Protokoll der Sitzung vom 28.05.2015

Davon sind wir überzeugt, und ich glaube, dass das auch funktionieren wird, weil uns die Erfolge von RMV und NVV recht geben.

Meine Damen und Herren, gerade wenn wir neu organisieren, wenn wir das Produkt des ÖPNV stetig verbessern wollen, ob das die Qualität der Fahrzeuge ist oder auch in der Anbietung von Takten, dann kann das nur gelingen, indem man die kommunale Familie einbindet und mit den Verbünden gemeinsam vernünftige Lösungen findet. Das haben CDU und FDP in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der FDP)

Klar ist auch, der ÖPNV ist auf die Regionalisierungsmittel aus den Entflechtungsgesetzen angewiesen. Ich bin einmal gespannt: Der hessische Verkehrsminister hat sich hier einmal an das Pult gestellt und dafür feiern lassen, dass er bei der Bundesverkehrsministerkonferenz eine einheitliche Meinung hinbekommen hat, dass wir mehr Geld brauchen. Bekommen hat er nichts. Wolfgang Schäuble hat die Länderverkehrsminister am Ende am langen Arm verhungern lassen. Wir haben bis heute nichts davon gehört, was mit den Regionalisierungsmitteln passiert, wie wir eine Dynamisierung hineinbekommen, damit der ÖPNV gerade im ländlichen Raum nicht ausgedünnt werden muss. Wenn man sich einmal die Interviews mit Knut Ringat in den Zeitungen anschaut, weiß man, vor welchen Herausforderungen wir stehen, und hier kann ich nur hoffen, dass die Landesregierung intensiv ihren Einfluss in Berlin geltend macht. Immerhin ist der Ministerpräsident auch der stellvertretende Bundesvorsitzende der Union.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lenders. – Das Wort hat die Abg. Janine Wissler von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Entwicklung der Tarif- und Verkehrsverbünde waren in der Tat ein Fortschritt für einen attraktiven Nahverkehr in Hessen. Wer Anfang der Neunzigerjahre mit der Frankfurter Straßenbahn 16 von Frankfurt in die Offenbacher Innenstadt fahren wollte, was damals noch ging, brauchte zwei Fahrscheine, einen vom FVV und einen von den Stadtwerken

Offenbach. Heute kann man mit einem Fahrschein von Tür zu Tür fahren, und die meisten Menschen empfinden das zu Recht als völlig selbstverständlich.

In ganz Deutschland gibt es heute nur noch wenige Gebiete, die nicht von einem Verkehrsverbund erschlossen sind. In der Ausgestaltung und in den ihnen übertragenen Aufgaben unterscheiden sie sich jedoch erheblich. 20 Jahre NVV und RMV sind sicher ein Anlass für Festreden, aber sie sind auch ein Anlass, um kritisch Bilanz zu ziehen, auch gerade über die Entwicklung der letzten Jahre.

(Beifall bei der LINKEN)

Seit 2002 gab Schwarz-Gelb den sogenannten hessischen Weg vor, d. h. dass die Leistungen fast ausschließlich im Wettbewerb vergeben werden sollen, und das hat zu einem knallharten Wettbewerb zwischen teilweise multinationalen Konzernen um die billigsten Bus- und Bahnleistungen geführt. Auch wenn man hier und dort versucht, den Wettbewerb zu lenken, z. B. mit festgeschriebenen Qualitätsanforderungen, so geht die Kostenoptimierung doch in allererster Linie zulasten der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und teilweise auch zulasten der Qualität des eingesetzten Wagenmaterials. Meine Damen und Herren, der hessische Weg bedeutet in der Praxis Lohndumping und schlechtere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Das kann man insbesondere im Bereich der Busfahrer sehen.

Noch ein Effekt der Gründungskonstruktion der Verbünde wird immer wieder offensichtlich: Mit der Auslagerung von Fahrplan- und Preisgestaltung in privatrechtliche Gesellschaften – also NVV, RMV, VRN und die kommunalen Aufgabenträger –, bei gleichzeitiger Maßgabe des Ziels eines möglichst hohen Kostendeckungsgrads, hat sich das Land bei einer Aufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge elegant aus der Verantwortung gezogen.

Wer immer Kritik an zu hohen Preisen oder zu schlechtem Angebot äußert, wird auf die unternehmerischen Entscheidungen der GmbHs verwiesen, und dass diese wirtschaftlich handeln müssten. Das ist natürlich bequem für die jeweilige Regierung. Die Verbünde aber sind öffentliche Aufgabenträger, deswegen sollten andere Maßstäbe angelegt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Alleine das Wort „Kostendeckungsgrad“ ist schon Quatsch. Es bezeichnet den Anteil, den die Fahrkartenerlöse an den Gesamtkosten ausmachen, und an diesem bemisst die Regierung gerne ihren Erfolg. Aber die Kosten werden natürlich immer irgendwie von irgendwem gedeckt. Wenn der RMV einen Kostendeckungsgrad von 56 % hat, dann werden 44 % aus Steuermitteln beigesteuert, aus welchen Töpfen auch immer sie kommen.

Gut die Hälfte der Kosten bezahlen also die ÖPNV-Nutzer alleine, knapp die andere Hälfte bezahlen alle. Ich finde, über diese Aufteilung sollten wir auch einmal reden. Die regelmäßige Erhöhung der Fahrpreise ist der falsche Weg. Der ÖPNV ist eine staatliche Grundaufgabe. Weil es allen nutzt, vergleichbar mit Straßen und Wegen, weil es Umwelt und Klima schont, Lärm und Flächenverbrauch reduziert und das Grundrecht auf Mobilität für alle sicherstellt, brauchen wir auch bezahlbare Preise im ÖPNV, allen voran gilt das für den RMV.

(Beifall bei der LINKEN)

Der ÖPNV braucht deutlich mehr Geld, und deswegen müssen natürlich die Regionalisierungsmittel auf Bundesebene erhöht werden. Derzeit ist er chronisch unterfinanziert und fährt auf Verschleiß. Die Unterfinanzierung ist so dramatisch, dass die heutige Infrastruktur nicht mehr aufrechtzuerhalten sein wird, wenn sich nichts ändert. Davon ist besonders der ländliche Raum betroffen, viele Orte sind schon jetzt abgehängt. Oder, um es mit den Worten eines Bürgermeisters aus dem Lahn-Dill-Kreis zu sagen: Wenn das so weitergeht, ist der Dienstwagen des Landrats der einzige öffentliche Verkehr im ländlichen Raum.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Sammeltaxis und private Mitfahrgelegenheiten ersetzen kein attraktives und gut getaktetes ÖPNV-Angebot. Der ÖPNV müsste massiv ausgebaut werden, damit er eine echte Alternative zum Auto ist.

Auch über das Preissystem der hessischen Verbünde müssten wir reden, insbesondere im Bereich des RMV. Dort sind die Preise nicht nur insgesamt zu hoch, auch im Vergleich zu anderen Verbünden, sondern auch die Rate der jährlichen Erhöhungen ist unangemessen, und das Tarifsystem mit seinen teilweise willkürlich gezogenen Tarifgrenzen ist stellenweise einfach unfair.

Es gibt also gute Gründe, über neue Wege der ÖPNV-Finanzierung nachzudenken: ein höherer Einsatz von Steuermitteln, aber auch eine Nahverkehrsabgabe von Unternehmen wie in Frankreich oder eine sozial gerechte Beitragsfinanzierung durch alle Haushalte, die deutlich unter den heutigen Preisen von Monatskarten liegen könnte. Mit Semester- und Jobtickets gibt es solche Modelle bereits heute, sie müssten ausgedehnt werden. Mittelfristig ist der Nulltarif bzw. der fahrscheinlose ÖPNV das richtige Ziel.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin Wissler, Sie müssten langsam zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – NVV und RMV haben die ÖPNV-Nutzung vereinfacht. Wenn wir einen wirklich attraktiven ÖPNV wollen, der viele Menschen zum Umsteigen bewegt und eine zum Auto konkurrenzfähige Mobilität für alle garantiert, dann brauchen wir einen massiven Ausbau gegenüber dem heutigen Angebot und neue Lösungen der Organisation und der Finanzierung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort hat der Abg. Caspar, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dankbar, dass sie diese Aktuelle Stunde zum heutigen Tag aufgerufen hat. Es ist richtig: Heute vor 20 Jahren wurden die Verkehrsver

bünde in Hessen gegründet, sie feiern heute Geburtstag, und wir gratulieren den Verkehrsverbünden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir gratulieren den Verkehrsverbünden nicht nur zu 20 Jahren erfolgreicher Arbeit, sondern wir danken auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Verkehrsverbünde, die sich sehr engagiert haben. Wir danken auch den Geschäftsführungen in dieser Zeit. Nachdem die Kollegin Müller schon sehr viel Richtiges zum NVV gesagt hat, möchte ich vielleicht noch das eine oder andere zum RMV sagen, um das Bild abzurunden.

Besonders möchte ich auch der langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden des RMV danken, Frau Petra Roth, die mit dem RMV einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass die Metropolregion Rhein-Main näher zusammengewachsen ist. Woran nämlich spüren Menschen, dass eine Region zusammenwächst? Sie spüren es daran, dass es zwar Grenzen gibt, diese Grenzen aber an Bedeutung verlieren. Durch den Verbund ist es eben gelungen, dass diese Grenzen an Bedeutung verloren haben. Heute haben wir dort einen Verbund, wir haben ein Ticket. Man muss überlegen, dass es im Bereich des RMV zuvor 100 verschiedene Ticketformen gab. Es ist also schon ein enormer Schritt, der dort gelungen ist, um dies zu vereinfachen.

Ich möchte auch noch einmal in einer anderen Form darstellen, welche Verkehrsdienstleistungen allein der RheinMain-Verbund erbringt: Um die Gesamtstrecke abzubilden, die die Bahnen und Busse jährlich im Gebiet des RMV fahren, müsste man sie 5.000-mal um die Erde fahren lassen. So viel Verkehrsdienstleistung wird allein durch den RMV im Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus in Hessen erbracht. Sie sehen daran, welch große Verkehrsdienstleistung dort erbracht wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Kollegin Wissler hat den Kostendeckungsbeitrag der Fahrgäste angesprochen. Wenn man dazu sagt, um welchen Kostendeckungsbeitrag es geht, macht es eben schon Sinn. Dieser ist auch gesteigert worden, nämlich von 50 % im Jahr 1995 auf heute 56 %.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Gerade das habe ich ja kritisiert!)

Daran sieht man, dass, obwohl immer mehr Menschen den RMV und seine Leistung in Anspruch nehmen, sie auch bereit sind, für gute Leistung und gute Qualität einen angemessenen Preis zu zahlen.

Meine Damen und Herren, der RMV hat sich aber auch dadurch ausgezeichnet, dass er besonders innovativ vorgegangen ist, nämlich auch verantwortlich mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung gestellt worden sind: einmal denen der Fahrgäste – die erwähnten 56 % –, aber auch denen der öffentlichen Hand, der Steuergelder, nämlich 44 %. Das hat er in der Form gemacht, dass er gesagt hat, es müsse dafür gesorgt werden, dass diese Leistungen preisgünstig angeboten werden könnten. Deswegen wurde 1999 die europaweit erste wettbewerbsbedingte Ausschreibung im Schienenverkehr durchgeführt und im Jahr 2002 die europaweit erste wettbewerbsbedingte Ausschreibung im Busverkehr. Auch hier ist der RMV Vorreiter gewesen.

Die Ausschreibung war ein Erfolg, weil – entgegen dem, was Sie hier gesagt haben, Frau Wissler – es z. B. so ist, dass das Durchschnittsalter der Busse, die dort zum Einsatz kommen, 5,5 Jahre beträgt. Die Fahrzeuge sind also relativ neu, weswegen auch die Qualität und der Sicherheitsstandard der Fahrzeuge stimmen. Genau das ist Ergebnis von Wettbewerb und Ausschreibung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie geht es in Zukunft weiter? Es sind viele Aufgaben zu lösen. In Zukunft muss die Möglichkeit gegeben werden, dass alle Fahrgäste, nur mit Handy bewaffnet, einen Bus oder eine Straßenbahn betreten können, ohne zuvor ein Ticket lösen zu müssen, um die Barrieren des Zugangs weiter zu verringern. Hier sind weiter Innovation und die Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen gefragt. Dort sind wir auf dem Weg, und insoweit wird der RMV auch in den nächsten 20 Jahren mit dieser Landesregierung eine hervorragende Zukunft haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Vielen Dank, Kollege Caspar. – Das Wort hat Staatsminister Al-Wazir.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Danken Sie wenigstens den Bus- und Straßenbahnfahrern, wenn es schon Herr Caspar nicht tut? – Gegenruf von der CDU)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle fünf Aktuellen Stunden des heutigen Vormittags sind wichtig, aber das Thema der jetzigen Aktuellen Stunde betrifft sicherlich die meisten Menschen. Wenn man sich einmal überlegt, dass allein im RMV-Gebiet pro Tag 2,5 Millionen Menschen mit dem RMV unterwegs sind, wird einem vielleicht klar, was dort jeden Tag geleistet wird, und zwar von allen, die in diesen Verbünden für die Menschen arbeiten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Heute auf den Tag genau vor 20 Jahren ist der RMV gegründet worden. Ich kann mich an diesen Tag sehr gut erinnern. Wir haben damals erlebt, dass einer der größten Verkehrsverbünde Deutschlands gegründet wurde, und das ist er auch heute noch. Ich kann mich aber deshalb gut an diesen Tag erinnern, weil ich vorher einer dieser Nutzer der Straßenbahnlinie 16 war, die Kollegin Wissler angesprochen hat. Mit diesem Tag der RMV-Gründung ist auch die S-Bahn zwischen Offenbach und Frankfurt eröffnet worden. Vorher musste man wirklich an der Stadtgrenze aussteigen und einen neuen Fahrschein lösen. Allein dass die beiden sich liebenden Schwesterstädte Frankfurt und Offenbach

(Heiterkeit der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

mit einer S-Bahn verbunden wurden und es mit einem Ticket nutzbar wurde, das hat gezeigt, was an diesem Tag wirklich geschehen ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Grenzen überwunden!)

Ein Tarif, ein Fahrschein, alle Angebote, und das in einem Gebiet von Osthessen bis Westhessen, von Mittelhessen bis Südhessen, also ein riesiges Gebiet – das ist eine Leistung, die damals wegweisend war.