(Günter Rudolph (SPD), zum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Und was heißt das jetzt? – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ihr Rücktritt ist überfällig, Herr Irmer! Das sollten Sie von selbst tun!)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Äußerungen von Herrn Irmer muss man bei all dem, was hier schon gesagt worden ist, auch unter einem anderen Aspekt sehen. Es steht in einem zeitlichen Zusammenhang mit den Veröffentlichungen des Kollegen Kai Klose, Parteivorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der zu dem Thema Homosexualität in Schulen in den Medien berichtet und erklärt hat, was die Landesregierung zukünftig vorhat. Der Kollege Klose sagt, man könne niemanden schwul machen.
Herr Irmer, ich glaube, dies ist eine richtige Aussage, an der überhaupt kein Zweifel bestehen sollte. Aber sechs Tage später erfolgt Ihre Pressemitteilung. Da diese zeitlich derartig nahe steht, könnte man auf die Idee kommen, die CDU-Fraktion würde vor allem Sie als rechtspopulistisches Aushängeschild gebrauchen.
Ich glaube, dass auch genau dies das Problem aufzeigt: nicht so sehr, was Sie persönlich darüber denken – dazu, wie auch zu dem, was Sie gerade eben gesagt haben, würde ich mich gern einmal ganz persönlich mit Ihnen unterhalten –, sondern der Umstand, dass Sie eine herausgehobene Position als bildungspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion haben.
Dann stellt man natürlich die Frage: Wie sehen Sie das mit einem homosexuellen Lehrer? Glauben Sie allen Ernstes, dass ein schwuler Lehrer, wenn er als Vorbild fungiert, Jugendliche schwul machen kann? – Das steckt dahinter.
Herr Irmer, was ist normal in Ihren Augen? Wenn Sie sagen, Homosexualität ist nicht normal, was ist es denn dann in Ihren Augen?
Sie begeben sich mit dieser Aussage gesellschaftspolitisch auf ganz dünnes Eis. Wenn es nicht normal ist, dann heißt es im Umkehrschluss – das knüpft an Äußerungen an, die Sie in den vergangenen Jahren gemacht haben –, dass es wohl irgendwie zu korrigieren ist. Dann sind wir nicht weit weg von Thesen, dass Homosexualität heilbar sei.
Herr Irmer, ein Mensch entscheidet sich nicht für seine sexuelle Orientierung. Er wird damit geboren. Viele junge Menschen müssen damit klarkommen. Sie müssen am besten sehr früh ein Vorbild haben. Homosexuelle Lehrer können auch ein Vorbild sein, um ihr Leben zu gestalten. Aber kein heterosexueller Mensch, kein heterosexueller Schüler wird nur deswegen schwul, weil er einen schwulen Lehrer vor sich hat.
Meine Damen und Herren, wir müssen Menschen unterstützen, mit ihrem Leben ins Reine zu kommen, was heute immer noch keine Selbstverständlichkeit ist. Wir haben dazu viel beigetragen. In den letzten Jahren ist dazu sehr viel geschehen. Ich habe gedacht, dass wir ein Stückchen weiter gekommen sind.
Herr Irmer, dieser Appell, dass Sie Ihren Worten jetzt auch Taten folgen lassen müssen – ich glaube nicht so recht daran. Ich will Sie aber ganz gerne beim Wort nehmen. Ich lade Sie gerne ein: Werden Sie aktiv, gehen Sie zu den Schwulenverbänden, und legen Sie Ihre Thesen dar. Stellen Sie sich offensiv dieser Diskussion. Wenn Sie das nicht tun, sind Sie als bildungspolitischer Sprecher für Ihre CDU-Fraktion nicht mehr zu halten. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Alle paar Wochen diskutieren wir im Landtag erneut über unsägliche Äußerungen von Herrn Irmer, und das ist leider notwendig; denn der Landtag darf nicht schweigen, wenn ein Abgeordneter Ressentiments und Vorurteile in einer Weise schürt, wie Herr Irmer das immer wieder tut.
Diesmal ließ er verlautbaren, Homosexualität sei nicht normal, sonst hätte der Herrgott das mit der Fortpflanzung anders geregelt.
Herr Irmer, ich frage Sie: Wie armselig ist es, wenn man meint, sich auf Kosten von Flüchtlingen, auf Kosten von Migranten und in diesem Fall auf Kosten von Homosexuellen profilieren zu müssen? Was Sie machen, das ist Wasser auf die Mühlen der NPD und anderer Rechter, und genau von denen wurden Sie schon des Öfteren gelobt.
Das war auch keine Richtigstellung in der Sache. Es ist immer das Gleiche: Sie verbreiten Ihre Thesen, Ihre Äußerungen, und dann rudern Sie ein bisschen zurück und reden von Missverständnissen, Sie hätten sich möglicherweise falsch ausgedrückt, Sie seien falsch verstanden worden. In der Sache nehmen Sie überhaupt nichts zurück.
In der Sache nehmen Sie nichts zurück, und das hat überhaupt keine Konsequenz. Sie sitzen immer noch in der ersten Reihe der CDU-Fraktion. Sie geben immer noch jeden Monat Ihr Schmierenblatt namens „Wetzlar Kurier“ heraus, in dem Sie jeden Monat Menschen beleidigen und herabwürdigen. Sie sind sogar wieder bildungspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion. Es ist immer das Gleiche: In der Sache nehmen Sie nichts zurück, halbseidene Entschuldigungen und Distanzierungen. Aber in der Sache bleibt genau das stehen.
Deswegen sage ich Ihnen: Sie können in Ihren Koalitionsvertrag hineinschreiben, was Sie wollen. Solange der stellvertretende Fraktionsvorsitzende das andauernd konterkariert, ist das vollkommen wertlos, was Sie auf das Blatt Papier schreiben.
Sie betätigen sich als Stichwortgeber für rechts außen. Sie vergiften ganz bewusst das gesellschaftliche Klima, und Sie profilieren sich auf Kosten von Minderheiten. Da frage ich auch den Ministerpräsidenten: Herr Bouffier, wie lange soll das noch so weitergehen?
Ich frage Sie: Hat Herr Irmer Narrenfreiheit? Wieso bleiben solche Sätze tagelang, eine Woche lang im Raum stehen?
Herr Ministerpräsident, ich fordere Sie auf: Nehmen Sie heute dazu Stellung, und sagen Sie etwas zu all den Menschen, die sich gekränkt und beleidigt fühlen durch diese Äußerungen. Sie haben das Recht, ein Wort des Ministerpräsidenten dazu zu hören.
(Lebhafter Beifall bei der LINKEN, der SPD und der FDP – Ministerpräsident Volker Bouffier unter- hält sich mit einem Kabinettsmitglied auf der Regie- rungsbank.)
Im Übrigen empfinde ich Ihr Verhalten in dieser Debatte nicht gerade als Ausdruck von Interesse, Herr Ministerpräsident.
Es ist hier keine Kabinettsitzung. Vielleicht könnten Sie der Debatte im Plenum zuhören und sich vor allem in die Debatte einmischen und klar und deutlich sagen, was Sie von den Äußerungen Ihres Parteifreundes halten.
Ich will ganz deutlich sagen: Es sind nicht die einzigen Äußerungen aus der hessischen CDU. Wenn ich mir vorstelle, was Frau Steinbach regelmäßig zum Thema Homosexualität von sich gibt, dann frage ich mich: Wer schützt die Verfassung vor geistigen Brandstiftern wie Herrn Irmer oder Frau Steinbach? Ich finde, es ist Aufgabe eines Ministerpräsidenten und eines CDU-Vorsitzenden in Hessen, dazu deutlich Stellung zu beziehen und sich nicht jedes Mal wieder wegzuducken und zu gucken, wie andere mit halbseidenen Erklärungen irgendwie versuchen, den Kopf wieder aus der Schlinge zu ziehen.
Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte, vor dem Hintergrund der Diskriminierung und des Unrechts, das Homosexuellen in diesem Land angetan wurde, sind diese Äußerungen von Herrn Irmer vollkommen ungeheuerlich. Die Unterstellung, Homosexualität sei nicht normal, oder, wie Sie es schon gesagt haben, Homosexualität sei heilbar und müsse geheilt werden, ist gefährlich. Das ist ein Brandsatz für unsere Gesellschaft, das machen Sie ganz bewusst, und das werfe ich Ihnen vor.
Ich finde, wenn alles so abseitig wäre, wie die GRÜNEN es sich gerne einreden, dass Frau Steinbach und Herr Irmer irgendwie Randerscheinungen seien, dann muss man sich schon fragen, warum die CDU solche Leute immer wieder zu Wahlen aufstellt und warum man sie in Parlamente entsendet und sie dort gewähren lässt.
Deswegen sage ich: Das sind keine Ausrutscher, das sind keine Aussetzer, und das sind vor allem auch keine Missverständnisse. Das ist ein ganz bewusstes Fischen am rechten Rand. Das wissen Sie. Die Hessen-CDU steht genau in dieser Tradition. Deswegen ist es so wichtig, dass der Landtag heute diese Äußerungen in der Sache zurückweist und sich nicht auf halbseidene Erklärungen von Herrn Irmer stützt.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Rechtspopulisten haben derzeit in Deutschland großen Zulauf. Wir müssen aufpassen, dass, wenn Menschen sich auf Kosten von Minderheiten profilieren, sich die Demokraten in der Gesellschaft geschlossen dem entgegenstellen, ob es nun von rechts außen kommt oder aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Die Äußerungen von Herrn Irmer sind eine Schande für den Hessischen Landtag, und ich fordere die CDU-Fraktion auf, endlich Konsequenzen zu ziehen und Herrn Irmer von seiner Funktion als stellvertretender Fraktionsvorsitzender und bildungspolitischer Sprecher zu entbinden und klarzumachen: Rechtsradikale Äußerungen haben keinen Platz in diesem Landtag. – Vielen Dank.