Wir haben aber auch die Aufgabe – und das ist mir ein bisschen zu kurz gekommen –, die Frage zu beantworten, was wir jetzt eigentlich tun müssen, damit wir die Veränderung in der Gesellschaft auch wahrnehmen.
Der Soziologe Andreas Reckwitz diagnostiziert „eine kulturelle Entwertung und Kränkungserfahrung“ der Mittelklasse, die in Konkurrenz zu einer neuen Avantgarde von Hipstern und Globalisierungsgewinnern meint, nicht mithalten zu können. Wir brauchen einen handlungsfähigen und starken Staat und keine Sparattitüden. Ich will das ausdrücklich sagen. Denn wir brauchen ausreichend Justiz, um rechtsstaatliche Verfahren zeitnah umsetzen zu können.
Wir brauchen eine gut ausgebildete und gut ausgestattete Polizei, mehr Lehrerinnen und Lehrer und bezahlbare Kitaplätze. Da haben Sie noch erheblichen Nachholbedarf.
Herr Frömmrich, ich sage das ganz deutlich: Es braucht genau diesen demokratischen Diskurs. Es geht nämlich um die Unterscheidbarkeit von Demokraten und nicht darum, zu entpolitisieren, weil das zum Gegenteil führt. Damit werden Sie gegen Rechtspopulisten in diesem Land nicht durchkommen.
Ich glaube, Anlass der Rede war die sogenannte – ich finde den Namen unsäglich – „Demo für alle“, die heute Nachmittag in Hessen erwartet wird. Dieser rückwärtsgewandten Aktion, die aus dem AfD-Umfeld stammt, tritt zum Glück das Bündnis für Akzeptanz und Vielfalt entgegen, an dem wir uns als Sozialdemokraten auch beteiligen und schon immer beteiligt haben. Diese Gegendemonstration ist wichtig und richtig, um diese Verschiebung in der Gesellschaft eben nicht zuzulassen und frühzeitig zu sagen, dass wir für Offenheit und Vielfalt stehen.
Deswegen will ich auch einmal sagen: Meine liebe CDU, nur reden hilft nicht. Sie sollten auch einmal dahin gehen; denn Sie waren bislang dort noch nicht.
Es wäre in der Tat schön, wenn Sie Ihre Errungenschaften, die Sie in das Schulgesetz hineingeschrieben haben, auch auf der Straße einmal verteidigen würden, meine Damen und Herren der CDU.
Ich will Ihnen zum Schluss noch eines mitgeben: Es geht hier nicht nur um Reden, sondern auch um Handeln.
Wir bitten Sie und fordern Sie nochmals auf: Bitte unterstützten Sie diejenigen, die zivilgesellschaftlich unterwegs sind, die in Institutionen und mit ihren Vereinen gegen Rechtsextremismus wertvolle Arbeit in Hessen leisten, auch dauerhaft finanziell und nicht nur in dem unsäglichen Projektstatus.
Tun Sie endlich etwas für die politische Bildung und für Demokratieerziehung in Hessen. Wir haben erheblichen
Handlungsbedarf, um diesen Dingen auch etwas entgegenzuhalten. Da haben wir so großen Nachholbedarf, und das fehlt mir auch in einer solchen Debatte.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir benötigen eine gehörige Kraftanstrengung, um unsere offene, freie und tolerante Gesellschaft zu verteidigen. Lassen Sie uns nicht nur reden, sondern auch handeln, und zwar jeder Einzelne in diesem Haus – privat oder beruflich. Daran kann ich nur appellieren. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unverständnis führt meist zu Vorurteilen, zu Intoleranz und am Ende zu Diskriminierung; lassen Sie mich kurz darauf eingehen. Ich würde die fünf Minuten gern verwenden, um auf die „Demo für alle“ einzugehen, die gerade vor den Toren des Landtags stattfindet.
Stichwort: Vorurteile. Wenn Sie in der Langen Reihe in Hamburg abends auf der Straße sind und jemanden in einem schwarzen Lederoutfit treffen, muss er nicht unbedingt Motorrad fahren.
Wenn Sie am Samstagabend in Frankfurt sind und einen jungen Mann im Sportdress sehen, kommt er nicht unbedingt gerade vom Sportplatz.
Wenn ich sage, ich hätte in Mainz einen „Neger“ getroffen, heißt das nicht unbedingt, dass ich einen farbigen Menschen getroffen habe, sondern vielleicht meine ich einen Handwerksmeister, der eine große Tradition in der rheinland-pfälzischen Fasnacht hat. – Wissen Sie, worauf ich hinauswill?
Vorurteile: Sie haben ein Bild im Kopf, und Sie müssen ständig daran arbeiten, dieses Bild wieder zu revidieren.
(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, wenn Sie einer Dame auf Stöckelschuhen begegnen, muss es nicht eine Frau sein. Ich will auch ganz klar sagen: Nicht jeder, der sich in Frauenkleidern wohlfühlt, praktiziert die Kunst der Travestie, sondern mitunter handelt es sich um Menschen, die transsexuell sind.
Ich erlebe immer wieder, dass uns erst das Bundesverfassungsgericht erklärt, dass hierbei Diskriminierung stattfindet,
zuletzt beim Transsexuellengesetz, beim Namensrecht, bei der Frage der Definition der Geschlechter. Warum müssen immer die obersten Richter uns als Parlamentariern eigentlich sagen: „Was ihr hier macht, ist Diskriminierung“?
(Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Na, na, na!)
(Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von der SPD: Dann müsste ja alles falsch sein, weil er es nicht versteht!)
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle helfen nur Aufklärung und das Reden mit den Menschen. Wenn ich etwas nicht verstehe, muss ich für Verständnis sorgen; ich muss Vorurteile abbauen. Nur das schützt am Ende vor Diskriminierung. Wenn ich verstehe, aus welchem Kulturkreis jemand kommt oder welchen Glauben er hat, bin ich ein Stück weit vor Diskriminierung geschützt. Aber ich muss mich immer wieder selbst überprüfen und den Kopf einschalten.
Meine Damen und Herren, in der Tat müssen wir das bei den Jüngsten machen. Nicht jeder bekommt das von zu Hause mit. Die Schulen haben hierbei eine wichtige Rolle. Lassen Sie mich sagen, dass ich glaube, dass die Landesregierung sowie Kai Klose als Staatssekretär, aber auch vorher als Abgeordneter einen großen Anteil daran haben, dass wir in Hessen dabei ein ganz großes Stück weitergekommen sind.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Ich glaube nicht, dass wir ein Antidiskriminierungsgesetz brauchen. Ich glaube, dass wir anfangen müssen, bei den Menschen für Aufklärung zu sorgen. Ich würde mir wünschen, dass wir im Land Hessen auch beim Diversity Management einen großen Schritt weiterkommen. Hessen ist auch ein großer Arbeitgeber.
Lassen Sie mich damit enden, was immer die Position der Freien Demokraten war: keine Toleranz für Intoleranz.
(Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU)
Hessen ist offen, bunt und vielfältig. Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit haben hier keinen Platz. Hätten Sie, liebe CDU und GRÜNE, diesen Satz zur Abstimmung gestellt, wir hätten ihm zugestimmt. – Vielen Dank.