Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Dann haben Sie gesagt, der Masterplan und die darin vorgesehenen Maßnahmen seien eng abgestimmt. Ich habe nicht von „eng abgestimmt“ gesprochen, sondern ich habe davon gesprochen, dass sie mit dem Unternehmen abgestimmt worden sind. Dass natürlich das Unternehmen das eine oder andere nicht mit großer Freude aufnimmt, weil es bedeutet, dass es eine Menge an Investitionen zu schultern gibt, das ist mir völlig klar.

Aber auch Sie, Frau Schott, wissen: Der Vier-Phasen-Plan, den die Landesregierung mit dem Unternehmen ausgehandelt hat, ist die Basis des Masterplans. Also frage ich Sie, wenn man an der einen Stelle zustimmt, warum man dann an der anderen Stelle auf einmal zu einer völligen Ableh

nung kommen sollte. Das ist eben nicht der Fall. Insofern hat sich das, was Sie vorgetragen haben, damit aufgeklärt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Der nächste Redner ist Kollege Warnecke, SPD-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Werratal wird gerade stark gebeutelt. Es ist nicht allein Kali + Salz, sondern auch die Firma RKW Folienherstellung wird geschlossen. 100 industrielle Arbeitsplätze verschwinden damit aus dem Werratal. Hinzu kommen über 1.000 Kolleginnen und Kollegen, die im wahrsten Sinne des Wortes „nichts zu tun haben“ und arbeitslos sind.

Liebe Kolleginngen und Kollegen, dies ist alles aufgrund einer politischen Entscheidung geschehen, die einfach und simpel mit der Intention der alten Landesregierung zu begründen ist. Ich möchte Ihnen dazu einmal etwas vorlesen. Im Umweltausschuss am 1. Dezember 2011 – ab 1. Dezember 2015 ist, wie Sie wissen, kein einziger Tropfen mehr in den Untergrund eingeleitet worden – wurde seitens der CDU-geführten Landesregierung gesagt:

Entscheidend ist, dass das RP gesagt hat, dass K+S es mit entsprechenden Maßnahmen schaffen muss, die Versenkung abzubauen, sodass bei einem normalen Wasserstand in der Werra nur noch die 7 Millionen m³, die von den 14 Millionen m³ nach dem 360-Millionen-€-Programm übrig bleiben, in die Werra eingeleitet werden. Das bedeutet allerdings auch, dass wir den Grenzwert in der Werra bis 2015 nicht senken können, dass wir weiterhin mit 2.500 mg Salz/Liter rechnen müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist alles gesagt. Man hat damals schon gewusst, dass in eine Werra im Durchschnitt nur 5,5 Millionen m3 – es können auch schon einmal nur 4,6 Millionen m3 sein – und keine 7 Millionen m3 eingeleitet werden können. Das wissen wir alle. Ich habe auch schon mehrfach geäußert – auch wenn ich damit nerve –, dass eine Versagung der Versenkungserlaubnis, wie ursprünglich vorgesehen, gar nicht möglich ist. Denn dann fehlen dem Unternehmen mindestens 1,5 Millionen m3 in guten und 2,4 Millionen m3 in schlechten Jahren. 2,4 Millionen m3 oder 1,5 Millionen m3 bedeuten in Zahlen 0,785 von 5,5 Millionen m3. Das bedeutet Null – Produktionsstilllegung für die Fabrik.

Das war die Aussage der Landesregierung. Deshalb muss jetzt niemand von dem Dilemma überrascht sein, vor dem wir stehen, inklusive der LINKEN.

(Beifall bei der SPD)

Frau Schott, ich wundere mich über eine LINKE, die sich darüber beschwert, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Betriebsrat und die IG BCE den Ernst der Lage nicht erkannt haben. Meinen Sie ernsthaft, dass irgendjemand aus Freude zu Hause bleibt oder diese bittere Maßnahme aus irgendwelchen ideologischen, gar unternehmenspolitischen Gründen unterstützt? Was haben Sie für

ein Bild von freien Gewerkschaften und frei gewählten Betriebsräten? Die sind eben nicht der Büttel des Kapitals oder des Staatssozialismus, sondern Interessenvertretungen der Beschäftigten.

(Beifall bei der SPD)

Die Unternehmerinnen und Unternehmer, die auch dahinterstecken, haben sehr wohl erkannt, dass das ein strategisches Dilemma ist. Es wäre ein Leichtes für Gewerkschaft und Beschäftigte gewesen, das nicht wohlfeil hinzunehmen und zum Streik aufzurufen. Stattdessen haben sie gesagt: „Ja, das ist das Ergebnis von politischen und fachlichen Entscheidungen.“ Über die fachlichen Entscheidungen reden wir jetzt.

Die fachliche Entscheidung der von CDU und GRÜNEN geführten Landesregierung steht bevor. Das ist genau der Punkt, den ich schon angesprochen habe: 1,5 Millionen m3 fehlen mindestens, um die Produktion, die aus dem 360Millionen-€-Maßnahmenpaket – – Der Herr Ministerpräsident hat das im Übrigen sehr gelobt. Er erwartet davon einen industriellen Zukunftsimpuls. Er war dankenswerterweise im Werratal und hat dort sehr deutlich gemacht, dass dieses 360-Millionen-€-Maßnahmenpaket in Übereinstimmung mit der Landesregierung aufgelegt wurde.

Sehr geehrte Frau Ministerin, wir haben jetzt ein strategisches Dilemma. Wir haben die Situation, dass auf der einen Seite etwas von unserem gewichtigen – politisch gewichtigen – Herrn Regierungspräsidenten

(Heiterkeit bei der SPD)

genehmigt werden muss und dass auf der anderen Seite ständig politische Entscheidungen getroffen werden müssen, die auch nach außen getragen werden.

Solange die Kainit-Kristallisations-Flotations-Anlage nicht in Betrieb geht, hat Kali + Salz ein Problem. Von dem Problem wissen alle, die sich damit befasst haben. Da dieses Problem frühestens 2018 gelöst werden wird, bedeutet das, die Landesregierung strebt entweder eine Produktionseinschränkung an – dann muss sie das offen sagen –, oder es darf weiter versenkt werden; oder aber es könnte nach dem Verschlechterungsverbot gemäß EU-Recht mehr in die Werra eingeleitet werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles wissen wir. Deshalb sind wir darüber nicht überrascht.

Jetzt kommen wir zum 3-D-Kalibrierungsmodell. Wir haben da gemeinsam ein großes Problem, und zwar deshalb gemeinsam, weil das – das wurde auch seitens der FDP schon beschrieben – etwas ist, was in diesem Volumen weltweit einmalig ist. Kali + Salz hat das Modell mit einer Firma entwickelt. Auf der anderen Seite steht das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie als Genehmigungsbehörde, das im Hintergrund eine private Firma hat, die das Modell beurteilen muss. Das ist kein Hochschulinstitut und keine öffentliche Einrichtung, sondern eine private Firma. Eine private Firma möchte alle Rohdaten haben und alles darüber wissen. Eine andere private Firma würde sagen: „Einen Moment mal, die könnten in Konkurrenz zu uns stehen. Was passiert denn überhaupt mit unseren Daten?“ Wohlgemerkt, nicht der Staat ist die Institution, die das Modell überprüft, sondern eine private Firma, die ihre Argumente an das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie weitergibt, das dann wiederum die Daten an das Regierungspräsidium weiterleitet, um zu sagen: Schichtet es ab.

(Zuruf des Abg. Dirk Landau (CDU) – Günter Rudolph (SPD): Das bestreitet sie!)

Das bestreitet sie? Das ist uns im Ausschuss doch so erklärt worden, ich hatte extra noch einmal nachgefragt.

(Ministerin Priska Hinz: Nein, es geht nicht über das HLUG! – Ernst-Ewald Roth (SPD): Jetzt ist der Redner dran!)

Frau Ministerin, auch wenn es nicht über das HLUG geht, handelt es sich trotzdem um ein grundsätzliches Problem. Wir haben offenkundig auf Staatsseite niemanden, der dieses Modell, das von Kali + Salz beantragt wurde, zu beurteilen weiß.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist völlig zu Recht vorgebracht worden, dass das tatsächlich mit entsprechenden Verzögerungen einhergeht. Aber der Staat muss doch etwas, was er von einem Unternehmen fordert, auch selbst zu beurteilen wissen.

(Beifall bei der SPD)

Wir können uns doch nicht auf Dauer darauf verlassen. Wir müssten doch eigene Kompetenz aufbauen – zumal dieses Modell möglicherweise so fortschrittlich ist, dass wir es noch für ganz andere und vielfältigere Betrachtungen des Untergrundes brauchen können.

Jetzt einmal umgekehrt: Die Argumentation von Kali + Salz ist legitim. Man kann dem Unternehmen nicht vorwerfen, sie hätten das Modell schon viel länger vorweisen können. Haben wir denn in dieser Zeit auf Staatsseite Kompetenz aufgebaut, um das Modell fachlich beurteilen zu können? Offenkundig ist das auch nicht passiert. Ich meine jetzt nicht die juristische Beurteilung, die am Ende selbstverständlich der Regierungspräsident zu treffen hat. Ich meine die fachliche Entscheidung – und da sind wir in einem strategischen Dilemma. Da wir den Staat repräsentieren und nicht das Unternehmen, müssen wir uns das dann staatsseitig „an die Backe heften“ – Klammer auf, wir als Opposition weniger, weil wir mit dem ganzen Vorgang insofern nichts zu tun haben, Klammer zu.

(Beifall bei der SPD und des Abg. René Rock (FDP))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich liegt eine Riesenchance darin, so etwas weltweit Einmaliges kompetent staatsseitig zu begleiten. Denken Sie nur an das Ruhrgebiet mit seinem gesamten durchlöcherten Untergrund, über den wir relativ wenig wissen. Denken Sie nur an die Diskussion über Erdöl- und Erdgasabbau in Niedersachsen. Frau Ministerin, in dem Zusammenhang: Ich bin immer erstaunt darüber, was Ihre niedersächsischen Kolleginnen und Kollegen – aber auch die aus den anderen Bundesländern, darunter auch GRÜNE – ständig an Maßstäben in die Welt setzen. Kali + Salz leitet über alle vier Werke in allen Bundesländern hinweg 900.000 t Natriumchlorid in Flüsse. Niedersachsen hat genehmigt, dass ein nicht unbedeutendes Chemiewerk 1,6 Millionen t in die Elbe leitet.

(Stephan Grüger (SPD): Hört, hört!)

Ich finde, wir sollten da dringend einmal vorstellig werden, dass das so nicht weitergeht – dringendst.

(Michael Boddenberg (CDU): Wie in NRW? – Gegenruf von der SPD: Bei beiden!)

Das Problem ist nur, dass dieselben immer dann, wenn es um unsere Arbeitsplätze geht, sich echauffieren und, wenn es um deren Arbeitsplätze geht, offenkundig Zurückhaltung üben.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur eines noch. Es geht in der Grundlagenindustrie darum, dass wir 23 Millionen t Rohsalze abbauen, um daraus 4 Millionen t Produkte herzustellen. Sie glauben doch nicht, dass diese Chemiefabrik in Niedersachsen 23 Millionen t Rohstoffe geliefert bekommt. Bei der Chlorchemie geht es darum, das Chlor vom Natrium zu trennen, um es für chemische Prozesse zu nutzen. In Niedersachsen passiert nichts dergleichen – keine drastische Einleitreduzierung. Im Gegenteil – in Stade soll noch ein großes Steinkohlekraftwerk gebaut werden, um Dow Chemical die weitere Produktion zu ermöglichen. So sieht das aus. Deshalb bin ich sicher – und wir reden jetzt über den politischen, nicht über den Genehmigungspart –, dass da eine Menge Ideologie mitspielt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Ideologie, die Arbeitsplätze kosten kann. Frau Schott, Sie hatten hier in die Welt gesetzt, Kali + Salz sei 10 Milliarden € wert. Wissen Sie wie hoch der aktuelle Börsenwert ist? Er steht bei 4,4 Milliarden €. Und wissen Sie, wie viel allein in Kanada investiert werden soll? 4 Milliarden €, von denen noch nicht ein einziger Cent verdient wurde. Und da soll ein ganzer Konzern, der 4 Milliarden € in Kanada investiert, darüber hinaus in den USA die Firma ESCO mit einem Wert von 1,5 Milliarden € besitzt und Anlagen in Deutschland und darüber hinaus in Chile hat, 4,4 Milliarden € wert sein? Da merken Sie einmal, wie durchgeknallt diese Börsenmärkte sind.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das ist reine Spekulation und hat überhaupt nichts mit dem tatsächlichen Wert eines solchen Unternehmens zu tun, auf den wir uns ständig fixieren. Insofern hilft der Staatssozialismus am Ende auch nicht weiter.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Aber vielleicht gibt es ein bisschen Klärung darüber, dass manche Dinge an der Börse überhaupt nichts mehr mit dem zu tun haben, worum es eigentlich geht – um die Wertschöpfung mit realen Produkten –, sondern das ist reine Spekulation. Das auszusprechen dürfte am heutigen Tage nicht falsch sein.

Ich setze darauf, dass schnellstmöglich eine Genehmigung erteilt wird, meine Fraktion ebenfalls. – Ich danke herzlich mit einem Glückauf.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Kollegin Erfurth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Warnecke, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört. Es war mir schon klar, dass es für die Sozialdemokratie ein wichtiger Punkt ist, sich mit den Arbeitsplätzen zu be

schäftigen. Das war es bei uns immer. Ein bisschen enttäuscht hat mich aber, dass der Umweltaspekt in Ihrer Rede keine so große Rolle gespielt hat, wie er das hin und wieder schon bei anderen Kollegen getan hat. Aber das ist Ihre Entscheidung. Mir ist das aufgefallen, ich will das nur anmerken.

Der Setzpunkt der Fraktion der LINKEN gibt uns heute ganz aktuell die Gelegenheit, deutlich zu machen, wie Grün in der Landesregierung wirkt.