Protokoll der Sitzung vom 04.03.2015

Das Hessische Kindervorsorgezentrum am Uniklinikum Frankfurt überwacht das und hat durch diese hervorragende Arbeit auch dafür gesorgt, dass wir eine Superquote haben. Das muss man einfach einmal sehen. 98 % aller hessischen Kinder nehmen an den U-Untersuchungen teil. Diese Quote ist richtig gut.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen abgefragt. Aus den vorliegenden Parametern kann man folgende Schlussfolgerungen ableiten: Die Schuleingangsuntersuchung als solche ist durchaus eine sinnvolle Ergänzung zu den Kindervorsorgeuntersuchungen, da auf deren Basis eine medizinische Folgediagnostik und damit einhergehend natürlich auch eine Therapie erfolgen kann. Daraus ergibt sich auch ein entsprechender medizinischer Erkenntnisgewinn. Allerdings ist es aufgrund der Schuleingangsuntersuchungen nicht möglich, einen eventuellen Zusammenhang zwischen Gesundheitszustand und Sozialstatus festzustellen. Eine Evidenz ist durch dieses Instrument nicht feststellbar. Trotzdem müssen wir natürlich auch im Bereich der Präventivmaßnahmen ein Schwergewicht auf die Gesundheitserziehung setzen.

Der Bildungs- und Erziehungsplan von 0 bis 10 ist schon angesprochen worden. Ich verweise an dieser Stelle noch einmal auf das, was Kollege Bocklet dazu dargelegt hat, nämlich auf die Anlage 18 der Großen Anfrage. Dort sehen Sie insgesamt eine Reihe von Maßnahmen aufgeführt, die sich genau mit diesem präventiven Charakter auseinandersetzen. Da ist von der Familienhebamme über das Thema „Familien-Gesundheitsund Krankenpfleger/innen und

Ehrenamtliche“ bis zu dem Kinder-Sprachscreening „KiSS“, der Frage „Beweg dich, Schule“, „Lions Quest, Erwachsen werden“, Schulung von Gesundheitsbotschaftern, „HaLT – Hart am Limit“, „Klarsichtkoffer“, „Jugendfilmtage“, „Alltagskompetenzen“ alles dargestellt, was wir im Bereich der Gesundheitserziehung und Präventionsarbeit machen. Denn in der Tat ist es so: Wenn ich nicht früh ein Gesundheitsbewusstsein erzeuge, wird es eher zu spät, das ein andermal nachzuholen. Deswegen setzen wir dort ganz früh an.

Deswegen werden wir in diesem Jahr wahrscheinlich einen neuen Gesundheitsbericht herausgeben, mit neuen, aktualisierten Zahlen. Auch dort wird das Thema Kinder- und Jugendgesundheit sehr ausführlich dargestellt werden. Wir behalten die Entwicklung im Auge. Wo wir Handlungsbedarf erkennen und tatsächlich handeln können, tun wir das. Ansonsten sind wir mit allen Verantwortlichen zu diesen Themen in einem intensiven Austausch.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Grüttner. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Große Anfrage, Tagesordnungspunkt 7, behandelt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Große Anfrage der Abg. Löber, Gremmels, Lotz, Müller (Schwalmstadt), Schmitt, Siebel und Warnecke (SPD) betreffend EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) – Drucks. 19/1233 zu Drucks. 19/865 –

Will einer?

(Mehrere Abgeordnete eilen zum Präsidenten zur Abgabe ihrer Wortmeldung. – Angelika Löber (SPD): Der Weg ist so weit!)

Der Weg ist immer weit, du weißt doch, wie es ist. – Jetzt kommen sie alle, die Lieben.

(Günter Rudolph (SPD): Da sieht man einmal, wie beliebt der Präsident ist!)

Offensichtlich. Ich bin erschüttert über die Beliebtheit.

Die Frau Kollegin Löber hat das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 6. Juli 2011 verabschiedete das Europäische Parlament zusammen mit dem Europäischen Rat und der Europäischen Kommission die Lebensmittelinformationsverordnung. Nach jahrelanger Geltung von Übergangsfristen, die den einzelnen Lebensmittelunternehmen und Mitgliedstaaten bis vor Kurzem noch regulatorische Spielräume ermöglichten, trat die EU-Lebensmittelinformationsverordnung zum 13. Dezember 2014 für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbindlich in Kraft.

Durch die umfassende und einheitliche Bereitstellung von Informationen soll die neue Verordnung dem Schutz der Gesundheit und den Interessen der Verbraucher in Europa dienen. Des Weiteren soll sie sicherstellen, dass in der Europäischen Union zukünftig einheitliche und unmissver

ständliche Vorgaben zur Kennzeichnung von Lebensmitteln gewährleistet werden können.

Ziel und Zweck der Verordnung sind es also, die Verbraucher bereits vor dem Lebensmittelkauf umfassend, klar und vor allem einheitlich zu informieren, denn erst auf der Grundlage einer guten und verständlichen Informationsbasis können die Verbraucher selbstbestimmte Entscheidungen treffen.

Die Fragen, denen wir uns dennoch widmen müssen, ergeben sich daraus, was wir von der neuen Verordnung erwarten können und welche Verbesserungen sie für die Verbraucher und damit für uns alle wirklich bringen wird. Handelt es sich bei der neuen Verordnung wirklich um einen weitreichenden Schritt im Sinne des einheitlichen Verbraucherschutzes, oder entspricht die neue Verordnung nur dem kleinsten gemeinsamen Nenner der europäischen Mitgliedstaaten? Wie sind die – zum Teil neuen – regulatorischen Änderungen im Einzelnen zu bewerten? Welche Auswirkungen haben sie auf die Verbraucher? Das sind Fragen, mit denen wir uns nicht nur heute kritisch auseinandersetzen sollten.

(Beifall bei der SPD)

Nachfolgend möchte ich mich auf die entscheidenden Veränderungen im Zuge der neuen Verordnung beschränken. Die Verordnung sieht vor, dass die Hersteller in Zukunft den Kaloriengehalt sowie sechs Nährstoffe – Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz – in einer übersichtlichen Tabelle den Verbrauchern anzeigen müssen. Hierbei ist zu beachten, dass die Nährstoffgehalte immer auf 100 g oder 100 ml berechnet darzustellen sind. Bedenkt man, dass bis vor Kurzem entsprechende Nährwertinformationen in den Mitgliedstaaten nur auf freiwilliger Basis deklariert werden mussten, ist eine verpflichtende einheitliche Regelung zur Angabe der Nährstoffgehalte trotz der erlaubten Übergangsfrist – hier: bis zum 13. Dezember 2016 – ein wichtiger Schritt zu einer Verbesserung der Transparenz für die Verbraucher in der Europäischen Union. Positiv ist außerdem zu bewerten, dass zukünftig auch der Salzgehalt deklariert werden muss und somit den Verbrauchern das zum Teil mühsame Umrechnen vom bislang angegebenen Natriumgehalt endlich erspart bleibt.

Trotz der zu begrüßenden Änderungen bei den Nährwertinformationen muss allerdings bemerkt werden, dass die Verbraucher höchstwahrscheinlich auch in Zukunft nicht auf den ersten Blick beurteilen können, ob der Gehalt an Fett, Zucker oder Salz als mittel, niedrig oder hoch zu bewerten ist. Eine einfache grafische Nährwertinformation wäre hier nach wie vor eine gute, zusätzliche und vor allem vereinfachende Maßnahme.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Auf europäischer Ebene fand eine verpflichtende Nährwertinformation in grafischer Form bedauerlicherweise keine Mehrheit. Dennoch besteht für die einzelnen Mitgliedstaaten, damit auch für Deutschland, auf nationaler Ebene die Möglichkeit, den Lebensmittelunternehmen zusätzliche Formen der Angabe und Darstellung von Nährwertinformationen zu empfehlen. Aus meiner Sicht wäre die Etablierung einer zusätzlichen grafischen Nährwertinformation, z. B. in Form einer Ampelkennzeichnung, ein geeignetes Mittel, um den Verbrauchern neben den tabellarisch detailliert aufgelisteten Nährwertinformationen eine verständliche und auf den ersten Blick erkennbare Informationsbasis zur Verfügung zu stellen. Ich begrüße es da

her außerordentlich, dass sich die Landesregierung auf der Bundesebene trotz differenzierter Betrachtungsweise für eine einheitliche grafische Nährwertinformation einsetzen will.

Neben der Bereitstellung von qualitativen und quantitativen Informationen über Nährwerte und Inhaltsstoffe ist es ebenso unerlässlich, dass die entsprechenden Informationen gut lesbar und erkennbar sein müssen.

(Beifall bei der SPD)

Im Zuge der neuen Lebensmittelinformationsverordnung wurde daher geregelt, dass erstmals alle verpflichtenden Informationen gut und deutlich lesbar sein müssen und mindestens die Schriftgröße 1,2 mm haben müssen. Auf kleineren Verpackungen muss die Mindestgröße eines Buchstabens dagegen nur 0,9 mm betragen. Weitere Regelungen in Bezug auf Schriftart und -gestaltung, z. B. Schriftfarbe, Hintergrundfarbe und Kontrast, gibt es dagegen bedauerlicherweise nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich teile die Meinung und Kritik vieler Verbraucherverbände, z. B. von Foodwatch, dass trotz der erstmals eingeführten BuchstabenMindestgröße von 1,2 mm die Lesbarkeit für viele Verbraucher nicht wesentlich verbessert worden ist. Wenn man bedenkt, dass die Europäische Kommission anfangs eine Mindestgröße von 3 mm in Erwägung zog, ist das Endergebnis aus heutiger Sicht eine herbe Enttäuschung für die Verbraucher. Sogar in vielen Zeitschriften und Zeitungen beträgt die Mindestgröße der Buchstaben mehr als 1,2 mm. Ich hätte mir an dieser Stelle gewünscht, dass sich die Landesregierung kritischer und vor allem energischer für ein größeres Schriftmindestmaß eingesetzt hätte.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Hinzu kommt, dass es keine klaren Bestimmungen für Farbkombinationen und Kontraste gibt und die Landesregierung hier auch keinen konkreten Handlungsbedarf sieht. Wenige Menschen sind farbenblind; dagegen leiden ca. 10 % der Menschen unter Farbenfehlsichtigkeit, umgangssprachlich Rot-Grün-Sehschwäche: ungefähr 1 % der Frauen und 8 bis 9 % der Männer.

(Heiterkeit – Holger Bellino (CDU): Wir sind diskriminiert!)

Ich will hier im Plenum niemandem zu nahe treten, aber auch für mich ist eine kleine Schrift, bei der Hintergrund und Schriftfarbe wenig Kontrast haben, nicht mehr zu lesen, obwohl ich nicht farbfehlsichtig bin.

Ein weiterer wichtiger Punkt, auf den ich mich nachfolgend beziehen möchte, sind die Neuerungen in Bezug auf die Herkunftsbezeichnung von Lebensmitteln. Zukünftig gilt der Grundsatz: Die Hersteller sind dann dazu verpflichtet, die Herkunft ihrer Produkte zu deklarieren, wenn ohne einen solchen Hinweis eine Irreführung des Verbrauchers zum eigentlichen Ursprungsland nicht auszuschließen ist. Das ist sicherlich ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz für die Verbraucher.

Allerdings bleibt weiterhin offen, auf welchen Lebensmitteln die Angabe des Ursprungslandes und des Herkunftsortes verpflichtend werden wird und wie die Kennzeichnung konkret aussehen soll. Es bleibt wieder Platz für unterschiedliche Interpretationen und Spielraum zum Nachteil der Verbraucher.

Es ist zu begrüßen, dass die Herkunftsinformationen für Fleisch mit der neuen Lebensmittelinformationsverordnung verpflichtend erweitert werden; dennoch beschränkt sich die Transparenz der Informationen nur auf das Land der Aufzucht und der Schlachtung. Hier besteht also dringender Handlungsbedarf.

Es ist äußerst bedenklich und unverständlich, dass der Ort der Geburt eines Tieres sowie einzelne Zeitabschnitte seines Werdegangs dem Verbraucher nach wie vor verborgen bleiben. Die geplante Bezeichnung „Aufgewachsen in …“ gilt nämlich nicht unbedingt für das ganze Leben eines Tieres, sondern nur für einen gewissen Zeitraum vor der Schlachtung. Umso erschreckender sind daher die rechtlichen Möglichkeiten zur Kennzeichnung der Herkunft. Ich zitiere aus der Antwort der Landesregierung zu Frage 21 der Großen Anfrage:

Es ist daher grundsätzlich rechtlich möglich, dass beispielsweise die Angabe „Aufgezogen in Deutschland“ unter bestimmten Bedingungen auch dann verwendet werden kann, wenn ein Tier den wesentlichen Teil seines Lebens, aber eben nicht sein ganzes Leben, in Deutschland verbracht hat.

Umfassende Transparenz und Klarheit sehen anders aus. Dies gilt nicht nur für Fleisch, sondern ebenso für andere Lebensmittel und die in Lebensmitteln verarbeiteten Zutaten.

Ich möchte dies nur kurz an einem Beispiel verdeutlichen. Die Volkswirtschaft China gehört heute in vielen Bereichen der Lebensmittelindustrie zu den weltweit größten Lebensmittelexporteuren. Hier sind viele Pestizidrückstände – Nikotin wird als Pflanzenschutzmittel eingesetzt und vieles andere mehr – festzustellen. Ich denke, dass sich 11.000 Schülerinnen und Schüler über chinesische Erdbeeren mit dem Norovirus infiziert haben, ist vielen noch in Erinnerung.

Die seit dem 13. Dezember 2014 geltende EU-Lebensmittelinformationsverordnung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Allerdings weist sie weiterhin Mängel und Lücken auf, die einem umfassenden Anspruch auf Transparenz, Klarheit und Information widersprechen. Ich fordere die Landesregierung auf, sich auf nationaler und europäischer Ebene für eine schnellstmögliche Beseitigung der entsprechenden Lücken und für eine weitere Verbesserung der Kennzeichnung zum Wohle der Verbraucher einzusetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Löber. – Das Wort hat der Abg. Lenders, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine lieben Kollegen! Die FDP steht für den mündigen Verbraucher, der gut und sachlich informiert ist und auf dieser Grundlage seine Kaufentscheidungen in seinem Interesse trifft. Die Politik muss der Verunsicherung der Verbraucher entgegentreten und darf sie nicht auch noch befördern.

(Beifall bei der FDP)

Lebensmittelunverträglichkeiten, Lebensmittelallergien, Laktoseintoleranz: Was soll der Verbraucher eigentlich noch zu sich nehmen? Ist etwas mit dem Etikett „Öko“ ein ökologischeres Produkt als das, was aus konventionellem Anbau kommt? Die Verunsicherung nimmt weiter zu. Ist vegane Ernährung der richtige Weg? Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen vegan ernähren. Das können religiöse Gründe sein, das kann das Tierwohl sein, und es können auch Ernährungsüberlegungen sein. Aber vegane Fleischwurst finde ich eigentlich nur noch pervers.

(Beifall bei der FDP – Michael Boddenberg (CDU): Bitte, was? – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das würde ich auch nicht essen! – Michael Boddenberg (CDU): Wir haben das nicht!)

Was soll man denn noch essen? Beim Spinat galt über Jahre hinweg die Mär, dass er ungesund ist. Dabei ist der Lebensmittelindustrie bei der Bewertung leider ein bisschen das Komma verrutscht. Heute wissen wir, dass man so viel Spinat essen kann, wie man will; Popeye wird man dadurch wohl nicht werden. Aber ungesund ist Spinat mit Sicherheit nicht.

Margarine galt über Jahrzehnte hinweg als besseres Produkt als Butter. Heute weiß man, Butter ist in Teilen viel gesünder und hat zumindest einen großen Teil von Vitaminen, die die Margarine überhaupt nicht hat. Mit diesen Lebensmittellügen müsste man aufräumen. Das ist auch ein Teil der Aufgabe von Politik.