Protokoll der Sitzung vom 22.09.2015

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Melderechts, des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und des Hessischen Glücksspielgesetzes – Drucks. 19/2425 zu Drucks. 19/1979 –

und dem

Änderungsantrag der Fraktion der FDP – Drucks. 19/2438 –

sowie dem

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucks. 19/2460 –

Zur Berichterstattung, bitte, Herr Abg. Frömmrich.

Herr Präsident! Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses lautet: Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der SPD, der LINKEN und der FDP, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – In der Debatte hat sich zunächst Herr Kollege Bauer für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung kommen unterschiedliche Sachverhalte zu einer Regelung.

Wir haben neben einer schriftlichen Anhörung eine mündliche Anhörung am 10. September 2015 durchgeführt. Es gab dabei selbstverständlich unterschiedliche Rückmeldungen.

Weitestgehend unstrittig war die geplante Neuregelung im Melderecht. Sie erfolgt, da der Bund mit einem Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens den ganzen Bereich in das Bundesmeldegesetz zusammengeführt hat, das am 1. November dieses Jahres in Kraft tritt. Das hat selbstver

ständlich verschiedene Anpassungen im Landesrecht zur Folge. So werden im Gesetzentwurf Vorgaben gemacht, um Datenmissbrauch zu vermeiden und um Fragen des Datenschutzes zu regeln.

(Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)

Allgemein begrüßt wurde die Änderung, dass künftig eine Mitwirkung des Wohnungsgebers geschaffen wird, damit die örtlichen Melderegister einigermaßen der Realität angepasst werden und auf dem Stand sind, zu wissen, welche Wohnung vom wem tatsächlich genutzt wird.

Kritisch hat man sich dagegen zu einer erweiterten Datenübermittlung an öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften gezeigt, insbesondere bei der Übermittlung von Daten von Familienmitgliedern.

Wir haben mit dem eingebrachten Änderungsantrag nun klargestellt, dass wir uns in Hessen auf den Umfang der Datenübermittlung beschränken, der bereits in § 42 Abs. 2 Bundesmeldegesetz geregelt ist, und dass wir die Weitergabe darüber hinausgehender Daten ausschließen.

Eine zweite Regelung, auf die ich näher eingehen möchte, betrifft das Gefahrenabwehrrecht. Hier geht es um Zuverlässigkeitsüberprüfungen zum Schutz staatlicher Einrichtungen und Veranstaltungen. Es liegt auf der Hand und nahe, dass Bedienstete, die z. B. im Bereich des Vergabeverfahrens mit sicherheitsrelevanten Inhalten zu tun haben, künftig überprüft werden müssen.

Der Datenschutzbeauftragte begrüßt ausdrücklich, dass die Regelung im Gesetzentwurf jetzt Rechtsklarheit schaffen wird. Seiner Anregung, dass diese Überprüfungen auch für Personen gelten sollen, die Zugang zu besonders gefährdeten öffentlichen Einrichtungen haben, kommen wir gerne nach. Als Beispiel nannte er Personen in unterschiedlicher Funktion in Flüchtlingsunterkünften. Meine Damen und Herren, es muss in unser aller Interesse sein, dass hier zuverlässiges Personal eingestellt wird. Daher erweitern wir mit unserem Änderungsantrag den Personenkreis um diese Beschäftigten, um sie auf ihre Zuverlässigkeit überprüfen zu können.

Die vorgesehenen Änderungen im HSOG sind gerade bei den „Anwendern“ auf breite Zustimmung gestoßen. Die Vertreter der Polizeigewerkschaften begrüßten den vorgelegten Gesetzentwurf ausdrücklich. Unstreitig war z. B. die Ermöglichung gezielter Kontrollen. Diese zusätzliche Maßnahme hilft bei der Terrorismusbekämpfung; sie erweitert den entsprechenden Einsatzkoffer. Sie dient in der Ermittlungsphase dazu, den Kontrolldruck zu erhöhen und potenzielle Gefährder unter präventiven Gesichtspunkten zu verunsichern.

Unproblematisch waren die Regelungen betreffend die Notrufaufzeichnung. Es liegt auf der Hand, dass wir hier eine gesetzliche Grundlage schaffen, und wir kommen damit auch einer Forderung des Datenschutzbeauftragten nach.

Im Rahmen der Anhörung wurde empfohlen, die Möglichkeit der Verarbeitung von Aufzeichnungen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zu streichen. Diese Empfehlung nehmen wir mit unserem Änderungsantrag ebenfalls auf.

Eine breite Debatte gab es um die Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten der Bodycams. Es geht uns allen um eine Verbesserung der Nutzung der Bodycams. Da unsere Poli

zeibeamtinnen und Polizeibeamten in einem nicht hinnehmbaren Ausmaß Opfer von Angriffen werden, haben wir bekanntlich vor fast zwei Jahren ein bundesweit einmaliges Projekt gestartet und sind damit, so denke ich, bundesweit auch Vorreiter. Der Einsatz der Bodycams erfolgt schon jetzt nach strengen Regeln, die in enger Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten festgelegt worden sind.

Die Bodycam hat sich im Einsatz bewährt. Ihr Einsatz wurde mittlerweile auf ganz Hessen ausgeweitet. Bisher zeichnet die Bodycam nur Bilder, aber keinen Ton auf. Es hat sich aber gezeigt, dass auch eine Tonaufzeichnung hilfreich wäre, da körperlichen Übergriffen regelmäßig verbale Auseinandersetzungen vorausgehen. Eine Aufzeichnung des Tones kann einer Eskalation bestimmter Situationen entgegenwirken. Dies wollen wir nun ermöglichen. Bisher wurde die neue Technik vorwiegend bei Personenkontrollen eingesetzt. Dabei soll es nach der Auswertung der Anhörung auch im Hinblick auf datenschutzrechtliche Erfordernisse bleiben.

Die Bodycam wird also im bisherigen Rahmen der Identitätsfeststellung eingesetzt. Sie bleibt ein Erfolgsprojekt der Polizei, das den Schutz unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten verbessert.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zwei kleine Punkte sollten noch erwähnt werden. Die Neuregelung für den Zoll in § 102 HSOG betrifft ebenfalls die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Mit ihr sollen Vollzugskräfte der Zollverwaltung unter den gleichen Voraussetzungen tätig werden können wie Beamte der Länderpolizei und der Bundespolizei. Andere Bundesländer haben diese Regelung bereits in ihre Polizeigesetze aufgenommen. Wir tun gut daran, hier gleichzuziehen.

Eine ganz andere Regelung betrifft das Hessische Glücksspielgesetz. Hier werden die rechtlichen Grundlagen für die Durchführung einer Umweltlotterie gelegt. In Skandinavien wird bereits so gespielt. In Deutschland wird Hessen damit Neuland betreten. Mit den Überschüssen aus der Umweltlotterie können wichtige Umwelt- und Naturschutzprojekte finanziert werden. Um das rechtlich abzusichern, wird das Hessische Glücksspielgesetz um den Förderungszweck „Umwelt- und Naturschutz“ ergänzt.

Meine Damen und Herren, ich danke den Kollegen, die diese Beratungsfolge ermöglicht haben. Wir haben die Änderungen im Innenausschuss nur mündlich ankündigen können, haben uns aber bemüht, den Änderungsantrag in einer Vorabversion den Obleuten frühestmöglich zuzustellen. Früher ging es leider nicht. Ich denke, Sie haben erkannt, dass wir sinnvolle Änderungsvorschläge aus der Anhörung aufgegriffen haben. Wir sind davon überzeugt, das Gesetzgebungsverfahren gut abschließen zu können. Der entsprechend geänderte Gesetzentwurf findet unsere volle Zustimmung.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Bauer. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Greilich das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich auf zwei Punkte beschränken, die hier eine Rolle spielen. Wir brauchen uns nicht mit allen Einzelheiten nochmals zu befassen, die in der Vergangenheit schon diskutiert worden sind.

Das Erste, was ich in aller Kürze erwähnen will, sind die Anpassungen des Melderechts, die der Gesetzentwurf vorsieht. Sie sind im Wesentlichen unstreitig.

Es gibt einen wesentlichen Punkt, nämlich die Ausdehnung des Rechts zur Übermittlung personenbezogener Daten – auch von Nicht-Kirchenangehörigen – an die Kirchen. Da haben Sie von den Regierungsfraktionen die Hinweise aus der Anhörung dankenswerterweise aufgegriffen, die auch wir zum Gegenstand unseres Änderungsantrags gemacht hatten. Insofern kann man sagen, dass das, was jetzt zum Melderecht vorgesehen ist, unsere Zustimmung findet. Insofern besteht kein Änderungsbedarf mehr, wenn der Änderungsantrag angenommen wird.

Es gibt ein anderes Thema, das erheblich problematischer ist, mit dem wir uns in der Anhörung intensiv befasst haben. Kollege Bauer hat etwas zur Frage der Ausdehnung des Einsatzes von Bodycams gesagt. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, wie es bisher war. Der Landtag hat im HSOG mit ausdrücklicher Zustimmung der FDP eine rechtlichen Grundlage zur Einführung der Bodycams geschaffen. Es hat sich bewährt, dass wir das getan haben; das ist durchgängig der Inhalt der Berichte, die wir dazu hören.

Wir müssen dazu aber eines klar sagen: Wenn man diesen Grundrechtseingriff vornimmt, den der Einsatz der Bodycams ohne Weiteres darstellt, dann geht nichts daran vorbei, dass man das sehr restriktiv tun muss. Deshalb haben wir eine klare Eingriffsschwelle, nämlich die Gefährdung von Leib und Leben, definiert, und wir haben außerdem festgelegt, dass nur die Aufnahme von Bildern zulässig ist. Das ist die geltende Rechtslage.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt wollen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf den Umfang der Aufzeichnungen auch auf Tonaufnahmen ausdehnen. Das wollen Sie offensichtlich immer noch, wenn ich Ihren Änderungsantrag richtig verstanden habe. Zweitens wollen Sie auch die Pre-Recording-Funktion zulassen, also das Aufzeichnen in einer Schleife, bevor überhaupt feststeht, dass die Voraussetzungen vorliegen, die diesen Grundrechtseingriff erlauben. Daran ändert Ihr Änderungsantrag zum Gesetzentwurf nichts, wenn ich es in der Eile, die hier von Ihnen erzeugt wird, richtig verstanden habe.

Das Einzige, was Sie angepasst haben – das ist immerhin ein kleiner Fortschritt –: Sie haben davon abgesehen, die Eingriffsschwelle weiter abzusenken.

Die vorgesehene Regelung, die nur nach den Umständen zum Schutz erforderlich sein sollte, haben Sie geändert, weil Sie die klaren Hinweise verstanden haben, dass nur eine konkrete Gefährdung von erheblichen Rechtsgütern diesen Eingriff in engen Grenzen rechtfertigen kann. Das waren die Hinweise insbesondere des Hessischen Datenschutzbeauftragten.

An dieser Stelle haben Sie nachgebessert. Das erkennen wir an. Ich denke, mit der Formulierung, dass „nach den Umständen zum Schutz von … Polizeibeamten … gegen

eine Gefahr für Leib und Leben“ der Einsatz erforderlich sein soll, kann man gut leben. Das ist in Ordnung.

(Beifall bei der FDP)

Es bleibt aber die Problematik des Pre-Recordings – ich habe das bereits genannt –, also des kurzfristigen technischen Erfassens. Das heißt, man lässt die Kamera in einer Schleife laufen, wobei zunächst einmal 30 Sekunden lang aufgezeichnet und dann automatisiert gelöscht wird. Das ist eine Geschichte, die über das hinausgeht, was wir in anderen Bereichen gemacht haben.

Ich erinnere daran – der Ministerpräsident ist jetzt leider nicht mehr anwesend, weil er anderweitige Verpflichtungen hat; er ist entschuldigt –, wir haben seinerzeit im Zusammenhang mit den Kennzeichenlesegeräten, nachdem trotz der Warnungen der Freien Demokraten eine absolute CDU-Mehrheit eine verfassungswidrige Lösung beschlossen hatte, eine gemeinsame Lösung erarbeitet und umgesetzt, die dafür sorgt, dass eine Speicherung nur vorgenommen wird, wenn es auch Treffer gibt. Es liegt also keine vorläufige Speicherung vor, sondern nur die Erfassung im flüchtigen Speicher. Wenn die Eingriffsvoraussetzungen nicht gegeben sind, wird sofort gelöscht. Es ist eine völlig andere, eine rechtsstaatlich saubere Lösung, die wir seinerzeit gemeinsam erarbeitet haben.

Das, was Sie hier machen, ist etwas anderes: Sie zeichnen auf. Wenn Sie sagen: „Wenn innerhalb von 30 Sekunden keiner auf den Knopf drückt, wird das wieder gelöscht“, erkläre ich: Es wird zunächst einmal aufgezeichnet, und deswegen gehen Sie nach unserer Auffassung damit über das, was verfassungsrechtlich zulässig ist, deutlich hinaus.

Der zweite Punkt, an dem Sie die Verfassung überstrapazieren, sind die Tonaufnahmen. Wir haben in der Anhörung deutlich herausgearbeitet, dass eine Tonaufnahme keinen präventiven Charakter hat. Es geht ausschließlich um eine Beweissicherung zum Zwecke der Strafverfolgung. Aber für strafprozessrechtliche Fragen – das ist eine Binsenweisheit – ist der Hessische Landtag als Gesetzgeber schlicht unzuständig. Das fällt in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes und kann deswegen hier nicht entschieden werden.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann zusammenfassend feststellen: Bei dem, was Sie bei dem Thema „Ausweitung des Bodycam-Einsatzes“ versuchen, machen Sie genau den gleichen Fehler, aus dem Sie seinerzeit bei den Kennzeichenlesegeräten hätten lernen sollen. Auch damals haben Sie mehr gemacht, als die Verfassung zulässt. Was war das Ergebnis? Sie hatten anschließend nichts mehr in der Hand. Genauso gefährden Sie hier den verfassungsrechtlich korrekten Einsatz von Bodycams, indem Sie über das Ziel hinausschießen und die notwendigen verfassungsrechtlichen Grenzen nicht einhalten.

Ich will noch eines hinzufügen: Ich beantrage bei dieser Gelegenheit die Überweisung an den Ausschuss, damit dort die dritte Lesung vorbereitet werden kann. Wir brauchen eine dritte Lesung; denn das, was Sie uns hier geliefert haben, ist wieder einmal ein Stück aus dem Tollhaus.