Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

Auch die Zuwanderungspolitik packen Sie mit in Ihren Antrag hinein. Damit aber hat die EZB nun wirklich wenig zu tun. Wahrscheinlich wollen Sie wieder einmal die Phrase der „Festung Europa“ in den Raum stellen. – Meine Damen und Herren, im vergangenen Jahr sind mehr als eine halbe Million Flüchtlinge in Europa aufgenommen worden, 200.000 Menschen in unserem Land. Dieses Jahr werden es weitaus mehr – eine merkwürdige „Festung Europa“, von der Sie da reden.

(Zurufe von der LINKEN – Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Eine Festung, deren Bewohner eine bewundernswerte Hilfsbereitschaft an den Tag legen, um Flüchtlinge unterzubringen und zu betreuen. In unserem Land geht es menschlich zu. Blockupy dagegen nennt unser Land das „Herz der Bestie“. Dieser Vorwürfe richten sich doch selbst, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Mitte des Antrags reden Sie dann Tacheles: Eine Demokratie ohne Kapitalismus wollen Sie. Wir Christdemokraten sind froh und dankbar, dass wir uns auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft eine Wirtschaftsund Wohlstandsordnung geschaffen haben, um die uns viele Menschen in dieser Welt beneiden. Die bemitleidenswertesten Menschen auf diesem Planeten leben ja wohl im letzten sozialistischen „Paradies“ in Nordkorea: Dort essen die Menschen in ihrer Not Gras, um nicht zu verhungern.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Von der Freiheit, die es in der kapitalistischen Demokratie im Süden gibt und der die sozialistische Diktatur im Norden außer Straflagern nichts entgegenzusetzen hat, rede ich erst gar nicht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der LINKEN)

Meine Damen und Herren, der verteufelte Kapitalismus, von dem Sie reden, ermöglicht es uns und anderen Euroländern erst, den Griechen und anderen Ländern in Schwierigkeiten zu helfen. Es gibt seit Jahren eine große europäische Solidarität mit Griechenland und den anderen Ländern, und dazu stehen wir auch.

Wie jedoch die Solidarität der europäischen Linksextremen aussieht, das haben wir am vergangenen Mittwochvormittag in Frankfurt gesehen: gemeinsames Brandstiften, Zertrümmern von Scheiben, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen. – Was sagen denn Herr van Ooyen und Herr Wilken dazu, an wen sich Anwohner wenden sollen, deren Autos von Blockupy demoliert wurden? Auf Ihre Form der Solidarität, die wir dort gesehen haben, können wir wirklich verzichten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Kolleginnen und Kollegen, wir wissen sehr wohl, dass Teile der Bevölkerung sich angesichts der Schuldenkrise große Sorgen machen und mit den Menschen in den Krisenstaaten mitfühlen. Das ist in Ordnung. Die Bürger können von ihrem Demonstrationsrecht auch Gebrauch machen und ihre Forderungen friedlich zum Ausdruck bringen. Die Politik ist in der Tat aufgerufen, etwa den Problemen wie der hohen Jugendarbeitslosigkeit in den südeuropäischen Ländern entgegenzuwirken und zu verhindern, dass Missstände Wasser auf die Mühlen von Extremisten und Demagogen sind.

Meine Damen und Herren, Blockupy und DIE LINKE haben in Frankfurt gegen die Troika demonstriert, die sie für die Situation in Griechenland verantwortlich machen. Sie verwechseln dabei jedoch Ursache und Wirkung. Griechenland hat sich über Jahrzehnte selbst in die Krise gewirtschaftet. Die Troika und andere Länder helfen doch, aus diesem Sumpf herauszukommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Griechenland den Staatsapparat dermaßen aufgebläht hat und Hunderttausende in Lohn und Brot standen, ohne dass es Arbeit für sie gab, dann wissen wir heute, dass man sich dies alles nicht leisten konnte. Wir wissen auch, dass Griechenland seit Jahren keine vernünftige Steuerverwaltung hat. Es ist auch nicht erkennbar, dass Griechenland hier entscheidend vorangekommen ist.

Das sind alles hausgemachte Probleme, für die man nicht die Troika zum Sündenbock machen kann.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es wurde schon erwähnt: Herr Tsipras ist möglicherweise schon einen Schritt weiter gekommen als die Erkenntnis der Linkspartei im Hessischen Landtag. Während seines Besuchs bei Kanzlerin Merkel am Montag in Berlin räumte er ein – Kollege Frömmrich hat es zitiert –, die Probleme seines Landes seien hauptsächlich hausgemacht.

Ich glaube nicht, dass Sie von allein zu dieser Erkenntnis kommen werden, aber vielleicht glauben Sie es dem griechischen Ministerpräsidenten.

Es ist durchaus okay, wenn man Dinge kritisch bewertet und unterschiedlicher Meinung ist. Aber es ist schlicht zu billig, die Reformpolitik in den Krisenländern so pauschal zu verurteilen, wie Sie das hier taten. Es ist auch kein Grund, die Europäische Zentralbank zu verteufeln. Wir sind froh, dass wir diese wichtige europäische Institution in Frankfurt haben, die die Bankenmetropole weiter aufwertet und die zig Arbeitsplätze für die Metropolregion Frankfurt/ Rhein-Main schafft.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Gewaltexzesse in Frankfurt, für die Sie Mitverantwortung tragen, haben den Menschen geschadet und auch den friedlichen Teil des Protests erheblich in Misskredit gebracht. Menschen anzugreifen, Autos in Brand zu stecken und wahllos Gebäude zu demolieren, das zeigt ein erschreckendes Ausmaß an krimineller Energie. Randale und Gewaltexzesse in Frankfurt haben nichts mit Kapitalismuskritik und friedlichem Protest zu tun, und wir verurteilen diese aufs Schärfste.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Wilken, wer Gastgeber einer Veranstaltung ist, der ist auch verantwortlich für die Gäste, die man einlädt, und zwar von Anfang an, wenn die ersten kommen, bis zum Ende der Party, wenn die letzten gehen.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Ich bin immer noch fassungslos, welche Bilder und Informationen uns am vergangenen Mittwoch über die Medien erreichten. Chaoten und Straftäter warfen Steine, versprühten ätzende Flüssigkeiten, spannten Ketten über eine Straße. Aber Herr Dr. Wilken sagte dazu in einem Interview:

… wir werden es … nicht schaffen, diejenigen auch beim nächsten Mal davon abzuhalten, zu kommen.

Ich sage zu Ihnen und Ihren Gesinnungsgenossen: Man distanziert sich nicht so, wie Sie es tun, ganz abstrakt und allgemein von Gewalt. Sie haben als Mitveranstalter diese Chaoten und Krawallmacher, die vermummten Steinewerfer und Entglaser, die Farbbeutelwerfer und Autoabfackler noch nicht einmal von dieser Veranstaltung ausgeladen.

Sagen Sie einmal klar und deutlich, dass Sie die nicht wollen, dass dies keine Form des zivilen Ungehorsams ist und mit kreativer Demonstrationskultur nichts, aber auch gar nichts zu tun hat.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Sie haben nicht zugehört! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Wie oft denn noch?)

Sie sagen das nicht. Sie sagen das halbherzig.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es stand doch in allen Zeitungen nachzulesen. Sie machen immer Aber-Sätze. Da ist man betrübt und entsetzt, hat aber Verständnis.

Meine Damen und Herren, angesichts dieser Krawalle gibt es kein Aber. Da verurteilt man die Gewalt und die Gewalttäter, Punkt, aus, Schluss und kein Komma und kein Zusatz.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeord- neten der SPD)

Wes Geistes Kind Sie sind, kann man nachlesen, wenn man einige Zitate sammelt. Ich darf bei der Gelegenheit vielleicht Frau Wissler zitieren, die bei einem Kongress „Marx is Muss“ zu dem Stellenwert parlamentarischer Initiativen, über die wir hier diskutieren, gesagt hat – ich hoffe, es ist richtig –:

Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass wir die Gesellschaft aus den Angeln heben können über Anträge und Reden im Parlament.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die Erfahrung mache ich tagtäglich!)

Außerdem sagten Sie, Frau Wissler:

Die klassenlose Gesellschaft lässt sich nicht einführen über Parlamente …

Schließlich erklärten Sie, geschichtlicher Fortschritt werde nur durch Revolution erreicht. Das sind Ihre Zitate.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die Französische Revolution vielleicht?)

Was wir in Frankfurt gesehen haben mit brennenden Barrikaden und Rauchschwaden über dieser Stadt, das fußt auf solch verqueren Gedanken, die Sie äußern und von denen Sie sich bis heute nicht distanzieren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir wollen keine Revolution. Wir wollen soziale Marktwirtschaft. Wir wollen Hilfe und Solidarität und keine sozialistischen Verhältnisse in unserem Land.

Es ist schlicht unerträglich, dass wir heute solche Sonntagsreden – der Kollege Frömmrich hat es anders bezeichnet; ich würde fast sagen: Volkskammerreden – hier hören müssen und über solche Anträge abstimmen müssen. Sie hatten die Gelegenheit, sich heute davon zu distanzieren. Sie haben die Gelegenheit erneut nicht ergriffen und die Chance vertan. Ich bedauere das sehr.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bauer. – Als Nächster hat Herr Kollege Grumbach für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mein Lieblingssatz im Moment ist: Ich bin zu alt für so etwas.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich höre hier eine Debatte, in der es nur Licht und Schatten, Schwarz und Weiß gibt. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es so etwas nur in schlechten Filmen gibt. Im realen Leben gibt es Grau.