Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

(Beifall bei der LINKEN)

Der 21. März jährt sich in diesen Tagen zum 58. Mal. Er ist Mahnung und zugleich auch Auftrag an uns alle, jeder Form von Rassismus zu jeder Zeit entschieden entgegenzutreten.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das gilt auch in Hessen, wo rechtsextreme Gewalttaten die Gesundheit und das Leben

von Migrantinnen und Migranten, von Antifaschistinnen und Antifaschisten bedrohen. 600 gemeldete Straftaten, die dem Bereich politisch motivierter Kriminalität von rechts zuzuordnen sind, gab es allein im Jahr 2017 – darunter 17 Gewalttaten. 50 Fälle der politisch motivierten Kriminalität im vergangenen Jahr richteten sich gegen Asylsuchende außerhalb von Unterkünften. Sieben weitere Straftaten richteten sich gar gegen die Unterkünfte selbst. Diese Zahlen mögen gegenüber 2016 rückläufig sein. Aber sie bleiben erschreckend hoch.

(Beifall bei der LINKEN)

Straf- und Gewalttaten gegen Minderheiten und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer dürfen wir nicht hinnehmen. Sie sind aber nur die sichtbare Spitze eines Eisbergs rassistischer Ressentiments und Vorurteile, die bis in die Mitte der Gesellschaft hineinreichen.

Viele Menschen mit Migrationsgeschichte erleben Diskriminierung und Rassismus im tagtäglichen Leben. Sie werden angefeindet, angepöbelt, sogar attackiert. Sie bekommen keine Wohnung oder haben massive Benachteiligungen bei der Jobsuche. Frauen mit Kopftuch berichten immer wieder, dass sie auf offener Straße beleidigt und angegangen werden.

Das politische Klima im Land wird weiter vergiftet. Weil der Name hier nur am Rande eine Rolle spielt: Ich finde, wir sollten klarmachen, dass mit der AfD eine Partei im Bundestag und in vielen Landtagen vertreten ist, die vielerorts ein Sammelbecken für rassistische und fremdenfeindliche Einstellungen ist, die sich in Teilen in der extrem Rechten verortet. Das ist und bleibt unerträglich. Wir müssen alles dafür tun, dass diese Partei wieder verschwindet.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wer aber glaubt, die AfD dadurch bekämpfen zu können, dass man ihre Parolen übernimmt, ihre Forderungen übernimmt, der wird sie nicht zum Verschwinden bringen. Im Gegenteil, er macht sie nur noch stärker. Leider ist es so, dass die jüngsten Äußerungen des neuen Leiters des Heimatmuseums – äh, Heimatministeriums – zum Islam oder aber auch zur Verschärfung der inhumanen Abschiebepraxis Schlimmstes befürchten lassen. Zur Wahrheit gehört doch auch, dass der Leiter des Heimatministeriums dafür schon Applaus aus Hessen bekommen hat, meine Damen und Herren.

Der Rassismus, der uns heutzutage immer unverhohlener entgegentritt, hetzt Bevölkerungsgruppen gegeneinander auf. Er bedroht den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land, und er ist eine Gefahr für ein solidarisches und friedliches Miteinander. Daher ist es in der gegenwärtigen Situation unser aller Aufgabe, Diskriminierungen und Ausgrenzungen offen zu benennen und Rassistinnen und Rassisten klar in ihre Schranken zu weisen.

(Beifall bei der LINKEN)

In unserer Gesellschaft wird das an vielen Stellen getan. Am 17. März hatte das Aktionsbündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ zu einem europaweiten Aktionstag gegen Rassismus und gegen den Aufstieg rechter Parteien aufgerufen. In vielen europäischen Städten haben Versammlungen und Demonstrationen stattgefunden. Auch in vielen Kommunen in Hessen finden in diesen Tagen Veranstaltungen und Diskussionen gegen Rassismus statt.

Meine Damen und Herren, der Kampf gegen Rassismus kann nicht wirksam sein, ohne dass wir auch die strukturellen Benachteiligungen angehen, von denen Migrantinnen und Migranten in besonderem Maße betroffen sind. Es gibt nämlich diskriminierende Gesetze und Ausschlussmechanismen. Reden wir über Regelungen wie das Asylbewerberleistungsgesetz, reden wir über Wohnsitzauflagen für Flüchtlinge, das verweigerte Wahlrecht für Drittstaatsangehörige oder ein Schulsystem, das auf eine sprachlich und kulturell vielfältige Schülerschaft nicht wirklich vorbereitet ist.

Aber – ich komme zum Schluss – wer wirklich dafür sorgen will, dass der Nährboden, auf dem Rassismus gedeiht, verschwindet, der muss den Kampf gegen Rassismus und den Kampf für soziale Gerechtigkeit, für Löhne, von denen man leben kann, für bezahlbare Wohnungen und auch für einen Sozialstaat, der die Risiken des Lebens absichert, sowie für alle hier lebenden Menschen gemeinsam führen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Schalauske. – Für die Landesregierung spricht Staatssekretär Kai Klose. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind nicht nur in den interkulturellen Wochen gegen Rassismus, sondern gestern fand auch der Welttag der Vereinten Nationen zu dem Thema statt. Seine Ursprünge sind bereits von verschiedenen Rednern dargestellt worden. In den beiden Wochen rund um den 21. März finden deshalb jährlich die Internationalen Wochen gegen Rassismus statt, die die gleichnamige Stiftung organisiert.

Auch in Hessen beteiligen sich jedes Jahr zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen wie auch staatliche Stellen an diesen Internationalen Wochen, in denen sie ihre Arbeit besonders in die Öffentlichkeit tragen. Sie kämpfen aber nicht nur während der Internationalen Wochen gegen Rassismus, sondern täglich gegen Diskriminierungen und Ausgrenzungen. Für diesen Einsatz möchte ich ihnen auch seitens der Landesregierung aufrichtig danken.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Land Hessen ist so vielfältig wie die Menschen, die hier leben. Hessen ist ein weltoffenes und ein besonders international geprägtes Bundesland.

Die Hessische Landesregierung versteht auch deshalb Vielfalt als Grundlage und als Bereicherung unseres Zusammenlebens.

Meine Damen und Herren, unser Grundgesetz sagt eben nicht, dass die Würde nur in Deutschland geborener Menschen unantastbar ist, sondern aller. Es sagt nicht, dass nur Menschen mit einer besonders hellen Pigmentierung ein Recht auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit haben, sondern alle. Es garantiert das Recht auf freie Religionsausübung nicht nur Menschen einer Glaubensrichtung, sondern allen.

Nicht nur, weil wir dem verpflichtet sind, sondern weil das unsere feste Überzeugung ist, hat Rassismus und haben al

le anderen Formen von Ausgrenzung und Diskriminierung in Hessen keinen Platz.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir bekennen uns vielmehr zu einem offenen, freien und wertschätzenden Miteinander in Respekt vor unserer Unterschiedlichkeit, weil wir wissen, dass Vielfalt eine Gesellschaft stark macht, ohne zu ignorieren, dass die Vielfalt allen durchaus auch etwas abverlangt. Deshalb ist aktive Antidiskriminierungsarbeit für uns ein wichtiger Schwerpunkt. Es geht dabei um ganz grundlegende Rechte. Es geht um Teilhabe, es geht um Gleichbehandlung, es geht um Chancengerechtigkeit. Deshalb ist Antidiskriminierungspolitik auch nichts anderes als Menschenrechtspolitik.

(Beifall bei der CDU und der SPD sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) )

Meine Damen und Herren, leider sind Diskriminierungen auch heute noch gesellschaftliche Realität und kein Randphänomen. Sie passieren Menschen in vielfältiger Weise. Sie verletzen, sie grenzen aus, und sie prägen Identitäten und Lebenswege häufig nachhaltig. Was in den Medien landet, ist dabei nur die Spitze des Eisbergs.

Gerade von Rassismus Betroffene sind auch Alltagsdiskriminierungen ausgesetzt: beim Einkaufen, im öffentlichen Nahverkehr, im Vorbeigehen auf der Straße. Diese Erfahrungen können Menschen zermürben. Auch auf solche Fälle müssen wir schauen. In diesen Fällen müssen wir Zivilcourage zeigen und für Zivilcourage werben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umso wichtiger ist deshalb Vielfaltspolitik für ein friedliches und soziales Zusammenleben. Der wertschätzende Umgang mit Individualität und Pluralität ist Ausdruck einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft.

Umso wichtiger sind die Beratungs- und Unterstützungsangebote, wie sie beispielsweise die Antidiskriminierungsstelle im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration und das von uns beauftragte ADiBe-Netzwerk in Hessen bereitstellen.

Umso wichtiger ist ein starkes zivilgesellschaftliches Bewusstsein, sind Engagement und gleichzeitig staatliches Handeln.

Umso wichtiger sind die Internationalen Wochen gegen Rassismus. Sie tragen dazu bei, Akzeptanz und Respekt zu fördern und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Sie tragen zur Sichtbarkeit und zu mehr Solidarität bei, und sie setzen ein deutliches Signal für Vielfalt.

Es ist egal, wie du aussiehst, an wen oder was du glaubst oder eben auch nicht glaubst, es ist egal, woher du kommst, solange du dich im Werterahmen unseres Grundgesetzes bewegst.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Unsere Botschaft nicht nur während der Internationalen Wochen gegen Rassismus lautet deshalb: Hessen lebt Vielfalt, Akzeptanz und den Respekt vor unserer Unterschiedlichkeit. Das Motto der diesjährigen Wochen „100 % Men

schenwürde. Zusammen gegen Rassismus“ gilt bei uns in Hessen jeden Tag. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Staatssekretär, herzlichen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist diese Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 55 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessische Landesregierung verantwortlich für weitere Pannen bei der Wahlkreiseinteilung zur Land- tagswahl in Hessen am 28. Oktober 2018) – Drucks. 19/6183 –

Das Wort hat Herr Kollege Günter Rudolph von der SPDFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 25. April 2017 schrieb der Hessische Innenminister die Fraktionen bzw. Parteien an: „Ich rege vor diesem Hintergrund an, eine Neuabgrenzung der hessischen Landtagswahlkreise auf Basis der dann aktuell vorliegenden Bevölkerungszahlen in der neuen Wahlperiode anzugehen.“ So das Schreiben des Hessischen Innenministers gleich Verfassungsministers.

Am 19. September wurde im Hessischen Landtag ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, der augenscheinlich im Innenministerium geschrieben wurde, eingebracht und am 15. Dezember, also innerhalb von drei Monaten, beraten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Brechstange haben CDU, GRÜNE und der Innenminister versucht, einen Zustand zu heilen, zu dem SPD und die Anzuhörenden deutlich gesagt haben: Wir brauchen eine umfassende Reform der Landtagswahlkreiszuschnitte aufgrund aktueller Bevölkerungszahlen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Zahlen vom 31. Dezember 2015 reichen dazu nicht aus. – Es gab dann immer wieder Nachbesserungen, aber im Kern bleibt es dabei, dass die Werte für bestimmte Landtagswahlkreise eben nicht rechtssicher ermittelt wurden.

Im Landtagswahlgesetz selbst hat diese Regierungskoalition festgeschrieben: Abweichungen von über 25 % der durchschnittlichen Wahlkreisgröße müssen korrigiert werden. – Das war nicht die SPD, nicht die FDP und es waren nicht die LINKEN, sondern das war diese Koalition.