Protokoll der Sitzung vom 01.03.2018

Ich will nur einmal Art. 140 Grundgesetz in Erinnerung rufen. Dort ist das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit verankert, und es darf nur aus einem bestimmten Grund aufgehoben werden. Das steht, ob es uns gefällt oder nicht, wie der Fels in der Brandung.

Ich will meinen Vorschlag vom 23. November an der Stelle gern wiederholen. Herr Kollege Lenders, Sie haben ja den Anlass genannt, warum Sie das Thema heute noch einmal zur Aktuellen Stunde machen wollten, nämlich weil sich aus der Allianz Stimmen gemeldet haben. Ich hatte das letzte Mal empfohlen – diese Empfehlung steht vonseiten der Landtagsfraktion immer noch –, dass man sich mit allen Akteuren rechtzeitig, bevor ein Ereignis ansteht, zusammensetzt und darüber spricht und auslotet, was möglich ist. Es gibt sehr gute Beispiele, wo das funktioniert. Ich habe schon mehrfach das Beispiel aus Kassel angeführt. Ich kenne es auch aus anderen Städten. Ich weiß aber auch, dass es zahlreiche Fälle gibt, wo man mit dem gleichen Kopf zum dritten oder vierten Mal vor die gleiche Tür rennt. Es darf auf beiden Seiten nicht das Gefühl entstehen, dass man über den Tisch gezogen wird oder kurzfristig vor vollendete Tatsachen gestellt wird.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Horst Klee (CDU))

Ich kann gut nachvollziehen, dass immer wieder ein Ärgernis entsteht, wenn einen Tag, bevor das Ereignis stattfinden soll, eine Klage eingeht und das Ganze an der Stelle platzt.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Ich kann übrigens auch die Argumente der Allianz gut nachvollziehen. Ich kann aber durchaus auch Oberbürgermeister Kaminsky aus Hanau verstehen. Er hat sich dieser Tage geäußert – dort ist wohl kurz vor Toresschluss oder vor Ladenschluss auch ein Ereignis durch eine Klage geplatzt.

Es ist das gute Recht eines jeden Oberbürgermeisters, dass er sich Gedanken und Sorgen um seinen Einzelhandel und um die Entwicklung seiner Innenstadt macht. Das kann ich gut nachvollziehen. Es ist aber auch nachvollziehbar, dass die SPD-Fraktion klar und deutlich am Anlassbezug festhält, weil es sich um ein hohes Schutzgut handelt.

Kollege Decker, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Kollegen Lenders?

Ich habe noch Zeit. Komm, mach. Passt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich weiß nicht, wie lang die Frage ist!)

So lang ist die Frage nicht. – Herr Kollege Decker, wie bewertet denn die SPD-Fraktion den Vorwurf der Allianz für den verkaufsoffenen Sonntag

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Für den freien Sonntag!)

gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ordnungsämtern, dass diese ihrer Rechtsaufsicht nicht nachkämen?

Kollege Lenders, danke für die Frage. Uns ist ein solcher Fall bisher nicht bekannt geworden. Wir sind aber im Gespräch mit der Allianz, und wir werden dem sicherlich nachgehen, um festzustellen, was Anlass für diese vermeintliche Beschwerde gewesen ist. Jetzt kann ich Ihnen aber nicht die Frage beantworten, ob es so war oder ob es nicht so war. Wir werden es aber herausfinden.

Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir können das hier abkürzen. Es steht eine Evaluierung des Gesetzes an. Insofern bestehen Raum und Anlass, diese Dinge noch einmal zu besprechen. Wir sollten gemeinsam dafür sorgen durch Gespräche mit der Allianz, aber auch mit denjenigen, die die Geschäfte machen, aber auch mit den kommunalpolitisch Tätigen, um einen Weg zu finden, um die kurzfristigen Dinge auszuräumen, die immer wieder für Ärger sorgen.

Ich sage noch einmal: Das Gespräch vor Ort hilft. Hierfür gibt es gute Beispiele. Insofern kann ich nur die Nachahmung empfehlen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Kollege Schaus, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Montag dieser Woche hat die aus Gewerkschaften und Kirchen bestehende Allianz für den freien Sonntag im Landtag eine Pressekonferenz durchgeführt, an der auch Rechtsanwalt Dr. Friedrich Kühn über den Stand der Rechtsprechung zu den Sonntagsöffnungen informierte. Herr Dr. Kühn berichtete, dass die Allianz für den freien Sonntag seit 2015 sämtliche Verfahren vor den hessischen Verwaltungsgerichten gegen die Allgemeinverfügungen der Städte gewonnen hat.

Rechtssicherheit für die Kommunen zu schaffen, so wie es die FDP heute fordert, ist also gar nicht nötig; denn Rechtssicherheit besteht längst, und zwar so klar und eindeutig wie selten in einer strittigen Frage.

Die Entscheidung der Verwaltungsgerichte zu Ladenöffnungen an Sonntagen basieren auf der klaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2009 und des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2015.

In Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung heißt es nämlich:

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Eine ähnliche Regelung findet sich übrigens auch in Art. 31 der Hessischen Verfassung. Danach ist die Voraus

setzung für eine ausnahmsweise Sonntagsöffnung unter anderem, dass ein auch ohne die Sonntagsöffnung stattfindendes Ereignis, also ein großes Fest oder eine Messe, für alle Bereiche, in denen die Ladenöffnung ausnahmsweise gestattet werden soll, prägend ist. Prägend ist ein Fest oder eine Messe aber nur dann, wenn diese Veranstaltung weit mehr Besucherinnen und Besucher anzieht als die Ladenöffnung selbst, die übrigens dann auch nur im räumlich unmittelbaren Bereich dieses Festes oder dieser Messe genehmigt werden darf. Dass dies z. B. noch nicht einmal bei der Frankfurter Buchmesse für die großen Einkaufszentren weitab vom Messegelände gegeben ist, liegt deshalb auf der Hand. Deshalb muss das auch abgelehnt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kriterien für die Zulassung von Sonntagsöffnungen auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes sind, wie erwähnt, durch zahlreiche Gerichtsentscheidungen klar definiert, Herr Lenders. Sie müssen nur endlich auch von den großen Einzelhandelsketten, die die Bürgermeister unter Druck setzen, und natürlich von der FDP anerkannt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Nachdem die FDP mit ihrem Gesetzentwurf und ihrem Antrag auf einen runden Tisch krachend gescheitert ist, versucht sie erneut eine verfassungsfeindliche Initiative in dieser Frage. Ihre Sprache ist aber verräterisch. Wie lautet noch einmal der Titel Ihrer Aktuellen Stunde? Er lautet „Rechtssicherheit für die Kommunen schaffen bei der Durchführung von verkaufsoffenen Sonntagen“.

Sehr geehrte FDP-Abgeordnete, ich sage es Ihnen gerne noch einmal: Wenn Sie bei der Durchführung von verkaufsoffenen Sonntagen Rechtssicherheit haben wollen, dann müssen Sie zuerst die Verfassung ändern. Anders geht das nicht.

Eine landesgesetzliche Regelung kann diese Vorgaben nicht umgehen. Ein Gesetz, auch eine Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes, das auf einen Anlassbezug für Sonntagsöffnungen generell verzichtet, wäre nach der aktuellen Rechtsprechung eindeutig verfassungswidrig und würde vom Bundesverfassungsgericht garantiert wieder einkassiert. Daran können übrigens „rechtssicher“ runde Tische vor Ort auch nichts ändern. Auch diese müssen sich bei ihren Vereinbarungen an die Rechtslage halten. Die Forderung nach runden Tischen hat aber eher damit etwas zu tun, dass man etwas vereinbaren möchte, obwohl man weiß, dass das rechtswidrig ist. Es geht also nur darum, Vereinbarungen mit der Allianz zu treffen, damit diese nicht klagt.

Herr Lenders, ich empfehle Ihnen die Lektüre der Presseerklärung der EKHN von heute. In dieser steht alles drin, was ich jetzt hier sage. Dem habe ich wenig hinzuzufügen.

Wir stehen als LINKE weiterhin hinter den Forderungen der Allianz für den freien Sonntag. Eine Änderung hessischer Gesetze und Vorschriften halten wir in diesem Zusammenhang weder für notwendig noch für angebracht.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Möller, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man könnte fast sagen, dass es alle paar Wochen wieder um den gleichen Antrag mit der gleichen Thematik geht, heute im Rahmen einer Aktuellen Stunde. Ich weiß aber noch nicht, was der aktuelle Anlass sein soll. Aber sei es drum.

(Jürgen Lenders (FDP): Lesen Sie das einmal in der Geschäftsordnung nach!)

Vielleicht haben Sie auch die Frist für einen regulären Antrag versäumt, Herr Kollege. Ich komme gleich noch einmal auf Sie zu sprechen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Kühlschrank war leer am Wochenende!)

Meine Damen und Herren, wie wir heute schon mehrfach gehört haben, ist der arbeitsfreie Sonntag verfassungsrechtlich geschützt und muss daher die Regel bleiben. Das gilt auch für Hessen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Umgekehrt bedeutet das, dass jede Ausnahme davon sehr präzise definiert werden muss. Das muss auch die Zielrichtung der anstehenden Überarbeitung des hessischen Gesetzes und der Evaluation der gegenwärtigen Rechtslage sein.

Die Kollegen sprachen bereits an, dass unser Handlungsrahmen angesichts diverser Rechtsprechungen deutlich eingeschränkt ist. Dem müssen wir Rechnung tragen. Zugleich müssen wir akzeptieren, dass auf den Einzelhandel in Hessen sehr große Herausforderungen zukommen und teilweise schon große Herausforderungen vor der Tür stehen. Manche Punkte sind bereits angesprochen worden, beispielsweise der zunehmende Internethandel. So kann man mehr oder weniger rund um die Uhr einkaufen. Da hilft ein verkaufsoffener Sonntag auch nichts. Angesichts eines Internethandels, bei dem man abends bequem von Sofa aus bestellen kann, hilft ein verkaufsoffener Sonntag auch nichts.

Den Anlassbezug und die Genehmigung eines verkaufsoffenen Sonntags sehe ich nicht unbedingt als das eigentliche Problem an. Stellen wir uns einmal einen verkaufsoffenen Sonntag in einer Innenstadt gepaart mit einer Messe, einem Markt oder irgendeiner anderen Veranstaltung vor. Denken wir uns dann den Anlass einmal weg. Übrig bleibt dann lediglich ein weiterer Tag, an dem man einkaufen kann.

Ich bezweifle, dass das der Belebung der Innenstädte auf Dauer hilft. Ich bezweifle, dass dadurch allein mehr Menschen in die Innenstädte gebracht werden.

Deshalb sehe ich das Problem nicht durch die Anlässe bedingt. Ich erkenne das Problem in der Nachweispflicht, in den Verfahren, die dazu führen, dass so etwas genehmigt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Unsere Aufgabe ist es, das besser zu regeln. Der Kollege von der SPD sprach es ja auch zu Recht an.

Es ist völlig klar: Wir bleiben bei den vier Tagen, an denen man in Hessen die Geschäfte öffnen kann. Das bleibt die Zielrichtung. Ich habe auch noch keinen gehört, der mehr erwartet, der mehr verlangt. Ich habe auch von der Kundschaft noch nicht gehört, dass man für Hessen mehr verlangt, selbst vom Handel nicht.

Wichtig ist, dass wir uns auf die vier Tage verlassen können,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)