Protokoll der Sitzung vom 19.05.2016

Wie ist die Situation in der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs in Hessen, und über was debattieren wir im Hessischen Landtag auch immer wieder bei der Frage, wie wir dazu kommen, dass wir nicht nur den Status quo halten, sondern den ÖPNV besser machen? Das Thema des ländlichen Raums hat die Kollegin Wissler angesprochen. Der Aspekt des Ballungsraums ist angesprochen worden. All diese Debatten beschäftigen uns schon seit Langem.

Ich habe diese Woche vom Kollegen Rudolph gelernt: Wenn Minister Al-Wazir einmal etwas gesagt hat, dann ist das so, und dann ist das auch richtig. – Herr Minister, in dem Punkt sind wir uns hier alle einig: 2014 haben Sie gesagt, der Nahverkehr soll nicht schlechter werden, sondern wir bemühen uns, dass er besser wird. Am Ende dieses Absatzes kommt das, was ich zitieren will. Da bin ich nämlich bei dem großen Dissens hier. Herr Minister, Sie sagen, wir bräuchten in Hessen mehr Mittel und nicht weniger Mittel, um die Aufgaben erfüllen zu können – recht haben Sie.

Die Frage ist aber doch entsprechend: Gehen Sie da von dem Beschluss der Verkehrsministerkonferenz 2014 aus, wozu wir sagen, das ist noch gar nicht das, was wir eigentlich bräuchten, aber ein guter Weg? Wenn wir das hinbekommen, haben wir, was die Verteilung der Regionalisierungsmittel angeht, für Hessen einen guten Schritt gemacht. Das Ergebnis, das 2015 herausgekommen ist, liegt noch einmal deutlich unter dem, was Sie damals so vehement als das Minimum verteidigt haben, das wir unbedingt brauchen, um den ÖPNV in Hessen ausbauen und weiter vorantreiben zu können.

Frau Müller, deswegen hätte ich mich gefreut, wenn in Ihrem Antrag auch einmal irgendein Wort dazu kommen würde, was denn am Ende des Tages die Verantwortung des Landes Hessen ist, angesichts dieser Lage im Moment nach 2015 – das ist der Kompromiss zwischen den Ländern und dem Bund – und der Frage, was nachher in Hessen dafür zur Verfügung stehen wird. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie sich endlich einmal wieder zu dem bekennen, was Sie immer wieder völlig zu Recht gefordert haben, worin wir uns einander gegenseitig unterstützt haben und wozu früher einmal auch der Minister befürwortend Position bezogen hat: dem Punkt, dass das Land Hessen das mit eigenen Mitteln vorantreiben muss.

Da brauche ich keine Prüfaufträge. Das ist das, was Sie im Koalitionsvertrag geschrieben haben. Am Ende sagen Sie: Wir diskutieren darüber und schauen einmal, was wir dann brauchen. Wir prüfen. – Wenn Sie es schneller haben wollen, gehen Sie einmal zu den Verbünden und fragen dort konkret, was an Defiziten vorliegt und wo die Lücken sind, um den Service ausbauen zu können, ihn aufrechterhalten zu können, in all der Qualität und dem Ausbau der Qualität, wie wir es uns hier vorstellen.

Dann sehen Sie, dass wir die ganze Frage am Ende des Tages nur damit lösen können, dass wir sagen können: Es gibt einen Kompromiss auf Bundesebene. Mit diesen Mitteln haben wir eine Grundlage zur Finanzierung des ÖPNV in Hessen geschaffen. Aber am Ende des Tages wissen wir, dass das nicht der letzte Schritt sein kann, weil wir mit eigenen Mitteln diesen Weg vorangehen können. Deswegen wäre es richtig gewesen, wenn Sie das letztes Jahr schon im Herbst hier beantragt hätten.

Wenn Sie uns bei unseren Haushaltsanträgen zum Haushalt 2016, wo wir gesagt haben: „Wir wissen, dass wir da eine Lücke haben, und deswegen gehen wir mit dem Vorschlag rein, das mit 10 Millionen € an originären Landesmitteln zu versehen“, einfach einmal unterstützt und zugestimmt hätten, dann wären wir in diesem Bereich heute in Hessen sicherlich schon weiter.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Kollege Frömmrich hat eben in der Debatte gesagt: Manchmal muss man in der Regierung flexibler sein. – Flexibilität durch Mobilität ist sicherlich richtig und wich

tig. Aber eine solche Flexibilität in der eigenen inhaltlichen Position schadet am Ende dem eigenen Anliegen, gerade dann, wenn es ein solcher Kernbestandteil von Verkehrspolitik für das Bundesland Hessen ist. Deswegen, Herr Minister: Wenn Sie 2014 beim Kompromiss der Verkehrsministerkonferenz deutlich gemacht haben, dass das das Maß ist, was wir in Hessen als Minimum brauchen, um unseren ÖPNV solide zu finanzieren und ausbauen zu können, der Bund-Länder-Kompromiss aber hinter dem zurückbleibt, dann müssen Sie erklären, wie Sie das qualitativ entsprechend voranbringen, und dann sind wir bei der Frage der Finanzierung, bei dem, was das Land Hessen hier zu leisten hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt viele richtige und wichtige Beschreibungen – das wird in beiden Anträgen mit angesprochen – der Bedeutung des öffentlichen Personennahverkehrs. All diese Punkte sprechen Sie mit an: die Bedeutung von Teilhabe, von Mobilität insbesondere im ländlichen Raum, aber auch die Verkehrssituation im Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main. Frau Kollegin Wissler, ich bin sehr gespannt auf eine Debatte über die Frage einer grundsätzlichen Veränderung der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs und über ähnliche Dinge mehr. Darauf sind wir sehr gespannt, wenn denn jetzt Schwarz-Grün mitmacht, sich einmal anzuschauen, wie sich das verändert. Am Ende aber in ihrem eigenen Antrag nur zu begrüßen, was im ÖPNV-Gesetz steht,

Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Kollege.

dass die Regionalisierungsmittel an die Verkehrsverbünde durchgereicht werden, ist für einen Antrag von SchwarzGrün ein bisschen wenig.

(Günter Rudoph (SPD): Ja!)

Deswegen: Es ist schön, dass wir darüber gesprochen haben. Aber, Herr Minister, Sie haben noch eine ganze Menge Arbeit vor sich. Am Ende wird es nur mit eigenen Landesmitteln gehen und nicht ohne. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. Lenders für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Ende einer Plenarwoche wäre es dumm, hier noch irgendwelche großen Konflikte aufzumachen.

(Zuruf von der SPD: Warum?)

Ich glaube, dass alle Redner die Aufgaben des ÖPNV gut beschrieben haben. Klar, aus unserer Sicht besteht die Herausforderung gerade darin, den ÖPNV im ländlichen Raum bezahlbar zu halten und vor allen Dingen das Angebot aufrechtzuerhalten. Am Ende wird es sich immer darum drehen: Wie können wir den ÖPNV finanzieren?

Meine Damen und Herren, Staatsminister Al-Wazir hat die Dynamisierung der Bundesmittel groß angekündigt; da war einmal von 2,5 % die Rede; ausgehend von 1,5 % sind wir dann bei 1,8 % gelandet, immerhin 0,3 Prozentpunkte mehr. Respekt, das ist trotzdem ein Erfolg. Aber nun zu dem, was meine Vorredner schon gesagt haben: Wie sieht es denn eigentlich mit der Dynamisierung der eigenen Landesmittel, der eigenen Anteile, aus? Wo kommt denn dann eigenes Landesgeld her? Der ÖPNV speist sich zum Teil auch aus den KFA-Mitteln. Wenn man sich das einmal anschaut, dann muss man feststellen: Eine Dynamisierung beim KFA ist überhaupt nicht vorgesehen. Das hätte die Landesregierung schon längst ändern können. Die Frage: „Wie viel an eigenen Landesmitteln stellen wir denn zur Verfügung?“, wollen wir ganz klar auch daran festmachen, wie hoch denn der tatsächliche Bedarf ist und wo noch Einsparpotenziale liegen. Für die FDP kann ich deutlich sagen: Ja, wir sind auch bereit, eigene Landesmittel zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD))

Wir wissen, dass die Finanzierung durchaus auskömmlich geplant war. Wenn man sich aber einmal die Zeitachse und den Finanzierungsbedarf des ÖPNV genau anschaut, dann stellt man eben fest, dass es selbst beim besten Szenario spätestens 2018/2019 nicht mehr reichen wird, und dann bin ich, Frau Kollegin Wissler, noch gar nicht dabei, dass man das Angebot ausweiten will, wie Sie das fordern, sondern es geht nur darum, das Angebot zu halten.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja!)

Wir wissen, dass das nicht mehr auskömmlich ist, was im Moment an Mitteln zur Verfügung steht. Daher werden wir nicht drum herumkommen, die Frage zu beantworten: Ist das Land bereit, nicht nur immer schönen Worten Folge zu leisten, sondern auch einmal eigenes Geld in die Hand zu nehmen? – Wir sind hierzu ausdrücklich bereit.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie der Abg. Ja- nine Wissler (DIE LINKE))

Es ist aus unserer Sicht allerdings so – das ist der Umkehrschluss –, dass man sich auch einmal die strukturellen Reformen anschauen muss. Wir haben in unserer Regierungsverantwortung versucht, die Einsparpotenziale der Verbünde zu heben. Auf freiwilliger Basis sollten Synergien genutzt werden. Wir haben auch klar gesagt: Diese Einsparpotenziale, die dort gehoben werden, sollen aber im Angebot bleiben. Es darf nicht sein, dass diese Einsparpotenziale dazu führen, dass dann die Zuwendungen des Landes gekürzt werden, sondern diese sollen im Angebot verbleiben.

Ich befürchte nun einfach, dass diese Freiwilligkeit, mit der man versucht hat, diese Synergien zu heben, bisher noch nicht allzu weit geführt hat. Ich glaube, dass wir die Zusammenarbeit von NVV und RMV im Sinne der Fahrgäste nutzen müssen und dass wir diese Synergien stärker heben müssen. Ohne die Bereitschaft, eigenes Geld in die Hand zu nehmen, ohne die Einsparpotenziale, die vor allen Dingen in der Verwaltung, im Management, in der Struktur, im Wasserkopf liegen, zu heben, wird es am Ende zu Einschränkungen kommen, und zwar zu Einschränkungen der Fahrgäste. Kein anderer ist betroffen als derjenige, der den Bus, die Straßenbahn benutzt. Das sind die Pendler, die jeden Tag zur Arbeit fahren müssen; das sind viele Schülerinnen und Schüler. Von diesen Menschen reden wir

und von keinen anderen. Das hat auch ein bisschen etwas mit Ehrlichkeit zu tun, wenn man über den ÖPNV spricht.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind gern dabei, konstruktiv mitzuarbeiten. Die vorliegenden Anträge scheinen uns aber nicht besonders ausgewogen zu sein. Darin schließe ich mich durchaus den Vorrednern von der SPD an. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Abg. Caspar für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Hessen ist Mobilität für die Menschen von besonderer Bedeutung. Für Hessen ist es auch sehr wichtig, dass wir eine gute Verkehrsinfrastruktur haben. Das gilt sowohl für den Bereich des Warentransports als auch für die Mobilität der Menschen. Die Mobilität der Menschen ist sowohl im ländlichen Raum als auch im Ballungsraum wichtig. Während wir im ländlichen Raum allerdings die Probleme haben, dass es durch die Reduzierung der Bevölkerungszahl immer schwieriger wird, ein gutes Angebot aufrechtzuerhalten, haben wir in den Ballungsräumen die Herausforderung, das Mehr an Mobilität aufzufangen, und zwar mit einem besseren Angebot an öffentlichem Personennahverkehr.

Deswegen sind wir in Hessen sehr froh, dass unsere Verhandlungsführer auf Bundesebene, insbesondere Herr Staatsminister Al-Wazir, erreichen konnten, dass die Regionalisierungsmittel, die wir vom Bund bekommen, erhöht worden sind. Die Länder bekommen insgesamt 8 Milliarden €, und das indexiert. Wenn man sich die Indexierung anschaut, kann man schnell ausrechnen, dass aus den 8 Milliarden € in sechs weiteren Jahren 9 Milliarden € werden, und in fünf weiteren Jahren werden aus den 9 Milliarden € 10 Milliarden €. Mit der Indexierung haben wir insofern auch eine Perspektive für die weitere Entwicklung dieser Mittel.

Was wir noch nicht abschließend wissen, ist, in welcher Form die genaue Aufteilung erfolgen wird. Dazu bedarf es noch der Verordnung des Bundes, die der Bund im Einvernehmen mit den Ländern ebenfalls erstellen will. Allerdings würde das für Hessen keinen großen Unterschied machen. Es geht nämlich darum, ob die Mittel entweder nach dem Königsteiner Schlüssel oder, was die Länder einmal in diesem Zusammenhang vorgeschlagen hatten, nach dem Kieler Schlüssel verteilt werden. In beiden Fällen würden sich die Mittel für Hessen etwa zwischen 7,3 % und 7,8 % bewegen, je nachdem, wie die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Jahren sein wird.

Da brauchen wir zwar noch Klarheit, aber von der Größenordnung her ist das nicht das Entscheidende. Deswegen war es völlig richtig, dass die Landesregierung, nachdem der Bund diese Vereinbarung mit den Ländern getroffen hat und wir wussten, dass sich die Mittel für den ÖPNV damit erheblich erhöhen können, den Verkehrsverbünden mitgeteilt hat, dass ihnen diese Mittel 1 : 1 zur Verfügung gestellt werden. Das ist eine sehr gute Entscheidung, weil

damit den Verkehrsverbünden auch Planungssicherheit gegeben ist.

Alles in allem kann man feststellen: ein gutes Verhandlungsergebnis, das in Hessen auch hervorragend umgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Staatsminister Al-Wazir.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen eine Verkehrswende hin zu umweltgerechter und klimaschonender Mobilität. Wir wollen es attraktiver machen, dass Menschen auf Alternativen zum Auto umsteigen. Dafür brauchen wir gute alternative Angebote und Verkehrskonzepte. Dazu gehört auch die Förderung des Fuß- und Radverkehrs. Wir unterstützen das mit der neu geschaffenen AG Nahmobilität. Wir brauchen aber vor allen Dingen auch einen attraktiven öffentlichen Personennahverkehr. Der kostet Geld.

Wir haben auf Bundesebene für die Aufstockung der Finanzierung des Regionalverkehrs gekämpft. Wir waren erfolgreich. Ich will aber ausdrücklich sagen: Natürlich könnte man sich immer noch mehr wünschen. Es ist auch nicht so, dass die getroffenen Vereinbarungen zu den Regionalisierungsmitteln zwischen Bund und Ländern bedeuten, dass jetzt paradiesische Zustände eintreten.

Es ist aber ein vernünftiger Kompromiss: 8 Milliarden € für die Bundesländer insgesamt, 1,8 % Erhöhung jedes Jahr. Das schafft eine verlässliche und langfristig belastbare Grundlage für die Finanzierung, insbesondere des Schienenpersonennahverkehrs. Das könnte Planungssicherheit in diesem Bereich bis zum Jahr 2031 bringen, wenn wir endlich wüssten, nach welchem Schlüssel das Ganze verteilt wird.

Deswegen auch von dieser Stelle aus: Wir brauchen Rechtssicherheit, und wir brauchen einen Verteilungsschlüssel, den das Bundesverkehrsministerium jetzt vorlegen muss, damit wir Klarheit haben, wer wie viel bekommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um Ihnen einmal zu verdeutlichen, wie die momentane Situation ist: Bis Juni, also bis nächsten Monat, verteilt der Bund lediglich den Betrag aus dem Jahr 2015 von 7,4 Milliarden € nach dem alten Schlüssel. Er sagt, dass es eine endgültige Verrechnung später geben wird. Wir wissen bis heute nicht, wie eine solche Verrechnung aussehen könnte.

Deswegen sage ich sehr deutlich: Ja, wir verhandeln mit den Verbünden, das ist klar. Es ist völlig klar, dass wir im Jahr 2016 kein Problem haben. Wir haben noch einen laufenden Finanzierungsvertrag, und die Verbünde haben gesagt, NVV und VRN, dass sie mit dem gegenwärtigen Geld auskommen. Der RMV kommt nicht aus. Deswegen haben wir ihm mit Zustimmung der anderen Verbünde einen Vorabzuschlag zugesagt. Die Bestellungen für das nächste Jahr werden aber jetzt ausgelöst.

Ich kämpfe dafür, dass wir bald Klarheit bekommen. Wir wollen eine neue Finanzierungsvereinbarung mit einer Laufzeit von fünf Jahren von 2017 bis 2021 abschließen. Daran arbeiten wir mit Hochdruck.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Einen Punkt will ich noch erwähnen: die Infrastrukturkosten, nämlich die Trassen- und Stationspreise. Da hat der Bund bisher nicht geliefert. Wir haben uns geeinigt, dass sichergestellt werden muss, dass diese Trassen- und Stationspreise nicht immer stärker steigen.