Ich sage das mit allem Ernst, Herr Kollege Boddenberg. Es ist dringend notwendig, dass Sie diese Arbeit machen; denn wir haben Sicherheitslücken, die zu schließen sind. Das müssen Sie jedoch verfassungsgemäß tun, aber nicht so, wie Sie es hier vorgelegt haben.
Ein besonderes Trauerspiel ist es in der Tat, dass Sie bei der Frage der parlamentarischen Kontrolle praktisch nichts liefern.
Wir haben die Verbesserungsvorschläge aus den Kommissionen, aus der Anhörung und vor allem von der von Ihnen eingesetzten Expertenkommission in unserem Änderungsantrag niedergelegt. Das beginnt mit der Zusammensetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission. Nirgends außer in Hessen ist es so, dass die Opposition in weiten Teilen bei der Mitwirkung ausgeschlossen ist. Das muss geändert werden.
Die Frage der Arbeitsmöglichkeiten und der Hinzuziehung von Mitarbeitern: Fehlanzeige. Im Gegenteil, die Mitarbeiter dürfen zwar unter bestimmten Umständen in ein paar Papiere hineinschauen, aber bei der eigentlichen Arbeit dürfen sie nach Ihren Vorstellungen nicht dabei sein. Gleiches gilt für den Austausch mit dem Fraktionsvorsitzenden, um wenigstens einen Gesprächspartner zu haben. – Ich komme zum Ende, Herr Präsident.
Selbst in dem aus Ihrer Sicht gelobten Land Bayern, das sich ansonsten nicht gerade durch Rechtsstaatintensität auszeichnet, gibt es eine Whistleblower-Regelung. Auch auf Bundesebene gibt es eine solche Regelung. Das ist mit Ihrer Bundestagsmehrheit ins Gesetz geschrieben worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, Sie haben in der Sache versagt. Die Negativauszeichnung haben Sie sich redlich verdient.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen. Ich bin mir nicht sicher, ob vor dem Hintergrund der Debatte über ein Verfassungsschutzgesetz und der Abwägungsfragen zwischen Sicherheit und Freiheit, wobei es um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger geht und wir wissen, dass in den vergangenen zwei Jahren über 100 Tote in Europa zu beklagen sind wegen islamistischer Anschläge, Häme, Hohn, Spott und Gejohle die richtige Antwort dieses Parlaments sind.
Meine Damen und Herren, wir brauchen einen modernen und leistungsfähigen Nachrichtendienst, um die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land effektiv vor terroristischen Anschlägen zu beschützen.
Es geht dabei nicht, wie der eine oder andere hat glauben machen wollen, um wahllose Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern, sondern es geht darum, Terroristen und Extremisten das Handwerk zu legen. Dafür bietet unser Gesetzentwurf eine gute Grundlage.
Dieses Gesetz ist kein Selbstzweck, sondern es dient der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in einem Bereich, in dem es natürlich um Abwägungsfragen zwischen Freiheit und Sicherheit geht.
Frau Kollegin Faeser, Sie behaupten, Sie hätten die Grundrechtseingriffe per Änderungsantrag aus dem LfV-Gesetz herausgenommen.
Frau Kollegin, Sie müssten als Juristin doch wissen, dass dieses Gesetz dazu da ist, die Grenzen von Grundrechtseingriffen, die erforderlich sind, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, zu definieren.
In einem solchen Gesetz geht es um Grundrechtseingriffe, weil Sicherheitsbehörden ansonsten nicht richtig auf der Basis des Gesetzes arbeiten können, meine Damen und Herren.
Seien Sie mir nicht böse. Kollege Greilich, Frau Kollegin Faeser, das, was Sie hier zum Thema der parlamentarischen Kontrolle gesagt haben, ist hart am Rande der Wahrheit vorbei. Es stimmt einfach nicht, dass wir die parlamentarische Kontrolle in unserem Gesetz nicht ordentlich und gut geregelt haben.
Das haben wir gemacht in einer Form, wie es der Bund im Bundesverfassungsschutzgesetz ebenfalls geregelt hat. Es liegt in unserer Hand, in der Hand dieses Parlaments, wie
die parlamentarische Kontrolle zu Beginn der kommenden Wahlperiode ausgelegt wird. So ist es in unserem Gesetz festgelegt. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, oder lesen Sie es wenigstens einmal. Das scheinen Sie bisher verabsäumt zu haben.
Meine Damen und Herren, wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir ein effektives Frühwarnsystem haben. Dafür brauchen wir auch moderne Fähigkeiten und Fertigkeiten. Dabei kann man über die Frage der Zuordnung, wo was hinkommt, wer welche Fähigkeiten hat und welche Sicherheitsbehörde zuständig ist, miteinander reden und streiten. Aber dass wir uns der technischen Entwicklung nicht verschließen dürfen, diese Erkenntnis müsste mittlerweile Allgemeingut sein.
Wir hatten Anschläge in Deutschland, die über WhatsApp gesteuert wurden. Wir haben aber keine rechtlichen Möglichkeiten, so etwas überhaupt mitzubekommen, mitzulesen, weil uns bislang die Grundlagen dafür fehlen, dies zu tun. Dabei geht es nicht um irgendwelchen Kleinkram, sondern darum, dass in konkreten Situationen, ob in Arnsberg oder in Würzburg, Menschen zu Schaden gekommen sind. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir müssen uns mit diesen Fähigkeiten und dem dazugehörigen Rechtsrahmen auseinandersetzen, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Um nicht mehr und um nicht weniger geht es bei diesem Gesetzentwurf.
Es ist nicht in Ordnung – das sage ich nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse der Behörden –, die Schaffung des notwendigen Rechtsrahmens in Form einer Änderung des LfV-Gesetzes zu verweigern, aber dann „exekutives Versagen“ zu beklagen, obwohl die Sicherheitsbehörden gar nicht zugreifen durften.
(Nancy Faeser (SPD): Wer verweigert denn den Rechtsrahmen? – Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Was soll dieser Unsinn? Den Rechtsrahmen verweigert niemand!)
Das ist unredlich, das ist nicht in Ordnung. Wir haben einen ordentlichen Gesetzentwurf, und über den werden wir weiterhin geordnet beraten.
Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist Tagesordnungspunkt 87 erledigt.
Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend klares Bekenntnis gegen Extremismus und für den Rechtsstaat, Drucks. 19/6332. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 97 und kann nach Tagesordnungspunkt 89 aufgerufen werden.
Außerdem ist eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend hessische Mietpreis
bremse ist weiterhin gültig, Drucks. 19/6333. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Damit wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 98 und kann, wenn keiner widerspricht, mit Tagesordnungspunkt 72 aufgerufen werden. – Das ist der Fall.
Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessen tritt Antisemitismus entschieden entge- gen) – Drucks. 19/6319 –
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wiedererrichtung jüdischer Gemeinden in Deutschland nach 1945 ist ein historischer und keinesfalls selbstverständlicher Glücksfall für unser Land. Die hohe Zahl der seitdem in unserem Land gebauten jüdischen Synagogen, Kindergärten, Schulen, Museen und Kultureinrichtungen zeugt heute von einem sehr lebendigen und vielfältigen jüdischen Leben in Deutschland. Die jüdische Gemeinde in Hessen zählt zu den mitgliederstärksten und aktivsten in ganz Deutschland. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das ist, wie ich finde, ein großes Glück für uns und für unser Land.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und der FDP)
Auf der anderen Seite müssen wir jedoch feststellen, dass so gut wie keine dieser Einrichtungen – das kann man sich beispielsweise in Frankfurt am Main, aber auch in vielen anderen Kommunen anschauen – ohne Sicherheitsmaßnahmen, ohne Polizeischutz auskommt. Ich finde, dieser Entwicklung schauen wir schon viel zu lange zu.
Dass wir in diesen Tagen über all diese Dinge im Zusammenhang mit antisemitischen Übergriffen reden, ist längst überfällig. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 1.453 antisemitische Straftaten verzeichnet. Jede einzelne dieser Straftaten ist entsetzlich und muss einen Aufschrei unserer gesamten Gesellschaft hervorrufen.
In den sozialen Netzwerken kursieren antisemitische Stereotype, Verschwörungstheorien, Verleumdungen und Hasskommentare – bis hin zu offenen Aufrufen zu Gewalt. Immer deutlicher treten neben Rechts- und Linksextremisten auch muslimische Zuwanderer mit antisemitischen Hassbotschaften und Übergriffen in Erscheinung.
Der Antisemitismus hat dabei viele Gestalten. Er reicht vom offenen Rassismus in der geistigen Tradition der Nationalsozialisten bis hin zum Antizionismus. Meine Damen und Herren, ich will sehr deutlich sagen: Wer die grundsätzlich legitime Kritik an Teilen der israelischen Politik mit antisemitischen Ressentiments in Verbindung bringt, der reihten sich in antisemitische Haltungen, Worte und Hasstiraden ein, in das, was wir von Linksextremisten, Rechtsextremisten und Islamisten in diesen Tagen leider und zunehmend zur Kenntnis nehmen müssen.