Protokoll der Sitzung vom 05.03.2015

Ich will zum Ende kommen. Ich möchte an Herrn Wilken appellieren, deutlich zu sagen, welche Form des Dialogs Sie denn unterstützen und welche Form des Dialogs Sie eben nicht unterstützen.

Herr Kollege Frömmrich, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Angesichts Ihrer Bewertung nach der letzten Demonstration, wonach das Werfen von Farbbeuteln gegen die Europäische Zentralbank eine Verschönerung des Gebäudes sei, und wenn man Polizeipräsident Bereswill lauscht, der in Gesprächen gehört hat, dass auch Farbbeutel gegen Polizeibeamte nicht schlimm seien, würde ich mir von Ihnen wünschen, dass Sie öffentlich erklären, mit wem Sie gemeinsame Sachen machen und von wem Sie sich auch öffentlich distanzieren, Herr Kollege Wilken. Das wäre einmal ein Schritt, den Sie heute hier hätten gehen können.

Kollege Frömmrich, es wäre auch ein Schritt, das Ende der Redezeit zu beachten. Seien Sie so lieb.

Ich bin so lieb, Herr Präsident. – Wir sagen: Meinungsfreiheit und Demonstrationsfreiheit, das ist ein hohes Gut, das unterstützen wir ausdrücklich. Wir erklären aber auch: Gewalt ist kein Mittel der Auseinandersetzung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf von der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich. – Das Wort hat Abg. Greilich, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich jetzt nicht mit den etwas kruden Äußerungen des Kollegen Wilken zum Thema Griechenland und Griechenlandpolitik auseinandersetzen, das war auch nicht das für diese Aktuelle Stunde angekündigte Thema. Angekündigt haben Sie uns, dass wir Blockupy willkommen heißen sollen. Damit will ich mich befassen.

Ich habe mich erst einmal gefragt, wovon DIE LINKE dabei überhaupt spricht. Wenn es um friedliche Demonstranten geht, die ihre Meinung öffentlich kundtun und für diese werben wollen: Ja, dann sind uns diese willkommen, auch wenn ich persönlich die dort vertretenen Ansichten sicher nicht teile. Wenn es aber gewaltbereite, erlebnisorientierte – wie es so schön heißt – Krawallmacher und linke Chaoten betrifft, denen es nur um mutwillige Zerstörung geht, kann ich für die Freien Demokraten und sicher auch für die Frankfurter Bevölkerung sagen, dass diese Menschen uns alles andere als willkommen sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Verlautbarungen aus dem linken Spektrum – teilweise sind sie schon zitiert worden – sind leider entweder so vage formuliert, dass es beunruhigen muss, oder – soweit es nicht vage ist – von offen aggressiver Natur. Teile des Bündnisses hatten schon unmittelbar im Herbst angekündigt, der Protest im Frühjahr werde, so wörtlich, „stärker in der Zahl und in der Entschlossenheit“ ausfallen als bisher. Was die Entschlossenheit bedeuten soll, ist uns öfter vorgeführt worden. Es gibt Ankündigungen im Internet, man wolle die EZB „in Trümmer legen“. Auch der Angriff auf die EZB-Zentrale im vergangenen November lässt diesbezüglich alles andere als Gutes erahnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bilanz der bisherigen Blockupy-Aktionen zeigt, im März 2012 gab es Zustände in Frankfurt, die man nur als bürgerkriegsähnlich bezeichnen kann. Geschäfte mussten schließen, Steine flogen in Fenster, Geschäftsinhaber und Anwohner mussten teilweise regelrecht fliehen. Im November 2014 gab es elf verletzte Polizisten. Drei von ihnen waren so schwer verletzt, dass sie ihren Dienst nicht fortsetzen konnten. Insgesamt gab es 30 Verletzte, darüber hinaus Sachbeschädigungen. – Wir erwarten, dass die Regierung Bouffier aus diesen Vorkommnissen die richtigen Konsequenzen zieht.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe es in diesem Parlament schon einmal gesagt und sage es erneut: Wir haben Bedenken, ob das auch tatsächlich so umgesetzt werden wird. Die Vorfälle im November mit den verletzten Beamten, die nicht einmal mit Helmen geschützt waren, sondern Pudelmützen trugen, diese Verhaltensweisen zeigen, dass man die Lage offensichtlich falsch eingeschätzt hatte und dass die auch heute wieder hochgelobte Deeskalations- und Kommunikationsstrategie bislang krachend gescheitert ist.

(Beifall bei der FDP)

Die hessische Polizei – davon bin ich überzeugt – wird alles ihr Mögliche tun, um das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, zu gewährleisten. Das ist die eine Seite der Medaille.

Ich fordere aber auch die Regierung Bouffier und den Innenminister auf: Treten Sie genauso entschieden all denen entgegen, die das Demonstrationsrecht missbrauchen, die sich nicht an die verfassungsrechtlichen Schranken des Demonstrationsrechts – nämlich absolute Gewaltfreiheit – halten.

(Holger Bellino (CDU): Sehr richtig!)

Sie sind dafür verantwortlich, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger wie auch von deren Eigentum zu gewährleisten. Ich fordere Sie ausdrücklich auf: Nehmen Sie diese Ihre Verantwortung ernst, und vergessen Sie dabei nicht wieder den ausreichenden Schutz der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Das Wort hat der Abg. Grumbach, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss gestehen, ich fand es faszinierend, heute etwas über die Pariser Kommune zu hören. Ich fände gut, Sie würden das einmal mit Ihren französischen Kollegen bereden; denn die gleiche Rede, vor der Französischen Nationalversammlung gehalten, könnte zu ganz interessanten Ergebnissen führen. Aber das ist Ihr Geschichtsproblem.

Ja, Blockupy ist willkommen in Frankfurt. Blockupy ist willkommen in der Freien Reichsstadt. Blockupy ist willkommen in der Stadt der Märzrevolution und der Paulskirche. Blockupy ist willkommen in der Stadt des Angela-Davis-Kongresses, und – um etwas Wissenschaftspolitisches zu sagen – Blockupy ist willkommen in der Stadt, in der es ein Exzellenzcluster zur Herausbildung normativer Ordnung gibt; denn diese Stadt ist lebendig, demokratisch, und die hält das aus.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Zweitens. Es muss jedem klar sein, auch den LINKEN: Es gibt ein berühmtes Zitat von Franz Josef Strauß – das einzige, das ich immer zitiere –: „Pacta sunt servanda“. Es gibt einen Vertrag der Bundesrepublik Deutschland über den Umgang mit der Europäischen Zentralbank. Und natürlich sind das Land Hessen und die Bundesrepublik Deutschland dafür verantwortlich, dass dieser Vertrag in allen Teilen eingehalten wird. Damit muss man leben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dritter Satz. Selbstverständlich ist mir jede Diskussion, die diese Demonstranten anzetteln, noch lieber als die Demonstration selbst. Und selbstverständlich gehört Gewalt nicht zur Form der Auseinandersetzung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Aber darüber müssen wir doch auch nicht reden.

Der spannende Punkt aber ist: Warum reden wir in dieser Frage immer darüber, was das alles sozusagen mit Gewalt zu tun hat, und versuchen damit die zu entmutigen, die ohne Gewalt dorthin gehen wollen?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Es gibt zwei Strategien, mit dem Problem umzugehen. Die eine ist, zu sagen: Da wird Gewalt sein, also geht nicht hin. – Oder aber, die andere ist: Ja, es wird nicht auszuschließen sein, dass der Schwarze Block, die Verrückten, die es seit 30 Jahren in Frankfurt und anderswo gibt, dort auftauchen. Deswegen geht möglichst zahlreich hin und sorgt dafür, dass sie keine Chance haben, Gewalt auszuüben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Dann, finde ich, sollte man die Hälfte der noch verbleibenden Diskussionszeit den Problemen widmen. Die Frage ist sozusagen, ob die angebotenen Lösungen richtig sind.

Man kann vor der europäischen Krise viele ideologische Meinungen gehabt haben, welche Maßnahmen wie wirken. Wir reden jetzt nicht mehr darüber, welche Meinungen wir hätten haben können, wir reden über Ergebnisse.

Barbara Tuchman, eine amerikanische Historikerin, hat 1984 das Buch „Die Torheit der Regierenden“ geschrieben, in dem sie an vielen Fällen nachgewiesen hat, dass das Problem von Regierenden ist, dass sie, wenn sie einmal einen Weg eingeschlagen haben, sich von den Ergebnissen dieses Weges nicht beeindrucken lassen, sondern den Weg unbeirrt weitergehen, bis die Fehler noch größer werden.

Ich sage einmal: Das, was in Südeuropa passiert, was in Griechenland passiert, ist voraussehbar gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wer darüber redet, dass Syriza plötzlich Wahlerfolge hat, den erinnere ich daran, dass die Zahlen in Griechenland mit dem Einbruch des Bruttosozialprodukts, dem Einbruch beim Mindestlohn, dem Ausscheiden aus der Renten- und Krankenversicherung so sind, wie sie sind. Ein berühmter Jurist, ein Konservativer, hat in Frankfurt seine juristischen Vorlesungen immer mit der Definition von Kausalität angefangen. Wer erklären will, warum in Griechenland ein Großteil der Bevölkerung eine Partei unterstützt, von der sie wissen, dass sie nicht alles umsetzen kann, was sie wollen, der muss die Definition von Wiethölter wiederholen: So was kommt von so was.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wer ein Volk, wer ein Land derart destabilisiert, muss mit den Folgen rechnen. Manchmal habe ich den Eindruck, die, die das gemacht haben, arbeiten für ganz andere Interessen.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Nächster Punkt, und der muss uns ebenfalls beschäftigen. Wir haben eine Situation, dass die politische Debatte inzwischen ein bisschen weiter ist. Der Schuldenschnitt vor fünf Jahren hätte die europäischen Banken destabilisiert. Ein Schuldenschnitt heute würde die europäischen Steuer

zahler viel Geld kosten – ein spannender Punkt, über den es sich zu reden lohnt.

Ein allerletzter Punkt. Ich bin froh, wenn Menschen demonstrieren. Denn ich halte für die größere Gefahr als Menschen, die demonstrieren, die Menschen, die sagen: Wir erwarten von Politik gar nichts mehr.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich glaube, dass unsere Aufgabe sein wird, dort zu sein, mit all den Menschen zu reden, die von Parteien schon nicht mehr viel erwarten, und ihnen deutlich zu machen, dass wir natürlich auch über Fragen nachdenken, die diese Menschen bewegen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN und bei Ab- geordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Innenminister, Herr Staatsminister Beuth.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir heißen alle friedlichen und friedliebenden Demonstranten aus ganz Europa am 18. März herzlich willkommen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Super!)