Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

Und zur Ehrlichkeit gehört schlicht dazu: Die Energiewende wird sichtbar sein. Es gibt keine unsichtbare Energiewende. So viel Ehrlichkeit verlange ich auch von Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Schott, ehrlich ist auch, sich einzugestehen, dass die Energiewende zu komplex ist, um sagen zu können: Dezentral ist gut, und zentral ist schlecht. Wir machen nur das, was dezentral ist. – Wir GRÜNE sind auch Anhänger der dezentralen Energieversorgung. Wir haben in der Koalition eine Menge auf den Weg gebracht, gerade um die dezentrale Energieversorgung zu stützen. Ich bin ein großer Fan von Haushalten, die sich mit Solaranlagen und kleinen Speichern selbst versorgen. Ich kämpfe um fast jedes Windrad, das vor Ort entstehen soll.

Selbstverständlich wollen wir die dezentrale Energiewende. Wir haben aber ein ganzes Industrieland zu versorgen. Jetzt sagen Sie mir bitte einmal, wie das ohne Netzausbau funktionieren soll. Haben Sie sich einmal mit der Frage befasst, dass wir im Norden einen ganz großen Überschuss haben, aufgrund der erneuerbaren Energien, und im Süden unglaublich hohen Importbedarf haben? – Wir haben ein riesiges Gefälle. Haben Sie sich das einmal angeschaut? – In Hessen fehlen uns 58 % an Eigenversorgung, weil wir glücklicherweise Biblis abgeschaltet und Staudinger nicht mehr in der Kapazität haben. Frau Schott, das müssen wir doch versorgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dann reden Sie über Verteilnetze. Ja, Verteilnetze müssen gestärkt werden. Deswegen führen wir auch eine Verteilnetzstudie zur dezentralen Energiewende durch. Sie können doch den überschüssigen Strom nicht über die Verteilnetze leiten. Haben Sie sich einmal mit den Verlusten, die das mit sich bringen würde, auseinandergesetzt? – Ich glaube, nicht.

Ganz speziell zu SuedLink. Haben Sie sich jemals den Netzentwicklungsplan angeschaut? Da gibt es ein Szenario zentrale Energiewende, ein Szenario in der Mitte und ein Szenario dezentrale Energiewende. Ich würde das dezentrale Szenario befürworten. Überall ist SuedLink beinhaltet. Frau Schott, glauben Sie, dass die Experten völlig unrecht haben? – Das kann doch nicht sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Frau Wissler, wer sich mit diesen Fragen nicht weiter befasst, bleibt populistisch. Populismus ist Gift für die Energiewende. Wir brauchen kluge Lösungen, wir brauchen machbare Lösungen, die jetzt und hier auch greifen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Wir haben eine ganze Anhörung zu dem Thema gemacht!)

Frau Wissler, wir wollen erneuerbare Energien, Sie auch. Windkraft und Solarenergie sind wetterabhängig, deswegen brauchen wir ein System. Das System besteht zum einen aus Netzabbau. Das ist das, was wir prioritär brauchen. Wir brauchen dazu flexible Kraftwerke, sukzessive brauchen wir Speichertechnologien, Lastmanagement und intelligente Vernetzung. Es ist ein Systemwechsel, der sehr klug austariert sein muss. Da muss man zentral und dezentral kombinieren.

Jetzt sagen Sie: Was haben wir denn jetzt von SuedLink für uns, für Hessen, für die dezentrale Energiewende? – Mal ganz ehrlich: Hätte man diese Frage bei einer ICETrasse gestellt, dann wäre diese ICE-Trasse nie gebaut worden. An einem Bahnhof steigen die Leute ein, und an dem anderen steigen sie aus. Zwischendrin können sie auch nicht ein- oder aussteigen. Trotzdem brauchen wir die Infrastruktur.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Trotzdem verstehe ich die Frage, und sie ist für viele verständlich. Man fragt sich, ob es ein Widerspruch zur dezentralen Energiewende in Hessen ist. Da sage ich ganz klar: Nein, ist es nicht. Wir können mit SuedLink unsere Verteilnetze entlasten, damit können wir unseren immer mehr dezentral erzeugten Strom auch entsprechend weiterverteilen. Insofern gibt es nicht diesen klaren Konflikt zwischen dezentraler und zentraler Energiewende, wie Sie ihn hier immer wieder beschreiben wollen.

Frau Kollegin Dorn, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Man reibt sich bei diesem Thema SuedLink immer mehr die Augen. Die FDP und Herr Seehofer vergraulen gerade die Unternehmen, die Versorgungssicherheit und Netzausbau brauchen. Warum gehen uns alle aufgrund von Protesten vor Ort sukzessive von der Stange? – Das ist keine Zuverlässigkeit. DIE LINKE steht jetzt Seit an Seit mit der FDP gegen SuedLink. Populismus hat dem Thema Energiewende schon immer geschadet. Die Energiewende braucht einen langen Atem, und den haben wir in Hessen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dorn. – Das Wort hat der Abg. Gremmels, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die GRÜNEN fast 1 : 1 die Argumentation von TenneT übernehmen – dass ich das noch erleben darf –, das überrascht mich sehr, das erstaunt mich auch sehr.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Für die hessische SPD ist ganz klar, dass die dezentrale Energiewende, die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und Energie vor Ort, Priorität haben muss.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich möchte das heute auch ganz bewusst sagen, weil der, der in der hessischen SPD lange dafür gekämpft hat, gestern 71 Jahre alt geworden wäre, Hermann Scheer. Da fühlen wir uns verpflichtet.

Wir müssen allerdings auch der Realität ins Auge blicken, dass es 2013 eine breite Mehrheit – zur Wahrheit gehört auch, dass Sozialdemokraten zugestimmt haben – für die Projekte, die jetzt auf Bundesebene eine gesetzliche Grundlage gefunden haben, für SuedLink, gegeben hat. Das haben auch Sozialdemokraten mitzuverantworten. Zu dieser Verantwortung stehen wir, auch wenn ich sie persönlich inhaltlich nicht teile. Nichtsdestotrotz müssen wir in der jetzigen Diskussion aufpassen, dass wir die Ängste und Sorgen der Menschen ernst nehmen. Es sind nicht nur eine oder zwei versprengte Bürgerinitiativen. Allein in Hessen haben wir über 20 Bürgerinitiativen.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es gibt entlang der Strecke keine einzige Gemeindevertretung und kein einziges Stadtparlament, die sich nicht kritisch mit dieser Trasse auseinandergesetzt und auch Sachkompetenz erworben haben. Es gibt entlang der Trasse zwischen Schleswig-Holstein und Bayern 21 Landkreise, die sich unter der Hamelner Erklärung zusammengeschlossen haben, um hier zu wirken.

Es ist viel Wasser verschüttet worden, weil die Kommunikation dieses Themas wirklich suboptimal ist. Da müssen wir sehen, dass alle politischen Ebenen zur Verantwortung gezogen werden. Dabei hat das Land Hessen auch eine eigene Verantwortung. Man kann nicht immer nur nach Berlin zeigen, wenn man in Hessen die Regierung stellt, Herr Al-Wazir.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich haben Sie auch eine eigene Verantwortung. Es gibt derzeit zwei Möglichkeiten, zu denen man auch als Hessische Landesregierung ganz klar und deutlich Position beziehen kann.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Schott hat es schon angesprochen, in Berlin ist ein Gesetzentwurf zum Energieleitungsbau in der Beratung. Dieses Gesetz ist auch schon im Bundesrat. Das Land Niedersachsen hat dazu klare Änderungsanträge eingebracht. Darin macht das Land Niedersachsen deutlich, dass man mit Erdkabeln zumindest auch die Möglichkeit hat, abzuschwächen, auch wenn SuedLink nicht verhindert werden kann. Damit kann man Akzeptanz schaffen. Das Land Niedersachsen plädiert dafür, punktuell die Möglichkeit für Erdkabel zu erweitern. Dazu hat Niedersachsen eine Bundesratsinitiative ergriffen. Herr Al-Wazir, von Hessen habe ich dergleichen leider nicht gesehen. Wie stehen Sie zu dieser Bundesratsinitiative? Wo sind die hessischen Änderungsvorschläge? Wo bringen Sie sich aktiv ein? – Herr Al-Wazir, das vermisse ich bei Ihnen. Sie weisen immer nur mit beiden Zeigefingern inRichtung Berlin.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben auch noch eine andere Möglichkeit. Die Bundesnetzagentur ist derzeit im Konsultationsverfahren für den Netzentwicklungsplan 2024. Am 15. Mai dieses Jahres endet die Konsultationsphase. Auch da kann man noch einmal, das fordert die SPD, kritisch überprüfen, ob der Bedarf für SuedLink wirklich so ist, wie er damals gesehen wurde. Die Welt hat sich nämlich auch weiter gedreht, seitdem dieser Bedarf ermittelt worden ist.

Deswegen sollten Sie diese Chance nutzen, um den Bedarf nochmals zu überprüfen. Das ist ganz wichtig und sollte von unabhängiger Stelle gemacht werden. Es muss auch transparent erfolgen.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das sollten Sie über den Bundesrat tun. Wir tun das über unsere Kontakte in Richtung Berlin, in Richtung Bundeswirtschaftsministerium. Wir sehen uns als hessische SPD auch in der Verpflichtung, da haben wir auch etwas zu erledigen. Das weiß ich sehr wohl.

Ich möchte aber auch noch eines deutlich machen. Wenn Sie, wie das am 16.04. geschehen ist, den zweiten Hessischen Energiegipfel oder den Energiefolgegipfel – oder wie Sie das Kind auch nennen, ist mir egal – eingeladen oder für Herbst angekündigt haben und dann einen Antrag der SPD ablehnen, sind Sie unglaubwürdig. Wir haben einen einzigen Satz im Wirtschaftsausschuss zur Abstimmung gestellt:

Der Hessische Landtag erwartet von der Landesregierung, dass auch die Bürgerinitiativen am zweiten Energiegipfel beteiligt werden, da Transparenz und Beteiligung Voraussetzung für ein Gelingen der Energiewende ist.

Diesen Satz hat Schwarz-Grün abgelehnt. Wovor haben die GRÜNEN denn Angst?

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann sich doch mit den Argumenten der BIs inhaltlich auseinandersetzen, und zwar auf Augenhöhe. Ich habe die Kolleginnen und Kollegen der BIs in der Regel als sehr sachlich und sehr gut aufgestellt erlebt. Man kann und man muss mit denen reden.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Gerade von den GRÜNEN als Bürgerrechtspartei, als Partei der Bürgerbewegungen erwarte ich dies. Die BIs müssen auch am Energiegipfel teilnehmen. Hier haben Sie eine große Chance vertan.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Lassen Sie mich zum Schluss meine Worte auch noch an die CDU richten. Herr Dr. Arnold, ich kenne und ich schätze die Kollegen aus Fulda, Sie und auch den Bundestagskollegen Brand. Was aber nicht geht, ist, sich im Wahlkreis hinzustellen und die Speerspitze der SuedLink-Gegner anzuführen und dann im Landtag solche Beschlüsse zu fassen und sich nicht an unsere Seite zu stellen. Herr Dr. Arnold, das ist Doppelmoral. Wir werden Ihnen das vor Ort auch noch einmal vorhalten. Das ist falsch.

Ich möchte abschließend einen letzten Satz sagen, Herr Präsident. Die hessische SPD steht zur dezentralen Energiewende, das ist oberstes Ziel, und dafür kämpfen wir,

meine sehr verehrten Damen und Herren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Vielen Dank, Kollege Gremmels. – Das Wort hat der Abg. Stephan, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gremmels, ich glaube, es ist nicht notwendig, dass Sie sich hier mit Abgeordneten der CDU beschäftigen. Beschäftigen Sie sich mit sich selbst, mit den Punkten, ob die SPD in der Frage SuedLink schwankt, oder mit der Frage, warum Sie einen Minister anschreiben, um einen Windpark zu stoppen. Seien Sie da also ganz, ganz vorsichtig mit diesem Bashing. Jeder vertritt seine Position. Es gibt – und das wissen wir – innerhalb der Parteien immer mal wieder eine bestimmte Nuance zu einzelnen Maßnahmen. Wir sollten das nicht zu hoch bewerten.