Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

Mittlerweile stehen wir vor der dritten Milchkrise innerhalb weniger Jahre. Den eigentlich Betroffenen, den Milchviehhaltern, hilft es jedoch wenig, wenn wir uns hier im Landtag in Endlosdebatten im Kreis bewegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es muss unser gemeinsames Ziel sein, die Existenzfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit unserer hessischen Milcherzeuger zu sichern und zu erhalten. Es muss möglich sein, mit einer Milchproduktion ein angemessenes Einkommen zu erzielen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das sehe ich aber leider momentan nicht. Wir haben die Preise gehört, der Kollege Wiegel hat sie genannt. Deshalb müssen wir darauf drängen, dass die 70 Millionen € aus Brüssel umgehend an die Landwirte ausgezahlt werden. Langfristig muss jedoch die Position der Milcherzeuger in der Lieferkette gestärkt werden.

Die beiden Anträge der LINKEN und der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN überschneiden sich in wichtigen Teilen. Den meisten Punkten können wir, die SPD, zustimmen. Meine Damen und Herren, auch wenn ich für ökologische Landwirtschaft große Sympathien hege, finde ich es jedoch fraglich, ob der Wechsel in die Bioschiene für alle erfolgversprechend ist.

(Demonstrativer Beifall der Abg. Jürgen Lenders und René Rock (FDP))

Meines Erachtens ist das eine Entscheidung, die nur der einzelne Betrieb treffen kann.

Einer der Punkte, dem wir so nicht zustimmen können, ist die Entwicklung eines landeseigenen Krisenprogramms. Ein Krisenprogramm, das richtigerweise mit Produktionsdrosselungen arbeitet, kann weder auf Bundes- noch auf Landesebene greifen. Aus unserer Sicht ist selbst der kleinste Milchbauer heute ein Global Player. Die meisten hessischen Betriebe sind nicht nur in Deutschland, sondern auch auf dem Weltmarkt erheblicher Konkurrenz ausgesetzt. Selbst wenn wir in ganz Hessen die Milchproduktionen drosseln, heißt das noch lange nicht, dass unsere europäischen Nachbarländer genauso vorgehen.

Liegt die Milchproduktion also weiterhin über der Nachfrage, kann sich die Krise jederzeit wiederholen.

Meine Damen und Herren, deshalb brauchen wir eine Lösung auf europäischer Ebene. Um eine solche Lösung von Hessen aus voranzutreiben, braucht es aber auch eine aktivere Rolle des Ministeriums.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei der LIN- KEN)

Bei dem letzten runden Tisch Milch war es aus unserer Sicht das größte Problem, dass eine klare Positionierung des Ministeriums nicht erkennbar war. Das mag daran liegen, dass es darum bemüht war, es sich mit keiner der dort vertretenen Interessengruppen zu verscherzen.

Aber das ist keine gute Ausgangsposition, wenn man einer Milchkrise begegnen will. Um einer Krise zu begegnen, muss man sie als solche anerkennen. Dieses Gefühl habe ich jedoch bei dem letzten runden Tisch nicht immer gehabt. Alte Rezepte wie z. B. die Kuhschwanzprämie sind keine Lösungen – aber natürlich sind kleinere Molkereien solchen Ideen gegenüber aufgeschlossen. Die großen dagegen suchen ihr Heil in der eigenen Firmenausrichtung – doch dafür brauche ich keinen runden Tisch.

Zu gerne nur würde ich dem Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen, aber dann muss auch garantiert sein, dass bei den in Punkt 8 angekündigten Gesprächen mit allen Beteiligten das Ministerium, auch die Ministerin, eine aktivere und selbstbewusstere Rolle einnehmen als bisher.

Meine Damen und Herren, in China gibt es ein Sprichwort: Worte kochen keinen Reis. – In diesem Fall könnte man das umwandeln und sagen: Worte kochen keinen Milchreis.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die in beiden Anträgen stärkere Fokussierung auf die Milcherzeuger ist absolut lobenswert. Was sich aber nicht vom letzten runden Tisch wiederholen darf, sind fehlende Taten. Wie ich eingangs schon sagte, brauchen die Milchbauern keine Endlosdebatten. Milch ist ein Lebensmittel von großer Qualität.

(Torsten Warnecke (SPD): Und leicht verderblich!)

Dafür sollten die Landwirte einen angemessenen, also auch fairen Preis erzielen, von dem sie auch leben können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft braucht unsere Unterstützung, damit die Milchwirtschaft leistungs

stark und wettbewerbsfähig bleibt und/oder wieder wird. Wenn wir also die beiden Anträge im Anschluss in diesem Sinne im Ausschuss diskutieren, dann hoffe ich, dass wir dort etwas Vernünftiges für die Milchwirtschaft erzielen. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Danke, Herr Lotz. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Feldmayer zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Gegensatz zum Kollegen Lotz bin ich sehr froh darüber, dass wir heute im Parlament über die Milchkrise reden.

(Timon Gremmels (SPD): Das hat er auch gesagt!)

Dieses wichtige Thema gehört hier debattiert, denn die Lage der Milchbäuerinnen und -bauern in Hessen ist dramatisch.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Timon Gremmels (SPD): Das wird doch gar nicht bestritten!)

Der aktuelle Milchpreis liegt unter 30 Cent. Seit Monaten ist er auf einer Talfahrt. Leider müssen wir wieder von einer Milchkrise sprechen – und das vor dem Hintergrund, dass wir in Hessen nur noch ca. 3.400 Milchviehbetriebe haben. Zwischen 1991 und 2010 gab es einen Rückgang der Milchviehbetriebe um 89 % – das muss man sich einmal vorstellen. Der Strukturwandel ist hier in vollem Gange. Es ist gut, wenn wir da etwas tun. Unsere Landwirtschaftsministerin Hinz setzt sich dafür ein, dass dies nicht mehr so schnell vorangeht und diese Entwicklung gebremst wird.

(Beifall der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, an den Milchviehbetrieben hängen, wie an allen landwirtschaftlichen Betrieben, Arbeitsplätze, Existenzen und eine ganze Wertschöpfungskette in der ländlichen Region. Ich glaube, es ist nicht jedem hier bewusst: Ohne Milchviehhaltung droht der Verlust einer ganzen Kulturlandschaft, nämlich unserer wertvollen Grünlandflächen, und damit der Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren, die diesen Lebensraum benötigen.

Die Preisspirale nach unten in den Discountern ist schon angesprochen worden. Diese „Geiz ist geil“-Mentalität gefährdet die Existenz der Milchviehbetriebe in Hessen.

Wir brauchen existenzsichernde Preise für Milchviehbetriebe, damit sie überleben können. Ich glaube, dass wir es uns als Verbraucher leisten können, eine ein paar Cent teurere Milch zu kaufen; aber wir können es uns als Gesellschaft eben nicht leisten, dass immer mehr Milchviehbetriebe und damit bäuerliche Existenzen in Hessen aufgeben müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wir müssen in der Tat um jeden Milchviehbetrieb in Hessen kämpfen.

Die weltweite Überproduktion hat dazu geführt, dass die Erzeugerpreise für Milch eingebrochen sind. Das ist ein klassischer Fall von Überangebot und zu wenig Nachfrage. Der deutsche Milchpreis hat seit Ende 2013 eine Talfahrt von 41 auf 28 Cent pro Liter hingelegt. Zu diesem Preisverfall kam es auch vor dem Hintergrund der am 1. April dieses Jahres ausgelaufenen Milchquote. Der aktuelle Milchpreis kann die Kosten der Landwirte nicht mehr decken.

Was würde jeder Unternehmer in dieser Situation tun? Er würde die Produktion drosseln. So etwas geht aber in der Milchviehhaltung nicht. Die Milchbauern können ihre Produktion kaum drosseln oder stilllegen, wie das in anderen Wirtschaftszweigen der Fall ist; denn die Kühe können nicht einfach abgeschaltet werden wie eine Maschine. Und so stehen die Milchbauern mit dem Rücken zur Wand. Hier hilft es eben nicht, erneut – wie schon bei der letzten Milchkrise – an den Symptomen herumzudoktern, sondern wir müssen endlich an die Ursachen des Problems herangehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dazu ist es notwendig, ein Gesamtkonzept für den Milchmarkt zu entwickeln. Hierzu hat unsere Landwirtschaftsministerin Hinz mit den grünen Landwirtschaftsministern der Länder ein Positionspapier zum Krisenmanagement im Milchmarkt vorgelegt und zu flexiblen Mengensteuerungen bei der Milchproduktion aufgerufen. Mit diesem Positionspapier haben sie sich an Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt gewandt, damit auch EU-weit ein funktionierender Marktrahmen erarbeitet wird. Unsere Landwirtschaftsministerin ist hier also schon sehr aktiv geworden. Ich finde das, was sie dort vorgetragen hat, durchaus sehr selbstbewusst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist auch richtig so; denn wir brauchen wirksame, flexible Instrumente – auch in Kooperation mit Molkereien –, um die Milchmenge zu steuern, statt eines Wettbewerbs, wer den Preisverfall am längsten durchhält. Es sind garantiert nicht die Kleinbetriebe in Hessen, die diesen Preisverfall am längsten durchhalten, sondern es sind die großen Betriebe. Wir müssen aber dafür sorgen, dass die kleinen Betriebe hier in Hessen überleben können.

Als erste Hilfe müssen der Interventionspreis für Magermilchpulver und Butter angehoben und die Superabgabe an die Milchbauern zurückgeführt werden. Auch hier ist unsere Landwirtschaftsministerin aktiv geworden, Herr Lotz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Landwirtschaftsministerin Hinz hat alle Akteure der Milchwirtschaft zu einem Milchtisch zusammengeführt, um dort zu beraten, was zu tun ist, um Maßnahmen zu erarbeiten, die den Milchbauern in Hessen helfen. Vieles können zwar nur die Bundesregierung und die EU regeln, aber das, was wir in Hessen tun können, wird gemacht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Der Milchtisch war eine Anregung der Milchbauern, keine Idee alleine von uns. Die Idee kam auch von den Akteuren selbst. Deswegen würde ich mich wundern, wenn Sie das kritisierten.

Der Bundesverband der Milchviehhalter übernimmt selbst Verantwortung. Er hat eigene Vorschläge erarbeitet, die von der Bundesregierung ernsthaft geprüft werden müssen.

Die Landesregierung unterstützt mit ihrem Agrarumweltmaßnamenprogramm die Stärkung der regionalen Vermarktung von Milch; denn auch hier gibt es noch Potenziale und Marktchancen, z. B. die Vermarktung gentechnikfreier Milch. Zudem werden auch die richtigen Anreize in unserer Landwirtschaftspolitik gesetzt. Nicht die weitere Intensivierung in der Tierhaltung, sondern Investitionen in artgerechtere Tierhaltung werden gefördert. Ich glaube, das ist genau der richtige Weg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben alles getan und werden alles tun, was auf Landesebene getan werden kann, um den Milchviehbetrieben zu helfen. Es fehlt leider noch die Entschlossenheit der Bundesregierung – in Person des Bundeslandwirtschaftsministers –, hier gemeinsam etwas zu bewegen; denn nur gemeinsam können wir erreichen, dass auf der EU-Ebene Bedingungen geschaffen werden, die die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit guten Qualitätsprodukten, wie der hessischen Milch, ebenso sichern wie die Existenz der Milchbauern.