Wir haben also eine weitgehende faktische Neufassung unter dem Namen „Änderung“. Wir haben einen Komplex – Stichwort: Siedlungsstruktur –, der noch bearbeitet werden muss, um dafür eine möglichst breit getragene Lösung zu haben. Denn genau in dieser Frage wäre es nicht richtig, das knapp an der Grenze von Mehrheit und Minderheit, möglicherweise nur mit wenigen Stimmen Unterschied festzulegen, weil wir da eine Wirkung über längere Zeit haben wollen. Da auf der kommunalen Ebene alle politischen Farben in unterschiedlicher Intensität an unterschiedlichen Stellen agieren, müssen sie deshalb mit eingebunden werden.
Auch wenn die Vorredner es nicht so recht getan haben, will ich auf einen Sachpunkt kommen, weil ich Ihnen deutlich machen will, wie sehr Sie Ihre eigenen Vorstellungen schnell wieder vergessen.
Wir hatten gestern eine Diskussion über Wohnungswesen. Der verehrte Kollege Schäfer-Gümbel hat uns – mit „uns“ meine ich die Regierungsmehrheit – im Zusammenhang mit den Ausbauwünschen oder Planungen der Stadt Frankfurt am Main das Thema Abstände zu Stromtrassen vorgehalten.
Ich darf Sie deshalb klar daran erinnern, dass sich der Hessische Landtag in dieser Wahlperiode schon einmal mit der Drucks. 19/967 der SPD-Fraktion beschäftigt hat. Sie lautet:
Die Landesregierung wird aufgefordert, umgehend den Landesentwicklungsplan dahin gehend zu ändern, dass, analog zu Niedersachsen, eine landesplanungsrechtliche Festlegung hinsichtlich der Mindestabstände von Stromtrassen zu Wohnhäusern und Wohngebieten getroffen wird.
Das war damals der Antrag. Den haben wir nicht beschlossen, sondern wir haben nur eine Empfehlung für die nächste Runde ausgesprochen, es in den LEP hineinzunehmen. Das steht jetzt so darin, weil Niedersachsen z. B. vorgegeben hat – um Sie noch einmal daran zu erinnern –:
Bei der bauplanungsrechtlichen Ausweisung von neuen Baugebieten in Bauleitplänen oder sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch, die dem Wohnen dienen oder in denen Anlagen im Sinne von Satz 7
zulässig sind, ist ein Abstand von mindestens 400 m zu Vorranggebieten Leitungstrasse … einzuhalten.
Das, was Sie gefordert haben, was wir gemacht haben, kritisiert jetzt Ihr verehrter Herr Vorsitzender. Da sehen Sie einmal, wie stringent Ihre Argumentation in Sachen Landesplanung ist.
Unser Plan ist gut. Wir werden dem Antrag zustimmen. Sie können noch lange warten. Soweit Sie an der Zahl 19 festhalten, scheint es sich weniger um eine Jahreszahl, sondern um eine Prozentzahl zu handeln.
Vielen Dank, Kollege Kaufmann. – Das Wort hat Frau Abg. Janine Wissler, DIE LINKE, bitte. – Janine, es ist keiner da? Du musst deine Leute schon selbst beischaffen.
Ich mache das einfach so wie Donald Trump. Ich habe gesehen, er hat sich einfach hingesetzt und für seine eigene Rede geklatscht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kaufmann, vorneweg: Wenn Sie in dieser Woche eine einzige Rede beginnen könnten, ohne die Opposition zu beschimpfen, sie als intellektuelle Tiefflieger darzustellen oder Haltungsnoten zu verteilen, wäre es schön, weil es einfach nervt. Es ersetzt auch keine Argumente.
Zur Sache. Der Landesentwicklungsplan ist ein wichtiges Instrument der Landesregierung. Er zeigt auf, in welche Richtung sich das Land bewegen soll, und setzt auch Leit
Er soll regeln, nach welchen Prioritäten die immer knapper werdende Ressource Boden genutzt werden soll: für Wohnen, für Energiegewinnung, für Mobilität, für Gewerbe oder nicht zuletzt für die Natur.
Der Landesentwicklungsplan könnte ein Instrument von Vision und wegweisender Zukunftsplanung sein. Aber leider sind die uns vorliegenden Änderungen das nicht. Das haben uns auch die Anzuhörenden mit großer Mehrheit in der Anhörung bestätigt. Da gab es sehr viel Kritik.
In der Öffentlichkeit mit am meisten beachtet ist die Frage des Flächenverbrauchs. Das lässt sich auch gut auf eine nachvollziehbare Zahl herunterbrechen. 3 ha, die derzeit täglich unter Beton oder Asphalt verschwinden, sollen zu 2,5 ha am Tag werden. Langfristig bekennt sich die Landesregierung zum Ziel der Netto-Null-Versiegelung. Dieses Ziel teilen wir ausdrücklich
und finden, dass wir schneller dorthin kommen müssen. Denn sonst haben wir das Problem, dass Hessen zunehmend unter Beton und Asphalt verschwinden wird.
Das heißt nicht, dass wir keine neuen Wohngebiete bauen müssen. Selbstverständlich muss es neue Wohngebiete geben, weil wir einen großen Wohnungsmangel haben und hier dringend Bautätigkeit notwendig ist. Das heißt aber, dass dafür anderswo Flächen entsiegelt oder renaturiert werden müssen.
Das heißt auch, dass man zuerst Konversionen und Umnutzungen in Betracht ziehen muss. Gewerbeflächen, Brachen, Parkplätze und viele andere versiegelte Gelände bieten sich an, sie neu zu nutzen. Das muss der erste Schritt sein, statt wertvolle Natur- und Ackerflächen zu versiegeln.
Wenn ein Ziel einer Netto-Null-Neuversiegelung das Bewusstsein für eine bewusstere Flächennutzung stärken würde, führte das dann vielleicht auch zu einer anderen Bebauung. Denn wenn schon neue Flächen versiegelt werden, wie das in letzter Zeit öfter der Fall war, dann sollte man großflächige Potenziale nicht einfach verschenken.
Es gab in der Anhörung eine Menge anderer fundierter Kritik, z. B. an den Abstandsregelungen zu Strommasten und anderen zu rigiden Eingriffen in die kommunale Planungshoheit. Aber richtig problematisch sind aus unserer Sicht die vorgesehenen Änderungen zum Frankfurter Flughafen, der übrigens auch ein Teil des Wohnraumproblems in der Region Frankfurt ist, weil er einen Teil des RheinMain-Gebiets verlärmt und faktisch unbewohnbar macht. Er führt faktisch dazu, dass Städte nicht mehr wachsen können, weil innerhalb der Lärmzonen z. B. keine Kindertagesstätten oder Krankenhäuser errichtet werden dürfen.
Im Entwurf des Landesentwicklungsplans steht die Formulierung, dass es das Ziel ist, die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens zu sichern. Diese Formulierung hält die Tür
sperrangelweit offen für einen weiter gehenden Ausbau des Frankfurter Flughafens und könnte die Veränderung der Geschäftsstrategie von Fraport weg vom Drehkreuz, eher hin zu den Billigfliegern legitimieren. Das halten wir für unverantwortlich.
Ja, Herr Lenders. – Wir sind der Meinung, ein Flughafen inmitten eines Ballungsgebietes kann nicht unbegrenzt und immer weiter wachsen, weil das auf Kosten der Menschen in der Region und auch der Umwelt geht. Wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, dann sollten wir uns ohnehin überlegen, wie wir den Flugverkehr reduzieren können, und ihn nicht immer weiter ausweiten.
Stattdessen wird das Placebo der Lärmobergrenze festgeschrieben, das eine Ausdehnung der stark von Lärm betroffenen Fläche begrenzt. Das heißt praktisch: Es kann noch lauter werden, als es heute ist.
Da nutzt es auch nicht viel, dass der Bannwald jetzt aber noch endgültiger als vorher geschützt wird. Gestern erst hat vor dem Landtag die Bürgerinitiative aus Langen demonstriert, die sich dagegen wehrt, dass für den Kiesabbau der Sehring schon wieder Bannwald geopfert wird. Den Leuten wird seit der Startbahn West erzählt, es wird kein Bannwald geopfert. Fakt ist: In diesem Land steht Bannwald nur dann unter Schutz, wenn er nicht gerade Konzerninteressen zuwiderläuft, und das ist kein echter Schutz des Bannwaldes.
Herr Präsident, das will ich tun. – Abschließend will ich sagen: Wir teilen viele Intentionen, die hinter den einzelnen vorgesehenen Änderungen stecken. Aber es gibt auch große Fehlstellen. Deshalb finden wir die vorliegenden Änderungen insgesamt nicht zeitgemäß. Sie machen den Landesentwicklungsplan 2000 nicht wesentlich besser. Insbesondere sind die Änderungen zum Flughafen für uns nicht zustimmungsfähig. – Vielen Dank.
Frau Kollegin Wissler, danke schön. – Das Wort erhält der Wirtschaftsminister, Herr Staatsminister Al-Wazir. Tarek, bitte.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der aktuelle Landesentwicklungsplan stammt in weiten Teilen aus dem Jahr 2000. Er ist also 18 Jahre alt. Die Herausforderungen haben sich seitdem geändert.
Im Jahr 2000 wurde noch um den Atomausstieg gerungen. 2018 geht es darum, die Energiewende weiter zu gestalten. Im Jahr 2000 freute man sich, wenn sich eine Internetseite langsam aufbaute. Im Jahr 2018 ist ein ruckelndes Youtube-Video nicht nur ärgerlich, sondern ein langsames Internet ist ein echter Standortnachteil. Diese Entwicklungen und viele weitere haben wir aufgenommen und den geänderten Landesentwicklungsplan so ausgestaltet, dass er Antworten auf die aktuellen Herausforderungen liefert.
Ich will mit dem Thema Wohnraum beginnen. In der letzten Plenarsitzungsrunde hat der Landtag die Novelle der Hessischen Bauordnung beschlossen. Er hat damit das Bauen leichter und schneller gemacht.
Diese Regierung hat die Mittel für den geförderten Wohnungsbau massiv aufgestockt. Kollegin Hinz packt mit der Gründung der Bauland-Offensive das zweite große Thema im Wohnungsbau an. Mit dem geänderten Landesentwicklungsplan werden wir zusätzlich die Rahmenbedingungen für mehr Wohnraum verbessern. Beispielsweise werden wir es den Städten und Gemeinden ermöglichen, neuen Wohnraum schnell und unbürokratisch zu schaffen. In wenig genutzten Gewerbe- und Industriegebieten wird es deutlich einfacher werden, Wohnungsbau zu ermöglichen.
Bei den schnellen Internetverbindungen werden wir den Ausbau des Breitbandkabels ausdrücklich in den Landesentwicklungsplan als Infrastrukturmaßnahme aufnehmen. Unser Ziel ist eine landesweit flächendeckende Versorgung mit hochleistungsfähigen Breitbandanschlüssen. Das werden wir im Landesentwicklungsplan festhalten.
Frau Wissler, hinsichtlich des Fluglärms werden wir die Lärmobergrenze am Frankfurter Flughafen jetzt im Landesentwicklungsplan rechtssicher verankern. Ja, das heißt erst einmal, dass die Lärmbelastung nicht immer weiter steigen darf. Das finden Sie nicht weitgehend genug. Ich kann Ihnen sagen, dass wir schon einmal die Debatte geführt haben, welche Auswirkungen ein Landesentwicklungsplan haben kann. Schöne Grüße vom Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2007. Ich glaube, manchmal merkt man erst später, wie wichtige Punkte damit sichergestellt werden.
Ich will ausdrücklich sagen: Die Voraussetzung für deutlich mehr Flugbewegungen wird sein, dass die Lärmbelastung pro Flug geringer werden muss. Das heißt, die Fluggesellschaften werden einen Anreiz haben, leiser zu fliegen. Das finde ich jedenfalls in keinem bisherigen Dokument so wieder, das zu irgendeinem Landesentwicklungsplan gehört. Ich glaube, da haben wir etwas wirklich Großes geschaffen.