Im Raum stand kurz der Bundesinnenminister. Ich glaube, unausgesprochen stand die AfD im Raum; dann sollte man es vielleicht auch so benennen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es hier gar keinen großen Dissens geben kann. Ich hätte es allerdings auch schön gefunden, wenn meine beiden Vorredner einmal darauf zurückgeblickt hätten, woher denn die Aktionswoche kommt. Die Internationale Woche gegen Rassismus geht zurück auf das Jahr 1960, auf den Rassismus in Südafrika, auf die damalige Apartheid. Wer sich einmal damit beschäftigen mag, wie Apartheid, die südafrikanische Besonderheit, war – das sagt nämlich Apartheid aus –, der kann das gern einmal machen. Das ist sicherlich sehr lehrreich, es würde aber hier die fünf Minuten sprengen und gehört eher in einen Bereich, wo Historiker hinzugezogen werden sollten.
Das allerdings auf die heutige Zeit zu übertragen ist durchaus spannend. Meine Damen und Herren, Rassismus, wie er damals in Südafrika klar verordnet war, lässt sich auch in Deutschland immer noch mit Antisemitismus, Homophobie, heute auch wieder Islamophobie übersetzen. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, sich dagegen zu wehren und auch darauf zu reagieren.
Meine Damen und Herren, wer selbst, wie ich, oft auf Toleranz angewiesen war, der darf auch manchmal kritisch hinterfragen: Wie gehen wir eigentlich damit um, auch diejenigen, die davon betroffen sind? – Eine der Methoden ist vielleicht, auch einmal mit Humor darauf zu reagieren. Oftmals ist es so, dass Sie heute als gleichgeschlechtliches Paar zwar wie selbstverständlich in der Gesellschaft angekommen sind; wenn die beiden Männer zu einer Veranstaltung gehen, werden beide begrüßt, es sind auch beide eingeladen worden, man ist also in der Gesellschaft angekommen, und trotzdem merken Sie: Diejenigen, die Sie eingeladen haben, wissen gar nicht, wie sie mit Ihnen umgehen sollen. Das ist nicht immer gleich böser Wille, das sollte man auch nicht unterstellen.
Es gibt Menschen, die ein Handicap haben. Wir gehen heute selbstverständlich mit jemandem um, der im Rollstuhl sitzt. Aber Sie kommen in einer Situation an, wo Sie nicht genau wissen, wie Sie mit diesem Menschen umgehen wollen. Es kann solche Situationen geben.
Deswegen mahne ich an dieser Stelle, nicht nur zu sagen: „Wir müssen Toleranz üben, uns gegen Rassismus wehren“, sondern uns auch einmal mit der Frage zu beschäftigen: Wie können wir die Gesellschaft zu einer Selbstverständlichkeit im Umgang miteinander bringen?
Die Aktionen, die im Rahmen der Internationalen Woche laufen, sind wunderbar dazu geeignet, auch diese Konfliktfälle, diese Angespanntheit ein wenig zu lockern. Der Kollege Ismail Tipi hat in seiner Rede eher die radikale Szene, die gewaltbereite Szene beschrieben. Da gibt es null Toleranz, das ist gar keine Frage. Das ist auch in der vorherigen Debatte schon einmal deutlich geworden. Da gibt es gar keinen Zweifel daran, wie man damit umgeht. Aber es gibt natürlich auch immer noch unterschwellig Vorbehalte. Da ist immer noch die Frage: Wie können wir junge Menschen zu einem selbstverständlichen Umgang mit Homosexuellen bekommen? Wie können wir es erreichen, dass es etwas Selbstverständliches ist, wenn farbige Kinder in der Klasse sind?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zwei sehr abscheuliche Zitate zweier AfD-Vertreter meiner Rede voranstellen, um zu verdeutlichen, um was es heute geht. Das erste Zitat:
Diese Kümmelhändler, diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren, wo sie hingehören. Weit, weit, weit hinter den Bosporus zu ihren Lehmhütten und Vielweibern.
Ich habe jetzt eine Vision: Wenn es in Deutschland gut läuft, werden wir am Ende so eine Art Apartheidstaat haben wie damals in Südafrika, wo die Weißen den Rest einfach nur irgendwie in Schach halten.
Wenn der Hessische Landtag im nächsten Jahr anlässlich der Internationalen Woche gegen Rassismus debattieren wird, dann steht zu befürchten, dass Abgeordnete der Partei, von deren Vertretern diese Zitate stammen, auch hier im Plenarsaal sitzen können. Es ist mehr als nur bedenklich, dass solche Aussagen in Deutschland öffentlich geäußert werden können – und das leider oft genug ohne Konsequenzen. Es sind die Äußerungen, die den geistigen Boden für die bereiten, die eben nicht nur bei diesen verbalen Ausfällen bleiben, sondern die Gewalt anwenden und Menschen aus rassistischen Motiven angreifen oder Flüchtlingsheime in Brand stecken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Internationale Woche gegen Rassismus soll uns daran erinnern, dass
Rassismus und rassistische Gewalt alltäglich sind, Millionen von Menschen das Leben kosteten und viele weiterhin bedrohen. Sie soll uns daran erinnern, dass Menschen auch hier in Hessen jeden Tag mit rassistischer Diskriminierung konfrontiert sind und nur aufgrund ihrer vermeintlichen Rasse benachteiligt, beleidigt, verfolgt, attackiert oder sogar ermordet werden. Sie soll uns daran erinnern, dass gerade wir als Politikerinnen und Politiker eine besondere Verantwortung und eine Verpflichtung haben, Rassismus zu unterbinden und rassistische Gewalt zu verhindern.
Wir haben eine besondere Vorbildfunktion. Deshalb dürfen gerade wir nicht mit dem Schüren von Vorurteilen oder der Relativierung von Rassismus auf Stimmenfang gehen. Keine Partei von uns allen ist völlig frei davon. Ich denke da z. B. auch an Sarrazin in der SPD und bedauere sehr, dass wir ihn nicht aus der Partei ausschließen konnten.
Rassistische Vorurteile sind in der Gesellschaft weit verbreitet. Deshalb ist es ganz besonders gefährlich, wenn in Wahlkämpfen von demokratischen Parteien Grenzen gesenkt werden, so wie wir es in Hessen zweimal erleben durften, 1999 und 2008. Billigend hat die CDU damals in Kauf genommen, dass Menschen an die Wahlkampfstände kamen und fragten: „Wo kann ich hier gegen Ausländer unterschreiben?“
Oder die regelmäßigen Ausfälle des ehemaligen Landtagsabgeordneten Irmer, der immer wieder im „Wetzlar Kurier“ gegen Ausländer, Flüchtlinge oder Homosexuelle hetzte.
Ich weiß, es fällt Ihnen vielleicht schwer, zuzuhören; aber ich denke, das muss angesichts dieser Debatte auch gesagt werden.
Aktuell war es der hessische Innenminister, der es für lustig hält, auf Kosten von Flüchtlingen ein paar flotte Sprüche in Büttenreden zu machen. Nein, auch an Fasching darf man die Grenze nicht überschreiten.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe der Abg. Hugo Klein (Freigericht) und Judith Lannert (CDU))
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Internationale Woche gegen Rassismus steht bei uns unter dem Motto „Hessen lebt Vielfalt, Toleranz und Solidarität“.
Das stimmt sicherlich auch für weite Teile der Gesellschaft, wenn wir z. B. an die Fußballtrainer oder an Peter Fischer denken, der als Präsident von Eintracht Frankfurt klar Stellung gegen Rassismus und Ausgrenzung bezogen hat, oder an die vielen Ehrenamtlichen
in den hessischen Städten und Gemeinden, die sich für ein tolerantes und solidarisches Leben in Vielfalt engagieren.
Aber zur Wahrheit gehört auch, dass das in allzu vielen Bereichen unserer Gesellschaft teilweise noch eine Wunschvorstellung ist und noch keine Istbeschreibung darstellt. Gerade deswegen ist es auch so wichtig, dass die zivilgesellschaftlichen Akteure, die einen wesentlichen Beitrag im Bereich der Prävention leisten, gestärkt werden und dass ihre Arbeit nicht dadurch behindert wird, dass ihre Mitarbeiter unter Generalverdacht gestellt werden,
so wie es die schwarz-grüne Landesregierung ohne Not gemacht hat, indem sie neue Regelungen für die Überprüfung von Mitarbeitern und Organisationen durch den Verfassungsschutz einführen will.
Der Kampf gegen Rassismus muss ein stetiger sein. Er erfordert Mut und einen langen Atem, und er erfordert vor allen Dingen auch eine klare Haltung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In diesen Tagen finden die Internationalen Wochen gegen Rassismus statt. Auch ich möchte noch einmal an den Ursprung dieser Internationalen Wochen erinnern. Die Vereinten Nationen haben den 21. März zum Internationalen Tag gegen Rassismus erklärt, zum Gedenken an das Massaker von Sharpeville in Südafrika im Jahre 1960. Damals gingen über 20.000 Menschen auf die Straße. Sie demonstrierten friedlich gegen Unterdrückung und für gleiche Rechte, unabhängig von der Hautfarbe. 69 Männer, Frauen und Kinder wurden getötet, 180 verletzt. Das Massaker führte zu landesweiten Streiks, Unruhen, internationalen Protesten. Auch wenn es noch Jahrzehnte dauern sollte, bis die Apartheid überwunden wurde, so war der Mut dieser Menschen ein Zündfunke für den Widerstand.