Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

Die Verfassungsschutzämter arbeiten nach objektiven Kriterien, die sich politischer Einflussnahme entziehen müssen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Herr Maaßen auch?)

Sie haben sich dabei an der Gesetzeslage und unserem Rechtsstaat auszurichten. Meine Damen und Herren, ich gehe sogar ein Stückchen weiter. Es würde ein fataler Eindruck entstehen, wenn es nur des Fingerzeiges eines Innenministers oder von wem auch immer bedürfte, dass der Verfassungsschutz mit seinen Leuten irgendwelche Menschen, Organisationen oder sonst irgendetwas in unserem Lande mit nachrichtendienstlichen Mitteln verfolgt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich warne sogar davor, dass wir am Ende mit solchen Forderungen die Seriosität des Verfassungsschutzes untergraben.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das machen die doch selbst!)

Vielleicht ist dies das Ziel der LINKEN in diesem Lande.

(Manfred Pentz (CDU): Das könnte sein!)

Was würde geschehen? Es würde ein Raum entstehen, in dem ein Opfermythos entstünde, den die AfD-Gruppen geradezu lechzend herbeireden wollen. Dieser Opfermythos würde am Ende noch weiter bedient werden. Ich glaube, dass wir klug beraten sind, wenn wir nicht den Eindruck entstehen lassen, dass die Politik sich eines lästigen Wettbewerbers mithilfe des Verfassungsschutzes in irgendeiner Weise politisch entledigt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Ach so? Bei uns ging das natürlich!)

Wir müssen den politischen Kampf aufnehmen. Darüber haben wir uns auch in der Debatte über die Regierungserklärung am vergangenen Dienstag verständigt.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN – Glocken- zeichen des Präsidenten)

Die AfD schürt Hass und Feindseligkeit. Dafür gehört sie von demokratischen Wählern abgestraft. Das ist unser politischer Auftrag, und den verfolgen wir insbesondere auch in den nächsten Wochen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist Punkt 52 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 53 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessen ist offen, bunt und vielfältig – Diskriminierung und Menschenfeind- lichkeit haben hier keinen Platz) – Drucks. 19/6773 –

Wünscht jemand der GRÜNEN das Wort? – Herr Kollege Bocklet. Etwas spät; er ist noch gezeichnet von dem Kopfball. Da sind wir nachsichtig. Bitte sehr, du hast das Wort.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Können wir das nicht wie beim letzten Mal machen und die Debatte beenden?)

Ja, es hat nachhaltigen Schaden ausgelöst. Sie haben recht.

(Heiterkeit des Ministers Tarek Al-Wazir)

Es war gut gemeint.

Es hat zu Reaktionsverzögerung geführt. Ich danke dem Präsidenten für das Verständnis. – Und den stellvertretenden Ministerpräsidenten wird sein Lacher noch teuer zu stehen kommen. Ich sage nur: Kickers Offenbach.

(Heiterkeit)

Herr Kollege Bocklet, jetzt wollen wir doch wieder zur Sache kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein ernstes Thema. Anlass für diese Aktuelle Stunde ist, dass es zu viele und bedauerlicherweise viel zu viele aktuelle Anlässe dazu gibt. Es geht um die Rechtspopulisten und deren Auftreten. Wer die Äußerungen der Rechtspopulisten auf allen Kanälen verfolgt, gewinnt den Eindruck, dass sie uns in finstere Zeiten zurückkatapultieren wollen.

Sie hetzen gegen Geflüchtete, gegen Menschen mit Migrationshintergrund, gegen Juden und Moslems. Sie fantasieren davon, dass die Funkhäuser sowie die Presseverlage gestürmt und die Mitarbeiter auf die Straße gezerrt werden sollen. Sie halten Sexualkundeunterricht für Frühsexualisierung, lehnen jede Form von Partnerschaft und Familie ab, die nicht dem Fünfzigerjahreideal der Kleinfamilie entspricht, sie gehen mit Leute auf die Straße, die offen Nazisymbole zeigen.

Lassen Sie es mich deshalb in diesem einen Satz sagen, weil es in solchen Zeiten notwendig ist, klare Haltung zu zeigen: Diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen – ich weiß, dass das auch für alle Fraktionen dieses Hauses gilt – stehen für ein tolerantes und weltoffenes Hessen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Allgemeiner Beifall)

Wir alle stehen für eine Streitkultur, und zwar im Hinblick auf alle Probleme. Niemand von uns duckt sich hier weg, vor keinem Thema. Aber genauso klar ist: Wir stellen uns gegen im Internet organisierte Aufmärsche von rechtsextremen Gruppen, aus denen heraus auf Menschen, die anders aussehen, Jagd gemacht wird und jüdische Restaurants angegriffen werden, wie z. B. in Chemnitz. Wir wenden uns gegen jegliche rechte Gewalt und Stimmungsmache und werden auch hier keinen Zentimeter zurückweichen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die so angegriffenen Menschen genießen unseren Schutz und unsere Solidarität.

(Manfred Pentz (CDU): Ja!)

Wir überlassen sie nicht alleine dem rechten Mob. Dieses Signal soll heute hier vom Hessischen Landtag ausgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ziel der Attacken auf den Straßen von Chemnitz waren ausländisch aussehende Menschen. Rund ein Viertel aller Hessinnen und Hessen hat einen Migrationshintergrund, ist also selbst im Ausland geboren oder hat mindestens einen zugewanderten Elternteil. Bei den unter 18-Jährigen sind es sogar 37 %. Migrati

on war und ist ein Teil der Realität unseres Landes, und zwar über Hunderte von Jahren. Ich sage es unmissverständlich: Alle diese Menschen gehören zu uns und unserer Gesellschaft – ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir wissen, dass Integration ein Prozess ist, der allen etwas abverlangt. Für alle gelten die Werteordnung und die Anerkennung unseres Grundgesetzes. Wir haben in der Integrationspolitik mit dem Integrationsplan von über 76 Seiten ein umfangreiches Handlungsfeld aufgetan und zeigen, dass wir diese Integration auch friedlich schaffen wollen. Wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich jeder Mensch unabhängig von Herkunft und Religion entfalten, an der Gesellschaft teilhaben und selbst zu einem friedlichen, eigenverantwortlichen und freundschaftlichen Zusammenleben beitragen kann. Dafür stehen wir hier im Hessischen Landtag. Wir wollen ein Zeichen setzen für Toleranz und Akzeptanz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn ich von einem Zeichen für Toleranz und Akzeptanz spreche, dann lassen Sie mich auch noch ein zweites Thema ansprechen, das nicht immer völlig reibungslos diskutiert wird. Es geht um die Akzeptanz von Vielfalt und die bald stattfindende sogenannte Demonstration für alle – „Demo für alle“. Diese Leute wollen, dass die Themen sexuelle Identität, Geschlechterrollen und Identitätssuche gänzlich aus dem Schulunterricht verschwinden. Sie greifen die gleichwertige und vorurteilsfreie Darstellung von Heterosexuellen, Lesben, Schwulen, Bisexuellen, transund intergeschlechtlichen Menschen an und drängen so Kinder aus Regenbogenfamilien, Jugendliche und nicht zuletzt alle Menschen, die nicht der Heteronormalität entsprechen, an den gesellschaftlichen Rand.

Weil alle glauben, das sei nur ein Thema für Minderheiten, will ich Folgendes sagen: Ich glaube, am Anfang richten sich Hetze und Gewalt nur gegen Minderheiten, gegen anders Liebende, dann werden daraus Hetze und Gewalt gegen anders Aussehende und am Ende ist es Gewalt gegen Andersdenkende. Dieser Menschenhass beginnt bei Minderheiten und wird bei uns allen enden.

(Allgemeiner Beifall)

Wir dürfen uns nichts vormachen: Wer sich zuerst auf kleine Minderheiten fokussiert, dessen Gewalt wird am Ende bei uns allen landen. Allen, die in Gedanken und in Hinterzimmern heimlich damit sympathisieren: Das ist nur der Anfang. Hier gilt: Wehret den Anfängen. Diese Minderheiten brauchen deshalb unseren Schutz und unsere Solidarität, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Allgemeiner Beifall)

Hessen hat die geringste Zahl von rechtsextremen Straftaten. Das ist gut so. Aber jede Straftat ist eine zu viel in diesem Bereich. Wir werden dafür sorgen, und wir wollen das auch, dass es so bleibt. Wenn es uns in dieser Aktuellen Stunde gelingt, diese Botschaft geschlossen zu senden, dann ist es eine gelungene Aktuelle Stunde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hessen akzeptiert keine Gewalt und keinen Hass.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Das Wort hat Abg. Ismail Tipi, CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Großmeister, meine Damen und Herren!

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Diese zwei Sätze stehen am Anfang unseres Grundgesetzes. Sie machen deutlich: Hass, Diskriminierung, Intoleranz und Respektlosigkeit haben in unserer Gesellschaft keinen Platz.