Protokoll der Sitzung vom 25.06.2014

Meine Damen und Herren, das ist der springende Punkt. Vor allem CDU- und im Übrigen auch FDP-Abgeordnete wollen sich offensichtlich mit den Betroffenen gar nicht an einen Tisch setzen. Offenbar wollen Sie nicht öffentlich erklären, warum Sie Ihre Meinung nun geändert haben. Das ist den Betroffenen gegenüber eigentlich sehr feige.

Meine Damen und Herren, ich habe lange überlegt, wie wir mit diesem Affront gegenüber den betroffenen Polizeibeamtinnen und -beamten umgehen sollen. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, Ihnen nochmals eine Möglichkeit einzuräumen, Ihre starre Haltung zu überdenken. In einer solch wichtigen Angelegenheit sollten die Betroffenen, ihre Gewerkschaft und die Verbände unbedingt im Landtag öffentlich angehört werden.

Deshalb beantrage ich für unsere Fraktion hiermit, eine dritte Lesung durchzuführen und unseren Gesetzentwurf dem Innenausschuss zurückzuüberweisen. Dies halte ich für den einzig angemessenen Umgang mit den Sorgen und Befürchtungen hessischer Polizeibeamtinnen und -beamten.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Danke, Herr Schaus. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Bauer das Wort.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er und in Sorge für die hessischen Polizeibeamten – das ist schon absurd! – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Frömmrich, Sie haben es auch schwer! – Heiterkeit bei der SPD)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Politik beginnt mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit. Herr Kollege Schaus, die Wirklichkeit ist: Niemand will Ihren Gesetzentwurf. Sie haben doch gehört – ich war Berichterstatter –: Er wurde von allen anderen Fraktionen im Ausschuss abgelehnt, und das mit gutem Grund.

Wir sind zwar der Überzeugung, dass wir eine Kennzeichnung wollen, das stimmt. Dazu aber brauchen wir nicht Ihren Gesetzentwurf. Darin sind sich zumindest die anderen Fraktionen einig.

Ich will Ihnen einmal erklären, was der Grund dafür ist. Schon jetzt sind wir kurz davor, in Abstimmung mit den Betroffenen – das ist das entscheidende Momentum – eine Regelung zu finden, die akzeptiert und toleriert wird und die auch die berechtigten Interessen der Polizeibeamtinnen berücksichtigt und in Schutz nimmt. Das ist der Weg, den der Innenminister geht. Wir unterstützen ihn bei diesem Vorhaben,

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

und alle anderen Fraktionen sehen das im Grunde ähnlich.

(Beifall der Abg. Sigrid Erfurth, Jürgen Frömmrich und Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich will Ihnen noch einen zweiten Grund nennen, weshalb Ihr Gesetzentwurf mehr als fragwürdig ist. Sie sagen zwar, er sei von den Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN übernommen. In der Tat haben die ihn auch schon einmal

eingereicht. Dazu wurde eine Anhörung durchgeführt. Die Unterlagen liegen vor. Dort haben sich bei Weitem nicht alle so positiv geäußert und gesagt, das ist das Geschenk des Himmels. Haben Sie einmal die Stellungnahme der Polizeigewerkschaften gelesen?

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja!)

Keine Einzige sagt: Das muss kommen, das muss schnell kommen, das ist das Nonplusultra. Keine Einzige.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das würde ich gerne mit denen öffentlich diskutieren!)

Deshalb ist es wichtig, die Betroffenen mitzunehmen. Ich frage mich ernsthaft: Wir wollen zwar in der Sache das Gleiche, wir wollen eine Identifizierung der Polizeibeamten ermöglichen. Dafür wollen wir eine sinnvolle Variante finden. Dabei geht Genauigkeit vor Schnelligkeit.

Interessant ist aber, und das habe ich Sie auch schon beim letzten Mal gefragt, und auch bei der dritten Lesung werde ich Sie danach fragen: Sie haben den Gesetzentwurf der GRÜNEN 1 : 1 abgeschrieben. Im Textentwurf des Gesetzes haben Sie alles, paste and copy, übernommen. Dabei haben Sie darauf hingewiesen, dass das von den GRÜNEN ist. Dort sagen Sie, was Sie wollen. Das ist in Ordnung.

Zu einem Gesetzentwurf gibt man aber immer auch eine Begründung und schreibt, warum man etwas will. Da ist es schon spannend – ich habe das einmal farblich markiert –,

(Der Redner hält ein Blatt Papier hoch.)

dass Sie alles Orangene übernommen haben, einen entscheidenden Passus aber nicht. Ich will Ihnen einmal sagen, was Sie nicht übernommen haben. Dazu müssten Sie sich einmal äußern. Gerne schenke ich Ihnen dafür etwas Redezeit von mir. Denn damals schrieb unserer Koalitionspartner von heute:

Die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols durch die Polizei ist ein zwingender und zentraler Aspekt des demokratischen Rechtsstaats. Er muss geschützt und gestärkt werden …

Und das Zitat geht weiter:

Die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols durch die Bürger ist von erheblicher Bedeutung.

Ich frage Sie noch einmal: Erkennen Sie das staatliche Gewaltmonopol an, oder erkennen Sie es nicht an? Denn das ist die entscheidende Frage. Warum haben Sie das weggelassen? Es steht in Ihrer Begründung nicht drin.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Lesen Sie jetzt unseren Text auch vor! Warum lesen Sie unseren Text jetzt nicht vor?)

Das zeigt, wes Geistes Kind Sie sind. Das fügt sich nämlich organisch in die Debatte von vorhin ein. Denn auch bei Blockupy lauten die Fragen: Welches Rechtsstaatsverständnis haben Sie? Wie gehen Sie mit den Urteilen unserer Gerichte, unserer unabhängigen Justiz um? Welches Verständnis haben Sie von Polizeibeamten?

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, das zeigt, welche Auffassung Sie von unserer hessischen Polizei haben.

(Beifall der Abg. Astrid Wallmann (CDU) sowie der Abg. Sigrid Erfurth und Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist absurd!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre ein Leichtes gewesen, das Bekenntnis zum Gewaltmonopol des Staates mit aufzunehmen. Wenn Sie in Ihrer Begründung sagen, eine Kennzeichnung würde das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei stärken und schützen, dann muss ich Ihnen nochmals sagen: Die Menschen vertrauen der hessischen Polizei wie fast keinem anderen Berufsstand. Es gibt jährlich Untersuchungen, welche Berufe ein besonderes Prestige, ein besonderes Ansehen bei den Menschen haben.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

In der Regel ist da der Arzt ganz weit vorne, auch die Krankenschwester, und regelmäßig auf Platz 3 sind die Polizeibeamten und auch die Feuerwehrleute. Das ist einer der am meisten geschätzten und geachteten Berufe in Deutschland – ob mit oder ohne Kennzeichnung, spielt keine Rolle. Die Menschen vertrauen der Polizei, und das ist auch gut so. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sie haben dafür auch ihre guten Gründe.

(Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU) und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das mag bei Ihnen und bei den Ihnen nahestehenden Gruppierungen anders sein. Aber das beweist nach unserer Auffassung nur, wie weit weg Sie von den Menschen sind und wie weit weg vom gesunden Menschenverstand.

Das vergessen Sie bei Ihrer Argumentation: Auch die Polizisten haben ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das vergessen Sie immer.

(Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU) und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Nancy Faeser (SPD): Aha!)

Schon jetzt werden sie bei geschlossenen Einsätzen nahezu flächendeckend von einer Seite fotografisch und auf Video festgehalten. Schon jetzt gibt es im normalen Dienst Kennzeichnungen und Namensschilder. Schon jetzt gibt es im Sinne einer transparenten Verwaltung die entsprechenden Auflagen, vom damaligen Innenminister Boris Rhein bereits ausgegeben, dass sich Polizisten zu kennzeichnen haben.

Es wird sie nicht überraschen, dass wir unsere Vereinbarung laut Koalitionsvertrag – auch wenn wir die Notwendigkeit etwas anders gewichten – gewissenhaft umsetzen werden. Wir werden sie bewusst gewissenhaft umsetzen, denn nach unserer Auffassung geht es nur eng mit den Betroffenen, und das muss mit der Personalvertretung kommuniziert und abgesprochen werden.

Nach seiner Auskunft ist der Minister mitten in diesem Prozess. Wir warten das Ende dieses Prozesses ab und sind der festen Überzeugung, dass er zu einem guten Ende kommt.

Übrigens haben Sie im letzten Jahr, als wir das debattiert haben, noch selbst gesagt: Dazu brauchen wir keinen Antrag, wir brauchen dazu kein Gesetz – es reicht eine Verordnung. Nichts anderes wollen wir heute tun. Wir wollen abwarten, damit der Minister eine entsprechende Verordnung auf den Weg bringt.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Deshalb sage ich zum Schluss meiner Rede: Wir brauchen diesen Gesetzentwurf nicht in der zweiten Lesung. Wir werden ihn ablehnen, und wir werden ihn auch in der dritten Lesung ablehnen. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Bauer. – Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Faeser gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bauer, ich bin schon ein bisschen überrascht über Ihren Redebeitrag.

Erstens haben wir ein anderes Abstimmungsverhalten gehabt, weil wir andere Gründe hatten. Wir haben es in der Sache abgelehnt.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens waren wir damit die Einzigen. Das finde ich schon interessant, denn auf der anderen Seite reden Sie hier davon, dass man die Polizei schützen und sich vor sie stellen muss. Eine Begründung aber haben Sie hier nicht vorgetragen: Es gibt Bedenken innerhalb der Polizei hinsichtlich der Grundrechte, und zwar begründet mit der Kennzeichnungspflicht.

Sie stellen sich hierher und sagen gleichzeitig, Sie würden das, was die LINKEN heute beantragen, in einer Rechtsverordnung machen. Herr Bauer, so ganz passt das nicht zusammen.