Protokoll der Sitzung vom 04.03.2015

Kindertagesstätten, Tageseltern, Schulen und Eltern arbeiten gemeinsam mit hohem Engagement zur Stärkung der Kompetenzen unserer Kinder. Dabei spielt auch die Kindergesundheit eine herausragende Rolle. Dahinter steht die Erkenntnis, dass wesentliche Weichen zum gesundheitsbewussten Leben bereits in frühester Kindheit und sogar schon vor der Geburt gestellt werden. Deshalb haben bereits die Eltern in der Schwangerschaft eine große Verantwortung für die Gesundheit Ihrer Kinder. Ich sage hier bewusst: Eltern; denn auch der rauchende Vater nimmt Einfluss auf die Gesundheit seines Kindes.

Meine Damen und Herren, Sorgen bereitet mir die Anzahl von übergewichtigen und fettleibigen Kindern sowie von Kindern mit Essstörungen. Präventives Verhalten wie gesunde Ernährung sind Aufgaben, die uns alle angehen. Wenn wir Erwachsene nicht mit gutem Vorbild vorangehen, wie wollen wir das von unseren Kindern verlangen?

Der Hessische Gesundheitsbericht weist auf das Aufgabenfeld Schule und Gesundheit hin. Gesundheitsförderung und Prävention sind seit 2010 auch im Schulprogramm zu verankern. Ich konnte dabei sein, als im letzten Monat Herr Staatssekretär Dr. Lösel eine sehr engagierte Grundschule

besucht hat, um ihr das Gesamtzertifikat „Gesundheitsfördernde Schule“ zu überreichen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Neben vielen Maßnahmen führen die Landfrauen dort die Kinder im Programm „Werkstatt und Ernährung“ ganz pragmatisch an das Thema gesundes Essen heran. Ich war begeistert, mit welch großer Freude die Schülerinnen und Schüler gemeinsam für uns Besucher ein gesundes Buffet mit Obst und Gemüse bereitet hatten. Das ist praktische Arbeit.

Als eines der wichtigsten Vorhaben in den letzten Jahren sehe ich das Hessische Kindergesundheitsschutz-Gesetz an. Es wirkt bereits seit 2008 und wird jetzt vom neuen Bundeskinderschutzgesetz umrahmt. Besondere Fürsorge benötigen nämlich diejenigen Familien, die sich aufgrund ihrer Lebensumstände nicht ohne begleitende Hilfe um ihre Kinder kümmern können. Genau hier hat die Landesregierung zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um Kindern und ihren Eltern bestmögliche Unterstützung zu geben.

Wichtig war meiner Fraktion dabei, ein möglichst lückenloses Schutznetz für U-Untersuchungen zu spannen. „Keiner fällt durchs Netz“ – das ist nicht nur der Name eines Programms für Frühe Hilfen, sondern „Keiner fällt durchs Netz“ ist auch unser Motto im Kinderschutz von Anfang an.

Es erfüllt mich mit Sorge, dass unser Ziel noch nicht erreicht ist, mit allen Beteiligten eine dauerhafte Sicherstellung der Versicherung für die Hebammen zu erreichen. In meinen Augen erfüllen die Hebammen und Kinderpfleger und -pflegerinnen eine unverzichtbare Hilfestellung für unsere jungen Eltern.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Hessen ist eines der Vorbilder für die Verankerung der Familienhebammen im Bundeskinderschutzgesetz. Die Familienhebammen bieten mit der aufsuchenden Arbeit ein sehr niedrigschwelliges Angebot für Mütter und Eltern, die mit der Sorge für ihr Kind allein überfordert sind und aus eigener Kraft auch nicht den Weg zu institutioneller Hilfe finden.

Familienhebammen genießen einen hohen Vertrauensbonus bei den Eltern; denn sie sind früh bei der Gesundheitsvor- und -nachsorge in der Schwangerschaft eingebunden. Sie können beraten, unterstützen und die Wege zu den Hilfssystemen weisen.

Die Verankerung der verpflichtenden U-Untersuchungen U1 bis U9 im Hessischen Kindergesundheitsschutz-Gesetz war ein sehr wirksamer Schritt. Das sieht man auch aus den Statistiken, die uns durch die Antwort auf die Anfrage vorliegen. Früherkennungsuntersuchungen wie das im Kinderschutzgesetz verankerte Hörscreening verhindern in vielen Fällen eine dauerhafte Schädigung der Kinder. Auch können Kinder identifiziert werden, bei denen Entwicklungsverzögerungen vorliegen oder die von Behinderung bedroht sind. Ihnen können frühzeitig Frühförderungsangebote gemacht werden.

(Beifall des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nicht nur die Teilnahmezahlen sind deutlich gestiegen, auf 98 % bei den U-Untersuchungen, sondern es kann jetzt

auch durch die Jugendämter geklärt werden, warum die übrigen Kinder nicht zur Untersuchung gekommen sind, um Fälle von Kindeswohlgefährdung erkennen zu können – ein ganz wichtiger Punkt.

Mein Dank gilt deshalb allen, den Jugendämtern, den Erzieherinnen und Erziehern, den Lehrern, den Ärzten und auch allen anderen, die sich mit großem Engagement im Kinderschutz engagieren. Unverzichtbar sind weiterhin die Schuleingangsuntersuchungen. Sie geben wichtige Informationen über die Kindergesundheit.

Meine Damen und Herren, die Große Anfrage überbringt allen hessischen Eltern eine sehr gute Botschaft. Die Versorgung mit Kinderärzten ist in ganz Hessen ausreichend gesichert. Ja, in 25 von 26 Landkreisen haben wir sogar eine hervorragende Versorgung mit Kinderärzten, sodass auch künftig die Versorgung sicher sein wird. Gleiches – das hat Frau Schott auch gesagt – gilt für die Kinderpsychotherapeuten.

Besonderen Handlungsbedarf sehe ich aber bei den Kinderpsychiatern in Starkenburg und Osthessen. Hier wird deutlich erkennbar, wie wichtig der hessische Pakt für die ärztliche Versorgung ist und damit die Möglichkeit, Praxisgründungen auch finanziell zu unterstützen. So konnten mit 50.000 € bereits zwei Kinderarztpraxen gefördert werden. Das gleiche Angebot gilt für die unterversorgten Regionen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiater.

Auch die klinische Versorgung von Kindern in Hessen ist in der Anfrage ein Thema. Beispielhaft möchte ich die Versorgung von Kindern in Kassel – Frau Schott, Sie müssten es kennen – erwähnen. Über viele Jahre gab es in Kassel nämlich eine sehr bedauerliche Situation. Wir hatten mehrere Kinderklinikstandorte, aber überall hohen baulichen und medizinischen Investitionsbedarf, beengte Verhältnisse, so schlimm, dass selbst Eltern von Kleinkindern nicht bei ihren Kindern über Nacht bleiben konnten.

74 Millionen € Fördermittel sind für die Modernisierung des Kasseler Klinikums aus dem hessischen Krankenhausförderprogramm geflossen, davon ein großer Anteil für den Neubau der Kinder- und Frauenklinik.

Jetzt umfasst das Klinikum ein hochmodernes Klinikgebäude, das vom Frühchen über alle Kinder bis zu Schwangeren beste Voraussetzungen für medizinische Versorgung und die kindgerechte Unterbringung von kranken Kindern mit ihren begleitenden Eltern bietet. Das gilt insbesondere auch für die schwersterkrankten Kinder.

Ich freue mich sehr, dass wir im hessischen Sozialbudget eine Unterstützung von 150.000 € für die Kinderpalliativnetzwerke an den Kliniken in Kassel, in Gießen und in Frankfurt verankern konnten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den dortigen Kinderärzten ist es mit Unterstützung der Landesregierung in langen Verhandlungen mit den Krankenkassen gelungen, stationäre und ambulante Betreuung zu verbinden und die medizinisch kompetente Begleitung schwersterkrankter Kinder auch in ihrer häuslichen Umgebung zu ermöglichen, wo sie am besten behütet sind.

Ich darf deshalb abschließend allen danken, die sich an diesem wichtigen Netzwerk mit großem Engagement beteiligen, dieses unterstützen, und das auch durch Spenden. – Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ravensburg. – Das Wort hat der Abg. Rentsch, Fraktionsvorsitzender der FDP.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Grüttner, die Hessische Landesregierung hat diese Anfrage der Linkspartei zur Gesundheit von Jugendlichen und Kindern in Hessen umfangreich beantwortet. Frau Kollegin Schott, ich kann in den Antworten nicht erkennen, dass wir über eine Schreckenssituation sprechen, sondern, dass wir größtenteils – die Vorredner haben es gesagt – über eine sehr gute Versorgung reden.

Das ist erst einmal etwas, was wir wohlwollend zur Kenntnis nehmen, weil Fakt ist, dass wir in Hessen eine Struktur haben, die – organisiert von der Kassenärztlichen Vereinigung, die den Sicherstellungsauftrag im Rahmen der Versorgung hat – anscheinend dafür gesorgt hat, dass die Verteilung von Kinderärztinnen und Kinderärzten so gut ist, dass in den meisten Regionen eine wohnortnahe, qualitativ hochwertige Versorgung gegeben ist.

Völlig klar ist, dass man nicht nur Situationen hat, wo überall im ganzen Land eine Überversorgung stattfindet, sondern dass es teilweise auch Unterversorgung gibt. Aber wer sich die Zahlen anschaut, die die Landesregierung aufgelistet hat, stellt eben fest, wir haben auch eine Reihe von Gebieten, wo wir mehr Kinderärzte haben, als wir rechnerisch brauchen.

Ergebnis der Rückfrage, die wir als Fraktion gestellt haben, ist, dass die Kinderärzte trotzdem stark ausgelastet sind. Frau Schott, das zeigt, das kann man nicht nur planwirtschaftlich betrachten, sondern die Patienten suchen sich auch Ärzte, zu denen sie Vertrauen haben. Das reine Rechenbeispiel auf der Tafel, wo man sagt: „Hier ist ein Gebiet, hier habe ich einen Arzt“, funktioniert so nicht, sondern Eltern gehen mit Kindern zu den Ärzten, zu denen sie Vertrauen haben. Das sollte bitte auch in Zukunft so bleiben, dass die freie Arztwahl nicht angetastet wird.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich bin bei der Frage, dass das ein wichtiges Thema ist und dass wir alles dafür tun müssen, damit diese Versorgung weiterhin gewährleistet ist, grundsätzlich bei dem Tenor der Debatte, der hier bisher angeklungen ist. Es ist doch völlig klar, dass eine Gesellschaft alles dafür tun muss, dass die Kleinsten an vielen Stellen eine gute gesundheitliche Versorgung haben, dass wir alles dafür tun müssen, dass wir das, was die öffentliche Hand übernehmen kann, wie z. B. Prävention, Aufklärung beim Thema Impfen, Strukturen zu schaffen, auch Arbeiten übernehmen müssen. Aber da haben wir in Hessen mit Sicherheit keine Hausaufgaben zu machen, sondern wir müssen das, was wir haben, weiter positiv entwickeln.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für mich ist kein Zweifel, dass wir auf der einen Seite ein gutes Umfeld dafür haben, dass es weiterhin Ärztinnen und Ärzte gibt, die sich auch in der

Fläche niederlassen. Da sind wir bei der Grunddiskussion, die wir nach der Mittagspause zum Setzpunkt der FDP führen werden: was wir dafür tun können, dass diese Strukturen so sind, damit sich Ärzte niederlassen, damit sie ihren Dienst auch in der Fläche machen und eben nicht nur in Ballungsgebieten zu Hause sind – ein sehr wichtiges Thema.

Aber – das hat Frau Schott vorhin angesprochen – ich finde, das kommt etwas zu kurz: Was können wir im Rahmen der Prävention über Schule, über Kindergärten tun, damit diese Präventionsarbeit z. B. beim Thema Adipositas und allem, was damit zu tun hat, auch in der Familie passiert und nicht nachher bei den Ärzten abgeladen wird?

Eines muss doch klar sein: Wenn Sie das Beispiel der übergewichtigen Kinder nennen, ist das doch eine Frage, die den Arzt nachher in zweiter Ebene trifft. Die erste Ebene ist die Familie selbst, die in dieser Frage auch die Verantwortung hat, ihre Kinder auf einen ordentlichen Lebensweg zu bringen. Dazu gehört zentral auch die Gesundheit.

Insofern kann nicht alles, was gesellschaftlich falsch läuft, nachher auch medizinisch wieder gelöst werden. Das Problem entsteht teilweise leider sehr stark in der Familie. Dahin muss der Ball zurückgespielt werden. Die öffentliche Hand kann nicht alles aufnehmen, was dort falsch läuft.

(Beifall bei der FDP)

Frau Schott, ich glaube, dass sich die Anfrage deshalb nicht dazu eignet, etwas zu skandalisieren, sondern man muss einfach sagen, wir haben größtenteils eine gute, gesunde Struktur. Wir müssen darüber diskutieren, was wir weiter tun können, um diese Struktur zu verbessern, was wir im Rahmen der Präventionsarbeit tun können.

Staatsminister Grüttner wird das nachher noch einmal erklären. Was macht die Landesregierung gerade in den Bereichen der Aufklärungsprogramme, die wir in den Schulen haben? Was können wir dort verstärken? Gesundheitserziehung – ein ganz zentraler Punkt. Meines Erachtens gibt es da wirklich nichts zu kritisieren.

Ich hätte mich gefreut – Frau Kollegin Schott, Sie haben ein gespanntes Verhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung, die Sie an vielen Stellen kritisieren –, wenn Sie heute auch einmal gesagt hätten: Der Versorgungsauftrag wird an vielen Stellen ordentlich wahrgenommen. – Das wäre auch einmal eine Möglichkeit gewesen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Doch, ich kann das sagen. Ich hätte mich gefreut. Aber wenn wir da unterschiedlicher Auffassung sind, ist das auch völlig legitim.

Ich will auf einen Punkt hinweisen, wo die Zahlen der Anfrage sehr eindrücklich sind. Das ist das Thema Hebammen. Das ist deshalb ein so wichtiges Thema, weil wir als geburtsfreundliches Land, das wir in der Theorie sind, auch wenn zu wenige Kinder in Deutschland geboren werden, eine Struktur haben, die in Deutschland bisher sehr gut funktioniert, aber ein Berufsstand an dieser Stelle vor einem großen Problem steht.

Aufgrund der Versicherungssituation wissen wir vom Hebammenverband, dass viele Hebammen nicht mehr in der Lage sind, ihren Beruf auszuüben. Das ist ein Thema, wo wir gemeinschaftlich aktiv werden können. Ich weiß, Kollege Grüttner hat im Rahmen der Gesundheitsministerkon

ferenz schon einige Vorschläge gemacht. Wir müssen eine Lösung finden.

Es kann nicht sein, dass Hebammen ihren Beruf nicht mehr ausüben können, nur weil wir in dem Bereich mittlerweile eine Situation haben, die viele Hebammen in eine wirtschaftlich katastrophale Gefahr bringt. Wir müssen dagegenhalten. Es gibt unterschiedliche Modelle. Wir können auch streitig diskutieren. Aber Fakt ist, wir brauchen dafür eine Lösung. Es ist ein wichtiger Berufsstand, der definitiv in Deutschland nicht vor die Hunde gehen darf.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)