Insoweit stellen sich viele Fragen, die man am besten ohne Verhärtung der Diskussionslinien beleuchtet. Wäre es beispielsweise richtig, darauf zu verzichten, Ebola-Kranken zu helfen, weil wir darauf verzichten, grundlegende Kenntnisse darüber zu erlangen, wie diese Viren in die Zellen eindringen, wie sie sie zerstören und dabei die körpereigene Abwehrkraft überwinden? Oder wäre es beispielsweise richtig gewesen – hier sind wir ja einen ganz großen Schritt vorangekommen –, wenn Mediziner darauf verzichtet hätten, die sogenannte Tiefenhirnstimulation zu testen, um Parkinson-Patienten zu helfen?
Das sind unglaublich schwierige Fragen, und ich glaube, es gibt keine simple, keine pauschale Antwort darauf. Es gibt auch keine Antwort auf die Frage, ob wir zu viele Tierversuche haben oder ob wir Tiere in angemessenem Umfang in der Forschung verwenden. So einfach ist das nicht.
Was man aber aus meiner Sicht, wenn man realistisch ist – Frau Kollegin Cárdenas, ich füge in Parenthese sehr deutlich hinzu: jedenfalls aus heutiger Sicht –, mit einem Ja beantworten kann, ist die Frage, ob tierexperimentelle Forschung notwendig ist. Da beißt die Maus keinen Faden ab, um das sehr deutlich zu sagen.
Ich will auch mit der Mär aufräumen, die Sie immer wieder vorbringen – ich habe das auch in Ihrer Pressemitteilung wieder gelesen –, dass die Ergebnisse, die man bei Tierversuchen erreichen könne, nicht auf den Menschen übertragbar seien. In der Tat sind Menschen keine Mäuse. Das ist so. Ich glaube, für diese Feststellung ist keine große Weisheit erforderlich. Die Ergebnisse sind vielleicht auch nicht 1 : 1 übertragbar, verehrte Frau Kollegin. Wegen der Ähnlichkeit von Zell- und Organfunktionen bei Säugetieren ist aber natürlich zu erwarten, dass Prinzipien – ich wiederhole: Prinzipien – auf den Menschen übertragbar sind.
Ich will noch etwas sehr deutlich sagen, auch um die Forscherinnen und Forscher in Schutz zu nehmen, denen Sie ja vorwerfen, sie machten das unnötigerweise aus welchen Gründen auch immer. Ich glaube, Sie haben verwerflicherweise wirtschaftliche Gründe angeführt. Kein Mensch führt grundlos Tierversuche durch, Frau Kollegin Cárdenas, und kein normaler Mensch tötet Tiere ohne Grund.
Aber immer dann, wenn es um den intakten Organismus geht, und immer dann, wenn es nicht ausreicht, mit Zellund mit Gewebekulturen zu arbeiten, was unsere Wissen
schaftler ja in überwiegendem Maße tun, sind Tierversuche bedauerlicherweise unvermeidlich, um die Grundlagen des Lebens zu verstehen und insbesondere auch um Fortschritte in der Medizin zu erzielen.
Allerdings gilt auch – das will ich unterstreichen –, wenn man die Frage so beantwortet hat, wie ich sie eben beantwortet habe, dass es allerstrengste Regeln geben muss. Deswegen war es richtig, dass das Tierschutzgesetz in den vergangenen Jahren in Deutschland mehrmals überarbeitet und verschärft worden ist. Deswegen war es auch richtig –, Frau Kollegin Beer hat darauf hingewiesen – dass es inzwischen europaweite verbindliche Regelungen gibt und dass nur Versuche genehmigt werden können, für die es keine Alternativmethoden gibt und die im Übrigen auch wichtigen Zielen dienen. Dazu gehören aus meiner Sicht ganz besonders prominent Transparenz und Offenheit. Wenn man in diesem Themenbereich mit Transparenz und Offenheit arbeitet, so gewährleistet dies das Vertrauen in unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sehr verantwortungsbewusst mit Tierversuchen umgehen, und beugt eben auch einer bösartigen Legendenbildung vor.
Insofern begrüße ich – das will ich deutlich sagen, Frau Kollegin Hammann – Ihre jährliche Abfrage der entsprechenden Zahlen, die Sie seit mindestens 15 Jahren, seit 1999 abfragen, weil sie eben auch für Transparenz sorgen.
Sie haben sie konsequent abgefragt, und sie geben dazu Anlass, immer wieder sehr genau hinzuschauen.
Auch aus diesem Grunde ist es aus meiner Sicht richtig, dass es wie in kaum einem anderen Bereich der Forschung einen derartig hohen Dokumentationsaufwand und ein so dichtes Kontrollnetz gibt, sehr geehrte Frau Kollegin Beer. Insoweit wird aus meiner Sicht richtigerweise im neuen Hessischen Hochschulgesetz festgelegt, dass, wer Tierversuche macht, dokumentieren und berichten muss, was er tut, um alternative Verfahren zur Vermeidung, zur Verringerung und zur Verfeinerung von Tierversuchen umzusetzen. Wir machen das nicht, um den Menschen mehr Bürokratie aufzubürden – wir haben schon heute die Notwendigkeit und die Verpflichtung, zu dokumentieren –, sondern wir machen es, damit verantwortungsbewusstes Handeln auch transparent und offen dargestellt wird.
Ganz ehrlich, ich weiß gar nicht, wie oft wir redundante Regelungen in Gesetzen haben. Wenn wir aber einen Bereich haben, in dem ganz besonders hingeschaut wird und in dem in besonderem Umfang Tierversuche gemacht werden, dann ist es der Hochschulbereich. Dann muss es natürlich in dem dafür zuständigen Gesetz geregelt werden. Wo denn sonst?
Wir tun als Hessische Landesregierung noch viel mehr. Denn wer die eingangs beschriebene Einsicht hat, der hat natürlich auch die Pflicht, alles zu tun, dass entsprechend dem von Russell und Burch schon 1959 entwickelten 3-RPrinzip – reduce, refine, replace; Herr Dr. Bartelt hat schon darauf hingewiesen – nur so viele Tierversuche durchgeführt werden, wie unbedingt notwendig sind, um eine wissenschaftliche Fragestellung zu beantworten, dass die Un
tersuchungsmethoden so verbessert werden, dass die Tiere möglichst wenig belastet werden, und dass Ersatzmethoden für Tierversuche verwendet werden, wann immer das möglich ist.
Diese Fragen kann man nicht mit einem Glauben, Denken oder Meinen beantworten, sondern das sind Fragen, die man seriös nur Wissenschaftler mit wissenschaftlicher Expertise beantworten lassen kann. Deswegen richtet das Land Hessen zeitgleich zwei – verehrte Frau Kollegin Hammann, Sie haben vollkommen recht gehabt –, gewissermaßen sogar drei neue Tierschutzprofessuren mit dem Ziel 3 R ein. Verehrte Frau Kollegin Müller, das ist eine deutschlandweit beispielgebende Maßnahme zur konsequenten Umsetzung von Tierschutzmaßnahmen in der Wissenschaft.
Da sind wir den geschätzten Kollegen aus NordrheinWestfalen oder den anderen Ländern, die Sie als Beispiel genannt haben, weit voraus, weil niemand sich so konkret auf die 3 R stützt, wie wir das tun. Andere kümmern sich um Tierversuche; das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Aber wir tun es mit einem besonderen Fokus. Ich glaube, das ist richtig; denn es fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs. Es zieht Wissenschaftler aus der ganzen Welt an, und je mehr Wissenschaftler auf diesem Gebiet forschen und lehren, umso größer wird am Ende der Output an leistungsfähigen und praxisreifen neuen Verfahren sein.
Wir unterstützen bewusst an der Goethe-Universität in Frankfurt und – dieses „und“ unterstreiche ich, weil es von Anfang an so nicht geplant gewesen ist; aber wir haben es ausgeschrieben, wir haben es begutachten lassen, wir haben Wissenschaftler sich mit den Konzepten befassen lassen – an den mittelhessischen Universitäten, konkret in Gießen, jeweils eine Professur mit der Ergänzung, die Frau Kollegin Hammann schon genannt hat.
Es sind Kollegen, die sich grundlegend unterscheiden und die – ich finde, das ist der Charme der Lösung – sehr verschiedene Aspekte der 3-R-Forschung bedienen. Der Kollege Dr. Bartelt hat darauf hingewiesen: Frankfurt setzt den Schwerpunkt beim Replacement. Mittelhessen legt einen besonderen Fokus auf den Aspekt des Refinements. Das Land Hessen unterstützt die Universitäten dabei mit 2 Millionen €, und die Universitäten ihrerseits leisten einen Eigenanteil von insgesamt 2 Millionen €. Das sind in der Summe 4 Millionen €, Frau Cárdenas. Da kann man nicht sagen, dass das wenig Geld wäre. Das ist eine große Summe, die wir investieren, um eine deutliche Verringerung der Zahl der Tierversuche in Hessen zu erreichen.
Meine Damen und Herren, ich finde schon, das sind 4 Millionen €, von denen jeder Euro gut investiertes Geld ist. Deswegen bedanke ich mich sehr für den Antrag der beiden Regierungsfraktionen.
Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Aussprache.
Wir haben auf der Tagesordnung den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Tierschutz stärker in Forschung und Lehre verankern, Drucks. 19/2416. Darüber stimmen wir ab. Ich bitte um die Zeichen derer, die dem Antrag zustimmen. – Das sind die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Fraktion der Freien Demokraten. Wer enthält sich? – Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit ist auch dieser Tagesordnungspunkt erledigt. Nach der Vereinbarung gehen wir jetzt in die Mittagspause und setzen die Sitzung um 14 Uhr fort. Ich unterbreche die Sitzung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung nach der Mittagspause und rufe Tagesordnungspunkt 48 auf:
Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Milchkrise bedroht hessische Landwirtschaft – Drucks. 19/2414 –
Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend bäuerliche Milchviehhaltung in Hessen sichern – Drucks.
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktionen. Als Erste hat sich Frau Schott für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hoffe, es kommen noch ein paar mehr Menschen in den Plenarsaal. Denn das Thema Milch sollte uns alle und nicht nur die Fachpolitiker angehen.
Die wirtschaftliche Situation der Bauern, insbesondere der Milchbauern, ist einmal mehr auf einem Tiefpunkt angelangt. Das war für uns der Anlass für diesen Setzpunkt. Denn auch wenn wir als Land relativ wenige Möglichkeiten haben, auf die Situation der Milchbauern einzuwirken, halten wir es doch für notwendig, dass sich dieser Landtag mit der Situation beschäftigt und dass wir versuchen, herauszufinden, welches die Möglichkeiten sind, wo und wie wir einwirken können und wie wir das Leben unserer Landwirte und insbesondere der Milchbauern im Moment unterstützen und verbessern können.
Das hätte auch bei Ihnen Klatschen hervorrufen können. Aber offensichtlich ist das nicht Ihr Thema, mit dem Sie
sich befassen wollen. Zu der Veranstaltung des Bauernverbandes zum Essen zu kommen, war in Ordnung. Aber hier zu bestätigen, dass man ein Interesse daran hat, dass ihr Leben auch wirklich besser wird, ist zu viel verlangt.
Das war so unnötig wie Ihr Nichtreagieren. – Wütende Bauern, brennende Barrikaden und Mannschaftswagen der Polizei, so war das Bild vor wenigen Tagen in Europas Regierungsviertel in Brüssel. 7.000 Landwirtinnen und Landwirte machten ihrem Ärger Luft und demonstrierten gegen ruinöse Milchpreise. Mit 1.500 Traktoren legten sie halb Belgien und das Europaviertel lahm.
Die Agrarminister der Mitgliedstaaten waren zusammengekommen, um nach Lösungen zu suchen. Am Ende des Tages gab es für die Bauern nicht nur Wasser aus den Wasserwerfern und Tränengas, sondern auch 500 Millionen € in einem Paket, das die Milchbauern entlasten soll. Zinsgünstige Darlehen, Unterstützung der privaten Lagerhaltung und mehr Exporte holten die Agrarminister aus der Mottenkiste. Gekrönt wurde das mit dem Vorschlag, die Europäische Union solle mit Mitteln für die Flüchtlingspolitik Milchprodukte aufkaufen und an Flüchtlinge ausgeben. Das ist ein vielleicht gut gemeinter Vorschlag. Aber er ist doch eher peinlich und schon gar keine Lösung für die Milchkrise.
Bundesagrarminister Schmidt will eine Exportinitiative. Dabei hat Deutschland im Jahr 2013 bereits Waren im Wert von 60 Milliarden € exportiert, davon knapp 23 % an Drittländer außerhalb der Europäischen Union. Milch und Milcherzeugnisse sowie Fleisch und Fleischwaren sind dabei die wichtigsten Produkte des deutschen Agrarexportes.
Genau darin liegt aber ein nicht unwesentlicher Teil des Problems. Erlauben Sie mir einen kurzen Schlenker zur Schweinefleischproduktion. Der Rückfall in den Kalten Krieg mit einem Embargo gegen Russland und einem Gegenembargo hat unmittelbare Auswirkungen auf die Einkommens- und Lebenssituation der Landwirte in Hessen. Dass diese Embargos einen politischen Nutzen haben, bezweifle ich. Ihr Schaden ist aber unübersehbar. Den erleben Menschen in Hessen alltäglich.
Den Milchbauern wurde eingeredet, sie müssten für einen neu zu erobernden Markt in China mehr Milch produzieren. Jetzt schlägt die Schwächung der chinesischen Wirtschaft wiederum auch auf die Milchbauern in Hessen zurück.
Dass unter dem Eindruck dieser offenkundigen Fehlorientierung der Bundeslandwirtschaftsminister und Teile des Bauernverbandes noch immer an ihrer Exportstrategie festhalten, zeigt, dass es ihnen nicht um die bäuerliche Landwirtschaft vor Ort geht, sondern um Großbetriebe, Massenproduktion und Außenhandelsbilanzen. Wir halten das für falsch. Frau Ministerin, wir freuen uns deshalb, dass Sie hier einen anderen Kurs fahren. Den unterstützen wir.
Letztlich lautet doch die Frage: Wollen wir Lebensmittel wie jede andere Ware betrachten? Sie werden da produziert, wo die Gegebenheiten am günstigsten sind, wo sie am preiswertesten herzustellen sind, oder was auch immer das Argument für einen bestimmten Ort sein mag. Oder ist es uns wichtig, dass die Lebensmittelproduktion in der Region stattzufinden hat, weil es dafür viele gute Gründe
gibt? Wenn wir die regionale Produktion wollen – ich gehe einmal davon aus, dass wir uns darin im Haus über alle sonstigen Differenzen hinweg einig sind –, dann müssen wir auch sicherstellen, dass die Produzenten, also die Landwirte, von ihrem Einkommen leben können. Landwirtschaftliche Betriebe kann man nicht beliebig schließen oder öffnen. Flächen und Know-how gehen schnell verloren.