, kundenfreundlich sein müssen, weil sie wissen: Wir haben etwas davon, wenn Kunden mitfahren. – Das heißt, Sie haben hier auch ein Anreizsystem, wenn sie sich um Kunden bemühen müssen. Wenn sie von den Kunden sowieso nichts bekommen, dann können Sie feststellen – das ist eben die Erfahrung, die wir in den Ländern haben, in denen man solche Versuche gemacht hat –, dass die Qualität der Leistungen abgenommen hat, weil es überhaupt keinen Anreiz für diese Unternehmen mehr gab, alles zu tun
für Sauberkeit, für Sicherheit, für Qualität, sich also so aufzustellen, dass man Kunden akquirieren kann, die eben den ÖPNV nutzen. Also, ich glaube, auch aus Kundensicht ist das nicht die beste Lösung.
Aber Sie selbst wissen auch, dass die Idee, die Sie immer wieder bringen, illusorisch ist und sich nicht durchsetzen lässt.
Ja, Sie sprechen immer gern davon, was andere machen sollten. Viel interessanter ist doch, einmal anzuschauen, was Sie dort gemacht haben, wo Sie regiert haben oder wo Sie regieren.
Ich meine, ich könnte auf die Historie eingehen. Ich könnte sagen, dort, wo Ihre Partei regiert hat, als sie noch den Namen SED führte,
(Zurufe von der LINKEN: Oh, oh! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Wenn ich nicht mehr weiter weiß, ziehe ich die SED-Karte!)
mussten die Menschen auch bezahlen, wenn sie die Straßenbahn und den Bus benutzt haben. Nun können Sie sagen: Das ist lange her, und unsere Geschichte wollen wir ja verdrängen. Deswegen dürfen wir heute nicht mehr darüber reden. – Das ist auch in Ordnung. Die Meinung kann man auch haben.
(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Sie haben mehr SED-Mitglieder als wir! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Glockenzeichen des Präsidenten)
Ich will jetzt gar nicht auf die Geschichte eingehen, aber schauen wir uns doch einmal an, wie es aktuell aussieht.
Es gibt schließlich ein Bundesland, in dem Sie den Ministerpräsidenten stellen. Die Landeshauptstadt, in der dieser Ministerpräsident agiert, heißt Erfurt. Wenn Sie sich das anschauen, dann stellen Sie fest, dass es da keinen kostenlosen ÖPNV gibt, sondern interessant ist, dass dort die Schülerinnen und Schüler dann, wenn sie sich nur in der Stadt Erfurt bewegen müssen, dafür im Jahr 520 € bezahlen müssen.
In Hessen haben wir die Regelung, dass sich die Schülerinnen und Schüler in ganz Hessen für 365 € bewegen können. Dann sind Sie doch bestimmt nicht die Richtigen, die
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Meine Damen und Herren, es ist eben so, dass auch in der Frage des attraktiven ÖPNV Hessen vorn ist. Das bedeutet, dass wir nicht nur so viel in den ÖPNV investieren wie noch nie, dass wir die Strecken ausbauen, dass wir die Kapazitäten ausbauen, dass wir mit den Landesbediensteten und den Gewerkschaften zusammen eine Regelung getroffen haben, wonach die Landesbediensteten ebenfalls den ÖPNV im Rahmen eines Landesbedienstetentickets nutzen können; wir haben das Schülerticket, wie gesagt, für 365 €. Das sind alles Rahmenbedingungen, die hier besser als in anderen Bundesländern sind und auf jeden Fall besser, Frau Wissler, als in dem Bundesland, in dem Sie den Ministerpräsidenten stellen.
Vielen Dank, Kollege Caspar. – Das Wort hat der Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung. Herr Staatsminister Tarek-Al-Wazir, bitte.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, Busse und Bahnen müssen eine attraktive und praktikable Alternative zum Auto sein, und, ja, der öffentliche Personennahverkehr muss leistungsfähiger und besser werden. Dabei will ich in diesem Zusammenhang schon gleich darauf hinweisen, dass wir in Hessen einen leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehr haben, der in den letzten 20 Jahren immer attraktiver geworden ist. Das sollte man nicht vergessen.
An dieser Stelle nur einmal die Fahrgastzahlen des RMV: Im ersten vollen Jahr des Bestehens des RMV hatte er 530 Millionen Fahrgäste – das war 1996. Im letzten Jahr gab es den Rekord mit 747 Millionen Fahrgästen. Das heißt, knapp 220 Millionen Fahrgäste mehr wurden befördert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will aber ausdrücklich sagen: Wir müssen noch besser werden. Wir müssen leistungsfähiger und noch besser werden bei Komfort, bei Geschwindigkeit und am besten bei beidem.
Dafür brauchen wir mehr Geld – das ist richtig –, und die spannende Frage ist: Wenn es uns gelingt, mehr Geld in diesem Bereich zur Verfügung zu stellen, wofür geben wir dieses Geld aus?
Ich habe da eine ganz klare Priorität: Ich möchte, wenn es uns gelingt, gesamtgesellschaftlich – Bund, Land, Kommunen – mehr Geld in diesem Bereich zur Verfügung zu stellen, dass wir dieses Geld in die Qualität investieren und dass wir dieses Geld in die Infrastruktur investieren, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich will an dieser Stelle zum Stichwort Bundesregierung Folgendes sagen. Ja, ich habe am ersten Tag gesagt, die Planspiele der Bundesregierung für einen kostenlosen ÖPNV sind nicht durchdacht, und ich fühle mich durch das, was in den letzten zwei Wochen passiert ist, bestätigt.
Es fing ja damit an, dass die fünf Städte, die da in einem Brief nach Brüssel ausgewählt wurden, gar nichts von ihrem Glück wussten. Wer das ein bisschen verfolgt hat, weiß ja, dass die Städte daraufhin in den letzten beiden Tagen das erste Mal im Bundesumweltministerium waren und gefragt haben: Wer sorgt für die Infrastruktur? Wer bezahlt die Kosten? – Am Ende der Gespräche mit der Bundesregierung haben sie gesagt: Also, wenn das so ist, dann wollen wir das eigentlich selbst nicht. – Das zeigt doch, dass es nicht durchdacht war, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dabei bleibe ich, weil die drei wichtigsten Fragen bei dem, was die Bundesregierung da in den Raum gestellt hat, offen bleiben: Wie soll das Angebot von Bussen und Bahnen finanziert werden? Wie kann die notwendige Infrastruktur kurzfristig ausgebaut werden, und wie bezahlen wir das? Wie können kurzfristig die notwendigen Fahrzeuge und das Fahrpersonal bereitgestellt werden, und wie bezahlen wir das?