Protokoll der Sitzung vom 04.02.2016

Die Bemerkungen von Daniela Sommer werden uns in diesem Plenum noch öfter begleiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will zusammenfassend Folgendes sagen.

Erstens. Wir schlagen vor, den Erlass von Milieuschutzsatzungen zu ermöglichen. Diese verhindern die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen und wirken auf diese Weise in Verbindung mit der Mietpreisbremse kostendämpfend.

Zweitens. Eine Milieuschutzsatzung ist in Städten mit angespannter Wohnungssituation erprobt und anerkannt. Wir begeben uns damit also nicht in nebulöses Neuland, sondern das gibt es, und es funktioniert.

Drittens. Das ist eine Maßnahme der Quartier- und Stadtentwicklung und dient der Erhaltung der Bewohnerstruktur. Sie wirkt insofern der Gentrifizierung entgegen. Über die Einführung von Milieuschutzsatzungen können und sollen die Kommunen letztendlich selbst entscheiden. Das

halten wir für den besseren Weg, dem Problem zu begegnen, das ich beschrieben habe.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Vielen Dank. – Für eine Kurzintervention hat Kollege Caspar das Wort.

Frau Präsidentin! Herr Kollege Siebel, Sie haben sich eben beschwert, dass sich niemand zu Ihrem Antrag geäußert habe. Vielleicht lag es daran, dass Sie, obwohl Antragsteller, erst zum Schluss gesprochen haben. Gleichwohl ist jetzt die Gelegenheit, sich zu Ihrem Antrag zu äußern.

Es stimmt, im Gegensatz zu dem Gesetzentwurf der LINKEN handelt es sich bei Ihnen um einen Antrag. Ein solcher Antrag ist formal möglich; allerdings treten bei der Begründung in erheblichem Maße qualitative Lücken auf. Es geht damit los, dass Sie davon sprechen, dass in bestimmten Gebieten die Situation durch die Umwandlung von Wohnraum in Eigentum zusätzlich verschärft werde. Zunächst einmal ist anzumerken: Wohnraum bleibt Wohnraum, ob es sich um ein Mehrfamilienhaus oder um eine Eigentumswohnung handelt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Zweitens sprechen Sie von der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen; das haben Sie sowohl in der Begründung Ihres Antrags als auch von diesem Pult aus getan. Ich habe darauf hingewiesen, dass das kein Gegensatz ist, weil bekanntlich jede Eigentumswohnung auch eine Mietwohnung sein kann. Worum es geht, ist, dass der Bundesgesetzgeber in den Fünfzigerjahren die Möglichkeit eingeführt hat, dass ein Eigentümer, der ein Haus mit vielen Wohnungen hat, das Haus so aufteilen kann, dass viele Einzelne Eigentümer werden können.

Mich wundert schon, dass ausgerechnet die SPD, die sich sonst immer für die Verteilung von Vermögen einsetzt, nun zum Hüter des Großeigentums im Immobilienbestand wird und Probleme damit hat, dass der Mittelstand und weniger Vermögende in Eigentum kommen. Insoweit ist Ihre Forderung doch recht unlogisch, vor allem dann, wenn Sie sie noch damit begründen, dass das Problem die Gefahr der Gentrifizierung sei. Das Problem der Menschen, die in bestimmten Stadtteilen leben, ist doch, dass sie zwar momentan ein hohes Einkommen haben, das Einkommen aber im Alter sinkt, wenn sie nicht mehr tätig sind.

Kollege Caspar, kommen Sie bitte zum Schluss.

Zur gleichen Zeit steigen aber die Mieten. Wenn die Menschen aber dort, wo sie bleiben wollen, eine Wohnung kaufen, dann sind sie davor geschützt, in Zukunft höhere Mieten zahlen zu müssen. Dann können sie in ihrem Stadtteil wohnen bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Kollege Siebel, zur Erwiderung.

Herr Kollege Caspar, es geht um einen relativ einfachen Sachverhalt, nämlich um Mietwohnungen – d. h. Wohnungen, bei denen ein Mieter Miete bezahlt –, die in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Es ist selbstredend, dass in Eigentumswohnungen eher die Vermögenden einziehen und in Mietwohnungen eher die weniger Vermögenden. Das wollen wir verhindern.

Ich weiß nicht, ob Sie solche Stadtteile nicht kennen; aber zumindest in meiner Heimatstadt gibt es Stadtteile, deren Zusammensetzung sich durch die kontinuierliche Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen maßgeblich verändert hat. Das kann nicht in unserem Sinne sein – zumindest nicht in Sinne derer, die wollen, dass unterschiedliche Menschen in solchen Stadtteilen wohnen.

Wer das nicht will, der vertritt das Interesse derer, die sich im Wesentlichen auch Eigentumsbildung leisten können, selbst in den Stadtteilen, von denen wir reden. Wir reden nicht von Bad Hersfeld, sondern von Frankfurt. Denen haben Sie hier mit diesem Beitrag das Wort geredet.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Staatsministerin Hinz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es stellt sich aus meiner Sicht auch die Frage, ob dieser Gesetzentwurf der LINKEN und der Antrag der SPD zur gegenwärtigen Situation auf dem Wohnungsmarkt passen und ob es die richtigen Instrumente sind, die wir im Moment zusätzlich brauchen.

Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass sich der spekulative Leerstand erhöht hat – ganz im Gegenteil. Wir hatten das Gesetz über das Verbot der Umwandlung von Wohnungen in Büro- oder Gewerberäume. Heute haben wir eine ganz andere Situation in Hessen – vor allen Dingen im Rhein-Main-Gebiet.

Dort haben wir ein hohes Überangebot an Büroräumen. Die Kollegin Feldmayer hat bereits darauf hingewiesen. Allein im Frankfurter Stadtgebiet stehen schätzungsweise 1,5 Millionen m² Bürofläche leer. Deswegen werden Büroflächen derzeit in Wohnungen umgewandelt – in Frankfurt z. B. jedes Jahr mindestens 500 Büros in Wohnungen. Seit 2008 wurden auf diesem Weg mehr als 3.500 Wohnungen gewonnen.

Auch die soziale Wohnraumförderung profitiert davon, dass Büro- und Gewerbeflächen umgewandelt werden. Zwei aktuelle Beispiele: Das ehemalige Gebäude des Arbeitsgerichts in Wiesbaden wird gerade in 87 Studentenapartments umgebaut, und in Offenbach entsteht auf dem

alten Gelände von MAN Roland ein neues urbanes Quartier mit 172 Wohnungen, darunter 50 geförderte Sozialwohnungen. Das ehemalige Siemens-Gelände in Frankfurt wird momentan bebaut – unter anderem durch die Nassauische Heimstätte –, ebenfalls mit einem hohen Anteil an Sozialwohnungen.

Sie sehen also: Die Umwandlung von Büro- und Gewerberaum in Wohnraum leistet einen wichtigen Beitrag zur Verringerung des Wohnungsmangels, gerade auch für Menschen, die zu wenig Geld haben, um sich hochpreisige Wohnungen zu leisten. Deswegen ist es höchst fraglich, ob es des Gesetzentwurfs bedarf, den DIE LINKE hier vorgelegt hat.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Heinz Lotz (SPD))

Auch der Leerstand von Wohnraum ist auf angespannten Wohnungsmärkten kein Thema. Vor allen Dingen in Südhessen haben wir eine Leerstandsquote von weit unter 3 %. Das heißt, wir haben in diesen Regionen keinen nennenswerten spekulativen Leerstand. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

Die Landesregierung hat eine Reihe von wirkungsvollen Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Mieterinnen und Mieter in Hessen besser zu schützen. Zum Beispiel die Kappungsgrenzenverordnung: In 29 Gemeinden darf dabei die Bestandsmiete innerhalb von drei Jahren um nicht mehr als 15 % bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete steigen. Oder die neue Mietpreisbremse, die in 16 Kommunen gilt: Die Miete darf bei der Wiedervermietung von Wohnungen um maximal 10 % steigen.

Wissen Sie, was das jeweilige Kriterium ist, damit diese Verordnungen greifen? – Die Leerstandsquote. Die muss gering sein, denn das ist ein Ausdruck von Wohnraummangel. Deswegen würde Ihr Gesetzentwurf dort, wo Sie, indem Sie die Umwandlung verbieten, so tun, als müsste man zusätzlichen Wohnraum schaffen – nämlich im RheinMain-Ballungsraum –, gar nicht greifen. Daher ist Ihr Gesetzentwurf in der Wirkung höchst fraglich.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr verehrte Abgeordnete, wir haben auch die Kündigungssperrfristverordnung verlängert. Sie bietet guten Schutz in neun hessischen Kommunen, in denen bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen – bei Kündigungen – eine verlängerte Kündigungsfrist von fünf Jahren gilt.

Die Stadt Frankfurt hat Erhaltungssatzungen als Milieuschutzsatzungen beschlossen. Das heißt, auch hier gibt es zusätzlichen Schutz. Ich glaube, dass wir diese Wirkungen erst einmal abwarten sollten, bevor wir wiederum zu neuen Instrumenten greifen. Wir haben innerhalb von zwei Jahren viel Neues auf den Weg gebracht. Ab Juli greift auch die Fehlbelegungsabgabe, mit der die Kommunen zusätzlich wieder Wohnraum fördern können. Ich glaube, dass darauf in den nächsten Jahren das Hauptaugenmerk liegen muss.

Wir brauchen Zuschüsse und Darlehen dafür, dass zusätzliche Wohnungen gebaut werden können. Das ist der Hauptfokus unserer Anstrengungen in der nächsten Zeit. Ich bin den Mehrheitsfraktionen im Landtag sehr dankbar, dass sie mir für diese Wahlperiode 1 Milliarde € zur Verfügung stellen, um damit „hoffentlich“ etwa 10.000 Wohnungen in

der sozialen Wohnraumförderung zu bauen. Dazu kommt auch die Wohnungsbautätigkeit der Nassauischen Heimstätte, die gerade im Ballungsraum zusätzlich bezahlbaren Wohnraum schaffen soll. Ich glaube, das sind die wirkungsvollsten Instrumente, die wir derzeit haben und die wir zunächst einmal einsetzen sollten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus haben wir die „Allianz für Wohnen in Hessen“ eingerichtet. Dort wird nicht nur über Instrumente diskutiert, z. B. wie man kostengünstiger bauen kann – eventuell auch durch standardisiertes Bauen – oder wie man zu mehr Flächen, gerade im Ballungsraum, kommt, damit dort zusätzliche Wohnungen gebaut werden können.

Es gibt auch noch einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Thema „steuerliche Anreize für Investoren zur Schaffung zusätzlichen Wohnraums“. Auch diesen werden wir konstruktiv begleiten.

Ich glaube, dass dieser Fächer von Instrumenten, den ich jetzt aufgemacht habe, Ihnen zeigt, wie viele Anstrengungen bereits unternommen werden. Wir sollten jetzt erst einmal die Wirkungen in der Konsequenz abwarten, bevor wir am Ende Instrumente in die Hand nehmen, die zum Gegenteil führen, nämlich dazu, dass Investoren eher abgeschreckt werden. Ich glaube, dass wir in der Anhörung und in der Auswertung im Ausschuss noch genügend Gelegenheit haben werden, vertiefend darüber zu diskutieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Schaus. Die Redezeit beträgt fünf Minuten.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, dass wir uns mit einem sehr komplexen Thema beschäftigen, und ich bin allen dankbar dafür – Herrn Siebel und Frau Feldmayer –, dass sie bei unterschiedlicher Bewertung auch die eigenen Unsicherheiten, die es dabei in manchen Fällen gibt, angesprochen haben.

Herr Caspar, ich bin nicht überrascht, dass ich bei Ihnen den Eindruck hatte, Ihre Argumentation entspreche eher der von Haus & Grund. Das überrascht mich nicht. Um den Gegensatz deutlich zu machen, sage ich: Unsere Argumentation – dazu bekenne ich mich – entspricht eher der des Mieterbunds. Das macht den Unterschied in dieser Diskussion aus und erklärt natürlich auch die Weichenstellung.

Ich will bei diesem komplexen Thema ausdrücklich noch einen Hinweis geben. Es ist in der Tat ein komplexes Thema; denn es hat ganz viele Auswirkungen. Das haben wir auch bei der Entwicklung dieses Gesetzentwurfs gemerkt, der ganz anders aussieht und viel weiter entwickelt ist als der, den wir 2012 zusammen mit Experten vorgelegt hatten – Experten, die noch praktische Erfahrungen mit dem Wohnraumzweckentfremdungsgesetz hatten, das bis 2004 galt. Mit ihnen haben wir darüber diskutiert.

All das ist auch in den Gesetzentwurf eingeflossen. Es mag sein, dass die Vorbemerkung an der einen oder anderen Stelle etwas zu kurz gegriffen hat. Aber die Vorbemerkung ist nicht das Gesetz. Herr Caspar, das Gesetz sind die Paragrafen und die Art und Weise, wie es zu interpretieren ist.

Daher will ich all diejenigen, die die Leerstandsquote als Gegenargument vorgebracht haben – Frau Ministerin, auch Sie haben das jetzt angesprochen –, auf Folgendes hinweisen: Die Leerstandsquote, ob sie nun bei 1,9 % wie in Frankfurt oder bei 3 % wie in der südhessischen Region liegt, ist bei dem Thema „Leerstand, der zu spekulativen Zwecken geschaffen wird“ nicht als Gegenargument zu verwenden; denn sie erfasst diesen überhaupt nicht.

Die Quote für den Leerstand aus spekulativen Zwecken liegt mit Sicherheit weit unter den eben angesprochenen wenigen Prozent. Aber schauen Sie einmal in den Leerstandsmelder für Frankfurt hinein: Sie werden dort Hunderte von Wohnungen finden, bei denen es heißt, dass sie seit zwei oder drei Jahren leer stehen. Das ist zumindest ein Indiz.

Unser Gesetzentwurf soll den Kommunen die Möglichkeit bieten, hier tätig zu werden. Herr Caspar, es ist notwendig, sozusagen Grundrechte einzuschränken, damit die Mitarbeiter einer Behörde das überprüfen und in eine Wohnung gehen können, um sich das anzuschauen: Was ist denn nun? Ist die von Miet- in Büroraum umgewandelt worden? Oder steht sie leer? Ist sie überhaupt noch vermietbar? – Das ist der Hintergrund.

(Michael Boddenberg (CDU): Was reden Sie eigentlich? – Ulrich Caspar (CDU): Normalerweise braucht man gerichtliche Beschlüsse zum Betreten einer Wohnung!)