Protokoll der Sitzung vom 12.03.2014

Herr Boddenberg, Sie müssen bitte zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Darunter kann ich wirklich nicht verstehen, dass wir die Airline ungebührlich unter Druck setzen.

Frau Präsidentin, eine letzte Bemerkung sei mir noch gestattet. Mir und uns wurde vorgeworfen, dass kein Dialog mit den Bürgern stattfinde. Ich habe den Wahlkampf in jedem Bürgerhaus bis nach Rheinland-Pfalz erlebt. Lieber Herr Kollege Rentsch, ich habe Veranstaltungen erlebt, bei denen die Liberalen gar nicht dabei waren, weil sie die Sorge hatten, dass sie dort schwierige Positionen zu vertreten hätten. Ich finde, das ist ein starkes Stück. Das erregt mich ein bisschen. Ich bitte da um Verständnis.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Rentsch, Sie haben die Gelegenheit zur Erwiderung.

Herr Kollege Boddenberg, ich habe das Wort Bürgerdialog in Ihrem Zusammenhang gar nicht genannt. Aber vielleicht habe ich da sozusagen zu einer Verwechslung mit Herrn Kollegen Weiß geführt.

Wissen Sie, eines treibt mich um. Herr Reif ist da sehr engagiert. Ich halte die Position, die er hat, grundsätzlich für richtig. Die haben auch viele aus Ihren Reihen.

Ich glaube aber schon, dass Sie in dieser Koalition haben Zugeständnisse machen müssen. Dabei will ich gar nicht spekulieren, warum diese Koalition zustande gekommen ist. Vielleicht ist sie es, weil es mit der SPD nicht ging oder weil Frau Merkel Entsprechendes gerufen hat. Das ist mir zum Schluss egal.

Mir und den Mitgliedern der FDP geht es am Ende um die Verantwortung für dieses Land. Es geht um die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens für dieses Land. Da mache ich mir Sorgen. Herr Kollege Boddenberg, angesichts dessen, was ich an Zugeständnissen in diesem Papier lesen muss, sind diese Sorgen auch berechtigt. Sie sind berechtigt.

(Beifall bei der FDP)

Ich weiß, die Union hat die große Botschaft herausgegeben: Wir regieren einfach weiter, egal mit wem. – Aber es gibt eben Unterschiede. Diese Unterschiede kann man hier heute lesen. Auch Kollege Wagner hat doch eben festgestellt – –

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich sage dazu nur: Hut ab. Ich hätte gar nicht gedacht, dass es möglich ist, dass Sie das alles durchsetzen. Ich halte die Position – –

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hätte es mit Ihnen nicht gegeben!)

Nein, Herr Kollege Wagner, das hätte es mit uns nicht gegeben, weil wir marktwirtschaftliche Grundpositionen haben. Da unterscheiden wir uns schon mal diametral.

(Beifall bei der FDP)

Fakt ist natürlich, Herr Kollege Boddenberg: Es ist schon ein Unterschied, ob wir als ehemalige Minister die Fraport oder die Lufthansa in Gesprächen auf verschiedene Verbesserungsmöglichkeiten hinweisen oder ob Sie mit der gezückten Pistole – bildlich gesprochen – den Konsortialvertrag ändern und an die Grundlagen dieser Vereinbarung gehen. Das ist ein grundlegender Unterschied.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben sich mittlerweile von den sprachlich guten Argumenten verabschiedet und eher die – ich will es mit einer Metapher sagen – Pistole rausgeholt, um Argumente gegenüber der Lufthansa und der Fraport zu finden. Dass da Herr Franz – ich glaube, er hat den Brief noch geschrieben – sagt: „Herzlichen Dank, dass Sie mich verschont haben und ich weiterleben darf“, kann ich verstehen. Da hätte ich mich auch gefreut. Nur, die Grundlage für ein wirtschaftli

ches Wachstum in diesem Land ist diese Position mitnichten, Herr Kollege Boddenberg.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Wissler, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit 2007 versprechen die Deutsche Flugsicherung, die Fraport und die Landesregierung auf Basis von freiwilligen Selbstverpflichtungen eine Lärmminderung am Flughafen. 2007 wurde der Anti-Lärm-Pakt beschlossen, 2010 wurde das Maßnahmenpaket Aktiver Schallschutz vorgestellt und zuletzt 2012 der Pakt gegen Fluglärm. Es mag in dieser Zeit einiges am Frankfurter Flughafen passiert sein, aber leiser geworden ist es in den letzten sieben Jahren ganz sicher nicht, ganz im Gegenteil. Durch den Flughafenausbau ist das verlärmte Gebiet enorm angewachsen, und das, obwohl sich die Zahl der Flugbewegungen sogar reduziert hat. Das muss man erst mal schaffen, bei einer geringeren Zahl von Flugbewegungen eine größere Region zu verlärmen.

Die Leidtragenden sind die Menschen in der Region, insbesondere diejenigen, die in der Einflugschneise leben. Sie können ihre Fenster kaum noch öffnen, ihre Gärten nicht mehr nutzen, und sie werden morgens um fünf aus dem Schlaf gerissen oder auch mitten in der Nacht, weil das Nachtflugverbot mal wieder unterlaufen wird. Meine Damen und Herren, ich sage: Dieser Zustand ist gesundheitsgefährdend, er sorgt für eine Einbuße an Lebensqualität und ist deswegen überhaupt nicht tragbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt gibt es neue Versprechen der schwarz-grünen Landesregierung, die sogenannten Lärmpausen und Lärmobergrenzen. Im Wahlprogramm der GRÜNEN hieß es zum Thema „Fluglärm“ noch – Zitat –: „So, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben.“ Ich stelle fest: Das wird es wohl auch nicht, denn so, wie der Koalitionsvertrag gestrickt ist, wird es vermutlich noch viel lauter.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): So ist es!)

Das, was Sie beim Flughafen ausgehandelt haben, ist eine Farce. Statt einem absoluten Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr, das die GRÜNEN im Wahlkampf versprochen haben, werden jetzt regelmäßige siebenstündige Lärmpausen in Aussicht gestellt. Das muss aber erst noch mit der Deutschen Flugsicherung und Fraport verhandelt werden. Nicht mal das ist überhaupt sicher.

Dann kann man bei Ihnen nachlesen, dass Sie siebenstündige Lärmpausen „durch den abwechselnden Verzicht auf die Nutzung einzelner Bahnen“ für möglich halten. Ich will allerdings darauf hinweisen, dass genau dieses Vorhaben in der Praxis ein paar Probleme aufwirft:

Auf der umstrittenen Nordwestbahn dürfen – darauf ist schon hingewiesen worden – die ganz großen Flugzeuge gar nicht landen. Dieses Betriebsverbot für die Nordwestbahn ist im Planfeststellungsbeschluss ausdrücklich festgeschrieben worden. Nun ist in einer durchschnittlichen Nacht von 22 bis 23 Uhr mit vier und in der Zeit von 5 bis 6 Uhr mit sieben der ganz großen Flugzeuge zu rechnen,

die immer auf der Südbahn landen müssen. Die Südbahn kann also überhaupt nicht geschlossen werden. Somit stellt sich die Frage, wie die Menschen in dem Anflugbereich eine längere Lärmpause erhalten können.

Damit ist klar: Die Nordwestbahn könnte entlastet werden, aber nur, wenn alle Landungen in den sogenannten Nachtrandstunden auf die Südbahn gelegt würden. Das ist aber nur an Tagen möglich, an denen die Zahl der Flugbewegungen in den Nachtrandstunden den aktuellen Stand von ca. 70 nicht wesentlich überschreitet, Herr Minister Al-Wazir. Im Planfeststellungsbeschluss wurden für die sogenannten Nachtrandstunden 133 Flugbewegungen genehmigt. Wenn man die erreichen würde, dann wären siebenstündige Lärmpausen überhaupt nicht möglich, weil man 133 Flugbewegungen nicht auf einer Bahn abwickeln kann.

(Michael Boddenberg (CDU): Was Sie so alles wissen! – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja, das ist beeindruckend, Herr Boddenberg!)

Es gäbe also die Möglichkeit der Lärmpausen nur für die Nordwestbahn und nur dann, wenn die Flugbewegungen in den Nachtrandstunden die Zahl 70 nicht nennenswert überschreiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Minister hat selbst richtig darauf hingewiesen, dass es sich mitnichten um eine Lärmreduzierung handelt, sondern nur um eine Umverteilung von Lärm. Wenn die Bahnen in den sogenannten Nachtrandstunden abwechselnd genutzt würden, hätten zwar die einen mal etwas länger Ruhe, deswegen wäre es aber woanders umso lauter, es sei denn, die Landesregierung würde wirklich erwägen, die Betriebsgenehmigung für die Nordwestbahn und damit den angeblich in Stein gemeißelten Planfeststellungsbeschluss zu ändern.

Jetzt kann man im Koalitionsvertrag nachlesen – der Kollege Weiß hat auch schon darauf hingewiesen –: „Für den Fall, dass dieses Ziel (siebenstündige Nutzungspausen) nicht in angemessener Zeit erreicht wird, behalten sich die Partner“ – also Schwarz-Grün – „Initiativen für eine entsprechende Planänderung bzw. modifizierte Betriebsgenehmigung vor.“

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Geht also doch!)

Da sagen wir: Wer den angeblich in Stein gemeißelten Planfeststellungsbeschluss für längere Lärmpausen von sieben Stunden an wechselnden Orten ändern kann, der kann ihn auch ändern, um ein Nachtflugverbot von acht Stunden durchzusetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bürgerinitiativen haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der Planfeststellungsbeschluss eben nicht bestandskräftig ist, dass immer noch Klagen anhängig sind. Darauf muss man immer wieder hinweisen. Es gibt ein juristisches Gutachten, das zu dem Schluss kommt, dass eine Änderung sehr wohl möglich wäre.

(Beifall des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Weniger Lärm wird es nur geben, wenn es weniger Flugbewegungen gibt; denn auch die Lärmemissionen der heute leisesten Flugzeuge holen die Menschen bei Starts und Landungen nachts aus den Betten. Ich finde, man sollte aufhören, den Menschen die Hoffnung zu machen, dass

sich das Problem durch leises Fluggerät irgendwann von selbst lösen würde. Leise Flugzeuge gibt es nicht. Auch die leisesten Flugzeuge erzeugen Lärm, der gesundheitsschädlich ist. Deswegen muss der Lärmschutz an allererster Stelle stehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Ismail Tipi (CDU))

Wer die Gesundheit der Menschen schützen will, muss die Anzahl der Flugbewegungen auf einem Niveau deutlich unterhalb der genehmigten 700.000 Flugbewegungen jährlich begrenzen. Dazu heißt es im Koalitionsvertrag nur, man wolle unterhalb der 700.000 Flugbewegungen bleiben. So unkonkret, wie das formuliert ist, ist durchaus eine weitere Steigerung der Flugbewegungen möglich. Derzeit sind es nicht mal 500.000 jährlich. Wenn Sie lediglich unter 700.000 bleiben wollen, würde das bedeuten, dass man die Zahl der Flugbewegungen laut Ihrem Koalitionsvertrag noch um ein Drittel steigern könnte.

Das Grundproblem ist, dass durch den Koalitionsvertrag am Frankfurter Flughafen keine einzige Maschine weniger fliegt. Der Lärm wird lediglich umverteilt. Dabei – das müssen wir feststellen – sind die Grenzen des Wachstums lange überschritten. Wir haben es nun mal mit einem Flughafen zu tun, der inmitten eines Ballungsgebietes immer weiter ausgebaut wurde. Die Grenzen der Belastbarkeit sind überschritten. Die Gesundheit der Menschen muss Vorrang haben vor den Profitinteressen der Fraport und der Lufthansa.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun hat die SPD einen Antrag vorgelegt, der ein bisschen nach dem Motto verfährt: Fragend schreiten wir voran. – In der Tat wirft die SPD eine Reihe von berechtigten Fragen auf, ohne selbst Stellung zu beziehen. Ich hätte mir gewünscht, die SPD hätte so viele kritische Fragen gestellt, bevor sie dem Ausbau des Frankfurter Flughafens zugestimmt hat.

(Beifall bei der LINKEN)