Protokoll der Sitzung vom 04.02.2015

Herr Abg. Warnecke, vielleicht zunächst zum Hintergrund. Der Haushaltsplanentwurf der Landesregierung, wie er zum damaligen Zeitpunkt dem Landtag zur Beratung vorlag, sah eine Entnahme aus der allgemeinen Rücklage von 186 Millionen € zur Deckung des Haushalts vor. Das dürfte in der Sache unstreitig sein. In der Sache ebenfalls unstreitig dürfte sein, dass dann noch ein Rest in der allgemeinen Rücklage, sozusagen als Notgroschen, von 90 Millionen € verblieb.

Darauf bezog sich der Ministerpräsident in seiner Aussage, weil Ihre Antragstellung zum damaligen Zeitpunkt vorgesehen hatte, diesen Notgroschen von 90 Millionen € vollständig aus der Rücklage zu entfernen, sodass für allfällige Haushaltsrisiken – ein Haushaltsrisiko sehen wir in der Realisierung, auch in den Anträgen des heutigen Tages, beispielsweise bei der Unterbringung von Flüchtlingen – dieses Geld nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte.

Insofern teilt die Landesregierung selbstverständlich die Auffassung des Ministerpräsidenten, dass eine sehr differenzierte Betrachtung bei der unterschiedlichen Entnahmequalität von Rücklagen notwendig ist. Wer die Rücklage bis auf den letzten Cent plündert, muss an dieser Stelle mit einer entsprechenden Formulierung in der Bewertung rechnen.

Gibt es Zusatzfragen? – Herr Kollege Warnecke.

Wenn ich es richtig verstanden habe, haben wir jetzt ein Äquivalenzprinzip. Das heißt, dass 180 Millionen € als Entnahme zu formulieren sind und 90 Millionen € als Plünderung. Das hieße im Umkehrschluss, dass zwei Plünderungen eine Entnahme sind.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Sagen Sie einfach Ja, und es ist gut! – Gegenruf des Abg. Günter Schork (CDU): Das zeigt, was er von Haushaltspolitik versteht!)

Herr Minister.

Das muss ein neuer Fachbegriff aus der Doppik sein, anders kann ich mir das nicht erklären.

Gibt es weitere Zusatzfragen? – Alles ist gesagt. Dann ist dieser Punkt auch abgehakt.

Meine Damen und Herren, wir haben für die dritte Lesung eine Redezeit von 15 Minuten je Fraktion vereinbart. In der Aussprache beginnt der Kollege Norbert Schmitt, SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Dank an die Mitarbeiter im Ministerium beginnen. Sie wissen, unsere Kritik gilt immer ausschließlich den Inhalten des Haushalts, aber nicht der Arbeit, die viele Mitarbeiter zu verrichten haben.

(Beifall bei der SPD)

Der Dank von uns geht auch an das Budgetbüro, das Hilfestellung für Änderungsanträge leistet, sofern sie gestellt werden. Wir haben welche gestellt, die Regierungsfraktionen haben mehr oder weniger darauf verzichtet.

Unser Dank gilt dem Vorsitzenden, der gerade die Sitzung zur Vorbereitung der dritten Lesung mit Souveränität und gleichzeitig mit der nötigen Geschwindigkeit durchgeführt hat – alle Achtung.

Mein Dank gilt – das will ich auch sagen – den haushaltspolitischen Sprechern der anderen Fraktionen. Da sind immer wieder sinnvolle und nützliche Gespräche jenseits der politischen Auseinandersetzungen möglich. Das finde ich

gut. Es bleibt bei sehr unterschiedlichen politischen Einschätzungen, das ist völlig klar. Aber es sind immer wieder einmal sehr vernünftige Gespräche am Rande des Plenums oder am Rande von Ausschusssitzungen möglich. Dafür herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Jetzt komme ich zu dem kritischeren Teil meiner Rede. Es wird Sie nicht überraschen, aber es hat mich schon überrascht und persönlich enttäuscht: Dieser erste vollständige schwarz-grüne Haushalt – 2014 gab es einen Nachtragshaushalt – ist eine einzige Enttäuschung.

(Beifall bei der SPD)

Er bedeutet eine Ignoranz der Finanznot der hessischen Kommunen. Er bedeutet eine mangelhafte Finanzierung der Infrastruktur in Hessen. Er bedeutet auch eine unzureichende Finanzierung des Sozialbereichs, insbesondere für soziale Initiativen und den öffentlich geförderten Wohnungsbau. Er bedeutet für die hessischen Beamtinnen und Beamten eine ungerechtfertigte Nullrunde bei der Besoldung.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, auch die Schwerpunktsetzungen dieses Haushalts sind eigentlich nicht erkennbar. Sie sind auch im Vergleich zu anderen Haushalten, die vorgelegt worden sind, unterdurchschnittlich. Deswegen muss ich Ihnen sagen: Dieser erste vollständige schwarz-grüne Haushalt ist insgesamt eine politische Nullrunde für Hessen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Entgegen den Behauptungen des Finanzministers ist auch dieser Haushalt nicht vom Sparen an den richtigen Stellen geprägt. So werden die sächlichen Verwaltungsausgaben um über 100 Millionen € gegenüber dem Finanzplan, den der Finanzminister noch vor etwa eineinhalb Jahren hier eingebracht hat, erhöht – um 100 Millionen € erhöht gegenüber seinen eigenen Planungen vor 15 Monaten.

Den Kommunen werden die notwendigen Mittel für die Erfüllung ihrer Aufgaben vorenthalten. Auch nicht gerade besonders sinnvolles Sparen ist es, wenn die Investitionsausgaben in Hessen um 60 Millionen € gekürzt werden. Das wird als Sparen verkauft, aber es ist Sparen an den falschen Stellen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Es werden insgesamt 270 Stellen gekürzt. Jetzt ist die Frage: An welchen Stellen? Wenn man sich die Kürzung der Stellenpläne ansieht, wird man feststellen, gekürzt wird vor allem im unteren Besoldungs- bzw. Tarifbereich. In den unteren Bereichen wird gekürzt, während in den Ministerien und den Mittelbehörden unter dem Strich sogar mehr Stellen geschaffen werden. In den Mittelbehörden und den Ministerien werden unter dem Strich 2,5 Stellen mehr geschaffen. 270 Stellen werden im unteren und mittleren Bereich gekürzt.

Meine Damen und Herren, auch dies finde ich Sparen an der falschen Stelle. Machen Sie es doch einmal umgekehrt,

Herr Minister. Da hätten Sie unsere Zustimmung zu einer solchen Personalpolitik. Aber nicht andersherum.

(Beifall bei der SPD)

Entgegen der Behauptung des Finanzministers ist der Haushalt auch nicht solide. Nur durch die Einlagerung von Steuermehreinnahmen aus dem Jahr 2014 in die Rücklagen und deren sofortige Auflösung kann im Jahr 2015 für die Schuldenbremse die Abbautreppe überhaupt eingehalten werden.

(Zuruf von der Regierungsbank: Das ist schlicht und einfach falsch!)

Herr Kollege, das ist ein echter Taschenspielertrick. Sie stecken 2014 etwas in die Tasche, um es 2015 sofort wieder herauszuholen.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist clever!)

Sie können sagen, dass das clever ist. Aber es ist auch rechtlich fragwürdig, Herr Kollege Rudolph.

(Günter Rudolph (SPD): Das wohl eher!)

Wir haben ein Ausführungsgesetz zur Schuldenbremse. In dem Ausführungsgesetz ist genau beschrieben, dass mit der neuen Gesetzgebung zur Schuldenbremse verhindert werden soll, Steuermehreinnahmen eines Jahres dazu zu verwenden, damit Mehrausgaben für das nächste Jahr oder im gleichen Jahr zu finanzieren. Genau das soll nämlich ausgeschlossen werden. Wenn Sie sich das Gesetz ansehen, dann müssen Sie sagen: Das entspricht sicherlich nicht dem Text und schon gar nicht dem Geist des Schuldenabbaugesetzes.

Es geht an dieser Stelle – damit komme ich zur Frage vom Kollegen Warnecke – nicht darum, dass man 1 Million, 10 Millionen oder 100 Millionen € Steuermehreinnahmen in die Rücklage steckt. Es werden mit dieser Rücklage 350 Millionen € bewegt. Die genaue Summe müssten Sie nachher noch einmal sagen, weil das ein bisschen streitig war. Insgesamt werden dann der Rücklage – das zu dem Wort Rücklagenplünderung – über 550 Millionen, 560 Millionen € entnommen.

Das ist der Tatbestand. Der Ministerpräsident hat uns kritisiert, dass wir einen Antrag gestellt haben, 90 Millionen € aus der Rücklage zu entnehmen. Die neuesten Zahlen des Ministeriums sehen vor, 560 Millionen € zu entnehmen.

(Günter Rudolph (SPD): Aber das sind andere Zahlen!)

Das klappt nur damit, weil man Steuermehreinnahmen nicht zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung für 2014 verwendet, wie es eigentlich im Sinne und Geist des Schuldenabbauprogramms gewesen wäre, sondern der Rücklage zuführt, damit man – das sage ich jetzt einmal so – Spielgeld für die nächsten Jahre hat. Ein großer Teil der Rücklage muss allerdings schon 2015 aufgelöst werden, weil man die Schuldenabbautreppe auch noch verschärft hat.

Man hat mit dem Nachtragshaushalt 2014 auch die Schuldenabbautreppe und damit den Schuldenabbau verschärft. Das ist nüchtern festzustellen. Das ist ein ehrgeiziges politisches Ziel. Dann müssten CDU und GRÜNE allerdings auch die Folgen tragen. Eine Folge davon ist die Nullrunde für die Beamten. Wenn Sie es nicht verschärft hätten, wäre das finanzierbar. Sie haben das gemacht. Deswegen verstehe ich – Sie haben es gestern auch festgestellt – voll und

ganz die absolute Empörung bei den Beamtinnen und Beamten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Kein Gehaltszuwachs, bei der Beihilfe an den Stellschrauben drehen – wir wissen noch gar nicht, an welchen –, die 42-Stunden-Woche weiterführen, wir reden über das Jahr 2015, und einen Stellenabbau vornehmen. Diese vier Faktoren sind zusammen genommen einfach unfair. Man kann an jeder Stellschraube drehen, aber an allen gleichzeitig, das ist ein unfairer Umgang mit den Bediensteten des Landes Hessen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Diese Gutsherrenart ist in der Koalitionsvereinbarung aufgenommen: Wir werden für das Gespräch und den Dialog mit den Beamten sorgen, heißt es einerseits. Gleichzeitig wird ein Diktat in der gleichen Koalitionsvereinbarung vorgenommen: Es gibt eine Nullrunde und dann nur eine 1-prozentige Erhöhung.

Meine Damen und Herren, das muss für lautstarke Empörung sorgen. Das ist ungerecht und unfair im Umgang mit den Mitarbeitern. Sie sorgen damit nur dafür, dass diesen Mitarbeitern die Motivation geraubt wird. Das ist kein moderner Umgang mit Mitarbeitern. Es sind nur Zeichen, dass die Arbeit der Beschäftigten im Lande Hessen leider von dieser Landesregierung nicht wertgeschätzt wird.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Quatsch, Blödsinn! – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Herr Boddenberg, wie bringt man Wertschätzung in unserer Gesellschaft zum Ausdruck?

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))