Der Staat kann das Ehrenamt nicht anordnen – Gott sei Dank. Aber unser aller Verpflichtung muss es doch sein – meine ist es seit eh und je –, dass wir dieses wertschätzen und unterstützen. Ich habe den Vorschlag gemacht: Lasst uns das an der Ehrenamts-Card orientieren. Über die Einzelheiten kann man doch diskutieren, da bin ich völlig offen. Aber damit mir nicht vorgeworfen wird, ich hätte da so eine wolkige Idee in den Raum geworfen, habe ich einen Vorschlag gemacht. Ich finde die Idee der Ehrenamts-Card, dass ehrenamtlich tätige Menschen besonders wertgeschätzt werden sollten, sehr nachvollziehbar.
Ich bin nicht immer ganz sicher, ob jeder weiß, worüber wir reden. Es geht um Menschen, die regelmäßig mindestens fünf Stunden in der Woche ehrenamtlich engagiert sind und keine Aufwandsentschädigung erhalten. Das unterscheidet sie von anderen Ehrenamtlern. Ich muss Ihnen sagen: Wenn sich jemand regelmäßig jede Woche fünf Stunden für diese Gemeinschaft engagiert, dann nötigt mir das großen Respekt ab und verdient unser aller Dankbarkeit.
Wir sind in der Aktuellen Stunde, deshalb muss ich zum Schluss kommen. – Wenn wir es mit einem attraktiven Hessenticket für die knapp 20.000 Personen, die derzeit in Hessen eine Ehrenamts-Card haben, schaffen, dass sich zukünftig noch mehr Bürgerinnen und Bürger darum kümmern, ehrenamtlich Kinder zu betreuen, älteren Menschen beizustehen oder in anderer Weise diese Gesellschaft zu einer Gemeinschaft zu machen, dann können wir uns alle gemeinsam nur darüber freuen. Das ist doch kein Gegenstand eines kritischen Diskurses. Das ist eine Hoffnung für den Zusammenhalt einer Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, ich verstehe zwar die politische Debatte, aber in dieser Frage täten wir gut daran, wenn alle Demokraten zusammenstehen. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin gern der Aufforderung von Herrn Pentz nachgekommen, die Position der SPD vorzutragen. Ja, Demokratie lebt vom Ehrenamt, um einmal den bekannten Schauspieler Karlheinz Böhm zu zitieren. Herr Ministerpräsident, Sie haben bei diversen Anlässen – wie ich finde, zu Recht – darauf hingewiesen: Was ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält?
Das ist oftmals – nicht nur, aber oftmals – das Engagement Ehrenamtlicher. Aber Sie haben völlig recht, und das ist Ihr gutes Recht. Sie haben das im Sommerinterview aus politischen Gründen als Thema gesetzt: Wir wollen Ehrenamtliche unterstützen und ihnen etwas zurückgeben. – Sie hätten völlig recht, wenn Sie, wenn der Vorschlag von uns gekommen wäre, also von einer der Oppositionsfraktionen, als Erstes gefragt hätten, was das kostet, und als Zweites, ob das umsetzbar ist.
Das schenke ich mir an dieser Stelle ausdrücklich; denn ich finde, dass das eine kleinkarierte Debatte wäre, wenn wir Menschen für ihre Leistung Anerkennung entgegenbringen und ihnen etwas zurückgeben wollen. Deswegen machen wir das so nicht.
Ich will aber etwas sagen, weil Herr Pentz – Sie sind in der Tat ein sehr dankbarer Stichwortgeber – gesagt hat, die SPD verspricht allen alles. Die GRÜNEN und Kollege Frömmrich sind ja immer an erster Stelle und sagen: „Freibier für alle“, „Im Himmel ist Jahrmarkt“. Diese Sprüche kennen wir. Die SPD würde unseriöse Finanzierungsvorschläge machen.
Ja, wissen Sie, Herr Frömmrich, Sie müssen nicht für 19 Jahre CDU die Verantwortung tragen. Sie können es machen, und Sie machen es, aber Sie müssten es nicht. Sie müssten einmal darüber nachdenken, ob das besonders klug ist. Das ist aber nicht mein Problem, sondern eher Ihres.
Am 7. April 1999 – ich gestehe, das war ein düsterer Tag für die hessische SPD – wurde ein gewisser Herr Roland Koch – der mit den vielen nicht mehr vorhandenen Leuchttürmen – zum Ministerpräsidenten gewählt. Der Schuldenstand des Landes Hessen betrug zum damaligen Zeitpunkt 23,6 Milliarden €.
Bis Sie das kapieren, muss ich das noch jahrzehntelang vortragen. – Schuldenstand am 31.12.2017: 43,1 Milliarden €. Sie sind die größten Schuldenmajore in der Geschichte dieses Bundeslandes.
Deswegen können wir uns für den Rest dieser Parlamentswoche und auch der nächsten Woche einmal darauf einstellen: Wenn die CDU von solider Finanzpolitik spricht, ist das so glaubwürdig, wie wenn der Metzgermeister erklärt, eigentlich sei er Vegetarier und könne kein Blut sehen. So glaubwürdig ist das.
Da passt nahtlos das Thema Landesticket dazu. Die SPD hat im Jahr 2015 ein sogenanntes Jobticket gefordert. Das war 2015. Ich will damit nur sagen: Auch andere haben gute Ideen. Denn es heißt immer: macht Vorschläge. Wir haben Haushaltsanträge eingebracht. Nicht ein einziger Antrag der Opposition ist angenommen worden.
(Michael Boddenberg (CDU): Die Finanzierung fehlt regelmäßig! – Zurufe von der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)
Deswegen kommen wir jetzt zu Ihnen, Herr Ministerpräsident Bouffier. Es geht hier nicht um Einzelheiten und Details. Aber ich finde, Kollege Rock hat eine richtige Frage aufgeworfen:
Was hält die Gesellschaft zusammen? – Sie sagen, 15.000 – es sind übrigens keine 20.000 – Inhaber der EhrenamtsCard sollen das sogenannte Landesticket nutzen können. Das kostet das Land Hessen etwas. 15.000 war die Zahl, die auch im Internet steht. Aber das kann man überprüfen. Das ist geschenkt.
Wir haben 2 Millionen Ehrenamtliche. Wir haben etwa 580.000 Personen in den hessischen Sportverbänden, darunter 135.000 als Vorstand, Trainer oder Übungsleiter. Wir haben 75.000 freiwillige Feuerwehrleute. Wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tafeln, von Flüchtlingsorganisationen und -hilfen, im Deutschen Roten Kreuz, beim THW.
Jetzt sagen Sie, dass 15.000 etwas bekommen. Oft geht es den Ehrenamtlichen – das ist meine Lebenserfahrung – nicht um das Geld, sondern sie wollen ein kleines Dankeschön aus der Gesellschaft. Daran können wir gemeinsam arbeiten, dass das verbessert wird.
Sie wollen ein kleines Dankeschön zurückbekommen. Da muss man sich darüber austauschen, wie wir das organisieren. Geld ist oft nicht das Problem. Ich stelle eher fest, wenn wir schon beim Thema Ehrenamt sind, dass – –
Wissen Sie, Herr Boddenberg, ich weiß ja nicht, wie Sie in Frankfurt unterwegs sind. Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich über viele Jahre unterwegs war. Ich sehe nicht alle Abgeordneten anderer Parteien. Da begegnet es mir beim Ehrenamt, dass Leute teilweise verzweifelt sind.
Es löst sich der Männergesangverein auf, der Heimatverein. Sie finden keine Leute mehr. Sie verzweifeln teilweise an der Steuerbürokratie. Das ist ein Thema, über das wir seit Jahren reden. Sie verzweifeln an Auflagen von Behörden, wenn es um ein Sommerfest geht. Das sind sehr praktische Beispiele, wo es darum geht, ob wir Ehrenamtlichen helfen und ihnen die Arbeit erleichtern können oder ob wir das Ehrenamt kaputt machen. Das ist leider auch eine Entwicklung in dieser Gesellschaft.
Was sage ich denn den Mitarbeiterinnen in der Tafel? Das ist eine Aufgabe, die vielleicht nicht jeder übernehmen kann. Diese Mitarbeiterinnen arbeiten übrigens auch ehrenamtlich oft mehr als fünf Stunden. Was macht der Jugendleiter und der Übungsleiter, der eine Mannschaft betreut? Ich war selbst einmal Jugendleiter und weiß, was das für eine Arbeit ist. Er hat keine Jugendleitercard, weil sie an formelle Voraussetzungen geknüpft ist.
Was sage ich dem Feuerwehrmann, der keine Aufwandsentschädigung bekommt, Bereitschaft hat, manchmal auch zu Bränden gerufen wird und dann wieder an die Arbeit geht? Er bekommt nach Ihrer Diktion nichts. Sie schaffen ein Ehrenamt erster, zweiter und dritter Klasse. Das ist der falsche Ansatz. Das ist definitiv der falsche Ansatz.
Was mache ich mit den Damen im Hospizverein? Das ist eine Aufgabe, die wahrscheinlich viele von uns so gar nicht wahrnehmen könnten. Herr Ministerpräsident Bouffier, was sage ich den vielen Tausend ehrenamtlichen Kommunalpolitikern? Jetzt könnten Sie sagen: Sie bekommen eine Aufwandsentschädigung. – Na ja, manchmal bekommen sie 5 €. So sind manchmal die Beträge. Dann bekommen sie noch ein Getränk, das sie bezahlen müssen. Aber das ist es dann auch schon. Was sagen Sie den vielen Ehrenamtlichen in solchen NGOs und anderen? Was sagen Sie ihnen?
(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU) – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Gehen Sie doch nach vorn!)
Das Ehrenamt soll in der Verfassung als Staatsziel verankert werden. Ja, man hätte auch darüber reden können, wie wir gemeinsam – wir haben ja eine gemeinsame Informationskampagne –, über eine gemeinsame Aktion in diesem Landtag, möglicherweise auch Mittel bereitstellen. Geld ist aber nicht alles. Da sind wir uns auch einig. Warum haben wir nicht eine gemeinsame Aktion auf den Weg gebracht? Dann wäre der Verdacht, dass es ein paar Tage vor der Landtagswahl ein kleinkariertes parteipolitisches Karo hat, gar nicht auf den Weg gekommen,
sondern es wäre klar: Wir brauchen dieses Ehrenamt in der Gesellschaft, und wir brauchen diese Menschen dazu.