Protokoll der Sitzung vom 28.05.2015

In diesem Zusammenhang ist es in der Tat ein großes Rätsel – da danke ich der SPD-Fraktion für die Themenwahl –, was aus dem hessischen Anteil der für die Kommunen gedachten Finanzierungshilfe des Bundes geworden ist. Die etwas nebulöse Formulierung des Sozialministers, diese Mittel würden „im Interesse der Kommunen“ verwendet werden, lässt befürchten, dass die Landesregierung nicht beabsichtigt, den Kommunen das Geld direkt zur Verfügung zu stellen.

Aber man muss sagen, dass diese 37 Millionen €, würde das Land sie freigeben, nicht kostendeckend wären. Der Landkreistag spricht von einem Finanzierungsdefizit von 90 Millionen € allein für das Jahr 2015. Diese 37 Millionen € stellen also keine dauerhafte sichere Finanzierung für die Kommunen dar. Vor allen Dingen sind sie eine Einmalzuwendung, die zur Hälfte sogar als Kredit vergeben wird. Das ist kein Ersatz für eine nachhaltige, auf die ge

sellschaftliche Integration der Geflüchteten ausgerichtete Politik in Hessen.

Meine Damen und Herren, viele der Menschen, die in Hessen Zuflucht gesucht haben, werden auf Dauer bei uns bleiben. Im Jahr 2014 lag die bereinigte Gesamtschutzquote, also die Zahl der Asylsuchenden, die einen Schutzstatus erlangt haben oder einem Abschiebestopp unterliegen, bei 50 %. Angesichts dieser Tatsache wäre die Landesregierung gut beraten, ein auf Inklusion ausgerichtetes Konzept zu entwickeln, wie diese Menschen anständig aufgenommen und betreut werden können, damit sie hier zur Ruhe kommen, sich eine Perspektive aufbauen und an unserem gesellschaftlichen Leben teilhaben können. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Cárdenas. – Das Wort hat Frau Abg. Öztürk, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist gut, dass wir in der Aktuellen Stunde über das Thema Flüchtlinge sprechen. Aber dass wir heute über die Verteilung der Bundesmittel sprechen, ist verfrüht, da das Finanzausgleichsgesetz noch nicht verabschiedet, das Gesetzgebungsverfahren auf der Bundesebene also noch nicht beendet worden ist.

(Günter Rudolph (SPD): Aha! Nebelkerzen! Nebelkerzen bleiben Nebelkerzen!)

Liebe SPD, von daher sage ich Ihnen: Zwei oder drei Sitzungen später hätten Sie mit dieser Aktuellen Stunde einen Punkt gemacht. Heute geht das leider entschieden am Thema vorbei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist Ihre Aufgabe als Opposition, die Regierung zu treiben oder auch die Regierungsfraktionen an ihre Arbeit oder ihre Vorhaben zu erinnern – die man übrigens selbst hatte, als man noch Opposition war.

Das ist alles okay, das ist alles d’accord, das ist in Ordnung. Aber schauen wir uns jetzt an, welches Bild wieder gezeichnet wird. Dem muss man natürlich widersprechen. Sie versuchen hier das Bild zu zeichnen, dass die Landesregierung klebrige Finger habe und das Geld nicht weitergeben wolle.

(Demonstrativer Beifall bei der SPD und bei Abge- ordneten der FDP)

Obwohl Sie in den Ausschusssitzungen oder auch bei der Asylkonferenz von Minister Grüttner mehrmals bestätigt bekommen haben, dass dieses Geld im Interesse der Kommunen weitergeleitet werden wird, möchten Sie das ignorieren.

Vor allen Dingen machen wir das nicht so wie manche anderen Länder, beispielsweise Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz oder auch Niedersachsen, die schon jetzt klargemacht haben, dass sie nur einen Teil des Geldes für landeseigene Aufgaben wie die Finanzierung der Erstaufnahmeeinrichtungen zur Verfügung stellen werden.

Wir in Hessen haben ganz klar gesagt, unsere Erstaufnahme, die wir erweitern werden, wird über den Haushalt finanziert. Wir haben dafür auch Mittel zur Verfügung gestellt, und wir haben an keiner Stelle einen falschen Eindruck erweckt. Die 37 Millionen €, die noch verrechnet werden müssen, sind noch gar nicht verfügbar, sind auf keinem Konto vorhanden und werden mit der Umsatzsteuer verrechnet. Dieses Geld liegt nirgends bereit und kann deswegen auch noch nicht ausgezahlt werden. Dass wir aber schon jetzt klargemacht haben, die Erstaufnahmeeinrichtung, die Hessen – –

(Gerhard Merz (SPD): Das ist auch nicht die Frage! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glockenzeichen des Präsidenten)

Wenn Sie mir einmal zuhören würden, könnte ich Ihnen das erklären. Wenn Sie sich streiten wollen, dann können Sie hinausgehen. Dafür ist die Aktuelle Stunde aber nicht da.

Meine Damen und Herren, darf ich Sie um Aufmerksamkeit bitten, um Ruhe bitten, um Frieden bitten? – Frau Kollegin Öztürk hat das Wort.

Wir haben in Hessen mehrmals – auch in Ausschusssitzungen – klargemacht, dass wir das Geld im Interesse der Kommunen weiterleiten werden. Ich möchte nur daran erinnern: Am 11. Dezember 2014 ist eine Vereinbarung im Bundesrat getroffen worden, dass mehr Geld zur Verfügung gestellt werden soll, damit die Gesundheitsversorgung und Unterbringung der minderjährigen Flüchtlinge und auch der erwachsenen Flüchtlinge gewährleistet werden können. Dieses Geld ist noch nicht da. Erst am 21. Mai ist dazu ein Gesetz im Bundestag verabschiedet worden, und das Finanzausgleichsgesetz ist noch nicht verabschiedet worden. Daher müssen wir jetzt zuerst einmal abwarten, was von der Bundesebene überhaupt an Vorgaben gemacht wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Was die Aufgabe der Landesregierung betrifft, der aktuellen Situation der Kommunen Abhilfe zu schaffen, möchte ich noch einmal daran erinnern, dass wir die Pauschalen erhöht haben. Ich nenne Ihnen jetzt auch noch einmal die Zahlen: Im November 2013 betrugen beispielsweise die Pauschalen für Kassel und Gießen je 407 €. Jetzt sind wir mit der Erhöhung bei je 601 €. Für Darmstadt und die Stadt Kassel lagen sie im November 2013 bei je 448 €. Jetzt haben wir mit der Erhöhung je 652 €.

(Zuruf des Abg. Dieter Franz (SPD))

In den Städten Darmstadt, Offenbach, Frankfurt am Main und Wiesbaden waren wir im November 2013 bei je 515 €. Jetzt sind wir bei je 725 €. Das heißt, die Pro-Kopf-Pauschalen sind jeweils schon um rund 200 € erhöht worden, mit denen man die Kommunen bei dieser Aufgabe einigermaßen unterstützt. Das möchte ich hier anerkennen.

(Zurufe von der SPD)

Ich möchte Ihnen auch kurz sagen, was in anderen Ländern gemacht wird: Nordrhein-Westfalen hat schon jetzt gesagt, dass die Landesregierung von den 108 Millionen € an Zuweisungen, die das Land erhalten wird, 54 Millionen € behalten und für die eigenen Erstaufnahmeeinrichtungen zur Verfügung stellen will. Die Landesregierung dort gibt nur die Hälfte weiter.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Das ist meiner Meinung nach mit einem SPD-Innenminister in Nordrhein-Westfalen nicht vertretbar. Das können Sie gern kritisieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Anhaltende Zurufe von der SPD – Ge- genruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

In Rheinland-Pfalz wird ebenfalls nicht die komplette Summe weitergegeben, und in Niedersachsen werden von den 40 Millionen € 5 Millionen € im Landeshaushalt zurückbehalten.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Das heißt, den Vorwurf der klebrigen Finger können Sie gern SPD-Innenministern machen – aber nicht der Landesregierung in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich wünsche mir endlich eine ehrliche Debatte. Ich bedauere, dass die Bundesregierung mit dem Gesetzesentwurf, den sie am 21. Mai verabschiedet hat, gesagt hat, dass diese Summen abschließend zur Verfügung gestellt werden – obwohl alle Länder sagen: Die Herausforderungen steigen, der Bund muss mehr Verantwortung übernehmen und kann nicht so tun, als ob die Kommunen und die Länder die Aufgabe alleine zu tragen hätten.

(Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren! Moment, bitte. Seien Sie doch bitte etwas aufmerksamer. Man kann überhaupt nichts verstehen bei der Kreischerei. Ich darf Sie bitten, in der Aussprache etwas friedlicher zu werden. Es war doch ganz friedlich bisher. – Bitte sehr.

Aufregen kann auch ich mich in dieser Debatte. Das hilft aber keinem Flüchtling vor Ort, und auch den Kommunen nicht. Der Eindruck, den Sie hier erwecken wollen, hilft sowieso niemandem. In dem Sinne: Thema verfehlt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Öztürk. – Das Wort hat Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe das Engagement, mit dem diese Debatte geführt wird, auch als Ausdruck dafür, dass die Aufgabe der Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen und Asylsuchenden eine so große ist, dass sie uns alle bewegen muss, und zwar auf allen Ebenen unseres Staates: von den Kommunen über das Land bis hin zum Bund. Deswegen finde ich es gut, dass hier engagiert darüber diskutiert wird.

Was ich nicht gut finde, ist, dass in einer Debatte insbesondere den kommunalen Gebietskörperschaften unterstellt wird, dass sie ihrer Pflicht der Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen kaum nachkommen würden und dass die Flüchtlinge und Asylsuchenden nicht anständig aufgenommen worden seien. Das weise ich an dieser Stelle auch im Namen der Kommunen auf das Schärfste zurück.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der SPD)

Alle bemühen sich um eine gute Aufnahme und um eine gute Betreuung. Es gibt an dieser Stelle auch eine große Last zu tragen – keine Frage. Diese Last verteilt sich innerhalb des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland insofern etwas ungleich, als dass die Kommunen einen großen Beitrag dazu leisten.

Herr Merz, ich hätte mir da eine Trennung gewünscht – wir sind uns eigentlich in der letzten Ausschusssitzung schon darüber im Klaren gewesen, Sie haben es aber heute in Ihrer Rede nicht so gesagt –: Die Begriffe „kostendeckend“ und „Pauschale“ passen nicht zueinander. Das ist so.

(Gerhard Merz (SPD): Ja!)

Sie haben es akzeptiert, Sie brauchen es nicht zu relativieren. – Es ist schlicht und einfach so: Wenn ich über eine Pauschale rede, kann ich nicht über eine Kostendeckung reden, sondern dann rede ich ausschließlich über eine Pauschale. Mit den Kommunalen Spitzenverbänden sind wir uns einig, dass wir uns in Hessen ausschließlich über Pauschalen und nicht über eine Kostendeckung auseinandersetzen. Dann kann man sich die Frage stellen: Ist die Pauschale auskömmlich oder nicht?

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Timon Gremmels (SPD): Das ist keine Frage! – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Dazu gibt es zum jetzigen Zeitpunkt Gespräche mit der kommunalen Ebene. Diese haben am 16. April begonnen – damit man überhaupt in das Gespräch einsteigen konnte, mit der relativ klaren Vereinbarung von Anfang an, dass es zwei Grundsätze gibt: erstens, dass man über Pauschalen und nicht über Kostendeckung redet, und zweitens, dass man nicht über Standards redet. Sonst wären die Kommunen gar nicht bereit gewesen, sich mit uns in einen Diskussionsprozess einzulassen.

Ich habe Ihnen auch erklärt – das nur am Rande –, ich kann manchen Gesprächspartnern nicht einfach Themen aufdrängen, über die sie nicht sprechen wollen. Das ist eine Frage des guten Miteinanders. Mit der kommunalen Ebene ist, weil wir alle diese Zahlen kennen und sie sehr unterschiedlich sind, vereinbart worden, die Bestandteile der Pauschalen noch einmal einer genauen Analyse zu unterziehen und die Frage der Auskömmlichkeit der unter

schiedlichen Bestandteile zu prüfen. Diese Arbeitsgruppe hat sich einvernehmlich dahin gehend verständigt, sich Mitte Juli erneut zusammenzusetzen, die Ergebnisse der Recherchen auszuwerten und die notwendigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Ich werde dieser Diskussion an dieser Stelle nicht vorgreifen, weil ich die Kommunalen Spitzenverbände als Gesprächspartner sehr ernst nehme.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Norbert Schmitt (SPD))